Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM • Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3 • D-53175 Bonn Postanschrift: Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3 D-53175 Bonn http://www.bfarm.de Telefon: (01888) - 307 - 0 (0228) 207 - 30 (01888) - 307 - 5207 Telefax: (0228) 207 - 5207 e-mail: [email protected] Pharmazeutische Unternehmer - siehe Verteiler - Ihre Zeichen und Nachricht vom Gesch.Z.: Bitte bei Antwort angeben Telefon: (01888) 307 - 5535 Bonn 23.05.2007 75.01-3822-V-9017-100751/07 Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel, Stufe II hier: retardierte Oxycodon-haltige Arzneimittel mit einem bestimmten Retardierungsmechanismus Arzneimittel siehe Anlage Bezug: Anhörungsschreiben der Stufe II vom 10.04.2007 Gemeinsame Stellungnahme der betroffenen Firmen unter Federführung der Firma Stada vom 21.03.2007 Stellungnahme der betroffenen Firmen vom 26.04.2007 Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit ergeht folgender Bescheid Für die betroffenen retardierten Oxycodon-haltigen Arzneimittel wird zum 1. Juli 2007 die folgende Ergänzung / Änderung der Gebrauchs- und Fachinformation angeordnet. Die Anordnung betrifft die Abschnitte 4.2 „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ und 4.4 „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ der Produktinformationen. Abschnitt „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ der Fach- und Gebrauchsinformation: „[…] soll nicht zusammen mit einem Alkohol-haltigen Getränk eingenommen werden.“ Abschnitt „Warnhinweise“ der Fachinformation: „Die gleichzeitige Einnahme von […] zusammen mit einem Alkohol-haltigen Getränk muss vermieden werden, da Alkohol die Freisetzung von Oxycodon beschleunigt. Dies kann zu erhöhten Oxycodon-Konzentrationen im Blut und häufiger zu Nebenwirkungen wie Somnolenz oder Atemdepression führen.“ -2- Abschnitt „Warnhinweise“ der Gebrauchsinformation: „Die gleichzeitige Einnahme von […] zusammen mit einem Alkohol-haltigen Getränk muss vermieden werden, da Alkohol die Freisetzung von Oxycodon beschleunigt. Dies kann zu erhöhten Oxycodon-Konzentrationen im Blut und häufiger zu Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit/Benommenheit oder Atemdämpfung führen.“ Begründung Die Anordnung beruht auf den Bestimmungen des § 28 Abs. 2 AMG in der Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 12.12.2005 (BGBl. I vom 15.12.2005 Seite 3394), zuletzt geändert durch Art. 30 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbs-stärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I vom 30.03.2007 Seite 378). Die dem BfArM vorliegenden Unterlagen und Erkenntnisse bezüglich der vom Stufenplanverfahren betroffenen retardierten Oxycodon-haltigen Arzneimittel für die zweimal tägliche Anwendung, insbesondere die uns übermittelten Untersuchungen der Firma Mundipharma Research GmbH & Co. KG zum Einfluss von Ethanol auf die Retardierung und die Stellungnahme der betroffenen Firmen und des BAH im Rahmen des Stufenplanverfahrens, veranlassen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Textänderungen anzuordnen. Die von den betroffenen Zulassungsinhabern vorgelegten Unterlagen bestätigen weitgehend die von der Firma Mundipharma erhobenen experimentellen Daten bezüglich des Einflusses von Ethanol unter in vitro-Bedingungen auf die Freisetzung des Wirkstoffs Oxycodon aus den betreffenden retardierten Präparaten. Diese Daten weisen aus, dass bei sachgerechter und bestimmungsgemäßer Anwendung keine medizinisch relevanten Bedenken bezüglich der sicheren Anwendung der betroffenen Arzneimittel bestehen. Werden die Retardformulierungen jedoch mit einer größeren Menge von hochprozentigem Ethanol (über 20%) eingenommen, besteht für kurze Zeit nach der Einnahme die Gefahr, dass der Retardierungseffekt teilweise aufgehoben wird und beim Patienten eine größere Wirkstoffmenge freigesetzt wird als vorgesehen. Aus den vorgelegten Daten lässt sich ableiten, dass bei einer Ethanolkonzentration im Magen von bis zu 20% keine klinisch relevanten, erhöhten Freisetzungsraten