Anzeichen für Quark-Materie in hochenergetischen Kollisionen

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Eckardt, Volker et al. | Anzeichen für Quark-Materie in hochenergetischen Kollisionen ...
Tätigkeitsbericht 2004
Hochenergie- und Plasmaphysik/Quantenoptik
Anzeichen für Quark-Materie in hochenergetischen Kollisionen
schwerer Atomkerne
Eckardt, Volker; Putschke, Jörn; Schmitz, Norbert; Seyboth, Janet; Seyboth, Peter; Simon, Frank
Max-Planck-Institut für Physik
Emeritusgruppe - Prof. Dr. Norbert Schmitz
Korrespondierender Autor: Schmitz, Norbert
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die Energie und Materie des Weltalls, aber auch Raum und Zeit selbst, sind - so sagt das heutige
Kosmologische Standardmodell - vor ca. 14 Milliarden Jahren in einem gewaltigen Urknall entstanden.
Kurze Zeit danach bestand die hadronische Materie aus einem extrem heißen und dichten Gas quasifreier
Quarks und Gluonen auf kleinstem Raum. Diesen ungewöhnlichen Materiezustand - Quark-GluonPlasma genannt - versucht man heute in hochenergetischen Kollisionen schwerer Atomkerne an großen
Teilchenbeschleunigern künstlich herzustellen und zu erforschen. An zweien dieser Experimente, in Genf
und in Brookhaven, ist eine experimentelle Gruppe des Max-Planck-Instituts für Physik maßgeblich
beteiligt. Beide Experimente haben bisher Ergebnisse geliefert, die auf die kurzzeitige Erzeugung des
Quark-Gluon-Plasmas hindeuten.
Abstract
The energy and matter of the Universe, but also space and time themselves, have originated - according
to the present Cosmological Standard Model - in a gigantic Big Bang some 14 billion years ago.
Immediately after the Bang, the hadronic matter consisted of an extremely hot and dense gas of quasifree quarks and gluons - the so called Quark Gluon Plasma - in a tiny space volume. Today, physicists
are trying to artificially create and explore this unusual state of matter in high-energy collisions of heavy
atomic nuclei with large particle accelerators. An experimental group of the Max-Planck-Institut für
Physik is contributing substantially to two such experiments, at Geneva and Brookhaven. Both
experiments have so far yielded results which point to the transient production of the Quark Gluon
Plasma.
Grundlagen
Seit Jahren werden in einem umfangreichen Forschungsprogramm am Super-Proton-Synchrotron (SPS)
des Europäischen Laboratoriums für Teilchenphysik (CERN) in Genf und am Relativistic Heavy Ion
Collider (RHIC) des Brookhaven National Laboratory (BNL) auf Long Island (USA) in großen
internationalen Kollaborationen Experimente zur hochenergetischen Schwer-Ionen-Physik
durchgeführt. In ihnen werden schwere Atomkerne (Ionen) auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
und bei den höchsten zurzeit mit Teilchenbeschleunigern erreichbaren Energien aufeinander geschossen.
In einer solchen Kollision zweier Kerne entsteht für kurze Zeit (~10-23s) innerhalb eines kleinen
Volumens von der ungefähren Größe eines schweren Atomkerns (Radius ~10-12 cm) heiße, hoch
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verdichtete Materie - anschaulich "Feuerball" genannt -, wie sie in unserer normalen Umgebung nicht
anzutreffen ist. Ziel dieser Experimente ist es, Kernmaterie unter diesen extremen Bedingungen von
Temperatur und Dichte zu erforschen und insbesondere einen neuen, bisher nicht beobachtbaren
Materiezustand - Quark-Gluon-Plasma genannt (siehe unten) - zu entdecken und seine Eigenschaften zu
untersuchen. Im Zusammenhang damit gilt es, den räumlichen und zeitlichen Ablauf von
hochenergetischen Kern-Kern-Kollisionen kennen zu lernen. An zweien dieser Experimente, dem NA49Experiment am SPS und dem STAR-Experiment am RHIC, ist eine Gruppe der Abteilung
Experimentalphysik des MPI für Physik maßgeblich beteiligt.
