2 Das Konzept der Quantenkorrelation 2.1 2.1.1 Allgemeine Betrachtungen zur Quantenkorrelation Historische Bemerkungen Die Quantenkorrelation ist eine spezielle Beziehung zwischen zwei oder auch mehreren Quantenteilchen, die keine Analogie in der klassischen Physik hat. Die Existenz eines solchen Phänomens, damals “Verschränkung” genannt, wurde 1935 von Schrödinger aus der quantenmechanischen Beschreibung zweier wechselwirkender Teilchen abgeleitet [72, 73]. Die Beschäftigung mit diesem Thema war zu jener Zeit stark von der Diskussion um das sogenannte “Einstein-Podolsky-Rosen(EPR)Paradoxon” [74] beeinflußt. Von den 3 Wissenschaftlern 1935 als Gedankenexperiment ersonnen, sollte es die von Einstein vermutete Unvollständigkeit der Quantentheorie offenbaren. Eine der logischen Grundannahmen dieser Arbeit war, daß Teilchen die räumlich voneinander getrennt sind, keinerlei Wirkung aufeinander ausüben, unabhängig von ihrer Vergangenheit. Schrödinger zeigte nun mathematisch, daß dies nicht der Fall ist, sondern zwei Quantenteilchen nach einem bloßen Kontakt als voneinander abhängig betrachtet werden müssen. Das Phänomen der Quantenkorrelation1 ist innerhalb der Quantenmechanik keine ungewöhnliche Erscheinung. Vielmehr ist die Quantenkorrelation laut Schrödinger “die Essenz der Quantenphysik” sowie “...der endgültige Abschied von klassischen Vorstellungen...” [73]. Allgemein gesehen sind Systeme ohne quantenkorrelierte Zustände die absolute Ausnahme [3]. Was ist nun das besondere am quantenkorrelierten Zustand? Angenommen, wir besitzen von mehreren Quantenteilchen (Photon, Elektron, Atom, Molekül) vor deren Wechselwirkung alle verfügbaren Informationen (Ort, Impuls, Masse, Spin, etc.) und verfolgen den Kontakt oder Stoß der Teilchen selber lückenlos. Nach der Wechselwirkung können wir mit Sicherheit nur noch Aussagen über das Gesamtsystem treffen, nicht mehr über die einzelnen Teilchen. Anschaulich kann man sagen, daß die Individualinformationen (Ort, Impuls, Masse, Spin, etc.) der einzelnen Quantenteilchen jetzt über alle Mitglieder des Systems “verschmiert” sind. Da in diesem verschränkten Zustand jedes Teilchen auch “Anteile” der anderen Mitglieder des Quantenensembles besitzt oder in sich trägt, ist eine Beeinflussung eines Teilchens des Systems identisch mit einer Beeinflussung 1 Weitere Bezeichnungen sind Verschränkung oder Quantum Entanglement. 25 2 Das Konzept der Quantenkorrelation der anderen quantenkorrelierten Teilchen. Paradox im Sinne der klassischen Mechanik ist nun, daß das oben gesagte auch für räumlich beliebig weit getrennte Teilchen gilt. Für Verwirrung sorgte vor allem die Tatsache, daß äußere Einwirkungen auf ein Mitglied eines verschränkten Systems instantan auf alle anderen Mitglieder übertragen werden und damit scheinbar im Widerspruch zur speziellen Relativitätstheorie steht. Zur Lösung dieses Dilemmas wurde die Existenz verborgener lokaler Variablen postuliert [75]. Das Bell-Theorem zeigte 1964 mit seinen berühmten Ungleichungen [76], daß alle Theorien unter Verwendung solcher lokaler Variablen in ihren Voraussagen von denen der Quantenmechanik abweichen, die Existenz dieser Variablen aber durch ein geeignetes Experiment überprüft werden kann. Groß war daher das wissenschaftliche und philosophische Interesse, als der erste experimentelle Nachweis für die Existenz einer Fernwirkung zwischen zwei voneinander separierten Photonen gelang (vgl. z.B. [77]) und damit die Bell’schen Ungleichungen verletzte. Diese und viele Folgeexperimente [78, 79, 80] über die speziellen Eigenschaften quantenkorrelierter Paare sorgten u. a. für Spekulationen über die Möglichkeit überlichtschneller Kommunikation. Sie eröffnen aber auch eine Vielzahl anderer interessanter Nutzungsmöglichkeiten (s. Kap. 2.1.2). Inzwischen gelang es, nicht nur Paare von Photonen, sondern auch Protonen [6], Atome [7] und Ionen [8, 9] , die weit von einander entfernt sein können, in einen quantenkorrelierten Zustand zu bringen. Dafür müssen diese Partikel aber von jeglicher Störung isoliert sein, denn ein Kontakt mit der Umwelt zerstört die Quantenkorrelation (s. Kap. 2.3.1.1). Zwei heutzutage alltäglich anmutende, aber in ihren Eigenschaften “exotische”, Beispiele von quantenkorrelierten Zuständen sind die elektronischen Cooperpaare in Supraleitern und das suprafluide Helium. Die Nutzung der ungewöhnlichen Eigenschaften quantenkorrelierter Zustände wird heute für viele zukünftige Anwendungen in Betracht gezogen, so zum Beispiel für die Entwicklung von Quantencomputern, für eine effizientere Datenübertragung oder für die Kryptographie. 2.1.2 Moderne Entwickungen und zukünftige Anwendungen der Quantenkorrelation Wie im vorangehenden Abschnitt erwähnt, gehören Quantenkorrelationen zum Kern der Quantentheorie. Sie wurden jedoch lange Zeit eher als intellektuelles Problem denn als Chance für nützliche Anwendungen gesehen. Erst in den letzten Jahren begann man, die mit der Quantenkorrelation zusammenhängenden Effekte ernsthaft für eine Nutzung in Betracht zu ziehen. Das wachsende Interesse am Verhalten quantenkorrelierter Systeme wird dabei u. a. durch die stark zunehmende Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema deut- 26 2.1 Allgemeine Betrachtungen zur Quantenkorrelation lich2 . Im Jahr 1997 wurde ein Nobel-Symposium zu diesem Thema veranstaltet (dazugehörige Proceedings der Nobelakademie s. [82]). Das stark zunehmende Interesse ist neben den philosophischen Aspekten vor allem damit zu begründen, daß die speziellen Eigenschaften quantenkorrelierter Teilchen ein großes Potential für zukünftige technische Anwendungen besitzen. Besonders fortgeschritten sind die Arbeiten auf folgenden Gebieten: • Quantencomputer, • Informationsübertragung, • Kryptographie . 2.1.2.1 Quantencomputer Physikalische und ökonomische Berechnungen sagen aus, daß Computer mit herkömmlicher Technologie, basierend auf integrierten Silizium-Schaltkreisen, im Jahr 2010 die heutigen Rechner um das 256-fache an Leistungsfähigkeit übertreffen werden [83]. Damit ist jedoch die Grenze der physikalisch und ökonomisch realisierbaren Integrationsdichte für die heute übliche Prozessortechnologie erreicht. Rein theoretisch ist es möglich, mit einem Watt elektrischer Leistung das 109 -fache der heutigen Rechnerleistung/Watt zu erbringen [83]. Dies kann nur mit Techniken jenseits der Mikroelektronik, unter Nutzung von Nanostrukturen und Quanteneffekten, realisiert werden3 . Rechner dieser Art werden Quantencomputer genannt. Sie zeichnen sich durch parallele Informationsverarbeitung unter Verwendung von Quantenalgorithmen aus. Dies ermöglicht eine exponentiell erhöhte Rechengeschwindigkeit gegenüber heutigen Computern, die mit Boolescher Algebra Bit für Bit nacheinander bearbeiten [84]. Der hohe Grad an Parallelität wird erst durch Quantenkorrelationseffekte möglich, indem eine Aufgabe einem Quantenzustand zugeordnet wird, dessen geeignete Projektion nach Beendigung der Zeitentwicklung das entsprechende Resultat liefert. Quantencomputer sollen nach heutigen Planungen entweder auf quantenkorrelierten NMR-(Nuclear Magnetic Resonance)-Feldmoden oder auf quantenkorrelierten Ionen in Festkörpertraps basieren. Bei IBM laufen z. Z. die Vorbereitungen für die Entwicklung eines Quantencomputers auf NMR-Basis [85]. Wenn man bedenkt, daß in diesem Jahr allein in Deutschland 100 Mrd. Dollar in der Informationsverarbeitung umgesetzt werden [86], kann man das wirtschaftliche Interesse an der Technik des Quantencomputers und seiner Grundlagen verstehen. Von wissenschaftlichem Interesse ist dagegen die von einigen Forschern vertretene Meinung, daß die Funktionsweise des menschlichen Gehirns den Prinzipien eines Quantencomputers entspricht [87, 88, 89]. 