METALLE WERDEN NIEMALS KNAPP! Blick in die Zukunft am Beispiel Kupfer Cleantech City Bern, 19. März 2013 Prof. Dr. Rainer Bunge UMTEC / Fachgruppe Rohstoffe und Verfahrenstechnik Die konventionelle Argumentation Fakt 1: Die in den Kupferlagerstätten vorliegende Metallmenge ist begrenzt. Fakt 2: Durch die Zunahme der Weltbevölkerung und einen stark erhöhten Verbrauch pro Kopf wird sich der Kupferverbrauch in den nächsten Jahrzehnten dramatisch erhöhen! Folgerung: Die Kupferreserven uns in ca. 20-40 Jahren ausgehen. werden • Der Gesetzgeber muss einschreiten, denn wir müssen Metalle «sparen»… • Nur durch forciertes Recycling können wir die Welt noch retten! Klingt plausibel… aber stimmt das überhaupt? 2 Der Kupferzyklus Kupferbarren Natürliche Umgebung Abfalldeponierung, Verschleiss und Korrosion... Menschlicher Lebensraum Kupfer ist ein chemisches Element und damit unzerstörbar. Auf der Erde gibt es grundsätzlich beliebig viel Kupfer und es wird nicht weniger. Nicht so beim Öl… Aber: Durch den forcierten Abbau verschiebt sich das globale Kupferinventar von der natürlichen Umgebung (Erz) in Richtung urbaner Lebensraum (Produkte). 3 Ressourcen und Reserven Ressourcen Die Ressourcen sind Vorkommen, die geologisch nachgewiesen oder zumindest wahrscheinlich sind, alle Kupfervorkommen mit mehr als 0.05% Kupfergehalt in den oberen 5 Kilometer der Erdkruste. Reserven Die Reserven sind die Teilmenge der Ressourcen, welche mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten wenigstens kostendeckend gewinnbar ist. Der Umfang an Reserven wird also durch den Rohstoffpreis getrieben. Je knapper ein Rohstoff wird, umso höher wird sein Preis und umso mehr Ressourcen werden zu Reserven umgewandelt. 4 Ressourcen und Reserven: Beispiel "Benzin" Ressource Reserve zum Preis CHF1.70.-/l Benzin Tankstelle A Reserve zum Preis CHF1.80.-/l Benzin Tankstelle B Reserve zum Preis CHF1.90.-/l Benzin Tankstelle C Die "Ressource" ist die Benzinmenge in allen Schweizer Tankstellen. Die "Reserve" ist die Benzinmenge, für SFr. 1.70 verfügbar ist. Ist diese Reserve erschöpft, geht ist die "Reserve" alles Benzin, das für SFr. 1.80 verfügbar ist, usw… . Wichtig: mit ansteigendem Preis wird die Reserve grösser! Es gibt nur wenige Tankstellen mit Benzin für SFr. 1.70 aber sehr viele wo ich Benzin für SFr. 1.90 bekomme. 5 Kupfer in der Zukunft: Reichlich vorhanden, aber teuer! In Zukunft werden also: 1. bislang nicht abbauwürdige Kupfer-Armerze werden erschlossen und gering kupferhaltige Abfälle werden wirtschaftlich aufbereitbar («urban mining»). 2. die Marktpreise für Kupfer ansteigen, denn die Gewinnungskosten pro Tonne Kupfer steigen an. 3. die abbauwürdigen Reserven grösser (und nicht kleiner). Der Satz «Die Metalle gehen uns aus» müsste also korrekt formuliert heissen: «die Metalle werden in den nächsten Jahrzehnten so teuer, dass wir sie uns nicht mehr leisten können». Die gute Nachricht: durch die hohen Preise wird sich der Rohstoffverbrauch von selbst dämpfen. Stimmt das denn wenigstens??? 6 Die Rohstoffpreis-Sensitivität RPS Rohstoff-Preissensitivität: Anteil der Rohstoffkosten an den Produktkosten. Ansteigende Rohstoffpreise schlagen auf die Preise von: • High-Tech Produkten praktisch nicht durch (Smartphone: SFr. 1.50). • Low-Tech Produkten zwar spürbar durch, aber der Konsument kauft keine Low-Tech Produkte. Beispiel Regenrinne: wir kaufen keine Regenrinnen, sondern zahlen Miete. Auf den Mietpreis schlagen die Kosten für die Regenrinne praktisch nicht durch. Da der Preis der Endprodukte praktisch unabhängig vom Rohstoffpreis ist, wird der Konsum an Produkten durch die massiv ansteigenden Rohstoffpreise nicht gebremst! Also: Rohstoffversorgung kein Problem? 