Wie läuft eine hochenergetische Kollision zweier schwerer Kerne im einzelnen ab? Nähere Vorhersagen
hierüber macht das so genannte Standardmodell der Teilchenphysik, das die Eigenschaften der
Elementarteilchen, der kleinsten Bausteine der Materie, und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte in
exzellenter Übereinstimmung mit den experimentellen Messungen im Detail beschreibt. Bekanntlich
sind Atomkerne (Kernmaterie) aus Protonen und Neutronen (Nukleonen) zusammengesetzt, die
gemeinsam mit anderen Baryonen und den Mesonen die große Teilchenfamilie der Hadronen bilden. Die
Hadronen ihrerseits bestehen aus punktförmigen Quarks, Antiquarks und Gluonen - zusammen Partonen
genannt. Dabei werden die (Anti-)Quarks z.B. in einem Nukleon durch so genannte "Farbkräfte"
zusammengehalten, die von den Gluonen ("Leimteilchen") übertragen werden und nach der Theorie der
Quantenchromodynamik (QCD) so beschaffen sind, dass freie, ungebundene (Anti-)Quarks in der
normalen Materie nicht auftreten. Diese "Einkerkerung" der (Anti-)Quarks in einem Nukleon (Hadron)
wird "Confinement" genannt.
Wird Kernmaterie jedoch - z.B. in einer hochenergetischen zentralen Kern-Kern-Kollision (A+AKollision) - extrem stark komprimiert und erhitzt, so sollte nach der QCD-Theorie bei einer kritischen
Temperatur und Teilchendichte ein Phasenübergang von hadronischer Materie zu partonischer Materie
stattfinden (vergleichbar mit dem Übergang des schmelzenden Wassers (Eises) vom festen in den
flüssigen Zustand): Das Confinement der Quarks wird aufgehoben - ein Vorgang, der "Deconfinement"
genannt wird -, sodass die Nukleonen ihre individuelle Stabilität verlieren, sich auflösen ("schmelzen")
und so ein dichtes, heißes Plasma aus quasi-freien (Anti-)Quarks und Gluonen, ein Quark-Gluon-Plasma
(QGP) entsteht. In ihm finden zahlreiche verschiedene Reaktionen der Partonen miteinander statt, sodass,
falls das QGP lange genug existiert, ein thermodynamisches Gleichgewicht der verschiedenen
Freiheitsgrade (z.B. der verschiedenen Quarkarten) eintreten kann. Ein solcher QGP-Zustand der Materie
kommt auf der Erde unter normalen Bedingungen nicht vor. Wohl aber ist es nach der modernen
Kosmologie derjenige Zustand, in dem sich unmittelbar nach dem Urknall für kurze Zeit (einige 10-6s)
das ganze Universum befunden hat, als es noch sehr klein, heiß und dicht war.
Nach seiner Entstehung dehnt sich der QGP-Feuerball infolge seines inneren Drucks wieder aus und
kühlt sich dabei ab; es findet ein umgekehrter Phasenübergang statt, in dem die Partonen in zahlreiche
Hadronen "ausfrieren" (hadronisieren); dieses sich weiter ausdehnende und abkühlende Hadronengas
löst sich schließlich in eine Vielzahl (bei RHIC-Energien mehrere Tausend, siehe Abb. 1) neu erzeugter,
frei auseinander fliegender Teilchen auf - hauptsächlich Mesonen (z.B. Pionen, Kaonen) -, deren Masse
und Energie aus der ursprünglichen Energie der kollidierenden Kerne stammt und die in großen
Teilchendetektoren nachgewiesen und vermessen werden können.
