Fact Sheet Herzinsuffizienz Diese Zusammenstellung wurde im Rahmen des Teilprojektes 4 (Epidemiologie) des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz erarbeitet von: Prof. Dr. Hans-Werner Hense, Dr. Bruno Neuner MPH, Universität Münster; Dr. Cornelia Weikert MPH, Prof. Dr. Heiner Boeing, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Nuthetal; Dr. Jan Stritzke, Dr. Marcello Markus, Prof. Dr. Heribert Schunkert, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck; Dr. Stefan Störk PhD, Prof.in Dr. Christiane Angermann, Universitätsklinikum Würzburg. Anregungen, Ergänzungen und Kommentare richten Sie bitte an den Sprecher des TP 4: Prof . Dr. Hans-Werner Hense Bereich Klinische Epidemiologie Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin Universität Münster [email protected] Fact Sheet Herzinsuffizienz 1 Stand Juli 2008 INHALT VORWORT .............................................................................................................. 3 DEFINITIONEN ....................................................................................................... 4 HÄUFIGKEIT IN DER BEVÖLKERUNG (PRÄVALENZ) ............................................ 5 NEUERKRANKUNGSRATEN (INZIDENZ) ................................................................ 7 ÄTIOLOGIE ............................................................................................................. 8 HOSPITALISIERUNGSRATEN .................................................................................. 8 KOSTEN.................................................................................................................. 9 PROGNOSE ........................................................................................................... 10 MORTALITÄT ....................................................................................................... 11 LITERATUR ........................................................................................................... 11 Fact Sheet Herzinsuffizienz 2 Stand Juli 2008 VORWORT Zehntausende von Menschen in Deutschland leiden an einer Pumpschwäche ihres Herzens, der Herzinsuffizienz. Viele von Ihnen sind im täglichen Leben schwer beeinträchtigt. Die aktuell in der Bevölkerung bestehende Belastung durch die Herzinsuffizienz (Prävalenz, Inzidenz, Krankenhauseinweisungsraten, Letalität und Mortalität) und ihre wichtigsten Determinanten sind aber für Deutschland bisher nur unzureichend untersucht worden. Das Teilprojekt 4 des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz (Epidemiologie) basiert auf der engen Zusammenarbeit von drei großen bevölkerungsbezogenen Prospektivstudien in Deutschland, der KORA-Studie in der Region Augsburg, der SHIP-Studie in Vorpommern und der EPIC-Potsdam-Studie. In diese laufenden Studien wurden Projekte mit spezifischem Bezug zur Herzinsuffizienz eingebettet. Darüber hinaus besteht eine enge Kooperation mit dem Teilprojekt 15 (INH-Studie). Ziel des Teilprojektes 4 ist es, aktuelle und zuverlässige Daten über die Epidemiologie der unterschiedlichen Formen der Herzinsuffizienz auf der Bevölkerungsebene und im klinischen Bereich für Deutschland zusammenzutragen. Fact Sheet Herzinsuffizienz 3 Seit dem Jahr 2005 stellt das Teilprojekt 4 ein sogenanntes Fact Sheet Herzinsuffizienz für die interessierte Fach- und Laienöffentlichkeit zur Verfügung, in dem aktuellste Informationen zu den verschiedensten epidemiologischen Aspekten der Herzinsuffizienz zusammengetragen