DEUTSCHES AR ZTE B LATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin MedizinischWissenschaftliche Fachredakteure Allgemeinmedizin: Sanitätsrat Dr. med. Josef Schmitz-Formes Augenheilkunde: Prof. Dr. med. Wolfgang Straub Biomedizinische Technik Prof. Dr. rer. nat. Adolf Habermehl Die Behandlung der Chagas-Infektion Dr. med. William Snellen Chirurgie: Prof. Dr. med. Edgar Ungeheuer Dermatologie: Prof. Dr. med. Hugo Constantin Friederich Aus der Medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung der Farbenfabriken Bayer AG Gynäkologie und Geburtshilfe: Prof. Dr. med. Peter Stoll Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde: Prof. Dr. med. Julius Berendes innere Medizin: Prof. Dr. med. Joachim Frey Prof. - Dr. med. Helmut Martin Die Behandlung der Chagas-Krankheit, sie kommt in Süd- und Mittelamerika vor, ist eine diagnostische und therapeutische Crux. Serologische Massenuntersuchungen sind kaum praktikabel, und ebenso ist die Xenodiagnose hierfür ungeeignet. Bis vor kurzem gab es kaum kein Präparat, das mit Aussicht auf Erfolg hätte angewandt werden können. Erstes echtes Chagas-Mittel ist neuerdings Nifurtimox. Kinder- und Jugendpsychiatrie: Prof. Dr. med. Hubert Harbauer Laboratoriumsdiagnostik: Prof. Dr. med. Manfred Kienholz Neurochirurgie: Prof. Dr. med. Hans Werner Pia Nuklearmedizin: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Emil Heinz Graul Orthopädie: Prof. Dr. med. Gerhard Exner Pädiatrie: Prof. Dr. med. Wilhelm Theopold Psychiatrie und Neurologie: Prof. Dr. med. Hans Jacob Radiologie: Prof. Dr. med. Friedhelm Hess Sozialmedizin: Prof. Dr. med. Josef Stockhausen Sportmedizin und Physiologie: Prof. Dr. med. Hans Rüdiger Vogel Urologie: Prof. Dr. med. Carl-Erich Alken Die Chagas-Krankheit oder die Infektion mit Trypanosoma cruzi hat ihren Namen nach dem brasilianischen Arzt Dr. Carlos Chagas. Dieser fand 1909 die Zusammenhänge zwischen dem Stich von blutsaugenden Raubwanzen und den bis dahin unerklärten Krankheitsbildern. Die Krankheit kommt nur in Süd- und Mittelamerika vor. Es gibt Gebiete, wo Vektor und Erreger nicht festgestellt wurden, und ebenso Bezirke, wo die Häufigkeit schwankt. Die Angaben über die Zahlen der befallenen Patienten sind recht unterschiedlich; sie schwanken zwischen zehn Millionen in Lateinamerika bis fast sieben Millionen allein in Argentinien, Brasilien und Venezuela. Bei gewissen Bevölkerungsgruppen von Brasilien wurde in 17 Prozent der Autopsien eine chronische Chagas-Kardiopathie festgestellt. Die Chagas-Infektion gilt heute mit als die schwerste und häufigste Seuche auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Die Übertragung der Infektion erfolgt durch Raubwanzen, Reduviiden der Ordnung Hemiptera. Der Mensch wird hauptsächlich von den Spezies Triatoma und Rhodnius gestochen. Die domizilierten Wanzen (Kissing bugs, Vinchucas, Chupoes) können überall leben; sie bevorzugen Risse in Mauerwerk, Holz sowie zur Dachkonstruktion verwendete Zweige, aber das Adaptionsvermögen ist so groß, daß die Insekten auch schon in manchen modernen Bauten heimisch geworden sind. Häufig werden schon Säuglinge und Kinder infiziert; eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch durch Bluttransfusionen ist möglich. Nach einer akuten Phase mit oft unspezifischen Symptomen, die drei bis fünf Monate dauert, folgt zunächst ein subchronisches Stadium, das viele Jahre anhält und meist symptomlos verläuft. Die Diagnose kann nur mit Hilfe parasitologischer und serologischer Untersuchungsmethoden gesichert DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 14. Juni 1973 1593 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Chagas-Infektion werden. Nach dieser „stummen Periode" beginnt die symptomreiche, spätchronische Phase. Wichtigstes Zeichen des chronischen Chagas-Leidens ist die Kardiopathie; nicht selten liegen aber auch Megaösophagus, Megakolon und sonstige Megaformen des Verdauungstrakts vor. Diese Megaformen kann man zwar chirurgisch korrigieren, den Verlust der motorischen Funktion von Ösophagus, Magen und Darm aber nicht beheben. Die Erweiterung des Herzens mit dem sehr dünnen Myokard führt häufig zum „Holzfällertod": Oft reicht eine geringe körperliche Anstrengung für den Riß des Herzmuskels aus. Z•of. . 