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Abb. 1 : Ansicht eines von der großen STAR-TPC (Time Projection Chamber, Erläuterung im Text) registrierten
zentralen Gold-Gold-Ereignisses bei der höchsten RHIC-Energie (√sNN = 200 GeV). Zu sehen sind die zahlreichen
auf eine Ebene senkrecht zur Strahlrichtung projizierten, von der TPC gemessenen und von einem Computer
rekonstruierten Spuren der in der Kollision erzeugten geladenen Teilchen. Die zwölf praktisch spurfreien Radien
kommen durch spur-unempfindliche Bereiche der TPC zustande.
Die schwierige Aufgabe eines Experiments besteht nun darin, durch die physikalische Analyse der
Messungen möglichst vieler Kollisionsereignisse die verschiedenen theoretischen Vorstellungen zu
überprüfen, d.h. zum Beispiel, zurückzuschließen auf den Anfangszustand des bei der Kollision
entstandenen Feuerballs - wird ein QGP gebildet oder nicht? - und auf seine weitere Entwicklung in
Raum und Zeit.
Das NA49-Experiment
Im NA49-Experiment am CERN-SPS wurde u.a. ein Strahl von Blei (Pb)-Kernen (A = 208 Nukleonen)
auf eine stationäre Bleifolie geschossen, und zwar mit einer Strahlenergie pro Nukleon von Estr = 158
GeV; dies entspricht einer Schwerpunktsenergie von √sNN = 17.3 GeV pro kollidierendem
Nukleonenpaar. Zusätzlich wurden auch Daten bei einigen niedrigeren Energien genommen, nämlich
bei Estr = 20, 30, 40 und 80 GeV (entsprechend √sNN = 6.3, 7.6, 8.8 und 12.3 GeV). Dies erlaubte es, die
Energieabhängigkeit verschiedener physikalischer Größen zu messen und ggf. vorhandene
Abweichungen von einem glatten, monotonen Verlauf als mögliche Signatur für einen QCDPhasenübergang, also die Bildung eines QGPs zu beobachten (siehe unten).
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Zum NA49-Detektor, einem großen, aus verschiedenen Komponenten bestehenden
Teilchenspektrometer mit hoher räumlicher Akzeptanz, hat das MPI für Physik u.a. zwei Kalorimeter
zur Energiemessung und zwei große quaderförmige (3.9×3.9×1.8 m3) Spurendriftkammern (Time
Projection Chambers, TPCs) zur Messung der Flugbahnen ("Spuren") geladener Teilchen beigetragen.
Eine TPC ist ein mit einem Gas gefüllter Behälter, in dem ein hindurch fliegendes Teilchen entlang seiner
Bahn das Gas ionisiert. Die Ionisationselektronen driften in einem angelegten elektrischen Feld auf eine
in kleine Segmente unterteilte Ausleseebene und erzeugen dort elektrische Pulse, die elektronisch
verstärkt, auf Datenträger gespeichert und später von leistungsfähigen Computern zu vollständigen
Spuren verarbeitet werden. Hierbei ergeben sich die drei räumlichen Koordinaten eines Spurpunktes aus
dem Auftreffpunkt der Driftelektronen auf benachbarten Segmenten in der Ausleseebene (x,y) und bei
bekannter Driftgeschwindigkeit aus ihrer Driftzeit vom Spurpunkt zur Ausleseebene (z). Auf diese Weise
kann eine TPC eine große Anzahl von Teilchenspuren eines Ereignisses mit hoher räumlicher Auflösung
gleichzeitig registrieren (Abb. 1).
Aus der Vielzahl an Physikresultaten aus NA49, die seit 1995 zu zahlreichen Veröffentlichungen geführt
haben, sollen im Folgenden zwei Ergebnisse aus jüngster Zeit kurz beschrieben werden.