2 Die Anzahl veröffentlichter wissenschaftlicher Arbeiten nur zum Stichwort “Entanglement” erhöhte sich von 0 im Jahre 1991, über 165 im Jahre 1994 auf 561 im letzten Jahr (1998) [81]. 3 Quanteneffekte treten bei Nanostrukturen zwangsweise auf, was sich für konventionelle Chips als großer Nachteil erweist. 27 2 Das Konzept der Quantenkorrelation 2.1.2.2 Informationsübertragung/Teleportation Mehr als alle anderen speziellen Eigenschaften quantenkorrelierter Paare beflügelte die Delokalisation der verschränkten Teilchen die Phantasie von Wissenschaftlern und Philosophen. Delokalisation bedeutet, daß sich die Beeinflussung eines der verschränkten Teilchen gleichzeitig auf das oder die anderen Mitglieder des Quantensystems auswirkt. Wie in Kap. 3.1. erwähnt, erfolgt die Delokalisation äußerer Einwirkungen auf alle Mitglieder des Quantenensembles instantan, d. h. ohne Zeitverzug. Aus diesem Grund liegt der Gedanke an eine überlichtschnelle Informationsübermittlung nahe. Theoretische Berechnungen und auch Experimente zeigen aber, daß man zwar überlichtschnell ein Signal übermitteln kann (Weihs et al. 400 m [90] und Tittel et al. über 10 km [91]), jedoch keine verwertbare Information. Somit steht die Quantenmechanik in diesem Punkt nicht im Gegensatz zur speziellen Relativitätstheorie4 . Auch ohne Überlichtgeschwindigkeit bieten quantenkorrelierte Paare interessante Möglichkeiten der Informationsübermitlung. Die klassische Quantenmechanik (ohne Quantenkorrelation) erlaubt pro Quantenteilchen mit n orthogonalen Zuständen die Übertragung von log2 (n) bits [4]. Das heißt z.B. für ein Elektron mit Spin=1/2 zwei orthogonale Zustände (+1/2 und −1/2) und damit 1 bit Übertragungspotential. Wenn statt dessen ein quantenkorreliertes “Teilchen” (besser: ein Teil eines verschränkten Paares) verwendet wird, können volle 2 bit (einer von vier möglichen Quantenzuständen) übertragen werden. Dieses Verfahren wird als “dense coding” bezeichnet. Die Grundlage dafür ist, daß zwei Teilchen mit je zwei orthogonalen Zuständen insgesamt vier verschiedene Möglichkeiten der Kombination haben5 . Im quantenkorrelierten Zustand zweier Teilchen kann man diese vier verschiedenen Kombinationen des Teilchenpaares aber an jedem einzelnen der beiden verschränkten Teilchen einstellen. Um die gegenüber klassischem Datentransfer zweifach komprimierten Daten auszutauschen, müssen sich der zukünftige Sender und Empfänger ein quantenkorreliertes Teilchenpaar teilen. Da die Gesamtinformation über beide Teilchen “verschmiert” ist, kann der Sender der Information (gewöhnlich mit Alice bezeichnet), mit einer von vier möglichen Transformationen an ihrem quantenkorrelierten Teilchen, einen der vier Zustände des Gesamtsystems einstellen. Wenn sie dieses präparierte Teilchen zum Empfänger (Bob) schickt, der das quantenkorrelierte Partnerteilchen besitzt, kann dieser durch eine Messung an dem Gesamtsystem einen der vier möglichen orthogonalen Zustände identifizieren. Das heißt, pro verschicktem Teilchen, z.B. ein Photon im Lichtleitkabel, können statt klassisch maximal 2 bit nun 4 bit übertragen werden [4, 3, 93]. Eine weitere ungewöhnliche Art der Informationsübermittlung ist die sogenannte Quanten-Teleportation. Dies hört sich sehr futuristisch an, hat aber nichts mit dem Versenden von Materie zu tun. Vielmehr ermöglicht diese Methode das Übertragen eines bestimmten Quantenzustandes von A nach B. Dieser Prozeß ähnelt der Umkehrung des “dense coding” Verfahrens und schließt wie bei diesem ein, daß sich Alice und Bob ein quantenkorreliertes Paar teilen. Den fraglichen Quantenzustand übermittelt Alice an Bob indem sie ihr quantenkorreliertes Teilchen zusammen mit dem dritten Teilchen C, dem 4 Andererseits gibt es immer wieder seriöse Wissenschaftler, die behaupten, doch die Lösung für überlichtschnelle Kommunikation gefunden zu haben [92]. 5 Dies wären z.B. die Zustände (↑↑ − ↓↓), (↑↑ + ↓↓), (↑↓ − ↑↓) und (↑↓ + ↑↓) [4]. 28 2.2 Formale Beschreibung der Quantenkorrelation Träger der Information, einer sog. Bell-Messung [4, 3] unterzieht. Im selben Augenblick nimmt Bobs Teilchen einen zu C korrespondierenden Zustand an. Wenn die Übertragung damit beendet wäre, hätte eine überlichtschnelle Kommunikation stattgefunden. Bob muß allerdings noch eine Rotation an seinem Teilchen durchführen um den Originalzustand von C wieder herzustellen. Welche Rotation das ist, muß ihm allerdings erst Alice auf konventionellem Wege mitteilen. Eine solche Quanten-Teleportation mit Photonen als quantenkorreliertem Paar und einem Polarisationszustand als übermittelter Information konnte auch schon experimentell realisiert werden [94]. 2.1.2.3 Kryptographie Ähnlich wie im Falle des “dense coding”, kann zwischen zwei Personen (wie üblich Alice und Bob), welche unbelauscht bleiben wollen, ein quantenkorreliertes Paar geteilt werden. Wenn Alice sicher ist, daß Bob sein korreliertes Quantenteilchen erhalten hat, was per Telefon nachgefragt werden kann, stellt Alice einen der möglichen Quantenzustände ein, den nur Bob auslesen kann. Diese Methode ist absolut abhörsicher, denn wenn ein Dritter in den quantenkorrelierten Informationskanal eingreift, bricht der korrelierte Quantenzustand zusammen. Dieser Effekt hat zusätzlich den Vorteil, daß der Lauschversuch nicht unbemerkt bleibt. Weitere Bedeutung für die Kryptographie erhält die Quantenkorrelation im Zusammenhang mit der Entschlüsselung von Codes. Der Grund hierfür liegt in der Fähigkeit der Quantencomputer, bestimmte mathematische Operationen, z.B. Primfaktoren zu berechnen, exponentiell schneller auszuführen als normale Rechner[84]. Primfaktoren werden heute als Schlüssel für Sicherheitscodes verwendet, da mit zunehmender Länge der Zahl der Rechenaufwand exponentiell ansteigt, aber eben nur für konventionelle Rechner. Alle herkömmlichen Codes, basierend auf Primfaktoren, können daher mit Hilfe von Quantencomputern in einem Bruchteil der sonst nötigen Zeit entschlüsselt werden. Aufgrund dieser Tatsachen sollten sich auch führende Geheimdienste für Quantenkorrelation interessieren. 