Bauernblatt 8. August 1998 Die Großschmetterlinge Schleswig-Holsteins Wie fliegende Blumen im Sommerwind . . . S ie sind schön wie fliegende Blumen im Sommerwind und weil Schmetterlinge darüberhinaus als friedfertig und harmlos bekannt sind, haben sie es beim Menschen zu einer Beliebtheit gebracht, wie kaum ein anderes Kleingetier: Um sie in unsere Nähe zu locken, pflanzen wir Schmetterlingsflieder und die Schönsten von Ihnen züchten und bewundern wir in Schmetterlingsgärten. Nichtsdestotrotz gehören die Zeiten, in denen es bei uns auf Wiesen, in Gärten und auf Lichtungen von bunten Faltern wimmelte, eher zur Erinnerung der älteren Generation als zur heutigen Wirklichkeit. Das Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein LANU wollte wissen, wie es um unsere Schmetterlinge bestellt ist und beauftragte den Diplom-Biologen Detlef Kolligs mit ihrer Erforschung und Erfassung. Vier Jahre lang kartierte er gemeinsam mit dem Schmetterlingsexperten Hartmut Wegner, sichtete umfangreiche Sammlungen und Literaturdaten und wertete die Funde aller in Schleswig-Holstein arbeitender Schmetterlingskundler aus. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Untersuchungen liegen jetzt in Form der aktuellen Roten Liste der Großschmetterlinge Schleswig-Holsteins vor, herausgegeben vom LANU. Erstmalig für Schleswig-Holstein gibt es hiermit eine umfangreiche Checkliste sämtlicher bei uns lebender Großschmetterlinge und ihrer derzeitigen Gefährdungssituation, aber auch Wiederfunde verschwunden geglaubter Umwelt Schön und überall häufig: Der Kleine Fuchs läßt sich leicht in Gärten locken. Während der farbenprächtige Falter ein Blütenbesucher ist, benötigen seine Raupen sonnige Brennesselbestände. Arten und einige Neuentdeckungen. Da Schmetterlinge als empfindliche und in allen Landlebensräumen anzutreffende Tiergruppe sich besonders gut als Indikatoren zur Beurteilung von Gebieten eignen, hofft das Landesamt für Natur und Umwelt, mit den vorliegenden Ergebnissen dazu beizutragen, daß Schmetterlinge, insbesondere die Nachtfalter, künftig noch stärker bei Umweltverträglichkeitsprüfungen und bei der Planung von Schutzgebieten herangezogen werden. Wir sprachen mit Detlef Kolligs, dem Verfasser der in diesen Tagen erscheinenden Roten Liste der Großschmetterlinge Schleswig-Holsteins. Wie sieht die Bilanz der aktuellen Roten Liste aus? Insgesamt wurden in Schleswig-Holstein 801 verschiedene Nachtfalter und 84 Tagfalterarten nachgewiesen. Von den Nachtfaltern erscheinen 37 Prozent als gefährdet auf der aktuellen Roten Liste, von den Tag- und Dickkopffaltern sind es sogar 64 Prozent. Was sind die Ursachen für die Gefährdung der Schmetterlinge in Schleswig-Holstein? Das Kleine Nachtpfauenauge, ist gefährdet: Weil seine Raupen vor allem an Besenheide fressen, benötigt der Falter zum Überleben Heidegebiete und Hochmoorränder. Während die Weibchen sich tagsüber in der Heidevegetation verstecken, fliegen die Männchen, angelockt von den Sexuallockstoffen der Weibchen, in den Nachmittagsstunden bis zu mehrere Kilometer weit. 18 Die Hauptursache für die Bedrohung der Schmetterlinge liegt in der Zerstörung ihrer Lebensräume. Neben sogenannten Allerweltsarten, die sich auch in einer vom Menschen bewirtschafteten Landschaft vermehren können, sind viele Schmetterlinge als Raupe und häufig auch als blütenbesuchender Falter an ganz bestimmte Pflanzen in natürlichen Lebensräumen gebunden. Aber das bloße Vorhandensein der jeweiligen Pflanzenart reicht oftmals nicht aus; besonders anspruchsvolle Schmetterlinge benötigen ein enges Nebeneinander bestimmter Lebensräume, damit die unterschiedlichen ökologischen Ansprüche von Raupe und Falter 8. August 1998 Bauernblatt erfüllt werden können. Jede kleine Änderung kann hier ihre Existenz bedrohen. Welche Lebensräume sind in Schleswig-Holstein besonders gefährdet? Zu den am stärksten gefährdeten Schmetterlingslebensräumen gehören in Schleswig-Holstein Hochmoore, Heiden und