werden. Dabei wird versucht, die jeweils aktuellsten Daten aus der Arbeit des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz in die Darstellung mit einfließen zu lassen. Während die ersten Fact Sheets Herzinsuffizienz dadurch geprägt waren, dass für viele Angaben die Daten aus deutschen Untersuchungen fehlten, hat sich die Situation vor allem durch die Arbeiten in den Teilprojekten 4 und 15 deutlich verbessert: wir verfügen nun auch für Deutschland über eine interessante, valide und zeitnahe Information bezüglich der wichtigsten Charakteristika zur Epidemiologie der Herzinsuffizienz. Wir hoffen, dass die im Folgenden angebotenen Daten und Informationen zur Herzinsuffizienz für alle Interessierten von Nutzen sind. Wir sind selbstverständlich für Ihre Kritik, Kommentare und Anregungen jederzeit empfänglich und dankbar. Stand Juli 2008 DEFINITIONEN • Symptome und Klinische Zeichen der Herzinsuffizienz: • Echokardiographische Zeichen der Herzinsuffizienz: Herzinsuffizienz wird definiert als ein klinisches Syndrom, bei dem das Herz nicht mehr in der Lage ist, die Gewebe mit genügend Sauerstoff zu versorgen, um den Gewebestoffwechsel in Ruhe und unter Belastung sicherzustellen. Klinisch bestehen dabei typische Symptome wie Atemnot, Müdigkeit und Flüssigkeitsretention, die ursächlich auf eine kardiale Funktionsstörung zurück zu führen sind. Die Diagnose einer Herzinsuffizienz ist das Ergebnis von sorgfältiger Anamnese und körperlicher Untersuchung Die wichtigste diagnostische Untersuchung bei einer Herzinsuffizienz ist die zweidimensionale Echokardiographie mit DopplerFlussmessungen. Sie dient dem Ziel, Veränderungen an Herzmuskel, Klappen oder Perikard zu erkennen. Mit der Echokardiographie lassen sich systolische von diastolischen Funktionsstörungen des linken Ventrikels abgrenzen. Der funktionelle Schweregrad der Herzinsuffizienz wird nach der New York Heart Association (NYHA) in vier Grade eingeteilt: • Systolische Dysfunktion • NYHA-Stadium 1: Herzerkrankung ohne körperliche Leistungseinschränkung. Alltägliche körperliche Belastung verursacht keine inadäquate Erschöpfung, Rhythmusstörung, Luftnot oder Angina Pectoris. • NYHA-Stadium 2: Herzerkrankung mit geringer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Alltägliche körperliche Belastung verursacht inadäquate Erschöpfung, Rhythmusstörung, Luftnot, Angina. • NYHA-Stadium 3: Herzerkrankung mit höhergradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Geringe körperliche Belastung verursacht inadäquate Erschöpfung, Rhythmusstörung, Luftnot, Angina Pectoris. • NYHA-Stadium 4: Herzerkrankung mit Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe. Bettlägerigkeit. Fact Sheet Herzinsuffizienz 4 Ventrikuläre Funktionsstörungen können mit und ohne klinische Zeichen der Herzinsuffizienz auftreten. Sie gelten als Vorstufen der klinisch manifesten Erkrankung . Die primäre funktionelle Information aus dem Echokardiogramm besteht in der Ermittlung der Auswurffraktion (oder Ejektionsfraktion = EF) der linken Herzkammer. Im Allgemeinen wird eine EF über 55% als normal, zwischen 55 und 44% als leichte, von 45 bis 30% als mittelgradige und unter 30% als schwere systolische Dysfunktion eingestuft. • Diastolische Dysfunktion Die Doppler-Echokardiographie erlaubt darüber hinaus die Bestimmung von Schlagvolumen, Herz-Zeit-Volumen sowie insbesondere die Analyse des transmitralen Geschwindigkeitsprofils des Blutflusses währen der Diastole (E/A-Quotient, isovolumetrische Relaxationszeit). Hinzu kommen