2.2 Formale Beschreibung der Quantenkorrelation Die Eigenschaften quantenkorrelierter Systeme und ihr Widerspruch zur klassischen Mechanik wurden in Kap. 2.1.1 allgemein beschrieben. An dieser Stelle soll etwas formaler auf das Thema eingegangen werden. Ein beliebiges quantenmechanisches System wird durch seine Wellenfunktion Ψ in einem entsprechend dimensionierten Hilbertraum H vollständig beschrieben (reiner Zustand), wenn Ψ in seine Komponenten Ci bezüglich einer orthonormierten Basis ui zerlegt werden kann: Ψ= X Ci ui (2.1) 29 2 Das Konzept der Quantenkorrelation und dabei gilt: X Ci = 1 (2.2) Nach dem Schrödingerschen Superpositionsprinzip ergeben zwei durch die WellenfunkP P tionen ΨA = Ai ui und ΨB = Bi vi beschriebene reine Zustände auch zusammen wieder einen reinen Zustand, der durch die Gesamtwellenfunktion X Ai ui + Bk vk (2.3) ΨA+B = i,k beschrieben wird [95]. Gemischte oder unvollständige Zustände werden im Gegensatz zu reinen Zuständen, nicht durch Wellenfunktionen, sondern durch Dichtematrizen ρ (oder Statistische Operatoren ρ̂) beschrieben [96]. Die Definition für die Dichtematrix eines Zustandes ist: ρ = |ΨihΨ| (2.4) Damit gilt für die Beschreibung des Gesamtzustandes (2.3) im Dichtematrixformalismus: X ρA+B = Ci Ck∗ |ui vi ihuk vk | (2.5) i,k wobei die Koeffizienten C in Gl. (2.5) sich gemäß den Binomialgesetzen aus den Koeffizienten A und B in Gl. (2.3) gemäß Definition (2.4) zusammensetzen. Ck∗ ist der jeweilige zu Ck komplex konjugierte Koeffizient mit dem Abzählindex k. Dieser Zustand (äquivalent natürlich auch der in (2.3)) beschreibt ein quantenkorreliertes System, wobei die Mischterme Ci Ck∗ die Quantenkorrelation ausdrücken. Im diesem Fall kann man nichts über die speziellen Eigenschaften der einzelnen Teilchen aussagen. Alle physikalisch möglichen Messungen an den Subsystemen ΨA und ΨB würden nicht ausreichen, um die Gesamtinformation des Systems zu rekonstruieren. Nach der Standardquantentheorie führt eine Messung am Subsystem oder “Teilchen” ΨA zur partiellen Dichtematrix [10] X X ρA = Ci Ci∗ |ui ihui | = |Ci |2 |ui ihui | (2.6) i mit einem analogen Resultat für eine Messung an ΨB . Die Gesamtinformation durch Messungen an ΨA und ΨB beschränkt sich damit auf [97]: ρred = ρA ⊗ ρB (2.7) Wie zu sehen ist, sind in Gl. (2.6) die Mischterme Ci Ck∗ , welche die Quantenkorrelation in Gl. (2.5) beschreiben, verschwunden und es gilt ρA+B 6= ρred 30 (2.8) 2.2 Formale Beschreibung der Quantenkorrelation und für die Relation der “Phasenraum-Dimensionen” Dim(ρA+B ) ≥ Dim(ρred ) - deshalb wird ρred auch die reduzierte Dichtematrix genannt. Für reine Zustände gilt: ρ2 = ρ, dies gilt demzufolge nicht für den Zustand (2.6) und (2.7), da dieser kein reiner Zustand mehr ist. Wenn die Koeffizienten einer Matrix (z.B. der Dichtematrix ρ) nach den Zeilen i und den Spalten k abgezählt werden, befinden sich die Matrixelemente Aii auf und die Elemente Aik abseits der Hauptdiagonale. Die Hauptdiagonalelemente Aii der Dichtematrix entsprechen den möglichen Meßwerten des einer physikalischen Größe zugeordneten Operators. Eine Messung bewirkt somit eine “Diagonalisierung” der Dichtematrix des Systems. Die Hauptdiagonalelemente Aii einer Dichtematrix ρ sind, aufgrund der speziellen Eigenschaften der den Meßgrößen zugeordneten Operatoren immer positiv-reelle Zahlen, was für Meßwerte auch zu erwarten ist, da sie der physikalischen Realität entsprechen. Die Nebendiagonalelemente Aik einer Dichtematrix, welche die Quantenkorrelationen repräsentieren, können auch komplex sein. Die Hauptdiagonalelemente einer Dichtematrix werden also durch die Messung selbst nicht verändert, aber erst nach dem Verschwinden der Nebendiagonalelemente können sie als klassische Wahrscheinlichkeiten interpretiert werden6 . Die entscheidende Frage ist: Wer oder was veranlaßt das Verschwinden der Nebendiagonalelemente Aik beim Meßprozeß, was zur Reduktion oder zur Diagonalisierung der Dichtematrix des Systems führt. Dies ist eine der umstrittensten Fragen der Quantenmechanik [89]. Deshalb soll im nächsten Abschnitt etwas näher auf den Meßprozeß eingegangen werden. 2.2.1 Der Meßprozeß Der quantenmechanische Meßprozeß ist nicht mit einer klassischen Messung zu vergleichen. Wie oben erläutert, wird in der Quantenmechanik der Zustand eines Systems durch die Wellenfunktion Ψ beschrieben. Dieser Zustand ist vor der Messung einer Observable (Ort, Impuls, Spin...) durch eine Superposition der Zustandsamplituden Ci bezüglich der Eigenvektoren ui charakterisiert, siehe Gl.(2.1). Das heißt, die “Richtung” des Zustandsvektors Ψ ist im gesamten, durch die ui aufgespannten Zustandsraum “verschmiert” oder besser: mit einer intrinsischen Unsicherheit behaftet. Die Wahrscheinlichkeit, daß Ψ in Richtung eines Basisvektors ui “zeigt”, wird durch die jeweiligen Zustandsamplituden oder Koeffizienten Ci ausgedrückt [95, 98]. Um etwas über den Zustand des Systems zu erfahren, mißt man gewöhnlich die interessierende Größe. Dies ist in der Quantenmechanik aber nicht trivial und gewissermaßen irreversibel. Denn der quantenmechanische Meßprozeß separiert aus dem Zustandsraum 6 Am Beispiel von Schrödingers berühmter Katze heißt das: Vor der Messung, im quantenkorrelierten Zustand, ist sie gleichermaßen tot und lebendig, nach der Messung, auch wenn wir das Ergebnis noch nicht registriert haben, entweder tot oder lebendig. 31 2 Das Konzept der Quantenkorrelation der Wellenfunktion nur diejenigen Eigenvektoren aus, die mit der Meßapparatur kompatibel sind. Die gemessene Größe ergibt sich als Projektion aus ihrer Wahrscheinlichkeitsverteilung in Ψ gemäß ihrem quantenmechanischen Erwartungswert |Ci |2 . Das heißt, das System ist im allgemeinen nach der Messung nicht mehr im selben Zustand wie vorher. Daraus ergeben sich philosophische Fragen, die schon Heisenberg, Einstein, Bohr u. a. beschäftigt haben und um die zentrale Frage kreisen, ob man überhaupt etwas über den Originalzustand eines System aussagen kann (Komplementaritätsprinzip) [72]. Wie die Reduktion der Gesamtanzahl der Zustände oder der sogenannte “Kollaps der Wellenfunktion” zu dem einen Meßergebnis abläuft, ist auch heute noch Gegenstand von zahlreichen Kontroversen (z.B. “Schrödingers Katze”). Da auch die Zerstörung des quantenkorrelierten Zustandes, Dekohärenz genannt7 , durch einen Meßprozeß hervorgerufen wird, sollen hier in Kürze die wichtigsten Interpretationen für diesen Vorgang aufgeführt werden: Als erster hat sich der Begründer des mathematischen Formalismus der Quantenmechanik, John von Neumann, explizit8 mit dem Meßproblem befaßt [100]. Seiner Meinung nach mußte auch das Meßgerät als Quantenobjekt betrachtet werden, welches während der Messung mit dem zu messenden System quantenkorreliert ist. Damit kann man aber noch keinen Zusammenbruch der Wellenfunktion erreichen. Dieser wird nach v. Neumann erst durch das Bewußtsein