Deutsches Ärzteblatt 1973: A-1593

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DEUTSCHES
AR ZTE B LATT
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
MedizinischWissenschaftliche
Fachredakteure
Allgemeinmedizin:
Sanitätsrat Dr. med.
Josef Schmitz-Formes
Augenheilkunde:
Prof. Dr. med. Wolfgang Straub
Biomedizinische Technik
Prof. Dr. rer. nat.
Adolf Habermehl
Die Behandlung der
Chagas-Infektion
Dr. med. William Snellen
Chirurgie:
Prof. Dr. med. Edgar Ungeheuer
Dermatologie:
Prof. Dr. med.
Hugo Constantin Friederich
Aus der Medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung
der Farbenfabriken Bayer AG
Gynäkologie und Geburtshilfe:
Prof. Dr. med. Peter Stoll
Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde:
Prof. Dr. med. Julius Berendes
innere Medizin:
Prof. Dr. med. Joachim Frey
Prof. - Dr. med. Helmut Martin
Die Behandlung der Chagas-Krankheit, sie kommt in Süd- und
Mittelamerika vor, ist eine diagnostische und therapeutische Crux.
Serologische Massenuntersuchungen sind kaum praktikabel, und
ebenso ist die Xenodiagnose hierfür ungeeignet. Bis vor kurzem
gab es kaum kein Präparat, das mit Aussicht auf Erfolg hätte angewandt werden können. Erstes echtes Chagas-Mittel ist neuerdings
Nifurtimox.
Kinder- und Jugendpsychiatrie:
Prof. Dr. med. Hubert Harbauer
Laboratoriumsdiagnostik:
Prof. Dr. med. Manfred Kienholz
Neurochirurgie:
Prof. Dr. med. Hans Werner Pia
Nuklearmedizin:
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.
Emil Heinz Graul
Orthopädie:
Prof. Dr. med. Gerhard Exner
Pädiatrie:
Prof. Dr. med. Wilhelm Theopold
Psychiatrie und Neurologie:
Prof. Dr. med. Hans Jacob
Radiologie:
Prof. Dr. med. Friedhelm Hess
Sozialmedizin:
Prof. Dr. med. Josef Stockhausen
Sportmedizin und Physiologie:
Prof. Dr. med.
Hans Rüdiger Vogel
Urologie:
Prof. Dr. med. Carl-Erich Alken
Die Chagas-Krankheit oder die Infektion mit Trypanosoma cruzi hat
ihren Namen nach dem brasilianischen Arzt Dr. Carlos Chagas. Dieser fand 1909 die Zusammenhänge
zwischen dem Stich von blutsaugenden Raubwanzen und den bis
dahin unerklärten Krankheitsbildern. Die Krankheit kommt nur in
Süd- und Mittelamerika vor. Es gibt
Gebiete, wo Vektor und Erreger
nicht festgestellt wurden, und ebenso Bezirke, wo die Häufigkeit
schwankt.
Die Angaben über die Zahlen der
befallenen Patienten sind recht unterschiedlich; sie schwanken zwischen zehn Millionen in Lateinamerika bis fast sieben Millionen
allein in Argentinien, Brasilien und
Venezuela. Bei gewissen Bevölkerungsgruppen von Brasilien wurde
in 17 Prozent der Autopsien eine
chronische Chagas-Kardiopathie
festgestellt. Die Chagas-Infektion
gilt heute mit als die schwerste und
häufigste Seuche auf dem lateinamerikanischen Kontinent.
Die Übertragung der Infektion erfolgt durch Raubwanzen, Reduviiden der Ordnung Hemiptera. Der
Mensch wird hauptsächlich von
den Spezies Triatoma und Rhodnius gestochen. Die domizilierten
Wanzen (Kissing bugs, Vinchucas,
Chupoes) können überall leben; sie
bevorzugen Risse in Mauerwerk,
Holz sowie zur Dachkonstruktion
verwendete Zweige, aber das Adaptionsvermögen ist so groß, daß die
Insekten auch schon in manchen
modernen Bauten heimisch geworden sind. Häufig werden schon
Säuglinge und Kinder infiziert; eine
direkte Übertragung von Mensch
zu Mensch durch Bluttransfusionen
ist möglich.
