biomed_Heft_0506 16.11.2006 11:25 Uhr Seite 27 wissenschaft & praxis Zukunftsvision – Therapie Abb. 3: Autonomes CFU-E (Colony forming unit erythroid) bis dato als wichtigstes Diagnosekriterium für das Vorliegen einer PCV galt. PatientInnen, die die JAK2-Mutation aufweisen, leiden mit Sicherheit an einer Form einer myeloproliferativen Erkrankung – obwohl die Unterscheidung, welche der drei Formen vorliegt, noch mit zusätzlichen Diagnoseparametern gestellt werden muss. Für die Wissenschaft stellt diese Mutation in Analogie zur bcr-abl-Translokation ein neues attraktives Forschungsgebiet dar. Bei der chronisch myeloischen Leukämie und der Philadelphiachromosom-positiven akuten lymphatischen Leukämie gilt die Therapie mittels Imatinib (Glivec ®) mit gezielter Blockade der bcr-abl-Translokation als Paradebeispiel für die Behandlung durch Inhibition eines Signaltransduktionsweges. Analog dazu könnte mit der Entwicklung und dem Einsatz von zielgerichteten Medikamenten PatientInnen mit myeloproliferativen Syndromen und JAK2-Mutation, die bisher wenig Therapieoptionen und leider oft unbefriedigend geringe Überlebenszeiten aufwiesen, zu einer klaren Verbesserung ihrer Prognose verholfen werden. Die hohe Anzahl von PatientInnen mit ET und IMF, die keine Mutation von JAK 2 aufweisen, legt die Existenz einer oder mehrerer zusätzlicher Mutationen nahe, die eine myeloproliferative Erkrankung verursachen können. Auch das Zusammentreffen der JAK2-Mutation mit einer noch unbekannten Aberration gilt als wahrscheinlich. Somit könnte die alleinige Blockade der JAK2-Mutation möglicherweise noch nicht zu einer erfolgreichen Behandlung führen. Weltweit wird intensiv nach solchen Veränderungen geforscht, wir dürfen also noch gespannt sein. n Für die Prognose Die JAK2-Mutation kann jedoch mit unterschiedlichen biologischen Verhalten assoziiert werden. So weiß man heute bereits, dass V617F-positive PatientInnen häufiger Thrombosen erleiden; auch sprechen JAK2-mutierte PatientInnen besser auf eine Therapie mit Hydroxyurea an als V617F-negative PatientInnen. Eva Jäger Biomedizinische Analytikerin AKH-Wien – KIMCL, Stammzelllabor sein Unvermögen eines „antigen shiftings“, wodurch die trypomastigoten Blutformen zerstört würden. Pathophysiologisch werden folglich durch die „endogene Reinfektion“ in Verbindung In Mittel- und Südamerika leben Millionen Menschen unter mit allergischen sowie AG-AKReaktionen ständig neue EntBedingungen, die eine Infektion mit Trypanosoma Cruzi zündungsherde in periodibegünstigen. schem Wechsel zwischen Blutund Gewebsbefall gesetzt. Der Die Vektoren dieser ausschließlich in Mittel- experimentell bewiesene Tropismus zu Zellen des RHS, der und Südamerika beheimateten Erkrankung Herzmuskulatur und den Gliazellen erklärt den klinischen sind Raubwanzen aus dem Genus Panstron- Befund. wissenschaft gylus, Triatoma und Rhodinus. Diese nachtak& praxis tiven Blutsauger, die tagsüber in Ritzen oder Klinik strohgedeckten Dächern fast unauffindbar Unterschlupf finden, orten ihre Opfer mittels Thermorezeptoren. Zur UnterAkute Chagas-Krankheit: In etwa 30 % findet sich an gruppe „Stercoraria“ gehörend, ist nach der Blutmahlzeit die der Inokulationsstelle eine entzündliche Infiltration der Haut, Defäkation obligat verbunden und damit die Kontamination begleitet von regionaler Lymphadenitis, dem „Chagom“. der Haut mit der Infektionsform der Parasiten, den Meta- War die Eintrittspforte die Augenbindehaut, bezeichnet man trypanosomen. Durch die juckende Läsion bedingt, wird der die entstehende unilaterale Konjunktivitis mit Lidödem als Wanzenkot vom Menschen unter Umständen in den Stich- „Romansches Zeichen“. Etwa zwei Wochen post infectiokanal eingerieben – damit beginnt die eigentliche Infektion. nem erfolgt der Übertritt der