Neue Aspekte in der arteriellen koronaren Bypasschirurgie

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M E D I Z I N
Olaf Wendler1
Benno Hennen2
Hans-Joachim Schäfers1
Zusammenfassung
Die koronare Bypassoperation gilt als die Therapieoption der Wahl in der Behandlung der koronaren Mehrgefäßerkrankung. Die langfristige
postoperative Prognose wird im Wesentlichen
durch den Progress der nativen Arteriosklerose
und die Degeneration der Bypassgrafts bestimmt. Beides kann derzeit nur unzureichend
durch eine Reduktion der Risikofaktoren und
medikamentöse Therapie behandelt werden.
Es ist seit langer Zeit bekannt, dass die Arteria
thoracica interna im Gegensatz zu venösen
Grafts im Langzeitverlauf kaum degeneriert und
verbesserte Funktionsraten aufweist. Da dies
für den Patienten postoperativ mit einer verringerten Morbidität und Mortalität einhergeht,
erfolgten in den letzten Jahren verstärkte Anstrengungen ausschließlich mit arteriellen Conduits koronare Bypassoperationen durchzufüh-
D
ie koronare Bypassoperation hat
sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einem Standardeingriff
in der Herzchirurgie entwickelt. Jährlich werden in Deutschland mehr als
70 000 Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) chirurgisch revaskularisiert.
Im Vergleich zur konservativen Therapie resultiert aus der chirurgischen
Revaskularisation bei Patienten mit
einer Hauptstammstenose, 3-GefäßKHK und einer linksventrikulären
Ejektionsfraktion von weniger als 40
Prozent ein Überlebensvorteil im
Langzeitverlauf (21). Hierbei scheinen
gerade Patienten mit hohem Risikoprofil (diffuse KHK und schwere linksventrikuläre Dysfunktion) am meisten
zu profitieren (2). Vergleichende Studien zwischen chirurgischer Revaskularisation und perkutaner Koronarangioplastie (PTCA) konnten keinen
Unterschied hinsichtlich des initialen
Patientenüberlebens aufzeigen (15).
Allerdings fand sich in der BARI-Studie („bypass angioplasty revascularization investigation“) im Langzeitverlauf eine erhöhte Inzidenz an Rein-
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Neue Aspekte in der
arteriellen koronaren
Bypasschirurgie
ren. Die Autoren haben seit 1996 an der Etablierung einer Operationstechnik zur komplett arteriellen Revaskularisation gearbeitet. Im Folgenden wird über die klinischen Erfahrungen mit
diesem Verfahren und die wissenschaftlichen
Untersuchungen zur Physiologie arterieller
Grafts im postoperativen Verlauf berichtet.
Schlüsselwörter: koronare Herzkrankheit, chirurgische Therapie, Flussanalyse, Revaskularisation, T-Graft
Summary
New Aspects in Coronary Artery
Bypass Grafting
Coronary artery bypass grafting is the therapeutical option of choice in the treatment of
multivessel coronary artery disease. Long-term
terventionen nach PTCA (3). Selbst
durch die Verwendung von koronaren
Stents zur PTCA kann diese erhöhte
Inzidenz an Restenosierungen und
Reinterventionen nicht verhindert
werden (18). Die BARI-Untersuchungen konnten zusätzlich zeigen, dass für
Patienten mit einem Diabetes mellitus
durch die chirurgische Revaskularisation ein signifikanter Überlebensvorteil erzielt werden konnte (3).
Trotzdem werden diese positiven
Resultate durch die vaskulären Komplikationen an venösen Bypassgrafts
überschattet. Sie erklären, dass in
verschiedenen Untersuchungen, beispielsweise der CASS-Studie („coronary artery surgery study“), 7 bis 8 Jahre postoperativ eine erhöhte Sterblichkeit der operierten Patienten zu verzeichnen ist, die den initialen Überlebensvorteil im Vergleich zur konservativen Therapie relativierte (8).