Im Laufe seiner Entwicklung durchläuft der heiße Feuerball die Phase eines Hadronengases (HG), das
sich aus Teilchen der verschiedenen Hadronenarten zusammensetzt und im Falle eines Gleichgewichts
durch thermodynamisch-statistische Modelle beschrieben werden kann. Die von einem solchen Modell
für die einzelnen Hadronenarten vorhergesagten mittleren Multiplizitäten (Multiplizität = Anzahl der in
einem Ereignis erzeugten Teilchen) können mit den gemessenen mittleren Multiplizitäten verglichen
werden. Wie Abbildung 2 zeigt, stimmen die vorhergesagten (horizontale Skala) und gemessenen
(vertikale Skala) Werte gut überein. Für die Gleichgewichtstemperatur des HGs ergab sich aus dem
Vergleich ein Wert von ca. T ≈ 160 MeV/k ≈ 2 × 1012 K (K = Kelvin).
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Abb. 2 : Oberer Teil: Die Punkte zeigen für verschiedene Hadronenarten die von einem thermodynamischen Modell
mit 3 anpassbaren Parametern vorhergesagte (horziontale Skala) und die im NA49-Experiment am SPS gemessene
(vertikale Skala) mittlere Multiplizität (Multiplicity) der in zentralen Pb+Pb-Kollisionen bei Estr = 158 GeV
erzeugten Hadronen. Unterer Teil: Differenz (in Standardabweichungen, Residual) zwischen Messung und
Vorhersage für die einzelnen Hadronenarten.
Für die Suche nach dem QGP ist die Erzeugung von Hadronen mit der Eigenschaft "Seltsamkeit" von
besonderem Interesse. Seltsame Hadronen (Kaonen, Hyperonen) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie
ein oder mehrere seltsame Quarks (s-Quarks) - eine der sechs Quarkarten - enthalten. Energetisch ist es
viel leichter, in einem QGP durch Partonenreaktionen s-Quarks, die dann mit anderen Quarks zu
seltsamen Hadronen ausfrieren, als in einem HG durch Hadronenreaktionen seltsame Hadronen direkt
zu erzeugen. Das häufigere Auftreten von seltsamen Hadronen in A+A-Kollisionen, verglichen mit
Proton-Proton (p+p)-Stößen, ist deshalb eine wichtige Signatur für die Bildung eines QGPs.
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Abb. 3 : Energieabhängigkeit [F = (√sNN - 2mN)3/4 / sNN1/8 ≈ sNN1/4, mN ist die Nukleonmasse] verschiedener
physikalischer Größen, gemessen in zentralen Au+Au-Stößen (Dreiecke: AGS, volle Kreise: RHIC) und Pb+PbStößen (Quadrate: NA49) sowie in p+p-Reaktionen (offene Kreise). Oben: Mittlere Pionen-Multiplizität pro an
der Kollision teilnehmendem Nukleon. Mitte: Verhältnis der mittleren Multipliziäten positiv geladener Kaonen und
Pionen. Unten: Effektive Temperatur positiv geladener Kaonen.
Das mittlere Feld der Abbildung 3 zeigt das Verhältnis der mittleren Multiplizitäten der erzeugten
positiven Kaonen (seltsam) und Pionen (nicht-seltsam) in Abhängigkeit von einer Größe F, die ein Maß
für die Kollisionsenergie √sNN ist. Die Quadrate sind NA49-Messwerte aus zentralen Pb+Pb-Kollisionen
bei den fünf oben genannten Energien; außerdem sind Messungen bei niedrigeren Energien (Dreiecke
aus Au+Au am Alternating Gradient Synchrotron (AGS) des BNL) und höheren Energien (volle Kreise
aus Au+Au am RHIC) eingetragen. Zum Vergleich werden auch Werte aus p+p-Reaktionen gezeigt
(offene Kreise). Der Vergleich zeigt für A+A-Reaktionen (a) eine relative Verstärkung der KaonenErzeugung und (b) eine stark nicht-monotone Energieabhängigkeit des K/π-Verhältnisses mit einem
ausgeprägten Maximum bei Estr ≈ 30 GeV. Beide Beobachtungen weisen auf eine QGP-Bildung hin, die
schon bei relativ niedrigen SPS-Energien einsetzt.
