14 NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS CME Neoadjuvante Therapie des Mammakarzinoms Johannes Stubert, Bernd Gerber In den 1990er Jahren wurde maßgeblich durch die NSABP B-18-Studie die neoadjuvante Chemotherapie als gleichwertige Behandlungsoption neben der adjuvanten Chemotherapie etabliert [1, 2]. Prinzipiell gilt, dass bei präoperativ absehbarer Indikation die Chemotherapie auch in neoadjuvanter Form durchgeführt werden kann. Die Prognose der Brustkrebserkrankung wird durch die Umkehr der Therapiesequenz nicht verschlechtert [3]. Ein gutes Ansprechen der Erkrankung kann jedoch die Chancen auf ein brusterhaltenden Vorgehens erhöhen beziehungsweise eine operative Sanierung bei lokal fortgeschrittener Erkrankung erst ermöglichen. Verschiedene Faktoren sind prädiktiv für ein gutes Therapieansprechen und erhöhen die Chance auf ein brusterhaltendes Vorgehen (ETab. 1) [4]. Durch die Möglichkeit, das Ansprechen einer Chemotherapie in vivo abzuschätzen, lässt sich in der neoadjuvanten Situation die Therapieeffektivität einfach feststellen. Damit eröffnet die neoadjuvante Therapiesituation nicht nur die Option eines individualisierten Vorgehens, sondern ist Junge Patientin (Alter < 35 Jahre) Kleiner Tumor (cT1/2) Invasiv-ductaler Typ Hohes Grading (G3) Negativer Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus HER2-Positivität Triple negative Tumoren Tumor infiltrierende Lymphozyten (> 50 % der Stromafläche) Tab. 1: Prädiktive Faktoren bei neoadjuvanter Chemotherapie für Erreichen einer pCR [4, 31] CMExtra 3/2017 dazu prädestiniert, neue Therapieschemata im Rahmen von Studien zu untersuchen [5]. Mit der Möglichkeit der Verwendung von Surrogatparametern wie das Auftreten einer pathologischen Komplettremission (pCR) für Endpunkte wie das Gesamtüberleben [6] könnten sich zukünftig neue Therapien kostengünstiger und zeiteffektiver etablieren lassen. Eine individualisierte Therapie molekularer Subgruppen des Mammakarzinoms ohne Einbindung neoadjuvanter Therapiekonzepte ist bereits heutzutage kaum noch umsetzbar. Therapieregime In Analogie zur adjuvanten Situation besteht der aktuelle Therapiestandard in der Gabe eines anthrazyklin- und taxanhaltigen Kombinationsschemas über einen Zeitraum von mindestens 18 Wochen (E Tab. 2). In der NSABP B-27-Studie konnte durch die Hinzunahme von Docetaxel (4xAC vs. 4xAC R 4xDoc) die pCR-Rate von 9,6 % auf 18,9 % (p < 0,01) erhöht werden [7]. Allerdings fanden sich auch nach über 8 Jahren Nachbeobachtungzeit keine Vorteile bezüglich des Gesamtüberlebens und des krankheitsfreien Überlebens [2]. Dosisdichte und/ oder dosisintensivierte neoadjuvante Therapieprotokolle wurden im Rahmen verschiedener Studien untersucht. Die GeparDuo-Studie mit dosisdichtem Regime zeigte sogar deutlich niedrigere pCR-Raten im Vergleich zu einer sequentiellen Gabe von Anthrazyklin und Taxan. Da die Patientinnen im dosisdichten Arm nur vier, im sequentiellen hingegen acht Zyklen erhielten, ist ein Vergleich kaum zulässig [8]. Eine AGO-Studie zeigte bei Patientinnen mit inflammatorischem Mammakarzinom und insgesamt sehr schlechter Prognose keinen Überlebensvorteil durch eine Dosisintensivierung. Dieser wurde lediglich innerhalb einer Subgruppenanalyse bei Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem, nicht-inflammatorischem Mammakarzinom nachgewiesen [9]. Die PREPARE-Studie wiederum ließ keinen Nutzen durch Dosisintensivierung und Intervallverkürzung erkennen [10, 11]. Eine Erhöhung der Anzahl an Chemotherapiezyklen (GeparTrio, 6 x TAC vs. 8 x TAC) erbrachte ebenso wie die Hinzunahme von Capecitabin (GeparQuattro, NSABP B-40) oder auch Gemcitabin (NSABP B-40, NeotAnGo) keinen Vorteil bezüglich der pCR- und BET-Raten [12–16]. Im Gegensatz hierzu zeigte eine Metaanalyse der GBG-Studien nach entsprechend der Tumoreigenschaften adjustierter Multivarianzanalyse eine signifikant höhere Rate an Komplettremissionen sowohl für eine Dosisintensivierung als auch für die Hinzunahme von Capecitabin [17]. Durch die Hinzunahme von Capecitabin zu einer anthrazyklin-/taxanhaltigen Chemotherapie wurden auch in der ABCSG-24-Studie bessere pCR-Raten erzielt [18]. Die Datenlage ist somit uneinheitlich, allerdings scheint eine leichte Verbesserung der pCR-Raten durch Dosisintensivierung möglich zu sein, die jedoch mit einer höheren Rate an schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergeht. Hormonsensitive Karzinome zeigten unter einer verlängerten Chemotherapie (zusätzlich 2x TAC) einen signifikanten Überlebensvorteil [17]. Bei hohem NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS Studie, Jahr, Autor Therapieregime n NSABP B-18, 1998 Fisher (1) OP Æ 4x AC 4x AC Æ OP 752 743 131 ECTO, 2009 Gianni (78) OP Æ 4x A Æ 4x CMF OP Æ 4x AT Æ 4x CMF 4x AT Æ 4x CMF Æ OP 35 33 63* NSABP B-27, 2003 Bear (7) 4x AC Æ OP 4x AC Æ 4x Doc Æ OP 4x AC Æ OP Æ 4x Doc 4x ADoc q2w 4x AC Æ 4x Doc 3x E150 q2w Æ 3x T250 q2w 4x E90T175 q3w 444 432 448 231 762 9,2 752 18,9 772 10,1*2 451 7,0 453 14,3*3 333 12 335 6*3 GeparDuo, 2005 von Minckwitz (8) AGO-1, 2009 Untch (9) PREPARE, 2011 Untch (10) GeparTrio, 2008 von Minckwitz (22) GeparTrio, 2008 von Minckwitz (15) GeparQuattro, 2010 Untch (79), 2014 von Minckwitz (12) GeparQuinto, 2013 Huober (23), 2014 von Minckwitz (24) GeparQuinto, 2013 Gerber (43), 2014 von Minckwitz (24) TBCRC 006, 2013 Rimawi (34) NOAH, 2010 Gianni (25), 2014 Gianni (26) GeparQuinto, 2012 Untch (27) NeoALTTO, 2012 Baselga (29), 2014 de Azambuja (33) 4x E90C Æ 4x T175 q3w 3x E150 q2w Æ 3x T225 q2w Æ 3x CMF 2x TAC Æ 4x TAC 2x TAC Æ 4x NX 6x TAC 8x TAC 4x EC Æ 4x Doc 4x EC Æ 4x DocX 4x EC Æ 4x Doc Æ 4x X Her2+ ChT mit Trastuzumab pCR (%) 5J-DFS (%) 76,3 66,7 0,99 77 84 80* 5J-OS (%) 80,0 79,6 0,83 82 85 84 Kommentar 47,9 50,8 48,9 58,1 63,4* 55 50 68 71 70 82 83 82 DFS und OS n.s. 70 59* 83 77* 370 13,2 363 18,7*2 67,0 65,3 75,6 78,8 88,4 91,5 321 5,3 301 6,04 57,3 59,8 704 606 471 471 479 445 67,5 68,5 70,1 68,4 65,3 63,1 HR 0,92 HR 0,97 HR 0,89 21,0 23,54 22,3 19,5 22,32 31,7 BET-Rate (%) 59,8 67,8 4x EC ± Bev Æ 12x Tweekly 4x EC ± Bev Æ 12x Tweekly + Everolimus 4x EC Æ 4x Doc 4x EC+ Bev Æ 4x Doc + Bev 198 5,6 197 3,63 61,9 54,4 71,3 69,3 340 27,9 323 39,3*3 74,9 71,9 81,5 80,0 88,7 90,7 H+L (+ Letrozol bei pos. HR) 64 3x AT Æ 4x T Æ 3x CMF 3x ATH Æ 4x TH Æ 3x CMFH 4x ECH Æ 4x DocH 4x ECL Æ 4x DocL L6wks Æ 12x TL Æ OP H6wks Æ 12x TH Æ OP LH6wks Æ 12xTLH Æ OP 118 117 309 311 154 149 152 13 23 63,6 58,6 42,9 38,9 41,4 7 Jahre DFS/OS mit Taxan sign. besseres DFS, OS ohne Unterschiede, kein Unterschied bzgl. Sequenz kein Vorteil durch dosisdichtes Regime HR 0,93 HR 0,97 HR 0,76 83,4 81,4 271 224 19 38* 30,3 22,7*3 24,7 29,5 51,3*1 DFS und OS ohne signifikante Unterschiede 43,3 57,5* 62,9 73,5 78 76 84 93 90 95 Einschluss ≥ cT2 inflammatorische Mammakarzinome ohne Vorteil für DFS und OS kein Unterschied bzgl. DFS/OS, tendenziell schlechteres DFS durch zusätzliche Darbopoetingabe Randomisierung bei Nichtansprechen nach 2 Zyklen TAC, betraf ca. 30 % aller Patientinnen kein Vorteil durch längere Chemotherapie keine Verbesserung durch Capecitabine, höchste pCR-Rate und besseres OS bei HER2+ Karzinomen mit Trastuzumabtherapie (adjustierte HR 0,70, p=0,004) HER2-negative Tumoren, Randomisierung bei Nichtansprechen nach 4x EC, 3-Jahres-FUP-Daten TNBC, sign. bessere pCR-Rate durch Bevacizumab, 3-Jahres-FUP-Daten pCR bei pos. HR 21 % und bei neg. HR 36 % Trastuzumab adjuvant über 1 Jahr , OS HR 0,66 (p=0,055) HER2-pos. Pat., Lapatinib mit signif. schlechterer pCR-Rate postop. 3 x FEC und Fortführung der anti-Her2neu-therapie über 34 Wochen, signifikanter Vorteil durch Kombination, Einzeltherapien ohne sign. Unterschied, 3-Jahres-FUP-Daten Tab. 2: Teil 1 – Studien mit neoadjuvanter Chemotherapie (Auswahl) Risiko ist eine Dosisintensivierung bei entsprechendem Subtyp möglich. Darüber hinaus ist mit den Ergebnissen der Neo-tAnGo-Studie die Anthrazyklin-Taxan-Sequenz in den Focus gerückt. Eine Sequenzumkehr mit primärer Taxangabe resultierte in einer signifikanten Verbesserung der pCR-Rate [13]. Die Sequenzumkehr wurde daraufhin auch in der GeparSepto-Studie umgesetzt. In dieser Studie wurde durch die Gabe von 12x nab-Paclitaxel weekly anstelle von 12x Paclitaxel weekly die pCR-Rate signifikant erhöht. Nachteilig war der damit verbundene, dosisabhängige Anstieg an Anämien und peripheren sensorischen Neuropathien der Grade 3–4 [19]. Gute Ansprechraten und fehlende „targeted therapies“ lassen nab-Paclitaxel vor allem bei triple negativen Karzinomen als eine sinnvolle Therapieoption erscheinen [20]. Eine Reduzierung der Chemotherapiedosis sollte prinzipiell vermieden werden [21]. 