parat 71

Werbung
Ausgabe September 2002
Politik und Recht – PaRat 71
750
Personalrecht
Politische Werbung am Arbeitsplatz
Kürzlich fand das interne Rundschreiben
eines Bereichschefs an seine Mitarbeitenden
erhebliche Resonanz in den Medien. Der
«Hirtenbrief» wies nicht nur auf die Folgen von
parlamentarischen Sparanstrengungen hin,
sondern forderte zugleich unmissverständlich
auf, bei den nächsten Wahlen jene – zuvor zum
Teil namentlich genannten – Parteien nicht
mehr zu berücksichtigen, die extreme Sparpostulate verfechten. Sind solche politischen
Ratschläge zulässig?
sind eingebettet in das demokratische System
mit seinen direkten und repräsentativen Komponenten. Um die politische Willensbildung
nicht zu verfälschen, ist es dem Staat und seinen Organen nur in bestimmten Grenzen, die
vom Bundesgericht in verschiedenen Urteilen
definiert worden sind, erlaubt, Propaganda zu
betreiben. Der Staat ist in diesem Sinne dem
Grundsatz der «innenpolitischen Neutralität»
verpflichtet.
Amtliche Propaganda?
Privates Arbeitsvertragsrecht
Im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis sind
politische Meinungsäusserungen der Firmenleitung oder von Vorgesetzten grundsätzlich
erlaubt. Firmenzeitungen etwa spielen für die
Meinungsbildung bei Abstimmungen mit wirtschaftlicher Bedeutung eine nicht unerhebliche Rolle – auch wenn dies mitunter staatspolitisch als fragwürdig erscheinen mag.
Einschränkungen ergeben sich aus der firmeninternen Hierarchie. Übergeordnete Stellen
können Weisungen erteilen, welche Firmendoktrin zu vertreten ist. Davon nicht direkt
betroffen sind die privaten Meinungsäusserungen von Kadern und Mitarbeitenden, wenn
sie nicht für die Firma, sondern persönlich im
Rahmen der üblichen sozialen Kontakte am
Arbeitsplatz stattfinden. Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers umfasst auch seine
Meinungsäusserungsfreiheit. Sie findet ihre
Grenze in der Treuepflicht zum Arbeitgeber
und in den Persönlichkeitsrechten der andern
Mitarbeitenden, die nicht einem politischen
«Propagandafeuer» ausgesetzt sein wollen.
Unzulässig ist insbesondere die Werbung
für oder gegen bestimmte Parteien. Das Verbot
betrifft sowohl die öffentliche Beeinflussung,
z.B. über die Medien, als auch interne Massnahmen, wie etwa interne Rundschreiben an
die Mitarbeitenden, Verteilen, Auflegen oder
Aufhängen von Werbemitteln in kantonalen
Räumlichkeiten usw. Geht es nicht um Parteiwerbung, sondern um politische Sachfragen
oder Abstimmungsvorlagen, ist der Grundsatz
weniger rigide. Im Rahmen der Weisungen des
Regierungsrats bzw. der Direktionsvorsteherinnen und -vorsteher ist die Verwaltung befugt,
über Fragen aus ihrem Aufgabenbereich sachlich zu informieren und intern und extern
über die Folgen bzw. Vor- und Nachteile bestimmter Massnahmen zu informieren. Sachlich
kann durchaus auch «engagiert» und «Reden
im Klartext» heissen, aber immer objektiv und
unter Berücksichtigung des Zuverlässigkeitsgrads der gemachten Aussagen. Bei Abstimmungen sind die externen Informationskanäle zu benutzen, nicht der Weg über interne Personalmitteilungen.
Meinungsaustausch am Arbeitsplatz?
Innenpolitische Neutralität
Beim Staat liegen die Verhältnisse anders.
Oberster «Chef» im Staat ist der Souverän, das
Volk, das seinen Willen in Abstimmungen und
Wahlen äussert. Regierung und Verwaltung
Von den Meinungsäusserungen und Informationen im Rahmen der amtlichen Tätigkeit
zu unterscheiden sind die privaten Meinungsäusserungen am Arbeitsplatz. Sie haben im
wesentlichen den gleichen Freiheitsgrad bzw.
3
4
PaRat 71 – Politik und Recht
die gleichen Grenzen wie im privaten Arbeitsverhältnis. Einschränkungen sind zulässig,
wenn dies im Interesse des Betriebsfriedens
und der betrieblichen Abläufe notwendig ist.
So kann beispielsweise das Sammeln von
Unterschriften für politische Anliegen am Arbeitsplatz untersagt werden, sofern es sich
751
nicht um ein mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängendes gewerkschaftliches Anliegen handelt. Selbstverständlich muss auch
eingeschritten werden, wenn sexistische, rassistische oder sonstige rechtswidrige Sprüche
geklopft werden.
(Da)
Personalrecht
Keine Sperrfrist während der Probezeit –
Lohnfortzahlungspflicht vom ersten Arbeitstag an
Es kommt immer wieder vor, dass jemand
während der Probezeit aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls ganz oder teilweise
arbeitsunfähig wird. Wie ist in solchen Fällen
die Sperrfrist einerseits und die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers andererseits geregelt; gibt es Unterschiede zur Situation nach
Beendigung der Probezeit?
Nach § 20 des Personalgesetzes (PG) richten
sich Tatbestand und Rechtsfolgen der sog.
Kündigung zur Unzeit nach den Bestimmungen des Obligationenrechts (OR). Gemäss
Art. 336c OR darf nach Ablauf der Probezeit
der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht
kündigen, während Arbeitnehmende ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder Unfall
an der Erbringung der Arbeitsleistung verhin-
e Zitat
«Wenn einem Autor der Atem ausgeht, werden die
Sätze nicht kürzer, sondern länger.»
(John Steinbeck)
dert sind, und zwar – je nach Dienstjahr –
während 30, 90 oder 180 Tagen (vgl. Art. 336c
Abs. 1 lit. b. OR). Während der Probezeit gelangt die Sperrfrist demnach nicht zur Anwendung. Wurde auf eine Probezeit verzichtet
oder wurde diese auf weniger als drei Monate
festgelegt, gilt der Kündigungsschutz von Anfang an bzw. nach Ablauf der verkürzten Probezeit. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung der Probezeit über
drei Monate hinaus nicht möglich ist – mit
Ausnahme der in § 14 Abs. 3 PG abschliessend
aufgezählten drei Fälle, vgl. dazu schon
PA-INFO-Artikel 577/Ausgabe 51/Oktober 1999.
Anders als bei der Sperrfrist besteht in Bezug auf die Lohnfortzahlung zwischen Obligationenrecht und Personalrecht keine einheitliche Regelung. Gemäss Art. 324a OR besteht
beim unbefristet eingegangenen Anstellungsverhältnis erst dann ein Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn es mehr als drei Monate gedauert hat. Eine solche Karenzfrist sieht das
Personalrecht nicht vor; die Lohnzahlung
gemäss § 99 VVO gelangt von Anfang an zur
Anwendung. Namentlich in den Fällen, in denen eine Krankentaggeldversicherung besteht,
werden freilich auch in der Privatwirtschaft
schon wesentlich früher Geldleistungen erbracht.
(Ro)
Herunterladen