inzwischen auch neuere Untersuchungstechniken wie die Bestimmung des Pulmonalvenenflusses und der sogenannte Gewebedoppler (zur Bestimmung der Bewegung des Mitralklappenrings). Stand Juli 2008 HÄUFIGKEIT IN DER BEVÖLKERUNG (PRÄVALENZ) • • Linksventrikuläre Systolische Dysfunktion Symptomatische Herzinsuffizienz Zurzeit liegen aus Deutschland keine Daten zur Prävalenz (Häufigkeit) der symptomatischen, chronischen Herzinsuffizienz vor. Wir präsentieren deshalb in Abbildung 1 die Ergebnisse der niederländischen RotterdamStudie. In dieser Studie wurden Frauen und Männer aus einer repräsentativen Stichprobe der Allgemeinbevölkerung, die älter als 55 Jahre waren, zunächst klinisch untersucht. Zur Diagnose einer Herzinsuffizienz wurden dabei die Kriterien der US-amerikanischen Framingham-Studie herangezogen. 18 16 Abb. 2: Prävalenz der Linksventrikulären Systolischen Dysfunktion 15,7 12 10 Prävalenz (%) Prävalenz (%) 14 Abb. 1: Prävalenz der symptomatischen Herzinsuffizienz Rotterdam-Studie 1999 Im Rahmen des MONICA/KORA-Projektes wurde in der Studienregion Augsburg im Jahr 1994/95 eine große Bevölkerungsstichprobe von über 1000 Frauen und Männern echokardiographisch untersucht. Zum Vergleich wurden Resultate aus der amerikanischen Olmsted County Studie (s. Literatur: Redfield et al., 2003) herangezogen. Beide Studien sind einander in Abbildung 2 gegenübergestellt. Dabei sind die unterschiedlichen Grenzwerte für die Auswurffraktion bei einem direkten Vergleich der beiden Studien zu beachten. 8,0 8 6,8 5,5 6 3,7 4 2,8 2 0 55 -6 4 65 -7 4 75 -84 85 -94 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 MONICA Augsburg 1 6 ,3 4,7 1 ,5 1,4 1 ,7 2, 1 2,0 2, 2 1 ,9 1,7 0,8 0, 6 0 <40 40-59 Jahre Männer 7 ,9 Olmsted County 2 60+ 45-5 4 55 -64 65-7 4 7 5+ Jahre Frauen Männer 1 Frauen EF < 48%; 2 EF < 40% Die Abbildung verdeutlicht die starke Altersabhängigkeit der chronischen Herzinsuffizienz. Diese bevölkerungsbasierende Untersuchung zeigt außerdem deutlich, dass Patienten mit den klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz im höheren Alter häufiger dem weiblichen Geschlecht angehören Die Prävalenz einer eingeschränkten Auswurffraktion des linken Ventrikels nimmt nach diesen Befunden insbesondere bei Männern mit steigendem Alter zu. Bei Frauen sind diese altersspezifischen Veränderungen der systolischen Funktion dagegen schwächer ausgeprägt bzw. gar nicht vorhanden. In der Gruppe der über 85-Jährigen weist nach der Rotterdam- Studie jede sechste Frau und jeder zwölfte Mann eine Herzinsuffizienz auf. Die Pumpfunktion des linken Ventrikels ist demnach bei etwa jedem zehnten bis zwanzigsten Mann in den höheren Altersgruppen eingeschränkt. Fact Sheet Herzinsuffizienz 5 Stand Juli 2008 • Ventrikeldysfunktion und Herzinsuffizienz • Diastolische Dysfunktion Im Rahmen des oben bereits erwähnten MONICA/KORA-Projektes wurde echokardiographisch auch die diastolische Funktion nach den Kriterien der European Study Group on Diastolic Heart Failure untersucht. Zum Vergleich wurden erneut die Resultate aus der amerikanischen Olmsted County Studie herangezogen. Der Vergleich ist in Abbildung 3 dargestellt. Wenngleich die systolischen und diastolischen Störungen der Ventrikelfunktion einen Teil der pathophysiologischen Grundlage der Herzinsuffizienz darstellen, sind sie nur zu einem geringeren Prozentsatz mit einer typischen klinischen Symptomatik verbunden. Auch für diesen Zusammenhang bietet die amerikanische Olmsted County Studie eine gute Datenbasis. Abb. 3: Prävalenz der A bb . 