3/2017 CMExtra 15 16 NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS CME CALGB 40601, 2016 Carey (32) TH THL TL NeoSphere, 2012 Gianni 4x DocH (35), 2016 Gianni (36) 4x DocH+P 4x H+P 4x DocP TECHNO, 2011 Untch 4x EC Æ 4x TH (80) NSABP-B41, 2013 4xAC Æ 12x Tweekly+H 4xAC Æ 12x Tweekly+L Robidoux (30) 4xAC Æ 12x Tweekly+LH CHER-LOB, 2012 (12x Tweekly Æ 3x FEC)+H (12x Tweekly Æ 3x FEC)+L Guarneri (81) (12x Tweekly Æ 3x FEC)+HL NSABP B-40, 2012 Bear 4x Doc Æ 4x AC (14), 2015 Bear (47) 4x DocX Æ 4x AC 4x DocG Æ 4x AC NSABP B-40, 2012, Bear 4x Doc (±X/G) Æ 4x AC (14), 2015 Bear (47) 4x Doc (±X/G) + Bev Æ 4x AC + Bev CALGB 40603, 2015 Sikov (44) CALGB 40603, 2015 Sikov (44) GeparSixto (TNBC), 2014 von Minckwitz (49) Neo-tAnGo, 2014 Earl (13) Neo-tAnGo, 2014 Earl (13) 120 118 67 107 107 107 96 217 40 51 32 29,0 45,8*1 16,8 24,0 22,63 177 52,5 171 53,2 171 62,01 25,0 26,3 46,7* 395 32,7 398 29,7 393 31,81 591 28,2 584 34,5*1 T±Cb Æ 4x ddAC (T±Cb Æ 4x ddAC) + Bev (T Æ 4x ddAC) ± Bev (T+Cb Æ 4x ddAC) ± Bev PM PMCb 218 215 212 221 157 158 48 59*1 46 60*1 36,9 53,7*3 4x EC Æ 12x Tweekly 4x EC Æ 12x Tweekly + G 4x EC Æ 12x Tweekly ± G 12x Tweekly ± GÆ 4x EC 404 408 406 406 17 174 15 20* TL vorzeitig abgebrochen, THL vs. TH nicht signifikante Differenz 64 81 84 80 75 77,9 89,4 Phase II, signifikanter Vorteil durch duale Blockade, keine signifikanten Überlebensraten (Studie hierfür nicht gepowert) Phase II, 3J-DFS/OS Adjuvante Fortführung der Her2neu-Therapie über 1 Jahr 55 45 50 66,7 57,9 68,9 Phase II, signifikanter Vorteil durch duale Blockade 72,8 72,6 73,9 72,7 77,0 80,9 81,5 85,7 80,6 85,8* adj. HR 1,14 adj. HR 0,84 adj. HR kein Vorteil durch Gemcitabin 1,02 adj. HR signifikanter pCR-Vorteil durch 0,80 Umkehrung der Sequenz mit primärer Taxangabe nabPaclitaxel mit höherer pCR-Rate als mit Paclitaxel, aber auch höhere NW-Rate 600 29 % Geparsepto, 2016 Untch 12x Tweekly±HPÆ4xEC± HP (19) 12x nabTweekly±HPÆ4xEC± 606 38 %*3 HP * = p ≤ 0,05 1 = ypT0,is ypN0/+ 2 = ypT0 ypN0/+ 3 = ypT0 ypN0 4 = ypT0/is ypN0 nur HER2-negativ, 1:1 Randomisierung zu Bevacizumab, keine Vorteil durch zusätzliche Gabe von X bzw. G nur HER2-negativ, Bevacizumab erhöht pCR-Rate, Effekt ist ausgeprägter bei pos. HR (15,1 vs. 23,2, p=0,007) als bei neg. HR (47,1 vs. 51,5, p=0,34), OS signif. besser durch Bevacizumab Phase II, TNBC, signifikanter Vorteil durch Bevacizumab Phase II, TNBC, signifikanter Vorteil durch Carboplatin signifikanter Unterschied bei TNBC, keine Differenz bei HER2-pos. Tab. 2: Teil 2 – Studien mit neoadjuvanter Chemotherapie (Auswahl) Therapieoptionen bei fehlendem Ansprechen Inwieweit durch fehlendes Ansprechen ein Wechsel des Therapieregimes von Vorteil sein könnte, wurde in der GeparTrio-Studie untersucht. Patientinnen, die nach 2 Zyklen TAC keine klinische Reduktion der Tumorgröße um mindestens 50 % zeigten wurden entweder entsprechend des Standards mit insgesamt sechs Zyklen TAC behandelt oder wechselten das Therapieregime und erhielten weitere vier Zyklen Vinorelbin/Capecitabin [22]. Auch wenn sich die pCR-Raten nicht signi- CMExtra 3/2017 fikant unterschieden, zeigten die Patientinnen mit Therapiewechsel nach 5 Jahren ein besseres krankheitsfreies Überleben [17]. Bei Nicht-Ansprechen auf eine neoadjuvante Therapie sollte prinzipiell eine Fortführung der Chemotherapie erfolgen. Im Falle einer sequentiellen Gabe von Anthrayzklin und Taxan ist durch die reguläre Weiterführung ein Wechsel auf ein nichtkreuzresistentes Therapeutikum garantiert. Im Fall einer kombinierten Gabe ist entsprechend der Studiendaten eine Therapieumstellung auf Vinorelbin/Capecitabin zu empfehlen. Kommt es hingegen primär zu einer Progression der Tumorerkrankung ist umgehend die Operation anzustreben, um das Risiko einer vom Primärtumor ausgehenden Metastasierung zu minimieren. Die in der GeparQuintoStudie geprüfte Hinzunahme von Everolimus bei therapieresistenten HER2-negativen Karzinomen resultierte nicht in einer Verbesserung der pCR-Raten, zeigte tendenziell sogar schlechtere Ergebnisse und ist somit keine therapeutische Alternative [23]. Dies bestätigen auch die 3-Jahres Überlebensdaten [24]. NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS 17 CME HER2-positive Karzinome Karzinome mit HER2-Positivität werden in Analogie zur adjuvanten Situation zusätzlich mit Trastuzumab behandelt. Hierdurch konnte in der NOAH-Studie nicht nur die