1 Abteilung für Thorax- und Herz-Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. Hans-Joachim Schäfers), Universitätskliniken des Saarlandes
2 Medizinische Klinik III/Kardiologie (Direktor: Prof. Dr.
med. Michael Böhm), Universitätskliniken des Saarlandes
prognosis after the operation is influenced by
the progress of the native arterosclerosis and
degeneration of venous conduits. At present
the reduction of coronary risk factors and conservative medical treatment are the only therapeutical options to reduce these complications.
It is well known that the internal thoracic artery shows an improved graft survival compared to venous grafts. This reduces morbidity
and mortality of the patients in the long-term
postoperative course. Therefore efforts were
made to increase the number of arterial conduits. Since 1996 the authors performed complete arterial revascularization at their institution. The clinical experience and the scientific
data of the physiology of the arterial grafts
during the postoperative course are presented.
Key words: coronary heart disease, surgery,
flow analyses, revascularization, T-graft
Seit Mitte der 80er-Jahre ist bekannt, dass die Arteria thoracica interna (ITA), die auch als Arteria mammaria bezeichnet wird, den venösen
Bypassgefäßen hinsichtlich der Offenheitsraten nach zehn Jahren (90 Prozent versus 60 Prozent) überlegen ist
(12).
Die verbesserte Prognose der ITA
führt zu einer niedrigeren Morbidität
und Mortalität der Patienten im Langzeitverlauf (12). Aus diesem Grund
gilt die Revaskularisation der Herzvorderwand mittels der linksseitigen
ITA in Kombination mit Venengrafts
zur Hinter- und Seitenwand des Herzens derzeit als das Standardverfahren
in der chirurgischen Behandlung der
KHK. Aber auch in dieser Kombination von einer ITA mit Venengrafts
führt die Degeneration des venösen
Graftmaterials im langfristigen Verlauf zu rezidivierenden kardialen Beschwerden mit der Notwendigkeit der
erneuten Intervention.
Derzeit steht keine prophylaktische
konservative Therapie zur Verfügung,
mit der diese sowohl medizinisch als
auch ökonomisch belastenden Kom Jg. 100
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plikationen angegangen werden können. In den letzten Jahren wurde von
verschiedenen Arbeitsgruppen über
verbesserte Langzeitergebnisse nach
kombinierter Verwendung der linken
und rechten ITA (ITAa) zur Revaskularisation des Ramus interventricularis anterior (RIVA) und des Ramus
circumflexus (RCX) berichtet. In einer Metaanalyse von Taggart et al. ließ
sich für die Operation mittels zweier
ITA ein klarer prognostischer Vorteil
belegen (19).
Somit liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die ausschließliche Verwendung von arteriellen Grafts die Ergebnisse nach koronarer Bypassoperation
weiter verbessert, wozu einzelne Berichte vorliegen (4). Hierzu wurde neben der linken und rechten ITA auch
die Arteria radialis (RA) verwandt
(1). Die mittelfristigen Offenheitsraten der RA lagen hier nur geringfügig
unter denen der ITA (11). Voraussetzung für eine verbesserte langfristige
Prognose ist aber in jedem Fall eine
möglichst niedrige perioperative Morbidität.
Der Aussicht auf verbesserte Langzeitergebnisse stehen die Nachteile
der Verwendung von Arterien gegenüber. Die Dauer der chirurgischen
Präparation und somit der gesamten
Operation ist verlängert. Arterielle
Conduits weisen kleinere Durchmesser, kürzere Länge und größere Vulnerabilität im Vergleich zu Venengrafts
auf und stellen somit größere Anforderungen an das manuelle Geschick
des Chirurgen. Nach beidseitiger
Präparation der ITA ist insbesondere
bei Patienten mit diabetischer Stoffwechsellage eine erhöhte Inzidenz an
sternalen Wundheilungsstörungen beschrieben worden. Gefürchtet sind zudem myokardiale Durchblutungsstörungen, die bei einem Vasospasmus
der arteriellen Conduits auftreten
können.
Um diese perioperativen Risiken zu
minimieren, wurden in den letzten
Jahren verschiedene chirurgische
Techniken vorgestellt. Hierzu gehören
neben der skelettierenden Präparation der ITA die Einführung der RA als
zusätzliches Conduit und die T-GraftKonfiguration (Graft in Form des
Buchstaben „T“).