4: S ympto matische Her zinsuffiz ienz b ei Diastolischen Dysfunktion sys tolischer bzw. di asto lis cher Dy s funk ti on Olmste d County Olmsted County 2 50 20, 9 16, 3 11, 7 9, 3 7, 3 7, 4 10 io n un ct dy sf Se v er e dy er at Frauen sf u un ct e Gesamt nc t io io n al D 75+ ild 65- 74 M Männer 55- 64 M 45- 54 ys f EF < 1 0 Gesamt % % 50 1, 8 n 0 5, 7 5 od 7, 1 or m 8, 6 20 40 10 30 < 15 13, 8 40 EF Prävalenz (%) 20 N MONICA/KORA Augsburg 1 Prävalenz (%) 25 ‚Diastolic abnormality’ basierend auf altersspezifischen E/A, IVRT und EF > 45%; 2 ‚Moderate and severe diastolic dysfunction’ basierend auf E/A mit und ohne Valsalva, Gewebedoppler und Pulmonalvenenfluss. 1 Beide Untersuchungen belegen, dass diastolische Funktionsstörungen deutlich häufiger auftreten als die systolische Dysfunktion. Die mit dem Alter steigende Häufigkeit einer diastolischen Dysfunktion ist darüber hinaus, anders als bei der systolischen Dysfunktion (siehe oben), bei beiden Geschlechtern vorhanden. Abbildung 4 belegt, dass vor allem die ausgeprägteren Stadien der systolischen wie auch der diastolischen Dysfunktion durchaus mit den klassischen Symptomen einer Herzinsuffizienz einhergehen. Andererseits sind mehr als die Hälfte dieser Patienten frei von Atemnot, Müdigkeit und / oder Flüssigkeitseinlagerung. In der Größenordnung ist eine diastolische Dysfunktion in der Allgemeinbevölkerung mehr als doppelt so häufig als eine systolische Funktionsstörung. In den höheren Altersgruppen weist etwa jeder fünfte Mann und jede sechste Frau Zeichen einer mittelgradigen bis schweren diastolischen Dysfunktion auf. Des Weiteren zeigte sich, dass auch die systolischen und diastolischen Funktionsstörungen weitgehend unabhängig voneinander auftreten. Von allen Patienten mit einer EF < 50% fand sich bei fast zwei Dritteln keine oder nur eine leichte Einschränkung der diastolischen Funktion. Fact Sheet Herzinsuffizienz 6 Stand Juli 2008 NEUERKRANKUNGSRATEN (INZIDENZ) In Deutschland wurden im Rahmen des Follow-Ups der prospektiven EPIC-Studie in der Region Potsdam alle in der Gruppe von Studienteilnehmern neu auftretenden Fälle mit den Symptomen einer Herzinsuffizienz über den Verlauf von 8.5 Jahren erfasst. Nur Selbstangaben, die sich im Rahmen einer standardisierten Nacherfassung medizinisch bestätigen ließen, wurden für die Berechnungen der Inzidenz herangezogen. Dabei handelte es sich um Fälle mit passenden pathologischen Befunden in Echokardiographie oder Koronarangiographie, mit Symptomen entweder mit Röntgenbefund oder pathologischem EKG. Abb. 5: Inzidenz der symptomatischen Herzinsuffizienz 8.5 Jahre Follow-Up der EPIC Pot sdam St udie 42, 2 Inzidenz pro 10.000 / Jahr 45 40 35 30 25, 6 25 20 Abb. 6: Relative Zunahme (in %) echokardiographischer Werte 10 Jahre Follow-Up, MONICA/KORA Studie Augsburg Δ WT (in %) Δ LA (in %) p=0.025 15% 15% p<0.001 p=0.012 10% 10% 5% 5% 0% 0% -5% p=0.001 -5% Normalgewicht Präadipositas Adipositas Normalgewicht Präadipositas Adipositas W T: Wanddick e linker Ventrikel, LA, Durchmesser linker Vorhof Stadien der Herzinsuffizienz Die chronische Herzinsuffizienz manifestiert sich in unterschiedlichen Graden der funktionellen Einschränkung (NYHA-Stadien, siehe oben). Im Interdisziplinären Netzwerk Herzinsuffizienz (INH) am Herz- und Kreislaufzentrum der Universität Würzburg wurden konsekutiv Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (symptomatisch oder EF <40%) aus der Region erfasst. 