Block I: Der Preis als Orientierungsgröße für den Konsumenten GfK-Daten zur Sicht der Verbraucher Claudia Gaspar Zwei Dinge würde ich aus den Befragungsergebnissen ableiten. Zum einen: Das Preis-Qualitäts-Schema wird durchaus differenziert gesehen. Das heißt, die Konsumenten machen sich ernsthaft Gedanken dazu. Das Thema Preis ist wichtig für sie. Und die zweite Erkenntnis: Das Preis-Qualitäts-Schema ist nicht komplett intakt, aber das Prinzip gilt offenbar noch. – Und: Es gibt heute nicht nur ein „Preis-Qualitäts-Schema“, sondern auch so etwas wie ein „Preis-Ethik-Schema“. Ich stehe jetzt hier, um die Sicht des Dritten im Bunde zu erläutern – neben den Herstellern und den Händlern ist das die Sicht der Verbraucher. Wer sollte vertrauter damit sein als ein Marktforschungsinstitut? Die gute alte Preis-Absatz-Kurve Claudia Gaspar, Diplomsozialpädagogin, seit 1986 bei der GfK in Nürnberg, seit 2007 im GfK Verein, heute dort Head of Knowledge Management Wir befinden uns mit unserem Themenblock bei einer Rückschau auf „Marke und Preisführung“. Auch ich möchte deshalb kurz mit einem historischen Rückblick beginnen und an die vermutlich älteste Sichtweise, wie sich die Verbraucher am Preis orientieren, erinnern. Wir kennen sie alle, die gute alte Preis-Absatz-Kurve (Abb. 1). Ich habe recherchiert und erstaunt festgestellt, dass die Wurzeln dieser Preis-Absatz-Kurve offenbar schon im Jahr 1838 zu finden sind und zwar bei dem französischen Mathematiker und Wirtschaftstheoretiker Cournot.1 Selbstverständlich hat sich mittlerweile einiges verändert, ist zwischenzeitlich Vieles weiter erforscht worden. Aber das Grundprinzip 1 Antoine-Augustin Cournot (1801–1877): Recherches sur les principes mathématiques de la théorie des richesses, Paris 1838 37 ist geblieben, nämlich die Annahme: je geringer die Preise, desto stärker die Nachfrage. Natürlich wissen alle Ökonomen, ebenso wie Sie und ich, dass das ein vereinfachtes Modell ist. Und wir wissen auch, dass Menschen aus Fleisch und Blut so nicht funktionieren. Denn sonst könnte das, was Sie auf Abb. 2 sehen, eigentlich nicht passieren. Das sind echte GfK-Daten von unserer Jahrestagung 2006. Sie sehen in der Vertikalen den Preis für Polo-Shirts verschiedener Anbieter und auf der Horizontalen die abgesetzten Stückzahlen in Millionen. Und Sie erkennen sofort, dass das mit einer Preis-Absatz-Funktion, wie wir sie klassisch kennen, nicht viel gemein hat. Claudia Gaspar 38 Doch das wundert uns nicht, da wir wissen: Es ist erstens normalerweise für die einzelnen Verbraucher gar nicht möglich, eine vollständige Markttransparenz zu haben; dazu sind die Märkte viel zu komplex. Und zweitens: Neben dem Preis spielen immer auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle. Marke oder Preis – ist das die Frage? 2009 haben wir eine Studie durchgeführt, in der wir für 18 verschiedene Warengruppen gefragt haben, ob deren Käufer in erster Linie auf die Marke achten oder allein auf den Preis; zudem gab es die Möglichkeit, verschiedene Kombinationen aus {28. Februar 2013} Die klassische Preis-Absatz-Funktion Beispiel einer Preis-Absatz-Kurve Preis 50,00 € 40,00 € 30,00 € 20,00 € 10,00 € Menge 0,00 € 0 100 200 300 500 in Mio. Stück 400 Der Homo oeconomicus ist nicht die Beschreibung eines Menschen aus Fleisch und Blut, …, sondern eine … absichtlich zu Erklärungszwecken extrem vereinfachte künstliche Modellbildung. Quelle: Starbatty, Joachim (o. A.): "Das Menschenbild in den Wirtschaftswissenschaften" GfK Verein /// Preis als Orientierung für den Konsumenten /// Claudia Gaspar 2 Abb. 1 {28. Februar 2013} Herren Poloshirts Jahr 2005 Deutschland Top 10 Anbieter nach Menge und Preis Preis in € 60 € BOSS 50 € 40 € 30 € Marke G Marke I Marke B 20 € Marke F Marke J 10 € Marke C Marke D Marke H Marke E 0€ 0 100 200 300 400 500 600 Stück in Mio. Quelle: GfK Tagung 2006; WERTEWANDEL IN DER WESTLICHEN WELT; Vortrag Mode und Bekleidung als Ausdruck des Wertewandels von Thilo Lohmüller, GfK Textilmarktforschung GfK Verein /// Preis als Orientierung für den Konsumenten /// Claudia Gaspar 3 Abb. 2 39 {28. Februar 2013} Nur bei einem Viertel der eingekauften Produkte ist der Preis ein Kaufkriterium unabhängig von der Marke Antwortvorgaben; Durchschnitt aus 18 verschiedenen Warengruppen - Angaben in Prozent - 40-45% z.B.: Handtücher, Geschirr, Benzin, Schreibwaren 25 60% Tabakwaren; 25-30% z.B.: Handy, Auto 16 Ich kaufe immer die gleiche Marke Ich wähle in einem Set bestimmter Marken aus 27 Ich wähle jeweils die preisgünstigste aus einem Set bestimmter Marken 32 35-40% z.B.: UE; Foto/Kameras; Alkoholische Getränke Quelle: Mitgliederrundbrief des GfK Vereins (Herbst 2009); Markenorientierung und Werte in Europa Ich wähle das preisgünstigste Produkt, unabhängig von der Marke Basis: derzeitige Käufer i. d. jew. Warengruppe GfK Verein /// Preis als Orientierung für den Konsumenten /// Claudia Gaspar 4 Abb. 3 {28. Februar 2013} Die Bedeutung des Preises ist im Detail abhängig von sehr vielen verschiedenen Dimensionen, Situationen und Überzeugungen Bereiche, in denen man weniger auf Preise achtet § "Lieblingslebensmittel" (Nutella, ein bestimmtes Brot...) § Fleisch, Wurst, Käse in guter Qualität Bereiche, in denen man vermehrt auf Preise achtet § Putz- und Reinigungsmittel § Grundnahrungsmittel (Mehl, Zucker, …) § Benzin § Bioprodukte, Freilandeier § Energiekosten (Strom, Gas) § Geschenke, Produkte für Kinder / § Simple Basis-Körperpflegeprodukte Haustiere § Saisonartikel (z.B. Lebkuchen) § Schuhe (Passform, Verarbeitung) § Medikamente (für ungefährliche ‘Wehwehchen’) § Standard-Versicherungen (z.B. KfZ) Quelle: Fokusgruppen im Auftrag des GfK Vereins, Oktober 2008 GfK Verein /// Preis als Orientierung für den Konsumenten /// Claudia Gaspar Abb. 4 40 5