Ein kontinuierlicher Dialog Marketing ist das klassische BWL-Thema. Besetzt ist es mit Menschen in Anzug und Krawatte – und Kosten. Aber das stimmt nur zum Teil. Es ist eines der vielen Klischees, die man in der Geschäftswelt nicht loswird: Marketing ist was für große Unternehmen, in denen globale Strategien aufgesetzt werden. Es gibt riesige Budgets für Werbemailings, Kundenevents und Prospektmaterial. Nur nicht kleckern, klotzen ist angesagt. Frank Seemann, seit 2007 Leiter der Abteilung Marketing und Kommunikation bei Neschen, mag diese einseitige Betrachtungsweise nicht. Sein Wissen, dass wirksames Marketing auch mit kleinerem Budget, kleinerem Aufwand zu bewerkstelligen ist und welche dennoch wichtigen Grundregeln leicht zu befolgen sind, zeigt der 45-jährige nicht nur seinen Kunden bei Neschen. Auch an der Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen ist der Büro-Kommunikations- und Diplom-Kaufmann Lehrbeauftragter für Vertrieb und Marketing. Die genaue Bezeichnung seiner Lehrveranstaltung ist „Vertriebs- und Kundenbindungsmanagement“. Was Frank Seemann für wichtig hält, haben wir ihn gefragt. Herr Seemann, wie lässt sich richtiges Marketing in einem Kernsatz beschreiben? „Marketing ist ein kontinuierlicher Dialog“ ist ein Vorschlag für eine Definition, die ich sehr gelungen finde. Nur wenn kontinuierlich über die Werte und den Nutzen des Unternehmens und deren Produkte kommuniziert wird, dann wird der potenzielle Kunde seinen Bedarf mit eben diesen Leistungen in Verbindung bringen. Ziel ist, in das sogenannte „relevant Set“ des Kunden zu kommen, also die engere Wahl von Anbietern, die der Kunde sofort vor Augen hat, wenn er ein bestimmtes Produkt benötigt. Wieso hat Marketing nicht unbedingt etwas mit dem Budget zu tun? Natürlich benötigen Sie ein sportlich geplantes Budget, um Instrumente für Ihr Marketing einzusetzen. Die Frage ist lediglich, wann und wo sind meine Aktivitäten relevant? Daher gilt es, jeden Tag und bei jeder Investitionsentscheidung genau zu prüfen: Wer ist meine Zielgruppe? Welchen Nutzen hat der Kunde von meinem Produkt oder meiner Dienstleistung? Auch wichtig: eine offene, ehrliche und konsequente Diskussion mit den Kollegen und strategischen Partnern über die Frage: Ist diese oder jene Maßnahme notwendig oder nur „nice to have“? So haben Sie jedes Mal, wenn Sie eine Entscheidung gegen eine Kampagne oder Maßnahme treffen, auf der anderen Seite Budget frei für die wirklich wichtigen Dinge – und das über das ganze Budgetjahr! Sie müssen nicht alles machen, aber das, was Sie machen, richtig. Was raten Sie kleineren Unternehmen? Wie sollten sie vorgehen? Lernen Sie von den großen Konzernen! Machen Sie sich und Ihren Kunden bewusst, dass Sie und Ihr Unternehmen eine Marke sind. Denn eine starke Marke bleibt im Gedächtnis; im Ergebnis entscheidet sich der Kunde oft unbewusst für Sie. Markenstärke ist sicherlich eines der wichtigsten Schlagworte in diesem Zusammenhang. Deswegen lautet der erste Schritt: Machen Sie Ihre Marke bekannt – und das geht nur durch einen kontinuierlichen Dialog mit dem Kunden. Hört sich gut an. Aber was heißt denn, kontinuierlich zu kommunizieren? Soll man jeden Tag zum Telefonhörer greifen oder E-Mails versenden? Diese beiden Beispiele sind nur zwei unter vielen. Sie treten