Chemotherapie oder nicht?

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Neuer Test schätzt Risiko bei Brustkrebspatientinnen ein:
Chemotherapie oder nicht?
Mit zusätzlichen, aus
einem molekularen
„Fingerabdruck“ des
Tumors gewonnenen
Informationen möchte
ein neu entwickelter
Prognose-Test diejenigen
Brustkrebspatientinnen
ausmachen, für die eine
Chemotherapie keinen
Nutzen bringt, eine
nebenwirkungsärmere
antihormonelle Behandlung aber sehr effektiv
ist. Der Test, bei dem die
Aktivität von zwölf für
die Erkrankung bedeutsamen Genen untersucht
wird, kommt für Betroffene mit so genannten
hormonrezeptor-positiven Tumoren in Frage.
Vorbereitungen
zur Durchführung des
EndoPredict®-Tests
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K-Journal 2/12
Krebs ist nicht gleich Krebs – das ist eine der
„Faustregeln“ in der Tumormedizin und hat vor
allem dann Bedeutung, wenn es um die Art
der Behandlung der Erkrankung geht und eine
Prognose gestellt wird. Bei der Wahl der medikamentösen Therapie von Brustkrebs kommt es
vor allem darauf an festzustellen, ob bzw. welche
Rezeptoren vorhanden sind, „Andockstellen“ für
bestimmte Hormone oder Wachstumsfaktoren
auf der Oberfläche von Zellen. Hormonrezeptoren weisen etwa zwei Drittel der Brustkrebserkrankungen auf. Bei diesen Patientinnen käme
auch eine gezielte Antihormontherapie in Frage. Nur: Wie klar kann die Prognose im Einzelfall
sagen, dass eine alleinige antihormonelle Behandlung ausreicht und auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann?
Mit den üblichen Prognosefaktoren fällt eine
eindeutige Entscheidung oft schwer. Zwar bieten sowohl die aktuellen S3-Leitlinien als auch
die so genannten St. Gallen-Empfehlungen die
Grundlage für die Einteilung von Brustkrebspatientinnen in bestimmte Gruppen, für die jeweils eine bestimmte Therapie angeraten wird.
Doch geht man von diesen Klassifizierungen
aus, bleiben nach Meinung von Experten immer
noch ca. über 80 Prozent der hormonrezeptorpositiven Tumoren, für die keine sichere Behandlungsempfehlung abgegeben werden kann. Ein
Dilemma für die Betroffenen als auch für die behandelnden Ärzte – aus dem es aber einen Ausweg geben könnte.
Tests direkt vor Ort
So genannte Multigen-Tests ermöglichen gewissermaßen die Erstellung eines molekularen
„Fingerabdrucks“ des Tumors, aus dem Rückschlüsse auf seine spezifischen biologischen
Eigenschaften gezogen werden können. Schon
seit einigen Jahren arbeitet die Forschung an
derartigen Tests, die allerdings teilweise nicht
weitergebracht haben und, vor allem für deut-
BRUST
sche Patientinnen von Interesse, von der Krankenkasse nicht bezahlt wurden, weil die Tumorgewebeproben in ausländische Labors geschickt
werden mussten. Mit der Entwicklung der „zweiten Generation“ des Multigen-Tests haben sich
die Voraussetzungen geändert. Ein Test unter
dem Namen EndoPredict® kann – als weltweit
erster dieser Art – direkt vom Pathologen vor
Ort durchgeführt werden. Er stellt damit eine
ärztliche Leistung dar und wird von den Kassen
erstattet.
Foto2: Sividon Diagnostics
Innerhalb von 24 bis maximal 48 Stunden liegt
das Testergebnis vor. „Wir können unseren Patientinnen sofort Rechenschaft darüber ablegen,
wie es um ihre Prognose bestellt ist und sie auch
Gerät zur Bestimmung der Genaktivität mittels
Polymerase-Kettenreaktion
gleich vor einer Entlassung aus dem Krankenhaus darüber aufklären, welche adjuvante Therapie notwendig ist“, stellte Prof. Marion Kiechle,
Frauenklinik der Technischen Universität München, bei einer Pressekonferenz in Berlin fest. Mit
dem Verfahren, das die Aktivität von insgesamt
zwölf für die Erkrankung relevanten Genen untersucht, ist eine eindeutige Einordnung von
Brustkrebspatientinnen in eine Niedrig- oder
Hochrisikogruppe möglich. Dabei geht es darum, Übertherapien zu vermeiden. Der Test kann
die Niedrigrisikogruppe derjenigen Patientinnen
herausfiltern, die unter alleiniger antihormoneller Behandlung und ohne Chemotherapie eine
mehr als 95-prozentige Wahrscheinlichkeit für
ein metastasenfreies Überleben von mindestens
zehn Jahren erwarten kann. „Er liefert somit für
uns Kliniker einen Zusatznutzen gegenüber der
etablierten Diagnostik“, erklärte Kiechle.
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In Abläufe eines Brustzentrums
integrierbar
In einer klinischen Überprüfung durch zwei
internationale Phase-III- Studien mit mehr als
1.700 Fällen konnte die Präzision des Tests belegt werden. Das Besondere an dem neuen
Prognosetest – und das unterscheidet ihn auch
von der „ersten Generation“ – ist nach den Worten von Priv.-Doz. Ralf Kronenwett, Leiter der
Forschung und Entwicklung der Sividon Diagnostics, dass er zum einen das „Genexpressionsmuster“ über die Marker-Gene im Tumor
selbst erfasst. Unter Genexpression versteht
man die Bildung eines von einem Gen – der Informationseinheit des Erbmaterials – kodierten
Genprodukts, vor allem von Proteinen (Eiweißen) oder RNA-Molekülen. Auf der anderen
Seite würden aber auch klassische Marker mit
hinzugenommen, die erst sekundär in der Biologie des Tumors zu suchen sind. „Er ist der erste
Multigen-Test seiner Art, der die neue Technologie mit klassischen Parametern kombiniert“,
so Kronenwett. Und: „Er ist zuverlässig dezentral
durchführbar und damit direkt in die Abläufe in
einem Brustzentrum wie etwa die Tumorkonferenz integrierbar“.
„Wir können unseren
Patientinnen sofort
Rechenschaft
darüber ablegen, wie es
um ihre Prognose bestellt
ist …“
Wie Prof. Manfred Dietel, Institut für Pathologie
der Charité Universitätsmedizin Berlin, erklärte,
ist der neue Test auch finanziell für die Krankenkassen von Bedeutung: „Diese Neueinführung
ist keine Belastung des Gesundheitssystems
insgesamt“. Auf der Homepage der Deutschen
Gesellschaft für Pathologie ist nachzulesen,
welches Institut in Deutschland den Test zertifiziert durchführt. Möglicherweise bieten auch
andere den Test an, aber: „Wenn ich Patient bzw.
Patientin oder Kliniker wäre, dann würde ich
schon darauf achten, dass man mit zertifizierten
Instituten zusammenarbeitet“. Das bedeutet unter anderem, dass eine Abteilung für molekulare
Pathologie vorhanden ist sowie qualifiziertes
Personal, das mit dem Tumormaterial sensibel
umgehen kann. In Deutschland stehen entsprechende Institute ausreichend zur Verfügung, so
dass der Test für jede in Frage kommende Brustkrebspatientin durchführbar ist.
Text: Arndt Krödel
K-Journal 2/12
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