pCRRate annähernd verdoppelt werden, sondern es wurde auch eine signifikante Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens erreicht [25]. Die Überlebensdaten nach 5,4 Jahren zeigen darüber hinaus einen deutlichen Trend zu einem besseren Gesamtüberleben (HR 0,66, p = 0,055) [26]. Durch die Hinzunahme von Trastuzumab gleicht sich die Prognose dieser bis dato ungünstigen Subgruppe den HER2-negativen Karzinomen an. Wie die GeparQuattro-Studie zeigen konnte, wiesen diese Patientinnen sogar ein signifikant besseres Gesamtüberleben auf [12]. Dies ist maßgelblich auf die günstigeren klinischen Verläufe im Falle eines Tumorrezidivs zurückzuführen. Die alternative Gabe von Lapatinib ist Trastuzumab signifikant (GeparQuinto, TRIO-US B07, GEICAM/2006–14) oder tendenziell (NeoALTTO, NSABP B-41) unterlegen [27–31]. Bei gleichzeitig höherer Nebenwirkungsrate kann somit Lapatinib nicht als Alternative zum Trastuzumab empfohlen werden. Hingegen wurde durch eine Kombination beider Substanzen im Rahmen der NeoALTTO-Studie eine signifikante und in der NSABP B-41, der CALGB 40601 [32] und der TRIOUS B07-Studie eine nicht-signifikante Verbesserung der pCR-Rate erzielt. Allerdings waren auch hier die Nebenwirkungen einer zusätzlichen Lapatinibgabe vor allem durch höhergradige Diarrhoen und Hauttoxizitäten nicht unerheblich. Nach 3 Jahren Nachbeobachtungszeit zeigte die Kombination im Vergleich zu den Einzelsubstanzen in der NeoALTTO-Studie keinen Überlebensvorteil [33]. Ein beachtliches Ansprechen zeigte auch ein chemo- Tumor-Subtyp Luminal A Luminal B/ HER2 negativ Luminal B/HER2 positiv ohne Trastuzumab Luminal B/HER2 positiv mit Trastuzumab HER2 positiv ohne Trastuzumab HER2 positiv mit Trastuzumab Triple negativ ypT0 ypN0 6,4 11,2 11,9 22,2 27,6 32,9 31,0 ypT0/is ypN0 8,9 15,4 17,2 32,3 33,1 51,0 35,8 ypT0/is ypN0/+ 11,2 17,6 21,0 34,6 38,9 56,4 39,7 ypT0/is/mic ypN0/+ 19,1 26,9 30,9 48,6 51,0 64,1 48,3 Tab. 3: Durchschnittliche pCR-Raten (%) entsprechend der biologischen Mammakarzinom-Subtypen (50) therapiefreies Protokoll (TBCRC 006). In dieser kleinen Phase-II-Studie konnte mit einer Kombination von Lapatinib und Trastuzumab (+ Letrozol bei positivem Hormonrezeptor) eine pCR-Rate von 27 % erreicht werden [34]. Mit Pertuzumab ist eine weitere Substanz für die HER2-Blockade verfügbar. Die Ergebnisse einer Phase-II-Studie (NeoSphere) zeigten im Vergleich zu Trastuzumab eine vergleichbare Wirksamkeit, die Kombination beider Substanzen verbesserte die pCR-Rate jedoch signifikant ohne nennenswerte Steigerung der Toxizität, insbesondere ohne Anstieg der kardialen Nebenwirkungen [35]. Die Studienergebnisse waren so überzeugend, dass hieraus eine vorläufige Zulassung der Substanz für die neoadjuvante Situation folgte. Erstaunlich ist darüber hinaus die ebenfalls relativ hohe pCR-Rate von 17 % bei Verzicht auf eine zusätzliche Chemotherapie, so dass hiermit eine zukünftige Therapieoption für multimorbide Patientinnen zur Verfügung stehen könnte. Nach 5 Jahren Nachbeobachtung ist für das krankheitsfreie Überleben ein Trend zugunsten der dualen Blockade zu verzeichnen. Allerdings wurde die Studie hierfür nicht gepowert und im Verlauf ist nicht mit signifikanten Unterschieden zu rechnen [36]. Mit T-DM1 steht ein weiteres vielversprechendes Therapeutikum für die Gruppe der HER2-positiven Mammakarzinome zur Verfügung. Die stabile Verbindung aus Trastuzumab mit dem Microtubulushemmer Emtansin erlaubt eine zielgerichtete Zytotoxizität und wurde bereits aufgrund seiner guten Wirksamkeit im Rahmen der EMILIA-Studie für die metastasierte Situation zugelassen. In San Antonio wurde im Dezember 2013 eine neoadjuvante Phase IIStudie präsentiert (BP22572), welche T-DM1 in Kombination mit Docetaxel ± Pertuzumab untersuchte [37]. In dieser kleinen Studie wurden beachtliche pCR-Raten von 57–61 % erzielt. Im Rahmen der ADAPT-Studie wurde schließlich die Wirksamkeit von T-DM1 allein und in Kombination mit einer antihormonellen Therapie bei hormonsensitiven, HER2-positiven Karzinomen überprüft [38]. Unter T-DM1 wurde bei 41 % der Patientinnen eine Komplettremission erreicht. Eine zusätzliche endokrine Therapie verbesserte die Ergebnisse nicht. Die pCR-Rate unter Herceptin allein mit einer endokrinen Therapie kombiniert war mit 15 % hingegen deutlich niedriger. Auch in der NSABPB52-Studie konnte durch