7 Umweltauswirkungen der Metallgewinnung Die Gewinnungskosten und auch die Umweltauswirkungen steigen umgekehrt proportional zur Wertstoffkonzentration im Erz an. Umweltbelastung in UBP/kg 1'000'000'000 Platin Gold 100'000'000 10'000'000 Silber Indium 1'000'000 100'000 10'000 1'000 Kies 100 Kupfer Aluminium Eisen Heizöl Nickel Zinn Phosphor 10 0.01 1 100 Marktpreis Rohstoffbörse in $/kg 8 10000 Umweltauswirkungen … 9 Globale Lagerentwicklung Die Modellierung des totalen globalen Lagerbestandes an Kupfer bis 2100 zeigt, dass die globale Kupfernachfrage stark ansteigen wird. Globales Kupferlager [Billionen Tonnen] 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 1900 Übrige Länder Afrika Indien China Brasilien Russland Japan EU 27 Nord Amerika 1950 2000 2050 2100 2150 Jahr Können wir die zu erwartende massive Umweltverschmutzung infolge des Erzabbaus durch forciertes Recycling vermeiden? 10 Lagerentwicklung: Primärabbau vs. Recycling 2.0 Globales Kupferlager [Billionen Tonnen] Primärmaterial 1.5 Recyceltes Material 1.0 0.5 0.0 1900 1950 2000 2050 2100 2150 Jahr Recycling kann nur zum ERHALT eines Metalllagers dienen, nicht aber zu dessen Aufbau. Das Recycling spielt erst mit Sättigung der Lager eine Rolle, also zurzeit in USA, Japan und einigen Ländern Europas. Da sich das Kupferlager, global betrachtet, in den nächsten Jahrzehnten noch im Aufbau befindet, wird der ganz überwiegende Anteil des Kupfers in dieser Phase durch die Primärproduktion bereitgestellt werden müssen. 11 Zusammenfassung Mit zunehmendem Kupfergebrauch müssen Armerzreserven abgebaut oder geringhaltige Abfälle aufbereitet werden. Hierdurch steigt der Kupferpreis. Wegen der geringen Rohstoff-Preissensititvität unserer Produkte wird Kupfer niemals so teuer werden, dass der Verbrauch deutlich gedämpft wird. Mit den gigantischen Mengen an Metallen, die wir in Zukunft benötigen, werden massive Umweltprobleme auf uns zukommen (z.B. dissipativer Schadstoffeintrag durch Metallgewinnung aus Erzen und Abfällen sowie durch die Gebrauchsphase). Der dreckigste Anbieter ist häufig der Billigste und gibt damit den Marktpreis vor (siehe Produktion von «Seltenen Erden» in China). Dies führt in einem freien Markt zu einer «Spirale nach unten». Um aus dieser Spirale auszubrechen, müssen Umweltstandards für Metalle in Form von Labels eingeführt werden (entsprechend Havelaar, Fairtrade…). Nur dort, wo die Metalllager gesättigt sind, spielt das Recycling eine wichtige Rolle. Schwellen- und Entwicklungsländer sind erst dabei, ihre Lager aufzubauen. Daher wird in den nächsten Jahrzehnten der Erzabbau das Recycling bei weitem überwiegen. 12 Fazit Das Kernproblem ist also nicht, dass wir zu wenig Rohstoffe haben, sondern dass wir die Umwelt mit deren Produktion massiv belasten. Die (realistische…) Lösung ist nicht «weniger produzieren» , sondern «sauberer produzieren»! Vorantreiben des Metallrecyclings Zertifizierung von Rohstoffen punkto umwelt- und sozialgerechte Produktion, da eben wegen der geringen Rohstoffpreissensititvität unserer Produkte der höhere Preis für "sauberes Kupfer" tragbar ist. Die hier vorgestellten Ergebnisse wurde im Rahmen eines vom Bundesamt für Umwelt BAFU unterstützen Projekts erarbeitet. 13