des Beobachters hervorgerufen, der das Ergebnis der Messung registriert und die Unterscheidung trifft, z.B. zwischen spin up oder spin down [100]. Noch weiter gingen London und Bauer [101] in ihrer Interpretation, bei der die freie (wenn auch unbewußte) Willensentscheidung des Beobachters, welchen “Quantenzustand” er einnimmt, die entscheidende Rolle spielt. Diese Abhängigkeit vom menschlichen Bewußtsein fand auch ihre Kritiker. Margenau [102] argumentierte, daß oft die gemessenen Teilchen selbst annihiliert werden, wie z.B. ein Photon auf der Photoplatte, und daß das Ergebnis durch eine Schwärzung der Platte auch ohne Beobachter determiniert wird. Mehr als nur Plausibilitätsbetrachtungen zur möglichen Abwesenheit eines bewußten Beobachters für den Kollaps von Ψ führte P. Jordan ins Feld [103]. Der seiner Meinung nach entscheidende Punkt ist die Wechselwirkung des mikroskopischen Meßobjekts mit dem makroskopischen Meßgerät. Diese Wechelwirkung führt zu Veränderungen im Meßgerät, welche nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik irreversibel sind und dadurch 7 Dekohärenz, weil die Phasenbeziehung (Kohärenz) der betrachteten quantenkorrelierten Teilchen verloren gehen. 8 Für Niels Bohr war, nach der “Kopenhagener Deutung” der Quantentheorie, die Wellenfunktion Ψ kein Abbild der physikalischen Realität, sondern eher des Kenntnisstandes des Beobachters. Der “Kollaps” der Wellenfunktion zu einem speziellen Meßwert entspricht demzufolge einer plötzlichen Änderung des Wissens über das Meßobjekt, was keine explizite Meßtheorie erfordert, da die relevante Zustandsänderung im Beobachter und nicht im System erfolgt [99]. 32 2.2 Formale Beschreibung der Quantenkorrelation den Vorgang unumkehrbar machen, was zur Fixierung des Meßergebnisses führt. In diesem Sinne argumentierte auch G. Ludwig [104], welcher darauf aufmerksam machte, daß das makroskopische System des Meßapparates einen metastabilen Zustand darstellt. Durch die Wechselwirkung mit dem mikroskopischen Meßobjekt geht dieser in einen stabilen Zustand über9 , was ebenfalls thermodynamisch unumkehrbar ist. In diesem Zusammenhang erhält auch die Frage nach den Grenzen der Beschreibung der Mikrowelt (Quantenmechanik) und der Makrowelt (klassische Mechanik) neues Gewicht. Während das klassische Limit h → 0 den Übergang von der quantenmechanischen zur makroskopischen Beschreibung in vielen Bereichen ermöglicht, sind die Gesetze der (irreversiblen) Thermodynamik nicht ohne weiteres aus der Quantenmechanik ableitbar. In der Quantenmechanik wird die Dynamik der Wahrscheinlichkeitsamplituden (oder allgemein der Zustände eines Quantensystemes) durch die zeitabhängige SchrödingerGleichung bestimmt, welche zeitlich reversibel ist. Der zweite Haupsatz der Thermodynamik, oder das Boltzmannsche H-Theorem als dessen Grundlage, die Irreversibilität beschreiben, sind dagegen nur für makroskopische Systeme relevant. Eine moderne, allerdings nicht in die bestehende Quantentheorie implementierbare, Interpretation für den Meß- oder Dekohärenzprozeß kommt von R. Penrose u. a. (s. [3]). Dieser behauptet, daß in Übereinstimmung mit der allgemeinen Relativitätstheorie, Gravitationseffekte zu kleinen Störungen in der Zeitentwicklung quantenkorrelierter Systeme mit unterschiedlich schweren Teilchen führen, die letztendlich den Kollaps der Wellenfunktion zur Folge haben. Die verschiedenen aufgeführten Annahmen und “Beweise” unterscheiden sich hinsichtlich der Rolle des Bewußtseins im Meßprozeß. Während v. Neumann, London & Bauer, Wigner u. a. das menschliche Bewußtsein für den Ausgang der Messung oder das erhaltene Resultat verantwortlich machen, negieren Margenau, Jordan, Ludwig u. a. die Notwendigkeit einer bewußten Wahrnehmung für den Kollaps der Wellenfunktion. Von dieser Unterscheidung völlig unabhängig ist die “Many Worlds”-Theorie, begründet von H. Everett III [105] und vervollständigt durch B. DeWitt [106]. Nach den Verfechtern dieser Theorie ist sie die einzige, die den quantenmechanischen Meßprozeß ohne Zusatzannahmen zum bestehenden Formalismus der Quantenmechanik konsistent erklären kann10 . Daß diese Theorie trotzdem nur wenige Wissenschaftler begeistert hat, liegt wohl an den sehr weitreichenden Veränderungen des bisherigen Realitätsbegriffes, die die “Many Worlds”-Theorie impliziert. Danach muß die Wellenfunktion eines Objektes + Meßapparat + Beobachter nicht zu einem einzigen Ergebnis kollabieren, sondern jedes mögliche Ergebnis dieser Messung tritt ein - aber jedes in einer anderen Verzweigung des Universums. Das heißt bei jeder ausgeführten Quantenmessung spaltet sich das Universum in x Teilwelten, wobei x der Anzahl der Ergebnisse 9 10 Zwei Beispiele sind das Silberjodid der Photoplatte und der übersättigte Dampf in der Nebelkammer. Es gibt natürlich auch Widerlegungen der Konsistenz der “Many Worlds”-Theorie, siehe z.B. [107]. 33 2 Das Konzept der Quantenkorrelation mit Wahrscheinlichkeit > 0 entspricht. Tatsächlich ergeben sich mit dieser Interpretation des Meßprozesses, so widerspruchslos sie sich in den Formalismus der Quantenmechanik einfügt, viele offene Fragen, wie z.B.: Welchen Einfluß haben unterschiedliche Erwartungswerte Λ für die Meßergebnisse auf das entstehende Universum? Was passiert beim Limit Λ → ∞, was bei kontinuierlichen Spektren? Die Vielzahl der existierenden Theorien zum quantenmechanischen Meßprozeß macht deutlich, daß in dieser wichtigen Frage noch kein allgemein akzeptierter Konsens gefunden wurde11 . Daß sich eine schlüssige Theorie des Meßprozesses in die bestehende Form der Quantenmechanik überhaupt implementieren läßt, scheint unwahrscheinlich, da die Reduktion oder der “Kollaps” der Wellenfunktion Ψ ein nichtunitärer Prozeß ist. Die Zeitentwicklungen von Zuständen oder die Dynamik von Quantenteilchen wird aber in der Quantenmechanik durch die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung i~ ∂ |Ψi = H|Ψi ∂t (2.9) beschrieben, welche eine unitäre Transformation an dem System bewirkt12 . Das heißt, der quantenmechanische Meßprozeß läßt sich nicht durch die Schrödinger-Gleichung beschreiben und ist daher auch nicht beschreibbar im Rahmen der “orthodoxen” Quantenmechanik. Das Meßproblem entspricht damit der Formulierung des Übergangs von der Mikro- in die Makrophysik. 