Hinzunahme einer endokrinen Therapie keine signifikante Verbesserung der Ansprechraten bei triple positivem Karzinom erzielt werden [39]. Im interessanten Vergleich von T-DM1 + Pertuzumab mit Docetaxel + Carboplatin + Herceptin + Pertuzumab 3/2017 CMExtra 18 NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS CME (KRISTINE-Studie) erwies sich die duale Blockade mit T-DM1 bei allerdings günstigerem Nebenwirkungsprofil als unterlegen [40]. Triple negative Karzinome (triple negative breast cancer, TNBC) Mammakarzinome mit fehlender Expression von Hormonrezeptoren und HER2 stellen eine prognostisch ungünstige, molekularbiologisch heterogene Subgruppe dar. Durch die bis dato fehlende Möglichkeiten einer zielgerichteten Therapie verbleit eine chemotherapeutische Behandlung als einzige systemische Therapieoption. Patientinnen mit einem TNBC haben generell ein schlechteres krankheitsfreies und Gesamtüberleben verglichen mit non-TNBC Patientinnen. Im Falle eines Rezidivs treten häufiger viszerale Metastasen auf infolge dessen die Überlebenszeit in der metastasierten Situation ebenfalls ungünstiger ist [41]. Dem gegenüber steht ein besseres Ansprechen auf eine Chemotherapie mit höheren pCRRaten, wobei sich im Fall einer Komplettremission die Prognose der TNBC den non-TNBCs angleicht. Problematisch bleibt die Gruppe der Tumoren mit verbleibendem vitalen Tumorrest [41]. Unter einer Kombination von Anthrazyklinen und Taxanen wurden pCR-Raten (ypT0/is ypN0) von bis zu 39 % erreicht [42]. Die Hinzunahme von Bevacizumab resultierte in der GeparQuinto-Studie in einer weiteren, signifikanten Verbesserung der pCRRate auf über 40 % (ypT0/is ypN0) [43]. Die Ergebnisse der CALGB 40603-Studie bestätigten dieses Resultat [44]. Im Gegensatz hierzu konnte die NSABP B-40-Studie keinen signifikanten Vorteil durch die Hinzunahme von Bevacizumab bei TNBC nachweisen [14]. Im 3-Jahres Follow-up der GeparQuinto-Studie zeigte sich – analog zu den adjuvanten 5-Jahres-Daten der BEATRICE- CMExtra 3/2017 Studie – kein Vorteil zugunsten einer Hinzunahme von Bevacizumab [24, 45, 46]. In der NSABP B-40-Studie hingegen konnte ein Vorteil im Gesamtüberleben beobachtet werden (jedoch ohne signifikante Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens) [47]. Die Interpretation dieser diskrepanten Daten ist schwierig. Unter Berücksichtigung der adjuvanten Daten ist Bevacizumab aber aktuell keine relevante Therapieoption. Ebenso wie die typischer weise triple negativen Karzinome bei erblicher BRCA-1/2-Mutation weisen auch sporadische triple negative Karzinome häufig eine Störung der DNA-Reparatursysteme auf (sog. „BRCAness“-Phänotyp) [48]. Mehrere Studien untersuchen aktuell den Stellenwert von Platinderivaten, welche DNA-Strangbrüche initiieren und somit besonders gute Effektivität bei Störungen der DNAReparatur erwarten lassen. Die Ergebnisse der GeparSixto- und der CALGB 40603-Studie zeigten, dass durch Hinzunahme von Carboplatin bei triple negativen Karzinomen eine Verbesserung der pCR-Raten erzielt werden konnte [44, 49]. Trotz erhöhter Nebenwirkungsraten kann die Substanz damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Prognose dieser aggressiven Tumorsubgruppe leisten. Der Vorteil war bei HER2-positiven Karzinomen nicht zu beobachten [49]. Primäre Therapie bei hormonsensitivem Mammakarzinom Eine Indikation zu einer neoadjuvanten Chemotherapie bei hormonsensitivem Karzinom stellt sich bei großem Primärtumor beziehungsweise axillärem Lymphknotenbefall. Ein gutes Ansprechen auf eine Chemotherapie ist vor allem dann zu erwarten, wenn der Tumor dem „luminal B“-Typ zugeordnet werden kann. Diese Tumoren sind gekennzeichnet durch eine hohe Proliferationsrate, ein höheres Grading und häufig nur mäßiger bis schwacher Hormonrezeptorexpression. Taxan- und anthrazyklinhaltige Therapieschemata sind auch bei hormonsensitivem Mammakarzinom in der Neoadjuvanz Standard. Es ist jedoch zu beachten, dass bei diesen Karzinomen insgesamt seltener Komplettremissionen zu erreichen sind (Tab. 2). Hormonsensitive Karzinome weisen somit Unterschiede in ihrer Chemosensitivität auf. Darüber hinaus unterscheiden sie sich auch hinsichtlich der prognostischen Bedeutung einer pCR. Gering proliferierende „luminal A“-Tumoren zeigen die niedrigste pCR-Rate unter einer neoadjuvanten Chemotherapie. Das Auftreten einer pCR scheint