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Die beiden übrigen Felder der Abbildung 3 stützen dieses Ergebnis: Die mittlere Pionen-Multiplizität
pro an der Kollision teilnehmendem Nukleon (oberes Feld) steigt für A+A- und p+p-Reaktionen mit
wachsender Energie an, wobei für A+A die Steilheit des Anstiegs im SPS-Energiebereich zunimmt und
dann bis zu RHIC-Energien konstant bleibt. Die effektive Kaonen-Temperatur (unteres Feld) steigt mit
zunehmender Energie zunächst steil an, durchläuft im SPS-Bereich ein energieunabhängiges Plateau und
wächst danach weiter an. (Dieser Temperaturverlauf ähnelt demjenigen beim Phasenübergang z.B. von
Eis zu Wasser). Hierbei tragen zur effektiven Temperatur die ungeordnete thermische Bewegung der
Teilchen (hier: Kaonen) in einem Gas und ihre geordnete kollektive Bewegung infolge der Expansion
des Feuerballs bei.
Das STAR-Experiment
Am RHIC des BNL, der im Jahre 2000 in Betrieb ging, lassen sich wesentlich höhere Kollisionsenergien
(Faktor ~12) als am CERN-SPS erzielen, nämlich bis zu √sNN = 200 GeV pro Nukleonenpaar (mit Estr
≈ 100 GeV). Dies wird dadurch erreicht, dass zwei in Teilchenbündeln unterteilte Strahlen von Gold
(Au)-Kernen (A = 197), die in zwei kreisförmigen Vakuumröhren mit 3.8 km Umfang in
entgegengesetzter Richtung umlaufen, in sechs Kreuzungspunkten (Wechselwirkungszonen)
gegeneinander gelenkt werden. Bei jeder Begegnung zweier Bündel finden zahlreiche Au+AuKollisionen statt.
Bei den höheren RHIC-Energien erwartet man in Folge der längeren Lebensdauer der QGP-Phase ein
deutlicheres Hervortreten einiger QGP-Signaturen und ein leichteres Erreichen des thermodynamischen
Gleichgewichts sowie das Auftreten harter partonischer Prozesse in der Anfangsphase des Feuerballs.
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Abb. 4 : Schematische Darstellung einer der beiden am MPI für Physik konstruierten Spurendriftkammern (FTPC)
für das STAR-Experiment.
STAR ist ein 1200 t schwerer, einige Stockwerke hoher und aus mehreren Komponenten bestehender
Detektor, der um eine der RHIC-Wechselwirkungszonen herum aufgebaut wurde. Sein wichtigster
Bestandteil ist eine große zylindrische TPC. (Mit ihr wurden z.B. die Spuren in Abbildung 1
aufgenommen.) Der Beitrag des MPI für Physik sind zwei identische kleinere TPCs, FTPC
(Spurendriftkammer) genannt und in Abbildung 4 dargestellt, die rechts und links von der
Wechselwirkungszone um das Strahlrohr herum installiert sind und dazu dienen, diejenigen Teilchen zu
erfassen, die unter kleinem Winkel zur Strahlrichtung erzeugt werden. Die Besonderheit dieser beiden
Kammern gegenüber einer üblichen TPC besteht darin, dass die elektrischen Feldlinien nicht parallel
zueinander (und zum Magnetfeld), sondern radial (und senkrecht zum Magnetfeld) verlaufen, sodass die
Elektronen nicht auf eine ebene, sondern auf eine zylindrische Auslesefläche driften. Abbildung 5 zeigt
die Spuren eines Au+Au-Ereignisses, die aus den Messungen einer FTPC rekonstruiert wurden.