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Techniken der Koronarchirurgie
Skelettierende Präparation der
Arteria thoracica interna
Bei der skelettierenden Präparation
der ITA wird das arterielle Graft im
Gegensatz zur konventionellen Technik vollständig aus dem umgebenden
Fett- und Bindegewebe der Thoraxwand herauspräpariert.
Intraoperativ zeigt die skelettierte
ITA im Vergleich zur konventionell
präparierten ITA eine ausgeprägtere
Gefäßdilatation mit resultierender
Zunahme von Gefäßlänge und -durchmesser (6). Sternale Komplikationen
sind insbesondere nach bilateraler
Grafik 1
tierten ITA im Vergleich zum konventionell präparierten Gefäß signifikant
erhöht ist, was in einer verbesserten
Protektion gegen eine myokardiale
Ischämie resultieren könnte (Grafik
1) (22).
Radialarterie
Die Arteria radialis wurde 1973 erstmals von Carpentier (7) als arterielles
Graft in der Koronarchirurgie verwandt und von Acar und Calafiore
Mitte der 90er-Jahre wieder etabliert.
In der Regel wird die Arteria radialis
am Unterarm der nicht dominanten
Hand entnommen, nachdem mithilfe
des Allen-Tests eine ausreichende
Grafik 2
A
B
C
Intraoperative Messungen der freien Flussrate an skelettierten und in konventioneller
Technik präparierten Grafts der Arteria thoracica intern (ITA), LITA, linke ITA; RITA, rechte
ITA. Aus Wendler et al.: Eur J Cardiothorac
Surg 1999; 15: 247–250, mit freundlicher Genehmigung Elsevier Ltd.
Komplett arterielle Revaskularisation des Herzens unter Anwendung der T-Graft-Konfiguration; A, linke Arteria thoracica interna zur
Herzvorderwand; B, rechte Arteria thoracica
interna zur Hinter- und Seitenwand des Herzens; C, T-Anastomose
Präparation bei Diabetikern im Vergleich zur konventionellen Technik reduziert, was auf eine besser erhaltene
sternale Kollateralperfusion zurückgeführt wird (5). Funktionelle Nachteile hinsichtlich der langfristigen Ergebnisse zwischen der skelettiert und
konventionell präparierten ITA wurden nach 15 Jahren postoperativ bisher nicht beobachtet (10). Die Arbeitsgruppe der Autoren konnte zusätzlich zeigen, dass die intraoperativ
gemessene freie Flussrate der skelet-
Kollateralisierung über die Arteria ulnaris nachgewiesen wurde. Mittelfristige Ergebnisse zeigen, dass ihre Offenheitsraten nur gering unter denen
der ITA liegen (1,11).
Auch dieses Conduit wird von den
Autoren in skelettierender Technik
entnommen und vollständig aus seinem Gefäßbett herauspräpariert. Nach
distal bildet die oberflächliche Palmararterie, nach proximal der Abgang der
Arteria ulnaris die Grenze der Präparation.
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T-Graft-Konfiguration
Die T-Graft-Konfiguration wurde
erstmals an einem größeren Patientenkollektiv von Tector et al. vorgestellt (20). Die linke ITA wurde bei
den Patienten zur Revaskularisation der Herzvorderwand, die rechte
zur Versorgung der Gefäße an der
Posterolateral- und der Hinterwand
verwandt. Proximal wurde die rechte
ITA als freies Graft in die linke ITA
implantiert (Grafik 2).
Hierdurch ließ sich mit nur zwei arteriellen Conduits eine komplette Revaskularisation auch bei koronarer 3Gefäß-KHK erzielen. Auf die zusätzliche Präparation weiterer Conduits
konnte verzichtet werden, wodurch
sich Dauer und Trauma der Operation
reduzieren ließen. Mittlerweile wurden von den Autoren und weiteren Arbeitsgruppen neben der rechten ITA
auch die Arteria gastroepiploica (17)
und RA (16) als zweites arterielles
Conduit verwandt.