2.3 Quantenkorrelation in kondensierter Materie Während einzelne Moleküle oder verdünnte Gase teilweise noch durch die konventionelle Quantentheorie in bekannter Weise zu beschreiben sind (Schrödinger-Gleichung gilt), ist die Situation in Flüssigkeiten und Festkörpern (kondensierte Materie) eine andere. Hier betrachtet man üblicherweise Größenordnungen von 1023 Teilchen, die starken gegenseitigen Wechselwirkungen unterliegen. Alle bisher bekannten Phänomene der Quantenkorrelation sind nur für weitgehend abgeschottete Teilchen zu beobachten oder unter extremen Bedingungen, z.B. Temperaturen nahe 0 K, wie es bei Supraleitern und suprafluidem Helium der Fall ist. Was ist nun bezüglich des Auftretens von Quantenkorrelationen in kondensierter Materie unter Normalbedingungen (Zimmertemperatur, Normaldruck) zu erwarten? Die Voraussetzung für eine Verschränkung zweier Teilchen war eine Wechselwirkung, ein Kontakt oder ein Stoß der beiden Quantenteilchen. In kondensierter Materie wechselwirken nun alle Teilchen, zumindest mit ihren Nachbarn, so daß nach kürzester 11 Das zweite ungelöste Problem in der Quantenmechanik ist die fehlende Kompatibilität zur Relativitätstheorie oder umgekehrt. Dies impliziert, daß zumindest eine der beiden grundlegenden Theorien der Physik unvollständig ist! (vgl. [89]) 12 Unitäre Transformationen verschieben den Satz der Basisvektoren in ein anderes orthonormiertes Bezugssystem. 34 2.3 Quantenkorrelation in kondensierter Materie Zeit von einem Netzwerk durch das gesamte Makroobjekt auszugehen wäre. Durch die standard-quantenmechanische Prozedur der unitären Zeitentwicklung, gemäß der Schrödinger-Gleichung, die solche Wechselwirkungen beschreibt, hat die Quantenkorrelation die Tendenz, sich durch das ganze Universum auszubreiten. Nichtkorrelierte Quantenzustände einzelner Teichen sollten daher so gut wie garnicht vorkommen [3]. Auf der anderen Seite haben wir, wie oben beschrieben, den quantenmechanischen Meßprozeß (nichtunitär!) und die Empfindlichkeit der experimentell erzeugten quantenkorrelierten Zustände gegen kleinste Störungen. Die entscheidende Frage ist daher: Wirken die Stöße und Wechelwirkungen in kondensierter Materie nur konstruktiv im Sinne von neuen Quantenkorrelationen oder zerstören sie sie auch? Im ausschließlich ersten Fall müßte über kurz oder lang das ganze Universum einen verschränkten Quantenzustand einnehmen (der sich, da auch von Photonen vermittelt, mit Lichtgeschwindigkeit zwischen den Galaxien ausbreitet)13 . Das andere Extrem wäre, anzunehmen, daß durch die zahlreichen gegenseitigen Stöße in kondensierter Materie jegliche Quantenkorrelation sofort zerstört wird. Unabhängig ob man diesen Fall betrachtet oder auch nur ein Gleichgewicht von Korrelation14 und Dekohärenz - die Existenz von “meßprozeßartigen” Stößen in kondensierter Materie schließt alle Theorien zum Meßprozeß aus, in denen das Bewußtsein des Beobachters zum Kollaps der Wellenfunktion führt. Denn offensichtlich ist in diesem Fall nur dann ein bewußter Beobachter zugegen, wenn versucht wird, etwas über den Korrelationszustand des betreffenden Objektes herauszufinden. (Was im Rahmen dieser Arbeit geschehen und in Kap. 4 beschrieben ist.) Im Sinne der “Bewußtseins-Meßtheorie” wäre das die einzige Möglichkeit, eine ungehinderte Ausbreitung der Quantenkorrelation zu verhindern. Die letzten Kapitel zusammenfassend, kann über Quantenkorrelation in kondensierter Materie folgendes ausgesagt werden: • Nach den Gesetzen der Quantentheorie ist die Ausbildung von Quantenkorrelationen in kondensierter Materie zwingend, • Ohne Dekohärenzprozesse mit Raten ≥ den Korrelationsprozessen würde das gesamte Universum mit Lichtgeschwindigkeit in einen quantenkorrelierten Zustand streben, • Das Vorhandensein von Dekohärenz in kondensierter Materie verneint die Rolle des Bewußtseins beim Meßprozeß, • Dekohärenzprozesse gehorchen nicht der üblichen Standard-Schrödinger-Gleichung, d. h. eine theoretische Beschreibung dieser Vorgänge kann nicht im Rahmen der konventionellen Quantentheorie erfolgen. 13 Die philosophischen Konsequenzen wären auch interessant, z.B. die Verifizierung des Pantheismus, die Unmöglichkeit des freien, unabhängigen Willens, usw.. 14 Mit Korrelation ist im weiteren immer Quantenkorrelation gemeint. 35 2 Das Konzept der Quantenkorrelation 2.3.1 Theoretische Beschreibung von Quantenkorrelation und Dekohärenz in kondensierter Materie 2.3.1.1 Der Prozeß der Dekohärenz Wie mehrfach erwähnt, folgt das Entstehen von Quantenkorrelationen den Grundprinzipien der Quantenmechanik, aber eine schlüssige mathematische Theorie der Dekohärenz ist aufgrund der oben beschriebenen Probleme nicht direkt aus dem Formalismus der Quantenmechanik ableitbar. Nichtsdestotrotz gibt es seit kurzem zahlreiche Ansätze, das Meßproblem und damit die Dekohärenz zu erklären (s. Kap. 2.2.1 Meßprozeß). Eine aktuelle und mathematisch unterlegte Theorie zum Meßprozeß und zur Dekohärenz (vgl. z.B. [108, 109, 110, 111]) geht dabei von der besonderen Rolle der makroskopischen Umgebung für das betrachtete Quantensystem aus. Mit diesem theoretischen Ansatz wird versucht, im Sinne der oben erwähnten Gedanken von Margenau, Jordan, Ludwig u. a., die Wechselwirkung mikroskopischer Systeme mit der makroskopischen Umgebung mathematisch zu formulieren. Die Frage nach dem Übergang von der Superposition der Quantenzustände zu einem klassisch interpretierbaren Ergebnis einer Quantenmessung ist gleichzeitig die Frage nach dem Unterschied zwischen mikroskopischen und makroskopischen Quantenzuständen. Letztere lassen sich für gewöhnlich klassisch beschreiben, obwohl sie auch aus mikroskopischen Quantenteilchen bestehen. Der Schlüssel dafür ist, daß makroskopische Systeme niemals von ihrer Umgebung isoliert sind. Aus diesem Grund können diese auch nicht durch die Schrödinger-Gleichung beschrieben werden, da ein wohldefinierter Hamiltonoperator nur in geschlossenen Systemen existiert [112]. Das typische klassische System leitet ständig die im quantenkorrelierten oder kohärenten Zustand gespeicherte Information an die Umgebung weiter [113]. Um diesen Zustand zu beschreiben, d. h. um dynamische Gleichungen ableiten zu können, benötigt man auch mathematische Modelle der “Umgebung” mit ihren vielen Freiheitsgraden. Dem gerecht werden Modelle, die die “Umgebung” als Ansammlung von harmonischen Oszillatoren [114, 115, 109] oder, damit vergleichbar, als skalares Quantenfeld [110, 111] ansehen. Ein wechselwirkendes Quantenteilchen hinterläßt dabei charakteristische Spuren oder Wellen in diesem Feld [116]. Unter bestimmten Bedingungen (im Grenzfall hoher Temperaturen und schwacher Kopplung) kann eine Mastergleichung15 für die Dichtematrix ρ(x, x0 ) eines streuenden Teilchens oder Quantenobjektes an diesem Skalarfeld hergeleitet werden16 [118, 110, 111]: i ∂ρ dρ ∂ρ 2mγkB T = − [H, ρ] − γ(x − x0 )( − 0) − (x − x0 )2 ρ (2.10) dt ~ ∂x ∂x ~2 Dabei ist H der Hamiltonoperator des Teilchens, γ die Relaxationsrate, ~ die Planckscheund kB die Boltzmannkonstante. Die Argumente x und x0 von ρ bezeichnen die Reihenund Spaltennummer des entsprechenden Matrixelementes oder die Position im betrachteten Hilbertraum. x = x0 entspricht daher einem Element der Hauptdiagonale. Der erste Term von (2.10) kann aus der Schrödinger-Gleichung abgeleitet werden und generiert 15 16 Mastergleichungen sind Bewegungsgleichungen für statistische Systeme. Ähnliche Mastergleichungen, allerdings teilweise nicht in der Ortsdarstellung und ohne Reibungsterm, haben Joos & Zeh [117] und Caldeira & Leggett [108, 109] abgeleitet. 