13, 1 15 10 5, 0 4, 6 2, 1 5 0 45- 54 55- 64 65+ A lter (in Jahren) Frauen Prozent M änner In der MONICA/KORA-Kohorte wurden 686 Probanden nach 10 Jahren echokardiographisch nachuntersucht. Das Auftreten erster Zeichen von frühzeitiger kardialer Funktionsstörung wurde dabei in Abhängigkeit vom Körpergewicht betrachtet. Es zeigte sich, dass die Zunahme der Ventrikeldicke und der Vorhofdurchmesser signifikant mit dem Körpergewicht assoziiert war (Abbildung 6). Fact Sheet Herzinsuffizienz 7 Abb. 7: Verteilung der NYHA-Stadien Prospektive Kohortenstudie Würzburg (n = 1054) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1 2 3 4 NYHA Männer Frauen Das Durchschnittsalter betrug knapp 73 Jahre. Etwa 50% der Männer, aber zwei Drittel der Frauen befanden sich in den NYHA-Stadien 3 oder 4. Stand Juli 2008 ÄTIOLOGIE HOSPITALISIERUNGSRATEN Die Bestimmung der Ursachen einer Herzinsuffizienz ist im Allgemeinen dadurch erschwert, dass Risikofaktoren eine lange Latenzund Induktionszeit besitzen, dass sie oft stark miteinander korrelieren und dass mehrere Risikofaktoren mit präklinischen und klinischen Veränderungen auf einem gemeinsamen ätiologischen Pfad liegen. Patienten mit schwereren Verlaufsformen bedürfen häufig der stationären Behandlung. Krankenhausentlassungsdiagnosen werden in vielen Ländern herangezogen, um die zeitliche Veränderung der Krankheitsbelastung (= case load) mit diesen regelmäßig verfügbaren Daten abzuschätzen (Abbildung 9; ICD-9: 428 und ICD-10: I50). Abb. 8: Ätiologie der Herzinsuffizienz Abb. 9: Jährliche Krankenhausfälle Hauptdiagnose Herzinsuffizienz (I 50) www.gbe-bund.de INH-Register Würzburg (N = 997) 60 350 000 40 300 000 30 250 000 20 200 000 0 150 000 K M e E te nd er A 50 000 yp er tr di ng ve 0 H pe nb e 100 000 K la p op he H E H M P er te ns i H yp ta tiv e K H D ila Is ch äm is ch e P 10 E An teil (%) 50 200 0 Männer Während in den klinischen Studien vor allem die ischämische Herzkrankheit im Vordergrund steht, berichten bevölkerungsbasierende Prospektivstudien, wie z.B. die FraminghamStudie, dagegen von attributablen Fraktionen von mehr als 50% für die Hypertonie und von nur etwa 30% für die koronare Herzkrankheit. Der lange Follow-Up-Zeitraum epidemiologischer Studien trägt dabei zu einer unterschiedlichen Gewichtung bei. Fact Sheet Herzinsuffizienz 200 1 2002 2003 2004 2005 2 006 Frauen 8 Zurzeit stehen dazu in Deutschland vor allem eine Datenquellen zur Verfügung: die Berichterstattung des Statistischen Bundesamtes (www.gbe-bund.de; Abbildung 9 und 10). Die Qualität dieser Dokumentationen ist allerdings nicht zu hoch, da die Berichte auf Fallbasis und nicht auf Personenbasis erstellt werden, so dass Mehrfach-Einweisungen desselben Patienten im Berichtszeitraum auch mehrfach gezählt werden. Stand Juli 2008 Andererseits lassen sich zeitliche Trends der stationären Versorgung der Herzinsuffizienz anhand dieser Datenbestände gut abbilden, wenn man davon ausgeht, dass sich die Systematik der Erhebung nicht verändert hat. Abb. 10: Krankenhausfälle, pro 100.000 Einwohner ( www.gbe-bund.de) 350 300 250 200 150 KOSTEN Die Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes bietet die Möglichkeit, die Kosten im Gesundheitswesen nach Krankheiten darzustellen und diese nach Alter und Geschlecht ui differenzieren. Im Jahre 2004 entstanden dem deutschen Gesundheitswesen durch die Behandlung von Krankheiten Kosten in Höhe von 224,9 Mrd. Euro. An erster Stelle standen dabei die Krankheiten des Kreislaufsystems mit insgesamt 35,27 Mrd. Euro. Krankheitskosten