bei diesem Subtyp jedoch nicht mit einer Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens assoziiert zu sein [50]. Dies trifft auch für den „luminal B/HER2-positiven“ Suptypen zu. Im Gegensatz hierzu zeigen „luminal B/HER2-negative“ Karzinome bei Erreichen einer pCR auch eine bessere Prognose. Es gilt zu klären, welche dieser Karzinome von einer Chemotherapie profitieren und welche allein endokrin zu behandeln sind. Im Rahmen der ADAPT-Studie wird derzeit mittels OncotypeDX® und serieller Bestimmung von Ki-67 überprüft, bei welchen Patientinnen auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann, beziehungsweise eine endokrine Therapie ohne Chemotherapie ein gutes Ansprechen erwarten lässt [51]. Ein vergleichbares Konzept verfolgt die ALTERNATE-Studie [52]. Mit den Ergebnissen des Z1031B-Trials liegen zu diesem hoch relevanten Thema erste publizierte Daten vor. Nach 2–4 Wochen neoadjuvanter Therapie mit einem Aromataseinhibitor erfolgte in dieser Studie eine erneute Bestimmung von Ki-67 am Tumorgewebe. 35 Patienten erhielten bei einem Wert NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS 19 CME > 10 % einen Wechsel auf eine neoadjuvante Chemotherapie. Doch lediglich bei zwei dieser Patientinnen (5,7 %) konnte eine pCR erreicht werden. Patientinnen mit niedrigem Proliferationsindex unter neoadjuvanter endokriner Therapie erhielten den Aromatasehemmer über 12–14 Wochen und wurden anschließend operiert. Je nach Risikoprofil (bestimmt anhand der Parameter Tumorgröße, Nodalstatus, Ki-67 und Stärke der Hormonrezeptorexpression) wurde postoperativ die Indikation für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie gestellt. Unter dieser risikoadaptierten Therapie zeigten die Patientinnen mit erhöhtem Rezidivrisiko trotz Hinzunahme einer adjuvanten Chemotherapie in über 40 % der Fälle nach 5,5 Jahren eine signifikant höhere Rezidivrate als Patientinnen mit niedrigem Risikoprofil (3,7 % vs. 14,4 %, P = 0,014) [53]. Es wird deutlich, dass bei hohem Risiko durch die alleinige Hinzunahme einer Chemotherapie keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden können. Vielmehr bedarf es für solche Situationen innovativer Substanzen mit neuen Angriffspunkten. So war es möglich durch die Hinzunahme des COX2-Hemmers Celecoxib in der NEO-EXCEL-Studie die Ansprechrate von 55 % auf 73 % signifikant (P = 0,002) zu steigern [54]. Noch vielversprechender dürfte die Kombination einer neoadjuvanten endokrinen Therapie mit einem CDK 4/6-Inhibitor sein. In mehreren Phase-II-Studien war durch die Hinzunahme von Palbociclib [55], Ribociclib [56] oder auch Abemaciclib [57] eine beeindruckende Reduktion des Proliferationsindex (Ki-67) zu beobachten. Primäres Ziel einer rein endokrinen antihormonellen Therapie kann aber auch die Verbesserung der Operabilität oder auch die Verschiebung des Operationszeit- punktes vor allem bei älteren, morbiden Patientinnen mit hormonsensitivem Mammakarzinom sein (E Tab. 3). Eine präoperative Therapie sollte dann über mindestens drei Monate erfolgen. Die klinischen Ansprechraten für Tamoxifen liegen zwischen 35 % und 40 %. Im Vergleich hierzu lagen die Ansprechraten unter Therapie mit einem Aromatasehemmer um 10 bis 20 % höher [58–60]. In der IMPACT-Studie zeigte sich dieser Vorteil im Vergleich von Tamoxifen mit Anastrozol jedoch nicht [61]. In dieser Studie führte auch eine Kombination beider Substanzen zu keiner Verbesserung der Ansprechraten. Ein Vergleich der drei Aromatasehemmer Anastrozol, Letrozol und Exemestan untereinander zeigte ebenfalls keine signifikanten Unterschiede allerdings mit einem Trend zugunsten der nicht-steroidalen Aromatasehemmer [62]. Generell konnten alle Studien zeigen, dass nach einer neoadjuvanten antihormonellen Therapie die Operabilität verbessert werden konnte. Postneoadjuvante Therapie Patientinnen, welche unter einer neoadjuvanten Therapie keine pCR erreichen weisen mit Ausnahme der „luminal A“- und „luminal B/HER2positiven“ Subtypen ein signifikant höheres Rezidivrisiko auf. Das Ansprechen des Tumors auf eine neoadjuvante Therapie stellt einen zusätzlichen Prognosefaktor dar. Im Vergleich zur adjuvanten Situation steht somit ein qualitativ neuer Parameter zur Verfügung, von welchem weitergehende risikoadaptierte, individuelle Therapieentscheidungen abhängig gemacht werden können. Hierauf