Klinische Erfahrungen
Patienten und Operationstechnik
In der Zeit von März 1996 bis Juni
2002 wurden an der Klinik der Autoren 1 386 Patienten mit einer koronaren Mehr-Gefäß-KHK komplett arteriell revaskularisiert (demographische
Einzelheiten siehe Tabelle 1). Die Entscheidung zur Verwendung arteriellen
Graftmaterials erfolgte aufgrund eines Lebensalters von 70 Jahren oder
bei fehlendem venösen Graftmaterial.
Die Operationen wurden bei fast allen Patienten unter Verwendung von
zwei arteriellen Conduits durchgeführt. In wenigen Fällen (n = 7; 0,5
Prozent) war ein einzelnes Graft zur
kompletten Revaskularisation ausreichend. In der Regel wurde die linke
ITA zur Revaskularisation des RIVA
und seiner Diagonaläste, das zweite
Graft zur Anastomosierung von RCX
und rechter Kranzarterie (RCA) verwandt. Die RA wurde bei ausreichender Kollateralperfusion an der Hand
als das zweite Conduit der Wahl genutzt (n = 1 204, 87 Prozent). Die rechte ITA wurde bei Patienten angewen-
A 1880
Tabelle 1
´
Demographische Daten
Patienten (n)
1386
Alter (J)
> 70 (n)
63 ± 9
248/18 %
Geschlecht weiblich (n)
274/20 %
Ejektionsfraktion (%)
< 35 % (n)
57 ± 16
159/12 %
Rezidiv-Operation (n)
118/8,5 %
KHK
Hauptstammstenose
> 50 % (n)
3-Gefäß-Erkrankung (n)
706/51 %
1191/86 %
Diabetes mellitus (n)
Insulinpflichtig (n)
402/29 %
180/13 %
n, Anzahl
det, die eine unzureichende Kollateralperfusion an der Hand aufwiesen
oder die Entnahme der RA aus anderen Gründen ablehnten (n = 186, 13
Prozent). Falls die Länge des zweiten
Grafts für eine Implantation in die
Aorta ascendens nicht ausreichte
(n = 1 165, 84 Prozent) wurde dieses
proximal in die linke ITA in der bereits erwähnten T-Graft-Konfiguration implantiert.
Bei der Mehrzahl der Patienten
wurde die Revaskularisation unter
Verwendung der Herz-Lungen-Maschine in moderater systemischer Hypothermie durchgeführt. Lediglich bei
Patienten, die eine ausgeprägte Arte-
Tabelle 2
riosklerose der Aorta ascendens oder
eine schwere Sklerose der hirnversorgenden Gefäße aufwiesen, wurde auf
die Klemmung der Aorta aufgrund des
embolischen Risikos verzichtet. Sie
wurden am schlagenden Herzen ohne
Einsatz der extrakorporalen Zirkulation (n = 9, 0,7 Prozent) oder mithilfe
der Herz-Lungen-Maschine am fibrillierenden Herzen in tiefer Hypothermie (n = 30, 2,2 Prozent) operiert.
Ergebnisse
Im Mittel wurden 4 ⫾ 1 (2 bis 7) Koronargefäße pro Patient anastomosiert.
Die mittlere Dauer der Operation betrug 194 ⫾ 46 min bei einer Bypasszeit
von 82 ⫾ 31 min und einer Ischämiezeit
von 56 ⫾ 24 min. Hervorzuheben ist,
dass die Operationszeit unter Verwendung beider ITAa im Vergleich zur
Operation mit linker ITA und RA oder
Venengrafts signifikant verlängert war
(p = 0,0001). Zeitgleich wurden in
Kombination mit der Revaskularisation bei 10,8 Prozent der Patienten weitere Eingriffe am Herzen und Gefäßsystem vorgenommen (Tabelle 2).
Die perioperative Morbidität war
gering (Tabelle 3). Während des Krankenhausaufenthaltes verstarben 38
Patienten, entsprechend einer Letalität von 2,7 Prozent. Für die koronare
Erstoperation ohne Kombinationseingriff lag die Sterblichkeit bei 1,9 Prozent (n = 21 von 1 128).