für spezifische Herz-Kreislaufkrankheiten, nach Geschlecht, BRD Statistisches Bundesamt, 2007 100 50 0 2000 2001 2002 2003 Männer 2004 2005 2006 Krankheitsart Frauen (ICD) Die Zahl der hospitalisierten Fälle mit einer Herzinsuffizienz hat sich nach Jahren des steten Anstieges aktuell stabilisiert. Frauen dominieren die Zahl der Krankenhausfälle deutlich. Die Liegedauern haben sich zwar verkürzt, sind aber immer noch relativ lang. Durchschnittliche stationäre Aufenthaltsdauer in Tagen im Jahr 2005, BRD. Nationale Daten AOK. Krankheitsart (ICD) Ischämische Herzkrankheiten (I20-25) Herzinsuffizienz (I50) Zerebrovaskuläre Krankheiten (I60 – I69) Männer Frauen (Tage je Fall) (Tage je Fall) 7.29 7.84 12.56 12.70 12.9 12.9 Fact Sheet Herzinsuffizienz 9 Ischämische Herzkrankheiten (I20-25) Herzinsuffizienz (I50) Zerebrovaskuläre Krankheiten (I60 – I69) Männer Frauen (Mill. Euro) (Mill. Euro) 3803 2387 969 1579 3175 6320 Im Zusammenhang der Gesamtausgaben für die Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen die Kosten für die Herzinsuffizienz eine eher nachgeordnete Rolle. Weit über 80% dieser Kosten fallen dabei erst jenseits des 65. Lebensjahres an. Hier spielt bei der Betrachtung aber natürlich auch die Prognose eine wichtige Rolle, da die Kosten auch in Beziehung zur durchschnittlichen Dauer der Erkrankung bzw. zur Lebenserwartung der betroffenen Altersgruppen gesetzt werden müssen. Stand Juli 2008 PROGNOSE DIE WÜRZBURGER INH- STUDIE Die Herzinsuffizienz ist mit einer ungünstigen Prognose verbunden. Die krankheitsbezogene Sterblichkeit (= Letalität) ist hoch und auch in bevölkerungsbezogenen Studien bei Männern und Frauen in ähnlichen Größenordnungen. Unter den Patienten beider Geschlechter, deren mittleres Lebensalter bei 73 Jahren lag, fanden sich im Würzburger INH-Register folgende kurz- und langfristigen Letalitäten (Abbildung 11): Das Interdisziplinäre Netzwerk Herzinsuffizienz (INH) wurde 2001 als Forschungs- und Versorgungsnetz am Würzburger HerzKreislaufzentrum zum Zwecke der Versorgungsforschung und Verbesserung der Versorgungslage bei Herzinsuffizienz gegründet. In diesem Rahmen wurden ein Versorgungskonzept für herzinsuffiziente Patienten erarbeitet und die Effektivität und Effizienz in der prospektiven, randomisierten und kontrollierten INH-Studie an 715 Patienten geprüft: Abb. 11: Letalität bei Herzinsuffizienz Prospektive Kohortenstudie Würzburg (n = 1054) 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% nach 30 Tagen nach 180 Tagen nach 360 Tagen nach 540 Tagen Abb. 12: Kumulatives Überleben in Abhängigkeit von der Art der Versorgung in der INH-Studie: Krankheitsmanagement mit HeartNetCare HF Würzburg© (HNC) vs. Usual Care (UC). In der gleichen Studie wurde der Grad der leitliniengerechten Therapie (GLT; Range 0100%) berechnet. Dabei wurden etablierte Kontraindikationen und die drei Substanzklassen Betablocker, ACE-Hemmer/AT1-Blocker und Aldosteron-Antagonist berücksichtigt. Der mittlere GLT von Patienten mit eingeschränkter Pumpfunktion lag bei 67%, bei aus dem Krankenhaus zugewiesene Patienten noch etwas besser (73%). Ein besserer GLT (verglichen wurden die Gruppen niedrig versus hoch) war auch nach multivariater Adjustierung signifikant mit einer um 38% besseren Überleben verbunden (p = 0.008). Fact Sheet Herzinsuffizienz 10 .In der INH-Studie wurden in zwei Studienarmen die bisher übliche Versorgung (Usual Care) und die Versorgung durch multidiziplinäres Krankheitsmanagement (HeartNetCare HF