und damit Wirkstoffkonzentrationen zu erwarten sind, die die sichere Anwendung dieser Arzneimittel in Frage stellen. Höhere Ethanolkonzentrationen (über 20%) im Magen-Darm-Trakt sind unwahrscheinlich bzw. können im Magen lediglich bei der Einnahme größerer Mengen hochprozentiger Spirituosen und für einen begrenzten Zeitraum bestehen. Durch die Einnahme des Ethanols wird die Magensäureproduktion angeregt, so dass es zu Verdünnungseffekten kommt. Hinzu kommt, dass Ethanol sehr schnell aus dem Magen-Darmtrakt resorbiert wird. Bei den hier diskutierten retardierten Arzneimitteln handelt es sich um Pelletformulierungen. Nach der Einnahme einer Tablette zerfällt diese im Magen recht schnell, so dass nur noch kleinere Pellets vorhanden sind, die den Magen relativ schnell verlassen und erst im Dünndarm weiter aufgelöst werden. Im Dünndarm wird die Flüssigkeitsmenge schnell erhöht, so dass dort aufgrund der starken Verdünnung keine hohen Ethanolkonzentrationen vorhanden sein können. Somit ist die in vitro gezeigte beschleunigte Freisetzung des Gesamtwirkstoffs aus der Pelletformulierung in vivo nicht zu erwarten. Unter Berücksichtigung der speziellen Darreichungsform und Wirkstoffmenge in den betroffenen Arzneimitteln und der Übertragung der in vitro-Daten auf die in vivo-Situation sind die möglichen Auswirkungen auf den Patienten bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch jedoch als so relevant einzustufen, dass die Aufnahme zusätzlicher Informationen in der Fach- und Gebrauchsinformation erforderlich wird. Die Relevanz bezieht sich aber auf die besondere Situation, dass das Arzneimittel mit Hilfe eines hochprozentigen Ethanol-haltigen Getränks eingenommen, d.h. hinuntergeschluckt wird. -3- -3- Aufgrund der dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorliegenden Daten werden die geforderten Ergänzungen / Änderungen für nötig gehalten, um Schaden von den Patienten abzuwenden. Die betroffenen Firmen stimmen in ihrer Stellungnahme vom 26.04.2007 der Einfügung der Textergänzung für den Abschnitt 4.2 „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ zu. Für den Abschnitt 4.4 „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ halten wir die von den Firmen vorgeschlagene Änderung für nicht angemessen, da die Formulierung, dass nur „hohe Alhohol-Konzentrationen die Freisetzung von Oxycodon beschleunigen“, nicht genau genug ist und die zuvor gemachte Aussage, dass die gleichzeitige Einnahme von Alkohol-haltigen Getränken grundsätzlich vermieden werden muss, zu sehr einschränkt. Dies ist nicht im Sinne einer für den Patienten oder Arzt klaren Aussage. Allgemeine Hinweise Es wird darauf hingewiesen, dass die betroffenen Arzneimittel, sofern sie die o. g. Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen, ab dem genannten Termin nicht mehr verkehrsfähig sind und somit von keinem Verkehrskreis mehr, auch nicht von den Apothekern, in den Verkehr gebracht werden dürfen. In diesem Zusammenhang weist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darauf hin, daß die Inhaber von Arzneimittelzulassungen aufgrund der Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes verpflichtet sind, unabhängig von einschränkenden Entscheidungen der Bundesbehörde im Rahmen der Eigenverantwortung des pharmazeutischen Unternehmers ihre Produkte nach dem jeweils neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand herzustellen, eventuell notwendige Vorsichtsmaßnahmen zum frühest möglichen Zeitpunkt durchzuführen und jederzeit sicherzustellen, daß ihre Arzneimittel unbedenklich sind und mit einer dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechenden Information in den Verkehr gebracht werden. Die vorgegebene Frist markiert daher den Zeitpunkt, zu dem die angeordneten Maßnahmen spätestens umzusetzen sind. Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, KurtGeorg-Kiesinger-Allee 3, 53113 Bonn, schriftlich oder zur Niederschrift – unter Angabe des Aktenzeichens 75.01-3822-V-9017-100751/07– einzulegen. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Dr. A. Thiele