´
Kombiniert durchgeführte Eingriffe
Eingriff
Aortenklappe
Ersatz
Rekonstruktion
Mitralklappe
Ersatz
Rekonstruktion
Aorta
Ascendens Ersatz
Proximaler Bogenersatz
Totaler Bogenersatz
Linksventrikuläre Aneurysmektomie
Vorhofablation
Atrium septum Defektverschluss
Myxomresektion
Carotis Thrombendartherektomie
Aorto subclavialer Bypass
Pulmonale Thrombendartherektomie
Anzahl
Prozent
54
11
3,9
0,8
7
42
0,5
3,0
16
2
1
4
2
2
1
26
1
2
1,2
0,1
0,1
0,3
0,1
0,1
0,1
1,9
0,1
0,1
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Tabelle 3
´
Perioperativer Verlauf
Befund
Anzahl
Prozent
40
2,9
Postoperative IABP
Perioperativer Myokardinfarkt
24
1,7
Nachblutung/Reoperation
12
0,9
Phrenikusparese
4
0,3
Zerebraler Insult
20
1,4
Sternumwundheilungsstörungen/Reoperation
Instabilität
Infektion
Diabetiker versus
Nichtdiabetiker
11
16
10
17
0,8
1,2
2,5 versus
1,7
1204
0
5
44
0
0,4
3,7
38
21
2,7
1,9
Unterarm
Durchblutungsstörungen
Tiefe Wundheilungsstörungen
Temporäre Parästhesien
Krankenhausletalität
Gesamt
Erst-OP ohne kombinierten Eingriff
IABP, intraaortale Ballonpumpe
Postoperative
Koronarangiographie
Zur Dokumentation des Operationsergebnisses wurde den ersten 300 arteriell revaskularisierten Patienten eine
Woche postoperativ eine Koronarangiographie offeriert. Von diesen willigten 172 Patienten in die Untersuchung
ein, die in Kooperation mit den Kollegen der kardiologischen Klinik durchgeführt wurde. Stenosen von 50 Prozent wurden als signifikant bewertet.
Bei 140 von 145 Patienten (96,5
Prozent) zeigte sich die T-Graft-Anastomose ohne Stenose. Von den 263
Anastomosen der linken ITA – zu RIVA und Diagonalästen – waren 252
(95,8 Prozent) suffizient offen. Mit der
rechten ITA waren 135 Anastomosen
angelegt worden, von denen 129 keine
signifikante Stenose aufwiesen (95,6
Prozent). Die 276 Anastomosen an der
RA zeigten eine Offenheitsrate von
97,5 Prozent (n = 269).
wurden die ersten von den Autoren
operierten Patienten mittels intravasaler Flussmessungen nachuntersucht.
Mit diesem Verfahren steht ein Diagnostikum zur Verfügung mit dem die
CFR im postoperativen Verlauf unter
physiologischen Bedingungen gemessen werden kann. Sie gibt eine Information über die physiologische Funktion der arteriellen Bypassgrafts wieder (14). Intraoperative FlussmessunGrafik 3
Intravasale Flussmessungen
Vorraussetzung für eine suffiziente
Myokardperfusion ist eine ausreichende koronare Flussreserve (CFR) im
Bypassgraft (14). Aus diesem Grund
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Zeitgleiche Messung des Blutflusses in der
linken Arteria subclavia und der linken Arteria thoracica interna des T-Graft. Aus Hennen
et al.: Thorac Cardiovasc Surg 2001; 49: 84–88.
gen eignen sich hierfür nicht, da Einflussgrößen wie beispielsweise Herzfrequenz, Blutdruck und Volumenstatus des Patienten nicht ausreichend
konstant gehalten werden können.
Um die Sicherheit der arteriellen
Revaskularisation mittels T-Graft zu
dokumentieren und Fragen von Kritikern beantworten zu können, sollten
zwei Sachverhalte geklärt werden:
> Hat der Blutfluss in der Arteria
subclavia einen Einfluss auf den Blutfluss im T-Graft (9)?