Würzburg©) verglichen. Effektivitätsparameterwaren u. a.: Tod jeder Ursache, Zeit bis zum ersten Ereignis (Tod, Hospitalisierung), Anzahl außerhalb des Krankenhauses erlebter Tage, Schweregrad der Herzinsuffizienz und Lebensqualität. Innerhalb der Nachbeobachtung von 6 Monaten starben im ‚Usual Care’-Arm 51 Patienten (14 %) verglichen mit 28 (8 %) im mit Heart- NetCare HF Würzburg© betreuten Arm. (p=0.018, Risikoreduktion 43%, Abb. 12). Stand Juli 2008 MORTALITÄT LITERATURAUSWAHL Die Daten zur Sterblichkeit an Herzinsuffizienz in Deutschland werden jährlich vom Statistischen Bundesamt auf der Basis der ICDKodierung der Leichenschauscheine berechnet. Die Zahl der pro Jahr an einer Herzinsuffizienz versterbenden Personen ist bei Frauen wesentlich höher als bei Männern (Abbildung 12). Angermann CE. INH-Studie: mehr Lebensqualität und bessere Überlebenschancen. MedReview; 2008: 2-3. Abb. 13: Sterbefälle Deutschland 2000-2006, ICD10: I50 Baessler A, Fischer M, Schunkert H. [Chronic heart failure--often an avoidable fate] Deutsche Medizinische Wochenschrift 2003; 128: 1489-1493. Fischer M, Baessler A, Hense HW, Hengstenberg C, Muscholl M, Holmer S, Döring A, Bröckel U, Riegger G, Schunkert H. Prevalence of left ventricular diastolic dysfunction in the community. Results from a Doppler echocardiographic-based survey of a population sample. European Heart Journal 2003;24: 320-328. Fischer M, Baessler A, Holmer SR, Muscholl M, Bröckel U, Luchner A, Hense HW, Döring A, Riegger G, Schunkert H. [Epidemiology of left ventricular systolic dysfunction in the general population of Germany: results of an echocardiographic study of a large population-based sample. Zeitschrift für Kardiologie 2003; 92: 294-302. 45000 40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 Germing A, Mügge A. Diastolische Herzinsuffizienz Was ein "Nicht-Kardiologe" darüber wissen sollte. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006; 131, 2672-2674. 2000 2001 2002 2003 Männer 2004 2005 2006 Frauen Ein genaueres Bild, das die hier besonders wichtige Altersentwicklung der Bevölkerung mitberücksichtigt, zeichnen die altersstandardisierten Sterberaten (= Mortalitätsraten). Abb. 14: Altersstandardisierte Mortalität Deutschland 2000-2005 Herzinsuffizienz (ICD-10: I50) 70 60 40 30 20 10 0 2002 2003 Männer 2004 2005 Redfield MM, Jacobsen SJ, Burnett JC, Jr. et al. Burden of systolic and diastolic ventricular dysfunction in the community: appreciating the scope of the heart failure epidemic. JAMA 2003; 289: 194-202. Störk S, Hense HW, Zentgraf C, Uebelacker I, Jahns R, Ertl G, Angermann CE. Pharmacotherapy according to treatment guidelines is associated with lower mortality in a community-based sample of patients with chronic heart failure. A prospective cohort study. Eur J Heart Fail 2008 (in press). 50 2001 Mosterd A, Cost B, Hoes AW et al. The prognosis of heart failure in the general population: The Rotterdam Study. European Heart Journal 2001; 22: 1318-1327. Störk S, Frantz S, Bauersachs J, Ertl G, Angermann CE. Primärdiagnostik der Herzinsuffizienz in Klinik und Praxis. Deutsche Medizinische Wochenschrift; 2008; 636-641. 80 2000 Mosterd A, Hoes AW, de Bruyne MC et al. Prevalence of heart failure and left ventricular dysfunction in the general population; The Rotterdam Study European Heart Journal 1999; 20: 447-455. 2006 Frauen Es wird deutlich, dass die Sterblichkeit an Herzinsuffizienz in der Bevölkerung seit dem Jahr 2003 deutlich sank. Fact Sheet Herzinsuffizienz 11 Stand Juli 2008