basierende postoperative Therapien werden in Abgrenzung zur standardisierten adjuvanten Behandlung (z. B. in Form einer antihormonellen Therapie bei endokrin sensiti- vem Tumor) als „postneoadjuvante“ Therapien bezeichnet. Diese semantische Unterscheidung verdeutlicht den Einfluss der vorausgegangenen Therapie auf die Fortführung der Behandlung. In der Folge verschmelzen adjuvante und neoadjuvante Therapiesituation zu einem einheitlichen Therapiekonzept. Inwieweit durch postneoadjuvante Therapien die Tumorprognose verbessert werden kann, wird derzeit in zahlreichen Studien evaluiert. Die Bedeutung der Bisphosphonate bei residualem Tumor nach neoadjuvanter anthrazyklin- und taxanhaltiger Therapie wurde im Rahmen der NATAN-Studie untersucht. Zusammenfassend fanden sich weder in der Gesamtheit der Patientinnen noch in Subgruppen signifikante Vorteile durch eine zusätzliche Zoledronatgabe über 5 Jahre [63]. Eine risikoadaptierte Therapieerweiterung unter postoperativer Fortführung einer Chemotherapie könnte zukünftig von Bedeutung sein. Vorläufige Studienergebnisse zeigten sowohl durch die weiterführende Behandlung mit Capecitabine als auch mit Eribulin eine signifikante Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens bei fehlender pCR nach neoadjuvanter Chemotherapie [64, 65]. Weitere postneoadjuvante Therapiekonzepte werden aktuell unter Berücksichtigung bestimmter biologischen Subtypen überprüft. Beispielhaft erwähnt seien T-DM1 bei HER2-positivem Mammakarzinom (Katherine-Studie), Palbociclib bei endokrin sensitivem Karzinom oder ein PARP-Inhibitor bei TNBC und „BRCAness“-Phänotyp (Rucaparib, BRE09-146-Studie) beziehungsweise bei nachgewiesener BRCA-Keimbahnmutation (Oleparib, OlympiAStudie) [66]. 3/2017 CMExtra 20 NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS CME Studie, Jahr, Autor Therapieregime n OR BET-Rate Phase IIb-III-Studie, 2001 Eiermann (59) Letrozol 2,5mg Tamoxifen 20mg 162 175 55 35* 45 35* postmenopausale Patientinnen, Dauer 4 Monate, Ansprechrate mit Letrozol signifikant besser, 5 Patienten mit pCR klinisch OR (Caliper) P024, 2001 Ellis (60) Letrozol 2,5mg Tamoxifen 20mg 124 126 60 41* 48 36* postmenopausale Patientinnen, Dauer 4 Monate, Ansprechrate mit Letrozol signifikant besser, 5 Patienten mit pCR klinisch OR (Caliper) IMPACT, 2005 Smith (61) Tamoxifen 20mg 108 Anastrozol 1mg 113 Tamoxifen + Anastrozol 109 36 37 39 31 44 postmenopausale Patientinnen, Dauer 3 Monate, Trend zugunsten AI-Therapie klinisch OR (Caliper) PROACT, 2006 Cataliotti (58) Tamoxifen 20mg Anastrozol 1mg 151 163 39,7 49,7 30,8 postmenopausale Patientinnen, nur endokrine 43,0 Threapie, Dauer 3 Monate, OR p=0,08, Verbesserung der Operabilität klinisch OR (Caliper) ACOSOG Z1031, 2011 Ellis (62) Exemestan 25mg Letrozol 2,5mg Anastrozol 2,5mg 124 127 123 62,9 74,8 69,1 Konversion Ablatio Æ BET nach Therapie in 50 % möglich Phase II, Exemestan mit tendenziell niedriger Ansprechrate, Konversion Ablatio Æ BET nach Therapie in 50 % möglich, klinisch OR (Caliper) Tab. 4: Studien mit neoadjuvanter endokriner Therapie (Auswahl) Sentinellymphknotenbiopsie (sentinel node biopsy, SNB) bei neoadjuvanter Therapie Mit der SENTINA- und der ACOSOG Z1071-Studie konnten wesentliche Fragen zum Stellenwert der SNB im Rahmen der neoadjuvanten Therapie beantwortet werden [67, 68]. Zusammenfassend ist festzustellen, dass in beiden Studien bei initial klinisch nodal positiver Situation eine SNB im Anschluss an eine neoadjuvante Therapie nicht zu empfehlen ist, da unabhängig davon ob eine axilläre Remission erreicht wurde die Falsch-Negativ-Rate (FNR) über dem cut-off von 10 % lag (Z1071: 12,6 %, SENTINA Arm C: 14,2 %). Somit ist in dieser Situation vorerst weiterhin eine axilläre Lymphknotendissektion zu empfehlen. Allerdings war in 41 % eine axilläre Komplettremission zu verzeichnen, wenn mindestens zwei Sentinellymphknoten detektiert wurden. Das axilläre Ansprechen korrelierte vor allem bei triple negativen und HER2-positiven Karzinomen gut mit dem intramammären [69]. Eine zusätzliche Clipmarkierung des stanzbioptische gesicherten metastasierten Lymphknotens mit gezielter operativer Entfernung desselben nach Chemotherapie reduzierte au- CMExtra 3/2017 ßerdem die FNR auf 6,8 % [70]. Eine Sentinellymphknotenbiopsie kann somit unter günstigen Voraussetzungen und nach ausführlicher Aufklärung