36 2.3 Quantenkorrelation in kondensierter Materie die Newtonschen Bewegungsgleichungen. Der zweite Term repräsentiert Reibungseffekte und verursacht Energie- und Impulsverluste. Der dritte Term berücksichtigt Fluktuationen und zufällige Stöße der Umgebung. Dieser dritte Term ist von entscheidender Bedeutung für die Quantenkorrelation, denn er verursacht den Zerfall der Nebendiagonalelemente x 6= x0 von ρ. Dies entspricht der Vernichtung der Kohärenzeigenschaften des gestreuten Objektes und führt somit zur Reduktion der Dichtematrix ρ(x, x0 ), bzw. zur Dekohärenz oder zum Zusammenbruch der Wellenfunktion. Was genau passiert? Der dritte Term von (2.10) ist proportional zu (x − x0 )2 , d. h. er ist vernachlässigbar für Matrixelemente in der Nähe oder auf der Hauptdiagonale von ρ, wo gilt x = x0 . Der Einfluß von (x − x0 )2 wächst aber mit dem Abstand des betrachteten Matrixelementes von der Hauptdiagonale, d. h. mit der räumlichen Ausdehnung der Quantenkorrelation, und desto schneller zerfällt sein Anteil in ρ. Dies geschieht in einer Zeitskala: 1 τDK ' 2γmkB T (∆x)2 ~2 (2.11) ~2 2mkB T (∆x)2 (2.12) oder auch: τDK ' τR wobei 1/τDK die Zerfallsrate der Nebendiagonalelemente und invers, τDK die durchschnittliche Lebensdauer der Quantenkorrelation eines Zustandes bezeichnet. τR = 1/γ ist die Relaxationszeit, in der ein Zustand durch Reibung verschwindet und ∆x=(x − x0 ). An Formel (2.12) ist zu erkennen, daß die Lebensdauer eines quantenkorrelierten Zustandes damit umgekehrt propotional zur Masse und der Temperatur des betrachteten Systems ist. Für makroskopische Objekte ist die Dekohärenz um Größenordnungen schneller als die Relaxation. So erhält man z.B. für ein System mit einer Masse von 1 g und einer Separation ∆x = 1 cm bei Raumtemperatur (300 K) ein Verhältnis von τDK /τR = 10−40 [116]! Das heißt, auch für Relaxationszeiten τR im Bereich von 1017 s (Alters des Universums) würde eine bestehende Quantenkorrelation in ≈ 10−23 s zerstört. Solch extreme Verhältnisse erzielt man aber nur für makroskopische Objekte im Geltungsbereich der angenommenen Voraussetzungen für Gl. (2.10). Für mikroskopische Objekte, wie z.B. zwei Elektronen, kann τDK durchaus weit größer als τR werden. Eine grobe Abschätzung des für diese Arbeit relevanten Systems zweier quantenkorrelierter Protonen in Wasser mit den Werten ∆xH = 1 Å für zwei benachbarte Protonen im selben Molekül und für benachbarte Moleküle ∆xH = 1, 6 Å, der Masse eines Wassermoleküls 3 × 10−23 g und einer dielektrischen Relaxationszeit 10−11 s [119] ergibt folgende Werte: τDK = 2 × 10−13 s für Quantenkorrelation in einem Wassermolekül, bzw.: τDK = 4 × 10−14 s für Quantenkorrelation zwischen Protonen in zwei verschiedenen Wassermolekülen17 . Je mehr Wassermoleküle in die Rechnung einbezogen werden, 17 Bei Verwendung der durchschnittlichen Relaxationszeit für eine Wasserstoffbrückenbindung von ca. 10−13 s [120] ergeben sich Werte von τDK ≈ 2 × 10−15 s für Quantenkorrelation in einem Wassermolekül, bzw.: τDK ≈ 4 × 10−16 s für Quantenkorrelation zwischen Protonen in zwei verschiedenen Wassermolekülen. 37 2 Das Konzept der Quantenkorrelation desto kürzer wird die Lebensdauer τDK des quantenkorrelierten Zustandes aufgrund der dann höheren Masse des Systems und der größeren Ausbreitung der Delokalisation ∆xH der quantenkorrelierten Protonen. Die Anwendung der Gleichung (2.10) ist also auch immer eine Ermessensfrage: Ist das System groß genug, um die Voraussetzungen bezüglich der Umgebung (Betrachtung als Skalarfeld) zu rechtfertigen? Hat man die Anzahl der beteiligten Quantenobjekte richtig abgeschätzt? Kann man die Delokalisation der quantenkorrelierten Teilchen bestimmen? Eine Theorie, die solche Fragen beantwortet, wäre von Vorteil, um Aussagen über das Verhalten quantenkorrelierter Systeme in kondensierter Materie zu treffen. 2.3.1.2 Kohärent-dissipative Strukturen Seit kurzem ist es möglich, durch Anwendung der Methode des “complex scaling” (CSM) auf die Quantendynamik kondensierter Nichtgleichgewichtssysteme, Aussagen über sogenannte “thermisch aktivierte Quantenkorrelation” zu treffen [121, 122]. Diese Quantenkorrelationen werden “kohärent-dissipative Strukturen” genannt. Ihrer Erscheinung nach sind sie zeitlich und räumlich beschränkte, kooperative Phänomene auf mikroskopischer Ebene. Grundlage für die Ableitung der “kohärent-dissipativen Strukturen” ist eine Beschreibung amorpher (ungeordneter, nichtkristalliner) Materie mit Hilfe reduzierter Dichtematrizen zweiter Ordnung [123]. Der Zerfall einer solchen Dichtematrix Γ(2) wird für fermionische Systeme beschrieben durch: (2) (2) (2) Γ(2) = ΓL + ΓS + Γincoh (2.13) (2) wobei ΓL den sogenannten “large box” Anteil bezeichnet, der dem kohärenten Anteil (2) von Γ(2) entspricht und den gepaarten Fermionen zugeordnet ist [11]. Γincoh bezeichnet (2) den inkohärenten Anteil nichtgepaarter Fermionen und ΓS den sogenannten “small box” Anteil des Systems, welcher eine nichtdiagonale Matrixform hat und mögliche kurzreichweitige Quantenkorrelationen zwischen je zwei Fermionen beschreibt. Der für (2) die zeitlich und räumlich begrenzten Quantenkorrelationen verantwortliche Term ΓS kann einer “Thermalisierungstransformation” unterworfen werden: γ= 1 −βH c (2) −βH c e 2 ΓS e 2 Z (2.14) mit β = 1/kB T und H c dem CSM-transformierten Hamiltonoperator zweiter Ordnung. Unter bestimmten Bedingungen [121, 122] hat der Dichteoperator ρΓ eine JordanblockStruktur [124], was bedeutet, daß ρΓ durch keinerlei Ähnlichkeitstransformationen diagonalisierbar ist. Diagonalisieren entspricht, wie oben beschrieben, einer Zerstörung der Quantenkorrelation und der Überführung des Zustandes in eine klassische Wahrscheinlichkeitsverteilung. Der Dichteoperator ρΓ hingegen ist eine irreduzible Einheit und beschreibt das kooperative Verhalten der involvierten Zustände, die als kohärentdissipative Strukturen bezeichnet werden. Diese sind sehr kurzlebig (für Protonen in Wasser im Bereich von ps) und von mikroskopischer Größe (auf einige Atome oder Moleküle beschränkt) [122]. Die minimale Anzahl beteiligter Quantenzustände ergibt sich 38 2.3 Quantenkorrelation in kondensierter Materie zu: smin = 4πkB T τrel ~ (2.15) wobei τrel die Lebensdauer (bzw. Relaxations- oder Dekohärenzzeit) des betrachteten Zustandes bezeichnet und durch die Imaginärteile der Resonanzen in H c (2.14) bestimmt ist. Die oben genannten Formeln gelten nur für fermionische Systeme, also für Quantenkorrelationen zwischen Teilchen mit dem Spin = 1/2, 3/2, ...