ja bereits in Kommunikation, wenn die Bestellung eingeht, die Rechnung erstellt wird, die Lieferung rausgeht, und so weiter und so weiter. Hinzu kommt die Kontaktaufnahme auf Messen, Mailings, Vertreterbesuchen, Tage der offenen Tür, dem Bearbeiten von Beschwerden, dem Schalten von Anzeigen in den wichtigen Fachzeitschriften et cetera. Sie werden sehen, je nach Kunde kommen da einige Möglichkeiten zusammen, die man analysieren kann. Was gehört zu dieser Analyse, damit aus der Kontaktaufnahme ein messbarer Erfolg wird? Wer als Marke wahrgenommen werden will, muss, schlichtweg gesprochen, ein einheitliches Erscheinungsbild haben. Und wichtig: Es muss nicht die große Corporate-Design-Nummer angestrebt werden. Aber oft fehlt es ja schon daran, dass auf allen Kommunikationsmitteln wie Briefpapier, E-Mail-Signatur, Visitenkarte, Firmengebäude, Produktverpackungen und Messeständen ein und dasselbe Logo zu sehen ist, dass der Kunde sich merken soll. Und lassen Sie sich nicht abschrecken! Mein Credo: wiederholen, wiederholen, wiederholen – Logos, Logos, Logos. Das bedeutet nicht, den Kunden durch permanentes Kontaktieren auf die Nerven zu gehen. Aber das bedeutet, in der Darstellung nach außen nicht nachlässig zu werden. Angenommen, das äußere Erscheinungsbild ist perfekt. Sollte man dann immer zu jedem potenziellen Kunden gehen, um sein Angebot anzupreisen? So pauschal sollte man nicht vorgehen. Die Marke bei allen Potenziellen bekanntmachen: ja. Bei allen Kunden immer das gesamte Portfolio anbieten: nein. Stichwort an dieser Stelle ist die Relevanz des jeweiligen Produktes. Nehmen wir einmal zwei Produkte aus unserem Portfolio. Wenn eine Neueröffnung eines Geschäftes ansteht, lohnt es sich, eine Werbeanlage anzubieten. Wenn beim Kunden ein Bedarf besteht, die Innenräume zu renovieren, lohnt es sich, digital bedruckte Tapeten zu präsentieren. Stehen Messen an, die für den Kunden relevant sind, kann man ihm einen Messestand, Präsenter und Digitaldrucke anbieten. Aber wie kommt der Werbetechniker zu diesen Informationen? Stets die Augen und Ohren offen halten ist meine Devise! Wenn Sie zum Beispiel in einer Zeitung von einer geplanten Neueröffnung eines Geschäftes lesen, dann wissen Sie genau, dass dort zumindest die Beauftragung eines Werbetechnikers wahrscheinlich ist. Diese Firma oder das Geschäft anzurufen, ist zweifellos effizient im Vergleich zu der Schaltung einer Kleinanzeige! Oder – Sie sehen an jeder Ecke Negativbeispiele für Anwendungen der Werbetechnik. Hier wurde entweder falsch beraten oder das falsche Medium empfohlen. Wenn Sie dann den Werbung treibenden Betrieb ansprechen und sofort eine alternative Lösung anbieten können – dann sind Sie vielleicht das nächste Mal im Geschäft. Wenn man die große Anzahl der Konkurrenzbetriebe betrachtet: Was kann ich tun, um mich abzusetzen? Vor allem: Haben Sie Ihre eigenen Ideen! Kopieren Sie nicht die Konkurrenz in Logo und Co. Kopieren Sie keine Kampagnen von großen Marken aus ganz anderen Branchen. Sie brauchen Ihr eigenes Profil. Sonst fallen Sie nicht auf, sondern gehen unter. Oder haben eben das Image eines Nachahmers. Image ist ohnehin ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor. Frei nach dem Motto: „Ist der Ruf erst ruiniert,…“ Lassen Sie es nicht so weit kommen. Analysieren