Eine Woche postoperativ wurden
20 Patienten, die bei 3-Gefäß-KHK eine komplett arterielle Revaskularisation in T-Graft-Technik erhalten hatten, untersucht. Zeitgleich erfolgte eine intravasale Flussmessung in der Arteria subclavia und der proximalen linken ITA nachdem eine Blutdruckmanschette am linken Oberarm angesetzt wurde. Nach dem Lösen der Blutdruckmanschette wurde die Flussmessung wiederholt.
Es zeigte sich, dass der Ruheblutfluss in der Arteria subclavia nach
Blockierung der Armdurchblutung
signifikant abfiel (p = 0,01) und nach
Freigeben der Armdurchblutung überproportional stark anstieg (p = 0,0001).
Die zeitgleich bestimmten Blutflusswerte in der proximalen ITA des
T-Graft zeigten keine signifikanten
Schwankungen zu den drei Messzeitpunkten (Grafik 3).
> Wird der Blutfluss im T-Graft von
der Arteriosklerose der Nativgefäße
beeinflusst und ist die koronare Flussreserve auch bei schwerer Arteriosklerose ausreichend hoch (13)?
Um den Einfluss des konkurrierenden nativen Koronarblutflusses auf den
Blutfluss im T-Graft untersuchen zu
können, werteten die Autoren die intravasalen Flussmessungen von 82 Patienten nach arterieller T-Graft-Revaskularisation aus. Sie wurden hinsichtlich der Anzahl verschlossener nativer
Koronargefäße in drei Gruppen unterteilt. In der Gruppe 1 (n = 31) waren alle Koronargefäße stenosiert, aber nicht
verschlossen. In der zweiten Gruppe
(n = 33) wurden zwei stenosierte Koronargefäße und eine der großen Koronarien (RIVA/RCX/RCA) verschlossen vorgefunden. In der Gruppe 3
(n = 18) war ein Koronargefäß steno-
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Zusammenfassung
In den postoperativen Koronarangiographien weisen sowohl die RA, als
auch die linke und die rechte ITA exzellente Offenheitsraten auf (24). Bei
den von den Autoren nachuntersuchten Patienten mit verschlossenen Anastomosen wurde nach interdisziplinärer Diskussion gegebenenfalls eine zusätzliche PTCA durchgeführt. Ein Patient musste 8 Monate nach der initialen Revaskularisation erneut operiert
werden.
Obwohl bei der arteriellen Revaskularisation mittels T-Graft der gesamte Bypassfluss vom Blutfluss in der
linken ITA abhängig ist, zeigen die
von den Autoren durchgeführten in-
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siert, zwei der großen Koronarien (RIVA/RCX/RCA) verschlossen.
Der höchste Ruhefluss im T-Graft
wurde in der Gruppe mit zwei verschlossenen Koronarien (Gruppe 3)
sowohl eine Woche, als auch sechs Monate postoperativ registriert. Er war
zu beiden Zeitpunkten signifikant
höher als in den Gruppen 1 und 2, die
sich wiederum signifikant voneinander unterschieden (p = 0,05). Auch die
maximalen Flusswerte waren signifikant von Gruppe 3 bis Gruppe 1 abnehmend (p = 0,05). Die CFR stieg in
allen Gruppen innerhalb von sechs
Monaten postoperativ signifikant an
(p = 0,01). Hervorzuheben ist, dass sie
zu beiden Messzeitpunkten
nicht signifikant verschieden
Grafik 4
zwischen den Gruppen war
(Gruppe 1: 1,8/2,8; Gruppe 2:
1,9/2,7; Gruppe 3: 1,8/2,6)
(Grafik 4).
Die zunehmende Verwendung arteriellen Graftmaterials wird als therapeutischer
Ansatz zur Verbesserung der
Langzeitprognose nach koronarchirurgischen Eingriffen
insbesondere für Patienten
mit einem Diabetes mellitus
gesehen (19). Allgemein akzeptierte chirurgische Kon- Absoluter Blutfluss im T-Graft in Abhängigkeit von der
Schwere der Arteriosklerose im nativen Koronarsystem.
zepte zur komplett arteriellen Aus Markwirth et al.: Ann Thorac Surg 2001; 71: 788–793.