Nach einer akuten Phase mit oft
unspezifischen Symptomen, die drei
bis fünf Monate dauert, folgt zunächst ein subchronisches Stadium, das viele Jahre anhält und
meist symptomlos verläuft. Die Diagnose kann nur mit Hilfe parasitologischer und serologischer Untersuchungsmethoden gesichert
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 14. Juni 1973 1593
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Chagas-Infektion
werden. Nach dieser „stummen
Periode" beginnt die symptomreiche, spätchronische Phase. Wichtigstes Zeichen des chronischen
Chagas-Leidens ist die Kardiopathie; nicht selten liegen aber auch
Megaösophagus, Megakolon und
sonstige Megaformen des Verdauungstrakts vor. Diese Megaformen
kann man zwar chirurgisch korrigieren, den Verlust der motorischen Funktion von Ösophagus,
Magen und Darm aber nicht beheben. Die Erweiterung des Herzens
mit dem sehr dünnen Myokard
führt häufig zum „Holzfällertod":
Oft reicht eine geringe körperliche
Anstrengung für den Riß des Herzmuskels aus.
Z•of.
.
8 de Novembro de 183.3
Südamerikanische Schlafkrankheit
(Chagas-Krankheit)
Schizotrypanum cruzi
{Blutausstrich,
Die Chance, die Krankheit durch
Vernichtung der Raubwanzen mit
Hilfe von Insektiziden zu bekämpfen, wird unterschiedlich beurteilt.
In Städten und dichtbesiedelten
Gebieten kann dieses Vorgehen
erfolgreich sein, sofern auch die
primitiven Wohnungen der ärmeren Bevölkerung erfaßt werden.
Die Behandlung der Patienten ist
eine diagnostische und therapeutische Crux. Die serologischen Methoden sind für Massenuntersuchungen in diesen Gegenden kaum
praktikabel. Auch die Xenodiagnose — Nachweis der Trypanosomen
in den Raubwanzen, die Blut des
zu untersuchenden Patienten gesaugt haben — kommt nicht in Frage, weil diese Technik für Massenuntersuchungen nicht geeignet ist.
Therapeutisch wurden Präparate
verschiedenster chemischer Herkunft immer wieder angewendet,
allerdings mit enttäuschenden Ergebnissen.
Erstes echtes Chagas-Mittel ist
neuerdings Nifurtimox (Lampit®). In
der akuten Phase konnte mittels
parasitologischer Kontrolle in über
80 Prozent der behandelten Patienten eine Heilung festgestellt werden; während des chronischen Stadiums lag die parasitologische Heilungsrate sogar über 90 Prozent.
Um die Möglichkeit einer nur suppressiven Wirkung auszuschließen,
Abbildung 1 (links oben): Professor Dr. Carlos Chagas, Direktor des Institutes
Oswaldo Cruz, verstorben am 8. November 1934 — Abbildung 2 (links Mitte): Südamerikanischen Schlafkrankheit. Blutausstrich mit Schizotrypanum cruzi (aus:
Mikroskopische Diagnostik für die tropenärztliche Praxis „Bayer" Leverkusen) —
Abbildung 3 (links unten): Der gefürchtete Überträger, die Raubwanze, ist etwa so
groß wie unsere Küchenschabe — Abbildung 4 (unten): Geschwollene Augenlider
und das Anschwellen der Lymphdrüse vor dem Ohr deuten im Anfangsstadium
auf die Krankheit hin
1594 Heft 24 vom 14. Juni 1973 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
KOMPENDIUM
Chagas-lnfektion
war es notwendig, die behandelten
Patienten in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren, zum Teil vier
Jahre lang.
Es muß klar unterschieden werden
zwischen der Infektion durch Trypanosoma cruzi und der manifest
gewordenen Krankheit infolge der
Parasiteneinwirkung in den bevorzugten Organen. Durch Abtöten der
Parasiten
können
Spätläsionen
vermieden werden. Somit ist es erforderlich, frühzeitig kausal zu behandeln; aber auch wenn die Beseitigung der Parasiten erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt,
kann ein Fortschreiten der Krankheit aufgehalten werden, die Läsionen indessen bleiben als Folgeerscheinungen der Infektionen bestehen.