Sie, welches Ansehen Sie bei Ihrer Zielgruppe, in Ihrer Region, in Ihrem Geschäftsumfeld haben oder erreichen wollen. Wofür stehen Sie? Was fällt Ihren Kunden spontan ein, wenn Sie nach Ihnen befragt werden? Mit welchem Produkt sind Sie Marktführer zum Beispiel? Nur über solche Fragen beziehungsweise Antworten erreichen Sie das relevante Set, die Liste der Kunden, die in Erwägung gezogen werden, wenn ein neuer Auftrag, eines neues Projekt ansteht. Wenn wir mit Lesern sprechen, hören wir durchaus, dass es sich ja gar nicht lohne, in solche Maßnahmen zu investieren, weil man keine Resonanz auf Werbemaßnahmen habe. Wenn es die eine Werbemaßnahme im Sinne von einmaligem Flyer oder einmaliger Printanzeige ist, ist das auch kein Wunder. Marketing ist eben nicht nur klassische Werbung und zieht seine Kraft nicht durch Einmaligkeit im wortwörtlichen Sinn von „ein Mal“; es muss umfassender verstanden werden. Ich komme noch einmal auf die Bedeutung der Marke zurück. Ihre Marke ist ein Versprechen. Mit dieser muss man sich langfristig Sympathie und Vertrauen erarbeiten. Auf der einen Seite stehen etwa die Informationen aus Pressemitteilungen, von Messeauftritten, Werbeanzeigen, auf der anderen Seite müssen Sie das, was Sie versprochen haben, einhalten. Da liegt ein oft gemachter Fehler: Nach dem Motto, erst einmal Tolles vorhersagen und es dann nicht leisten können. Und das geht nicht. Neben Markenaufbau und langfristigem Imagedenken: Was gehört noch zu gelungenem Marketing? So banal es klingt: Durchhaltevermögen. Nicht jede Strategie klappt, nicht jede Idee kann einschlagen. Wer bei Null in Sachen Marketing anfängt, hat im Zweifel einen längeren Weg vor sich, weil er ausprobieren muss. Und es bedeutet: Man muss sich selbst beziehungsweise seine Produkte hinterfragen. So sehr man sein Portfolio liebt – wenn es Produkte gibt, die nicht laufen, die kein Entwicklungspotenzial haben, muss man sich von diesen Verlierern trennen und diejenigen fördern, die Chancen haben, zu Gewinnern zu werden. Zusammengefasst vielleicht: Selbstkritik und Entscheidungsfreude. Aber ich will nicht leugnen, dass auch das Glück mitspielen muss. Nur ist das Glück oder Unglück eben nicht für alles verantwortlich. In einer Ihrer Vorträge schließen Sie mit den Worten: Offensives Marketing hat nicht immer etwas mit Budget zu tun. Jetzt haben wir aber doch gehört, dass man sich um Flyer, Messen, CI et cetera kümmern muss. Und das langfristig und dann kann auch noch was schief gehen. Gibt es von Ihnen konkrete „Spartipps“? Nicht, dass ich Gefahr laufe, in Phrasen abzutauchen. Aber einen Merksatz habe ich doch: „Entscheiden heißt verzichten!“ Beschränken Sie sich auf die wichtigen Dinge und machen Sie diese richtig. Richtig bedeutet – mit einem schriftlich verfassten Plan, definierten und erreichbaren Zielen und einem Zeitplan mit zu erledigenden Zwischenschritten. Sie werden sehen, alleine das Prinzip der Schriftlichkeit entlarvt sofort „Blindflüge“ oder „Gießkannen-Prinzipien“ von vielen Marketingtreibenden. Und dann wiederholen Sie diese erfolgreichen Kampagnen oder Projekte lieber solange, bis sie Ihnen persönlich „aus den Ohren kommen“. Ihr potentieller Kunde hat Ihre Aussage doch erst nach sehr vielen Wiederholungen richtig verinnerlicht! Vielen Dank für das Gespräch.