Revaskularisation in der täglichen Routine liegen derzeit
nicht vor. Die skelettierende Präparati- travasalen Flussmessungen, dass hieronstechnik der ITA (5), die RA als zu- aus keine Nachteile resultieren. Zum
sätzliches Conduit (11) und die T- einen ist der Zufluss in das T-Graft
Graft-Konfiguration (20) stellen chir- nicht von den physiologischen
urgische Techniken dar, mit denen das Schwankungen des Blutflusses in der
Ziel, ohne venöse Bypassgrafts eine Arteria subclavia abhängig (9), zum
komplette Revaskularisation zu erzie- anderen findet sich auch nach Revaslen, leichter erreichbar ist.
kularisation einer 3-Gefäß-KHK mitDie von den Autoren vorgestellte tels T-Graft-Technik eine für arterielle
Operationstechnik ist ein sicheres und Conduits normale CFR (13). Der abeffektives Verfahren, mit dem sich bei solute Blutfluss ist dabei abhängig von
fast allen Patienten eine komplett arte- der Schwere der nativen Arteriorielle Revaskularisation mit nur zwei sklerose (13). Sechs Monate postopearteriellen Conduits erzielen lässt (24). rativ lässt sich sogar ein Anstieg der
Im Vergleich mit der konventionellen CFR im T-Graft – analog zu den BeBypasschirurgie unter Verwendung ei- funden an konventionell verwandten
ner ITA in Kombination mit Venen- einfachen ITA-Conduits – nachweigrafts fanden sich keine Nachteile (25). sen (13). Hinsichtlich des Blutflusses
A 1882
im T-Graft wurden keine Unterschiede zwischen ITA/RA-T-Grafts und einer Kombination mit beiden ITAa
festgestellt (23).
Bei Diabetes-mellitus-Patienten bietet die komplette arterielle Revaskularisation unter Verwendung der skelettierten ITA und RA eine sichere
Therapieoption. Falls eine RA nicht
verwandt werden kann, ist nach skelettierender Präparation beider ITAa
aber auch bei diesen Patienten eine
komplett arterielle Revaskularisation
mit geringer Morbidität möglich.
Es bleibt abzuwarten, ob die guten
perioperativen
Ergebnisse
einen
Überlebensvorteil und eine verbesserte Lebensqualität im Langzeitverlauf
erbringen. Hinsichtlich der sehr guten
früh-postoperativen Offenheitsraten
der arteriellen Conduits wird sich zeigen, ob sich diese auch mittelfristig bestätigen lassen. In welcher Weise sich
die Anwendung der T-Graft-Konfiguration auch positiv auf das Langzeitergebnis des zweiten arteriellen Conduit
auswirkt, bleibt abzuwarten.
Derzeit bietet die komplett arterielle Revaskularisation die einzige Option, die Langzeitergebnisse nach koronarer Bypassoperation insbesondere
beim jungen Patienten und bei Vorliegen eines Diabetes mellitus zu verbessern. Da sie in der vorgestellten Operationstechnik kein erhöhtes Risiko
bezüglich perioperativer Morbidität
und Mortalität in sich birgt und bisher
keine Berichte über eingeschränkte
Langzeitergebnisse nach komplett arterieller Revaskularisation vorliegen,
sollte die arterielle Revaskularisation
beim jungen Patienten in der Routineversorgung etabliert werden.
Manuskript eingereicht: 19. 11. 2002, revidierte Fassung
angenommen: 9. 4. 2003
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2003; 100: A 1876–1882 [Heft 27]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet
unter www.aerzteblatt.de/lit2703 abrufbar ist.
Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Olaf Wendler
Abteilung für Thorax- und Herz-Gefäßchirurgie
Universitätskliniken des Saarlandes
Kirrberger Straße 1
66424 Homburg/Saar
E-Mail: [email protected]
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