Die chirurgische Therapie
der Schilddrüsenerkrankungen
Dr. med. Hanns Gerhard Voigt, Dr. med . Malte Michael Under
und Professor Dr. med. Edgar Ungeheuer*)
Aus der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses Nordwest,
Frankfurt am Main-Praunheim
(Direktor: Professor Dr. med. Edgar Ungeheuer)
Die Struma ist unter den endokrinen Erkrankungen diejenige, die
am häufigsten einer operativen Therapie zugängl ich ist. ln unserer
Kl inik liegen Strumaoperationen der Häufigkeit nach an dritter
Stelle ; vor ihnen rangieren Eingriffe an den Gallenwegen und Appendektomien . ln den Jahren 1964 bis 1971 wurden von insgesamt
30 862 operativen Eingriffen 2410 Strumaoperation en vorgenommen
(acht Prozent). An Hand dieses Krankengutes werden unsere Erfah rungen bei lndikationsstellung , Durchführung und postoperativer
Behandlung in der Schilddrüsenchirurgie dargelegt.
Die Therapie mit Lampit greift sowohl die Blut- als auch die Gewebsformen der Trypanosomen an .
Elektronenmikroskopische
Untersuchungen zeigen, daß die Mitochondrien angegriffen werden, die
Ribosomenzahl reduziert wird und
eine Vakuolisierung entsteht.
Die Patienten können ambulant behandelt werden, im allgemeinen
gibt es keine Unverträglichkeitserscheinungen. Allerdings ist di,e tägliche Tabletteneinnahme über drei
bis vier Monate für Patienten ohne
Krankheitsbewußtsein eine gewisse
Belastung.
Die Ergebnisse mit Lampit waren
Ende 1972 das Thema eines internationalen Chagas-Symposiums in
Buenos Aires. Eindeutig wurde
festgestellt, daß die erst,e echte Behandlungsmöglichkeit der Chagaslnfektion realisiert worden ist. Eine
erfolgreiche Therapie der Patienten ohne Beseitigung der Reinfektionsquellen stellt indessen noch
keinen Si,eg über die Krankheit
dar. Erst wenn es gelungen sein
wird, die Raubwanze auszurotten,
kann die Seuche zum Stillstand
kommen.
5090 Leverkusen
Bayerwerk
Die Deutsche Gesellschaft für
Endokrinologie hat Erkrankungen
der Schilddrüse nach klinischen
Gesichtspunkten eingeteilt:
0
8
0
8
Hypothyreosen,
Hyperthyreosen,
blande Strumen,
entzündliche
Schilddrüsenerkrankungen,
0 Schilddrüsenmalignome.
Die einzelnen Gruppen wurden zur
statistischen Auswertung durchnumeriert. Für eine chirurgische
Therapie kommen alle solche
Schilddrüsenerkrankungen in Betracht, bei denen
.,._ Verdacht auf maligne Entartung
besteht,
.,._ die umliegenden Organe mechanisch in ihrer Funktion gestört
werden,
.,._ eine mit konservativen Mitteln
nicht zu behebende chemische
Entgleisung der Drüse vorliegt,
.,._ ein autonomes Adenom nachgewiesen wurde,
.,._ eine Entzündung
drüse vorhanden ist.
der
Schild-
Die Indikation zur Operation wird
an Hand der Anamnese und des
klinischen Befundes gestellt. Zu
den präoperativen Routineuntersuchungen gehören heute Radiojod-Zweiphasentest
mit
Szintigramm, Elektrokardiogramm und
Röntgenaufnahmen der Trachea in
zwei Ebenen, ebenso wie die Bestimmung des Serumkalziums vor
und nach der Operation. Patienten
mit Heiserkeit werden laryngolo[>
gisch untersucht.
*)
Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats
der Bundesärztekammer
DEUTSCHES ARZTEBLATr Heft 24 vom 14. Juni 1973 1595
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