Küstengebiete. So stehen heute sämtliche auf das Hochmoor angewiesenen Schmetterlinge auf der Roten Liste und fast alle der auf Heiden lebenden Arten. Von überregionaler Bedeutung ist die Sicherung der schleswig-holsteinischen Küstenlebensräume für Schmetterlinge. Bedroht sind zum einen die Strand- und Dünenbereiche, z.B. durch Erholungssuchende und zum anderen die Salzwiesen durch Eindeichungen und zu intensive Beweidung. Wie könnten die Schmetterlinge dieser bedrohten Lebensräume künftig besser geschützt werden? Bei Anstaumaßnahmen im Hochmoor sollte darauf geachtet werden, daß der Wasserstand nur sehr langsam über einen längeren Zeitraum angehoben wird, damit die Eier und Puppen nicht ertrinken. Da viele Schmetterlinge auf Bäume wie Birken als Nahrungspflanzen angewiesen sind, sollten Pflegemaßnahmen wie das Entfernen dieser Bäume stets nur kleine Teilbereiche der Fläche erfassen. Von Bedeutung ist auch der Schutz angrenzender, blütenreicher Feucht- und Niedermoorwiesen, auf denen viele sonst hochmoorgebundene Schmetterlinge nach Nahrung suchen, sowie eine Pufferzone um das Moor, die den unmittelbaren Eintrag von Düngemitteln und Schadstoffen vermindert. Die größte Gefahr für heidebewohnende Arten besteht neben der unmittelbaren Zerstörung und dem Eintrag von Nährstoffen in der gleichförmigen Pflege der Heiden. Heideschmetterlinge haben sehr differenzierte ökologische Ansprüche. Ein breites Artenspektrum kann nur auf mosaikartig gepflegten Flächen mit einem Nebeneinander von vegetationsfreien Flächen und einzeln sonnig stehenden Bäumen und Buschgruppen erhalten bleiben. Für die Schmetterlinge der Küstenlebensräume ist es wichtig, auch Strandbereiche in Schutzgebiete miteinzubeziehen und wertvolle Braundünengebiete nicht als Parkplätze zu benutzen. In Schleswig-Holstein selten und gefährdet: Der Schönbär hat aufgrund seiner klimatischen Ansprüche bei uns eine natürliche Verbreitungsgrenze. So kommt er in feuchten Niedermoorbereichen und Bachtälern des Lauenburgischen vor, wo seine Raupe wenig wählerisch z. B. von Brennesseln, Disteln und Weiden lebt. für den Gebrauch von Giften, Düngemitteln und Torf. Je naturnäher ein Garten gestaltet ist, desto mehr Arten werden dort Lebensraum finden. Empfehlenswert sind Sträucher wie Schlehe, Weißdorn oder Heckenrose, aber auch alte, hochstämmige Obstsorten. An Eichen, Birken, Weiden oder Zitterpappeln leben ebenfalls viele Falterarten. Ein abwechslungsreiches Angebot einheimischer Blumen sorgt dafür, daß sich Schmetterlinge beim Blütenbesuch beobachten lassen. Nicht jede kleine Ecke im Garten muß gepflegt werden, je mehr Raum der natürlichen Entwicklung gegeben wird, desto mehr Schmetterlinge können sich ansiedeln. Katrin Hecker Die „Großschmetterlinge Schleswig-Holsteins – Rote Liste“ ist erhältlich beim Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein LANU, Hamburger Chaussee 25, 24220 Flintbek, Tel. 04347-704243. Sie kostet ca. 8,00 DM zuzüglich Porto. Was kann jeder einzelne für den Schutz der Schmetterlinge in Schleswig-Holstein tun? Den Spezialisten unter den Schmetterlingen kann nur durch Erhalt und Förderung ihrer Biotope geholfen werden. Es gibt jedoch zahlreiche Arten, die dem Menschen in den Siedlungsbereich beziehungsweise in die Gärten folgen. Für Nachtfalter ist es beispielsweise wichtig, die Beleuchtung im Außenbereich zu minimieren. Überlegungen, ob die Lampen die ganze Nacht brennen müssen oder vielleicht ein Bewegungsmelder weiterhilft sind ebenso sinnvoll, wie der Einsatz von Natriumdampflampen für die Beleuchtung. Exotische Blumen und Gehölze haben wie der gepflegte englische Rasen im Schmetterlingsgarten nichts zu suchen. Das gleiche gilt Ziehen mit den Vögeln: Die häufigen und bekannten Distelfalter kommen jedes Jahr von April bis Juni aus Afrika und dem südlichen Mittelmeerraum über die Alpen nach Schleswig-Holstein geflogen. Im Spätsommer ziehen die Nachkommen dieser Einwanderer wieder gen Süden. Fotos: Frank Hecker 19