8 de Novembro de 183.3 Südamerikanische Schlafkrankheit (Chagas-Krankheit) Schizotrypanum cruzi {Blutausstrich, Die Chance, die Krankheit durch Vernichtung der Raubwanzen mit Hilfe von Insektiziden zu bekämpfen, wird unterschiedlich beurteilt. In Städten und dichtbesiedelten Gebieten kann dieses Vorgehen erfolgreich sein, sofern auch die primitiven Wohnungen der ärmeren Bevölkerung erfaßt werden. Die Behandlung der Patienten ist eine diagnostische und therapeutische Crux. Die serologischen Methoden sind für Massenuntersuchungen in diesen Gegenden kaum praktikabel. Auch die Xenodiagnose — Nachweis der Trypanosomen in den Raubwanzen, die Blut des zu untersuchenden Patienten gesaugt haben — kommt nicht in Frage, weil diese Technik für Massenuntersuchungen nicht geeignet ist. Therapeutisch wurden Präparate verschiedenster chemischer Herkunft immer wieder angewendet, allerdings mit enttäuschenden Ergebnissen. Erstes echtes Chagas-Mittel ist neuerdings Nifurtimox (Lampit®). In der akuten Phase konnte mittels parasitologischer Kontrolle in über 80 Prozent der behandelten Patienten eine Heilung festgestellt werden; während des chronischen Stadiums lag die parasitologische Heilungsrate sogar über 90 Prozent. Um die Möglichkeit einer nur suppressiven Wirkung auszuschließen, Abbildung 1 (links oben): Professor Dr. Carlos Chagas, Direktor des Institutes Oswaldo Cruz, verstorben am 8. November 1934 — Abbildung 2 (links Mitte): Südamerikanischen Schlafkrankheit. Blutausstrich mit Schizotrypanum cruzi (aus: Mikroskopische Diagnostik für die tropenärztliche Praxis „Bayer" Leverkusen) — Abbildung 3 (links unten): Der gefürchtete Überträger, die Raubwanze, ist etwa so groß wie unsere Küchenschabe — Abbildung 4 (unten): Geschwollene Augenlider und das Anschwellen der Lymphdrüse vor dem Ohr deuten im Anfangsstadium auf die Krankheit hin 1594 Heft 24 vom 14. Juni 1973 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin KOMPENDIUM Chagas-lnfektion war es notwendig, die behandelten Patienten in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren, zum Teil vier Jahre lang. Es muß klar unterschieden werden zwischen der Infektion durch Trypanosoma cruzi und der manifest gewordenen Krankheit infolge der Parasiteneinwirkung in den bevorzugten Organen. Durch Abtöten der Parasiten können Spätläsionen vermieden werden. Somit ist es erforderlich, frühzeitig kausal zu behandeln; aber auch wenn die Beseitigung der Parasiten erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, kann ein Fortschreiten der Krankheit aufgehalten werden, die Läsionen indessen bleiben als Folgeerscheinungen der Infektionen bestehen. Die chirurgische Therapie der Schilddrüsenerkrankungen Dr. med. Hanns Gerhard Voigt, Dr. med . Malte Michael Under und Professor Dr. med. Edgar Ungeheuer*) Aus der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses Nordwest, Frankfurt am Main-Praunheim (Direktor: Professor Dr. med. Edgar Ungeheuer) Die Struma ist unter den endokrinen Erkrankungen diejenige, die am häufigsten einer operativen Therapie zugängl ich ist. ln unserer Kl inik liegen Strumaoperationen der Häufigkeit nach an dritter Stelle ; vor ihnen rangieren Eingriffe an den Gallenwegen und Appendektomien . ln den Jahren 1964 bis 1971 wurden von insgesamt 30 862 operativen Eingriffen 2410 Strumaoperation en vorgenommen (acht Prozent). An Hand dieses Krankengutes werden unsere Erfah rungen bei lndikationsstellung , Durchführung und postoperativer Behandlung in der Schilddrüsenchirurgie dargelegt. Die Therapie mit Lampit greift sowohl die Blut- als auch die Gewebsformen der Trypanosomen an . Elektronenmikroskopische Untersuchungen zeigen, daß die Mitochondrien angegriffen werden, die Ribosomenzahl reduziert wird und eine Vakuolisierung entsteht. Die Patienten können ambulant behandelt werden, im allgemeinen gibt es keine Unverträglichkeitserscheinungen. Allerdings ist di,e tägliche Tabletteneinnahme über drei bis vier Monate für Patienten ohne Krankheitsbewußtsein eine gewisse Belastung. Die Ergebnisse mit Lampit waren Ende 1972 das Thema eines internationalen Chagas-Symposiums in Buenos Aires. Eindeutig wurde festgestellt, daß die erst,e echte Behandlungsmöglichkeit der Chagaslnfektion realisiert worden ist. Eine erfolgreiche Therapie der Patienten ohne Beseitigung der Reinfektionsquellen stellt indessen noch keinen Si,eg über die Krankheit dar. Erst wenn es gelungen sein wird, die Raubwanze auszurotten, kann die Seuche zum Stillstand kommen. 5090 Leverkusen Bayerwerk Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie hat Erkrankungen der Schilddrüse nach klinischen Gesichtspunkten eingeteilt: 0 8 0 8 Hypothyreosen, Hyperthyreosen, blande Strumen, entzündliche Schilddrüsenerkrankungen, 0 Schilddrüsenmalignome. Die einzelnen Gruppen wurden zur statistischen Auswertung durchnumeriert. Für eine chirurgische Therapie kommen alle solche Schilddrüsenerkrankungen in Betracht, bei denen .,._ Verdacht auf maligne Entartung besteht, .,._ die umliegenden Organe mechanisch in ihrer Funktion gestört werden, .,._ eine mit konservativen Mitteln nicht zu behebende chemische Entgleisung der Drüse vorliegt, .,._ ein autonomes Adenom nachgewiesen wurde, .,._ eine Entzündung drüse vorhanden ist. der Schild- Die Indikation zur Operation wird an Hand der Anamnese und des klinischen Befundes gestellt. Zu den präoperativen Routineuntersuchungen gehören heute Radiojod-Zweiphasentest mit Szintigramm, Elektrokardiogramm und Röntgenaufnahmen der Trachea in zwei Ebenen, ebenso wie die Bestimmung des Serumkalziums vor und nach der Operation. Patienten mit Heiserkeit werden laryngolo[> gisch untersucht. *) Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer DEUTSCHES ARZTEBLATr Heft 24 vom 14. Juni 1973 1595