Trypanosomen in das Blut, be(Weitere Infektionswege bestehen durch Transfusionen mit in- gleitet von häufig intermittierendem Fieber, generalisierter fiziertem Blut und kongenital.) Charakteristisch für T.cruzi ist Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie und morbilifor- Morbus Chagas – die amerikanische Trypanosomiasis 27 biomed_Heft_0506 28 16.11.2006 11:25 Uhr Seite 28 wissenschaft & praxis mem Exanthem. Als Komplikation mit hoher Letalität gilt eine diffuse Myocarditis und Meningoencepahalitis. Neben oligosymptomatischen Verlaufsformen klingt die akute Phase innerhalb von sechs Monaten ab. Chronisch-asymptomatische Chagas-Krankheit: Leber, Milz und Lymphknoten sind nicht mehr tastbar, der/die PatientIn fühlt sich über viele Jahre subjektiv wohl. Aufgrund der myo-, neuro- und retikulotropen Eigenschaften sind aber Fibroblasten, Herz- und Skelettmuskelzellen, glatte Muskelfasern des Verdauungstraktes sowie intramurale Ganglien der muskulären Hohlorgane weiterhin befallen und Sitz der Vermehrung des Erregers. Neben der direkten Schädigung tragen auch Autoimmunphänomene zur fortschreitenden Zerstörung n Direkter Erregernachweis im Dicken Tropfen bei Giemsafärbung (ist nur in der akuten Phase möglich). n Serologische Tests als Suchverfahren während der chronischen Phase. n Die Xenodiagnose stellt die zuverlässigste Durchführung eines Infektionsnachweises dar, ist aber auf das Vorhandensein von parasitenfreien Raubwanzen angewiesen und daher meist auf die Verbreitungsländer beschränkt. Im vierten oder fünften Larvenstadium werden der Testperson die Wanzen zur Blutmahlzeit angesetzt, und nach 30, 60 und 90 Tagen wird der Wanzenkot auf das Vorkommen von epimastigoten Formen untersucht. n Nachweis der infektionstüchtigen, epimastigoten Tripanosomen durch Anreicherung in Kulturen (NNNMedium). n Durch Übertragen von Patientenblut auf Kleinnager und einem anschließenden Erregernachweis. Therapie myocardialer Anteile, einer autonomen Denervierung des Herzens, aber auch der muskulären Hohlorgane wie Oesophagus und Colon, bei. In etwa 60 % der Fälle führt das schließlich zum Chagas-Leiden: Die stattgefundene selektive „parasympatische Denervierung“ verursacht einerseits eine zunehmende Herzinsuffizienz bei Dilatation aller Herzabschnitte, extreme Bradykardie (bis zu 10 Schläge / Minute!) und niederen Blutdruck, andererseits leidet der/die PatientIn unter Schluckbeschwerden bei Reflux-Oesophagitis, einer hartnäckigen Obstipation, sowie starken Blähungen. Kachexie und plötzliches Herzversagen sind die Folge. Zurzeit sind ca. 16-18 Millionen Menschen infiziert. Die Diagnose erfolgt auf folgende Arten: Spendenaufruf derzeit unter www.aerzte-ohne-grenzen.at Weitere Quellen: www.who.int www.reisemed.at www.klinikum-bremen-mitte.de www.netdoktor.at www.medsana.ch Die Substanzen Nifurtimox und Benznidazol haben sich in der Chemotherapie des Morbus Chagas bewährt. Die Heilungsrate beträgt im akuten Stadium ungefähr 80 %, die der parasitologischen Heilung im chronischen Stadium ist geringer. Danach erst sind chirurgische und internistische Weiterbetreuungen sinnvoll. Das seit 2004 (außer bei der Malariaeindämmung) verbotene DDT wird durch teure Insektizide abgelöst, die unter Einhaltung spezieller Vorsichtsmaßnahmen versprüht werden. Sehr effektiv wäre der Umbau der Hütten in Ziegeloder Betonbauten mit festem Dach. Der/die TouristIn, der/die im Freien, in der einfachen Behausung oder baulich schlechten Hotels übernachtet, sollte ohne Ausnahme ein Moskitonetz um die Schlafstelle montieren! Damit ist er/sie nicht nur gegen Raubwanzen geschützt, sondern auch gegen Moskitos, Spinnen und Schlangen gefeit. n Dr. Peter Traxler Arzt für Allgemeinmedizin Betriebsarzt im Hanuschkrankenhaus [email protected] www.tropenmedizin.at