der Patientin eine Therapieoption im Sinne einer Einzelfallentscheidung darstellen. Bei initial klinisch nodal negativer Situation dürfte hingegen die Durchführung der SNB im Anschluss an die neoadjuvanter Chemotherapie im Vergleich zu einer prätherapeutischen Durchführung ohne Nachteil sein auch wenn im Rahmen einer Metaanalyse die FNR bei 11,4 % lag [71, 72]. Da in dieser Situation die klinische FNR deutlich geringer ist als die pathologische (NSABP B-32-Studie: 1 manifestes lokoregionäres Rezidiv auf 14 Patientinnen mit axillärem Tumorrest) ist hier das strikte Festhalten an einem cut-off von 10 % nicht zu rechtfertigen [46]). Die 2016 in San Antonio vorgestellten Ergebnisse der GANEA 2-Studie betätigen die Sicherheit der Sentinellymphknotenbiospie nach neoadjuvanter Chemotherapie [73]. Das krankheitsfreie Überleben lag nach 3 Jahren bei 94,8 %. Von 416 Patientinnen entwickelte nur eine ein homolaterales axilläres Rezidiv. Ausblick Die neoadjuvanten Studien beim Mammakarzinom demonstrieren eindrücklich eine beinahe kontinuierliche Verbesserung der Ansprechraten. Trotz hoher pCR-Raten insbesondere in den Gruppen der HER2-positiven sowie der triple negativen Mammakarzinome lässt sich jedoch keine weitere Steigerung der Rate an brusterhaltendem operativem Vorgehen beobachten. Da sich die BET-Raten mit bis zu 70% nach neoadjuvanter Therapie nicht mehr von der primär operativen Situation unterscheiden, ist auch mit keiner weiteren Verbesserung zu rechnen. Allerdings wirft die hohe Rate an pathologischen Komplettremissionen die Frage auf, inwieweit in einer solchen Situation nicht grundsätzlich auf eine operative Intervention zugunsten einer alleinigen Bestrahlung verzichtet werden könnte. Eine kleine Fallserie konnte zeigen, dass bei klinischer Komplettremission der Verzicht auf eine Brustoperation weder das Gesamtüberleben noch die Rate an Fernmetastasierungen ungünstig beeinflusste [74]. Die Vermeidung einer Operation bei Komplettremission könnte somit ein weiterer Meilenstein in der Therapie des Mamma- NEOADJUVANTE THERAPIE DES MAMMAKARZINOMS 21 CME karzinoms werden. Problematisch stellt sich hier die zuverlässige Prädiktion der pCR dar. Die Vorhersage mittels minimal-invasiver Biopsiemethoden erwies sich diesbezüglich als ausgesprochen ungenau mit FNR zwischen 26 % und 50 % [75, 76]. Es wird eine Aufgabe unter vielen sein, die individuelle Situation nach neoadjuvanter Therapie optimal in ein angepasstes operatives Konzept einzubinden [77]. Eine Optimierung der Behandlung im Bereich der Schnittstelle zwischen konservativer und operativer, systemischer und lokaler Therapie sollte als ein weiterer „translationaler“ Forschungsansatz verstanden werden und wird im Rahmen zukünftiger Studien Berücksichtigung finden. Zusammenfassung Stellt sich die Indikation zu einer Chemotherapie bei nicht-metastasiertem Mammakarzinom bereits präoperativ, ist eine Umkehrung der Sequenz im Sinne einer neoadjuvanten Therapie möglich. Dies eröffnet die Option einer besseren Operabilität infolge eines Therapieansprechens. Aufgrund der Möglichkeit einer unmittelbaren Therapiekontrolle am Primärtumor ist die neoadjuvante Situation für die Etablierung neuer Therapieregime besonders geeignet. Das Erreichen einer pathologischen Komplettremission ist mit einer günstigen Prognose verbunden. Darüber hinaus kann das Ansprechen auf eine neoadjuvante Therapie im Sinne eines prädiktiven Faktors maßgeblich für die Fortführung der Behandlung bis in die postneoadjuvante Situation hinein sein. Zukünftig wird somit eine weitere Individualisierung der Brustkrebstherapie ermöglicht. Literatur 1. Fisher B, Bryant J, Wolmark N, Mamounas E, Brown A, Fisher ER, et al. Effect of preoperative chemotherapy on the outcome of women with operable breast cancer. J Clin Oncol. 1998;16(8):2672–85. 2. Rastogi P, Anderson SJ, Bear HD, Geyer CE, Kahlenberg MS, Robidoux A, et al. Preoperative chemotherapy: updates of National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project Protocols B-18 and B27. J Clin Oncol. 2008;26(5):778–85. 3. Mauri D, Pavlidis N, Ioannidis JP. Neoadjuvant versus adjuvant systemic treatment in breast cancer: a meta-analysis. J Natl Cancer Inst. 2005;97(3):188–94. 4. von Minckwitz G, Untch M, Nuesch E, Loibl S, Kaufmann M, Kummel S, et al. 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