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Abb. 5 : Die Abbildung zeigt die Teilchenspuren (grün) aus einer zentralen Au+Au-Kollision, die von einer der
beiden im STAR-Experiment eingesetzten FTPC-Spurendriftkammern gemessen und von einem Computer
rekonstruiert wurden.
Von den zahlreichen bisherigen Ergebnissen aus STAR soll als besonders interessantes Phänomen das
jüngst entdeckte Jet-Quenching kurz besprochen werden: Bei den hohen Stoßenergien von RHIC können
in der Frühphase des Feuerballs die in den einlaufenden Nukleonen enthaltenen Partonen hart aneinander
gestreut werden, wobei die beiden gestreuten energiereichen Partonen die Kollision häufig in
entgegengesetzter Richtung zueinander verlassen. Normalerweise, z.B. in p+p-Kollisionen,
hadronisieren solche energiereichen Partonen in zwei enge Bündel von Hadronen, Jets genannt. Findet
die Parton-Parton-Kollision jedoch in einem dichten in einer A+A-Kollision erzeugten QGP in der Nähe
von dessen Oberfläche statt, so kann nur das eine Parton (Jet) das Plasma auf kurzem Wege verlassen,
während das andere das ganze Plasma durchqueren muss, dabei durch Wechselwirkungen im Plasma
einen Großteil seiner Energie verliert und daher nicht mehr als Jet beobachtet werden kann.
Diese Jet-Unterdrückung (Jet-Quenching) wurde erstmals in Au+Au-Kollisionen am RHIC von STAR
beobachtet: Abbildung 6 zeigt für p+p-Stöße (schwarze Balken) zwei Teilchenanhäufungen bei 0° und
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180°, also zwei Jets in entgegengesetzten Richtungen; für zentrale Au+Au-Stöße (blaue Sterne) dagegen
fehlt der 180°-Jet, ein klarer Hinweis auf Jet-Quenching. Um diese Interpretation der Messungen zu
bestätigen, hat STAR auch Kollisionen von Deuteronen d (bestehend aus nur zwei Nukleonen, nämlich
einem Proton und einem Neutron, A = 2) mit Au-Kernen gemessen. Wegen der Kleinheit des Deuterons
kann in d+Au-Kollisionen kein QGP entstehen und somit kein Jet-Quenching stattfinden. Und tatsächlich
werden beide Jets beobachtet, wie Abbildung 6 (rote Punkte) zeigt.
Abb. 6 : Entdeckung des Jet-Quenchings in STAR: Häufigkeitsverteilung des Azimutwinkels (Winkel um die
Strahlrichtung) geladener Teilchen relativ zu einem hochenergetischen Triggerteilchen (bei ΔΦ = 0), in zentralen
Au+Au-Stößen (blaue Sterne), zentralen d+Au-Stößen (rote Punkte) und p+p-Stößen (schwarze Balken) bei
√sNN = 200 GeV. Die Teilchenanhäufungen bei 0° und 180° stellen Jets dar. Während in p+p und d+Au-Stößen
die Jets paarweise, jeweils in entgegengesetzter Richtung auftreten, ist in Au+Au-Stößen der gegenüber liegende
Jet bei 180° unterdrückt.
Schlussbemerkung
Die Auswertung der STAR-Daten wird noch fortgesetzt. An der Schwer-Ionen-Physik am zukünftigen
Large Hadron Collider (LHC) des CERN (ab 2007) bei noch höheren Energien (√sNN = 5500 GeV) nimmt
das MPI für Physik nicht mehr teil.
[1] V. Eckardt, N.Schmitz, P.Seyboth: Schwerionenphysik am RHIC, Physik Journal 1, Nr.11, S.55
(2002).
Referenzen und weiterführende Links
[ 2 ] NA49: http://na49info.cern.ch
[ 3 ] STAR: http://www.star.bnl.gov
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