(unganzzahlig). Über bosonische Teilchen (Spin = 0, 1, ...,ganzzahlig) wird in Gl. (2.13) keine Aussage gemacht, diese können aber ganz ähnlich beschrieben werden [125], indem man sie als gepaarte (2) Fermionen18 betrachtet. In diesem Fall verschwindet der Anteil Γincoh der ungepaarten Teilchen bei der Beschreibung des Zerfalls von Γ(2) (2.13). Bedeutsam für einen experimentellen Nachweis der Quantenkorrelationen ist, daß kooperative Wechselwirkungen zwischen Bosonen und Fermionen nach der Massen- und Spin-Superauswahlregel [10] stark eingeschränkt sind. 2.3.2 Zum Nachweis der Quantenkorrelation in kondensierter Materie Bevor man über mögliche Effekte von Quantenkorrelation in kondensierter Materie spekuliert, sollte klar sein, ob und wie man diese überhaupt nachweisen kann. Falls sich tatsächlich das gesamte Universum in einem quantenkorrelierten Zustand befindet, wird man bei der Suche nach Effekten in kondensierter Materie keinen Erfolg haben, da dieser quantenkorrelierte Zustand die Referenz, oder das “Normale” wäre19 . In diesem Fall müßte man versuchen, die Korrelation vor einer Messung zu brechen, bzw. die Dekohärenzzeit zu verkürzen, um Meßeffekte (einen effektiven Unterschied zu “normalen” Messungen) zu erzielen. Die Suche nach geeigneten Systemen für die Messung von Quantenkorrelationseffekten hängt also vom Zustand unserer Umwelt ab - quantenkorreliert oder nicht. Nach dem oben gesagten scheint es am vernünftigsten, anzunehmen, daß ein Gleichgewicht zwischen dem Aufbau und dem Bruch der Quantenkorrelationen besteht. Das heißt, je nach den Raten für Korrelation und Dekohärenz (egal nach welcher Formel berechnet) muß ein verschieden großer Anteil des betrachteten Stoffes korreliert sein. Der “durchschnittliche Korrelationsgrad” GQK einer Probe ist somit proportional der Korrelationswahrscheinlichkeit wQK eines nicht quantenkorrelierten Teilchens pro Stoß mit einem beliebigen Partner, dividiert durch die Dekorrelationswahrscheinlichkeit wDK eines quantenkorrelierten Objektes pro Stoß mit einem beliebigen Partner: GQK = 18 19 wQK wQK + wDK (2.16) Z.B. Elektron-Loch-Paare im Halbleiter oder Cooperpaare im Supraleiter. Der jeweils zu messende quantenkorrelierte Zustand wird natürlich beim Meßvorgang selbst zerstört, was einen Einfluß auf das Meßergebnis aber keinesfalls ausschließt! 39 2 Das Konzept der Quantenkorrelation Die verallgemeinerten Stöße (jegliche Wechselwirkung) werden für jedes Teilchen oder Objekt einzeln abgezählt. Weiterhin kann die Lebensdauer τQK eines quantenkorrelierten Zustandes rein formal mit: τQK = 1 zstoss wDK (2.17) angegeben werden. Gleichung (2.17) beruht auf der Annahme, daß die Lebensdauer τQK umgekehrt proportional zur Dekorrelationswahrscheinlichkeit wDK und zur Anzahl der Stöße pro Sekunde zstoss ist. Unabhängig von eventuellen Problemen bei der konkreten Anwendung der Gln. (2.102.12) und Gln. (2.13-2.15) in der Praxis, haben wir jetzt zwei gegeneinander gerichtete Prozesse in der Natur: Einerseits das Bestreben der Quantenkorrelation, sich auszubreiten und andererseits die schnelle Dekohärenz in makroskopischen Systemen. Wichtig für eine Meßbarkeit der Quantenkorrelation ist nun, ob und auf welchem Niveau sich ein Gleichgewicht zwischen den beiden Prozessen gemäß Gl. (2.16) einstellt, bzw. in welchem Zeitfenster τ die Korrelationen entstehen und zerfallen. Die Herangehensweise zur Berechnung der Lebensdauern τQK in Gl. (2.17), τDK in Gl. (2.12) und τrel in Gl. (2.15) ist völlig verschieden. Die erstere, τQK , entspricht der “ungestörten” Zeit des quantenkorrelierten Systems, die zweite, τDK , gibt an, in welcher Zeit die Quantenkorrelation des Systems von ihrem Anfangswert auf “Null” abgesunken ist. τrel als dritte ist invers proportional dem Imaginärteil der Energien der Resonanzen in H c in Gl. (2.14) [122, 97]. Dabei sind Gl. (2.12) und Gl. (2.15) kontinuierlich, d. h. es ist keine “ungestörte” Zeit des quantenkorrelierten Systems vorgesehen, obwohl die Herleitung des entscheidenden 3. Terms von Gl. (2.12) und die von Gl. (2.15) auf zufälligen oder thermischen Stößen beruht und damit auch eine Zeit zwischen zwei Stößen existieren muß. Es sei denn, man kann nicht davon ausgehen, daß in kondensierter Materie, aufgrund der vielfältigen gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen den Teilchen, überhaupt eine “ungestörte” Zeit existiert. Falls diese “ungestörte” Zeit prinzipiell existiert, muß geklärt werden was als Störung oder Stoß gilt. In Ermangelung des Wissens, welche der vielen möglichen Wechselwirkungen in kondensierter Materie zu Quantenkorrelation und/oder Dekohärenz führen, ist eine “Störung” oder ein “Stoß” letztendlich das Ereignis, welches zur Quantenkorrelation oder Dekohärenz führt. Unter der nicht abwegigen Annahme, daß jeder Stoß zur Dekohärenz führt (wDK = 1) wäre nach Gl. (2.17) τQK = 1/zstoss die Zeit zwischen zwei Stößen, oder die Zeit zwischen dem Stoß, der zur Quantenkorrelation führte und dem nächsten, der sie wieder zerstört. Diese Zerstörung kann aber nach Gl. (2.12) oder Gl. (2.15) nicht mehr als instantan betrachtet werden (wie in Abschnitt 2.2.1 stillschweigend angenommen), sondern als Prozeß mit endlicher Zeitkonstante τDK oder τrel . Um die Gesamtlebensdauer der Quantenkorrelation eines Systems zu bestimmen, muß man demzufolge die “ungestörte” 40 2.3 Quantenkorrelation in kondensierter Materie Zeit und die Dekohärenzzeit addieren. Das macht allerdings nur Sinn, wenn beide in derselben Größenordnung liegen, ansonsten dominiert die größere von beiden die Gesamtlebensdauer des quantenkorrelierten Systems. Je größer (oder besser schwerer) das betrachtete Gesamtsystem ist, desto kleiner ist nach Gl. (2.12) τDK und um so wichtiger wird τQK . Eine grobe Abschätzung für die Stoßhäufigkeit eines Wassermoleküls mit der Umgebung (Wasser) im freien-GasModell bei T = 300 K und einem Stoßquerschnitt sH2O = 5 Å liefert 1016 Stöße/s oder τ = 10−16 s. Das ist ≈1000 mal weniger als die oben nach Gl. (2.12) berechnete Dekohärenzzeit für ein oder zwei Wassermoleküle ohne Umgebung! Das heißt entweder, daß τDK gegenüber τstoss geschwindigkeitsbestimmend ist, oder aber, daß nur jeder tausendste Stoß zur “Dekorrelation” führt. Das bedeutet, eine Erhöhung der Effektivität der Stöße, z.B. durch Austausch der Stoßpartner, erhöht die Dekorrelationswahrscheinlichkeit wDK und verringert somit nach Gl. (2.16) und Gl. (2.17) die Korrelationsrate GQK und die Lebensdauer τQK der quantenkorrelierten Zustände. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Lebensdauern τQK und der durchschnittliche Korrelationsgrad GQK vom betrachteten Material und den Umgebungsbedingungen abhängen. Um das Vorhandensein solcher Quantenkorrelationen in kondensierter Materie nachzuweisen, muß demzufolge der Korrelationsgrad kontrolliert erhöht oder aber verringert werden. Das erscheint auf den ersten Blick sehr schwierig ohne die übrigen physikalischen Eigenschaften der zu untersuchenden Materie gleichzeitig zu verändern. Um Quantenkorrelationseffekte zu messen, muß man also Stoffe oder Gemische untersuchen, deren theoretisch vorhergesagtes Verhalten für große und kleine Lebensdauern τQK (“Anwesenheit” und “Abwesenheit”) der Quantenkorrelation signifikante Unterschiede aufweist. Dies gilt nach dem oben gesagten für Mischungen von Fermionen und Bosonen und für verschieden schwere Teilchen, wegen der in diesem Fall wirksamen Massen- und Spin-Superauswahlregel, welche die Lebensdauer quantenkorrelierter Zustände in solchen Systemen stark einschränkt. Falls also der Ausgangszustand des untersuchten Systems, einen Korrelationsgrad GQK > 0 aufweist, könnte man diesen durch Zumischen von Material mit differierender Masse oder Spinstatistik beeinflussen, indem man die effektiven Lebensdauern verkürzt. Die naheliegende Frage ist, auf welche Art und Weise man im Experiment die Korrelationsrate GQK ändert (z.B. Fermionen gegen Bosonen austauscht) und die sonstigen physikalisch-chemischen Eigenschaften des Systems unbeeinflußt läßt (um möglichst nur Quanteneffekte zu messen). Diese Möglichkeit ist gegeben, da verschiedene Isotope eines Elements bezüglich der Kernspinstatistik entweder Fermionen oder Bosonen sind und sich, trotz verschiedener Kernmassen, in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften (vor allem der chemischen) nur geringfügig voneinander unterscheiden. Je größer die Gesamtmassenzahl der Isotope ist, umso geringer sind die relativen Unterschiede im physikalisch-chemischen Verhalten. Allerdings sind auch die Lebensdauern der Quantenkorrelationen umgekehrt proportional zur Gesamtmasse des korrelierten Systems. Deshalb ist die Kombination Wasserstoff-Deuterium das aussichtsreichste Isotopenpaar, um Quantenkorrelationseffekte zu beobachten. Falls die aus der Massendifferenz resul- 41 2 Das Konzept der Quantenkorrelation tierenden klassischen Effekte aus dem Gesamtisotopeneffekt herausgerechnet werden können, sollte ein eventueller Quantenkorrelationseffekt nicht verborgen bleiben. Aus diesem Grund bieten sich Mischungen von Protonen und Deuteronen in kondensierter Materie - also in allen Variationen in denen diese Mischungen in fester oder flüssiger Form vorliegen - wie etwa als H2 O und D2 O bei Zimmertemperatur - zur Untersuchung an. Solche Untersuchungen werden im experimentellen zweiten Teil der Arbeit näher erläutert, sowie desweiteren erstmalig die Wirkung von Quantenkorrelation und Dekohärenz auf die Kinetik einer chemischen Reaktion, der elektrolytischen Wasserspaltung, beschrieben. 2.3.3 Die Rolle der Entropie - Reversibilität von Prozessen Quantenkorrelation und besonders die Dekohärenz haben eine große Bedeutung hinsichtlich der Entropiebilanz von mikroskopischen Prozessen. Nach dem oben über Quantenkorrelation gesagten ist es offensichtlich, daß ein quantenkorrelierter Zustand und ein beliebiger klassischer Zustand durch grundsätzlich verschiedene “Beziehungen” zwischen den betroffenen Teilchen gekennzeichnet sind. Welcher Art sind die Beziehungen der Teilchen im quantenkorrelierten Zustand? Wie in Kap. 2.2 beschrieben, ist in quantenkorrelierten Systemen die relevante physikalische Information über alle verschränkten Zustände verteilt. Jedes Teilsystem besitzt Information über das Gesamtsystem, d. h. die Beziehungen der quantenkorrelierten Teilchen sind durch einen hohen Informationsgehalt gekennzeichnet. Wie bekannt (s. z.B. [126, 98]) sind klassisch gesehen Statistik, Information und Entropie durch folgende Relationen verbunden: S = −kB lnW ≡ −kB lnΓ (Statistische Entropie) (2.18) (Entropie der Inf ormation), (2.19) und [83, 127], S = −k ln 2nbit wobei W die Anzahl zu besetzender Zustände, Γ das Phasenraumvolumen und nbit den Informationsgehalt in bits angeben. Dieser Informationsgehalt und die damit zusammenhängende Entropie ändern sich bei Quantenkorrelations- und Dekohärenzprozessen, was der “Eliminierung” der Nebendiagonalelemente der Dichtematrix entspricht (s. Kap. 2.2). Eine quantitative Beschreibung der Entropieänderung ist von der Art der Quantenkorrelation abhängig (Teilchen können bezüglich des Spins, des Ortes, des Impulses, etc. korreliert sein). Auch gibt es verschiedene Abstufungen der Quantenkorrelation; ein System kann maximal oder unvollständig verschränkt sein [4, 128]. 42 2.3 Quantenkorrelation in kondensierter Materie Für ein System von zwei bezüglich des Spins vollständig verschränkten Elektronen besteht zwischen dem quantenkorrelierten und dem “Normal”-Zustand ein Informationsunterschied von 1 bit (quantenkorreliert pro Teilchen 2 bit, klassisch pro Teilchen 1 bit, s. Kap. 2.1.2 “Dense Coding”). Das entspricht einem Entropieunterschied von ∆S = −k ln2 = 10−23 J/K, d. h. bei Zimmertemperatur einer Energie von 3·10−21 J. Die Entropie und die Energie sind dabei über die Relationen G = H − TS (Gibbs F unktion) (2.20) oder A = U − TS (Helmholtz F unktion) (2.21) miteinander verbunden, wobei G die freie Enthalpie, A die freie Energie, H die Enthalpie und U die innere Energie sind. Quantenmechanische Zustände werden allgemein durch Dichtematrizen beschrieben (s. Kap. 2.2). Die Entropie S (quantenmechanisch das Maß für die fehlende Information über einen Zustand [95]), wird in diesem Formalismus folgendermaßen ausgedrückt [128, 100]: S = −k Sp(ρlnρ) (von N eumann−Entropie) (2.22) mit Sp=Spur, die Summe der Hauptdiagonalelemente. Das Verschwinden der Nebendiagonalelemente der Dichtematrix beim Dekorrelationsprozeß (Dekohärenz) führt nach Gl. (2.22) direkt zu einer Erhöhung der Entropie S, da auch die darin enthaltene Information verloren geht20 . Unter der Annahme, daß die thermodynamische Entropie mit der Informations- und von Neumann-Entropie physikalisch vergleichbar ist [129], ergibt sich folgender thermodynamischer Sachverhalt: Die gleiche Entropie S, die bei der Dekohärenz der Teilchen erzeugt wird, muß beim Korrelationsprozeß unter Energieverbrauch vermindert werden, um die erhöhte Information des quantenkorrelierten Systems aufzubringen. Da in der Natur alle freiwillig ablaufenden Prozesse bei konstanter freier Energie oder Enthalpie unter Entropieerhöhung ablaufen, ist der Zerfall der Quantenkorrelation gegenüber seiner Entstehung thermodynamisch bevorteilt. Anders ausgedrückt, beim Korrelationsprozeß muß die Energie aufgebracht werden, welche bei der Dekorrelation als “nicht verfügbare” entropische Energie wieder abgegeben wird. Wenn diese Energie aus dem verfügbaren Pool an Enthalpie oder innerer Energie entnommen wird (z.B. aus der kinetischen Energie der Teilchen), gleicht der Prozeß Quantenkorrelation→Dekohärenz einer ständigen mikroskopischen Entropieerzeugung. Prozesse, die mit der Zerstörung oder Entstehung eines quantenkorrelierten Zustandes verbunden sind, sollten aus diesem Grund keine vollständige zeitliche Reversibilität aufweisen. 20 Die Nebendiagonalelemente von ρ spielen natürlich keine Rolle für Sp ρ, die Summe der Hauptdiagonalelente von ρ, aber durch die Multiplikation mit lnρ wirken die Nebendiagonalelemente von ρ auch auf die Gesamtspur Sp (ρ lnρ). 43 2 Das Konzept der Quantenkorrelation 44