Eine Informationsbroschüre der Katholischen Aktion Österreich al-islām, „der Islam“ Zwischen Christentum und Islam gibt es eine 14 Jahrhunderte lange gemeinsame Geschichte. Zusammen mit dem Judentum berufen sich beide auf den Stammvater Abraham und glauben an den einen Gott. Es gibt sowohl positive als auch negative Berührungspunkte, Ähnlichkeiten aber auch starke Unterschiede. So ist das christliche Abendland von der islamischen Kultur beeinflusst und befruchtet. Es gab aber auch immer wieder blutige kämpferische Auseinandersetzungen: z.B. einerseits die Kreuzzüge, andererseits die Türkenkriege – eine lange Geschichte, die noch aufzuarbeiten ist. Viele Christen und Christinnen stehen dem Islam sehr kritisch gegenüber. Negative Schlagzeilen bewirken, dass der Islam oft als kämpferische Religion missverstanden wird. Diese Sichtweise verrät mangelndes Wissen und unreflektierte Vorurteile. Diese Folder sollen durch Informationen helfen, Vorurteile aufzulösen, Ängste abzubauen und durch mehr Wissen ein besseres Verständnis zu bewirken. Uns geht es dabei um die Religion des Islam und darum, aus unserer christlichen Überzeugung heraus Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede zu erkennen und aufzuzeigen und achtungsvoll mit der religiösen Überzeugung anderer umzugehen. „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat.“ II. Vatikanisches Konzil, Nostra Aetate 3 In dieser Serie sind 16 Folder zu folgenden Themen erschienen: Was Christinnen und Christen über den Islam wissen sollten 1. Islam: Daten und Fakten 2. Entstehung des Islam – Mohammed 3. Quellen: Koran – Sunna/Hadith 4. Die Moschee 5. Die 5 Säulen 6. Das Gebet 7. Religiöse Feste 8. Tod und Auferstehung Kontakte und Informationen: Herausgeber: Katholische Aktion Österreich, 1010 Wien, Spiegelgasse 3/2/6 +43 1 515 52-3660, www.kaoe.at Redaktionsteam: Herta Wagentristl, Luitgard Derschmidt, Elisabeth Dörler (†), Walter Greinert, Christoph Konrath, Martin Rupprecht Unter Mitarbeit muslimischer Autorinnen & Autoren Druck: Druckerei Schmitz, 1200 Wien Coverbild © 123RF Stock Photo/Woottigon Layout u. grafische Gestaltung: Vera Rieder 2. Auflage, April 2015 9. Mann & Frau/Ehe & Familie 10. Vorschriften im Alltag 11. Islam in Österreich 12. Göttliches & menschliches Recht 13. Gottesverständnis 14. Mystik im Islam 15. Religion und Gewalt 16. Begriffsklärung Die gesamte Reihe steht unter www.kaoe.at zum Download bereit und kann auch gesammelt in gedruckter Form erworben werden. Religion und Gewalt „Ich kenne die Karikaturen des Islam, die ein gewisser islamischer Fundamentalismus hervorgerufen hat. Man macht es sich viel zu leicht, wenn man den religiösen Weg des Islam mit dem Fundamentalismus der Extremisten gleichsetzt.“ Aus dem Testament des Christian de Cherge, Prior der Mönche von Tibhirine, Algerien Religion und Gewalt Monotheismus und Gewalt Religion und Gewalt Im Namen von Religionen wurden und werden immer wieder Kriege geführt. Dabei geht es meist um Macht, Herrschaft und Besitz. Dies wurde und wird durch das Berufen auf die Religion verschleiert. Um die nicht offengelegten Ziele zu erreichen, wurden und werden überzeugte, gläubige Menschen fanatisiert und benutzt. Gewalt ist eine Grunderfahrung des Menschen. Die Abgrenzung gegenüber anderen vermittelt ihm ein Gefühl von Sicherheit. Angst vor dem Anderen und die Abwehr von Verletzung durch ihn sind Quellen von Gewalt. Wenn der Mensch sich bedroht fühlt, entfalten sich seine Aggressionen; wenn diese Ängste geschürt werden, wächst Fundamentalismus. Dieser wird auch von westlicher Politik und Wirtschaft produziert. Religionen, wie auch Politik und Wirtschaft, haben viel Positives zur Entwicklung der Kulturen beigetragen. Trotzdem gab und gibt es in allen drei Bereichen auch – direkte und indirekte – Gewalt. Eine enge Verbindung von politischer Herrschaft und Religion führte und führt besonders heute wieder zu menschenverachtenden Übergriffen. Obwohl es auch in polytheistischen Religionen Gewalt und Kriege gibt, werden die monotheistischen Religionen (sie gehen auf Abraham zurück und vertreten den Glauben an einen Gott) vor allem wegen ihres Wahrheitsanspruchs für gewalttätiger/autoritärer gehalten. In ihren Grundaussagen verweisen die abrahamitischen Religionen auf den Plan Gottes von einer friedlichen Welt: Die Menschen werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden, heißt es beispielsweise im Alten Testament beim Propheten Jesaja. Auch in diesen Religionen führt der Eifer für „die“ Wahrheit oft zu Intoleranz, die den Nährboden für Gewalt aufbereitet. Islam und Gewalt Wenn Medien über den Islam berichten, entsteht vielfach der Eindruck, dass Islam und Gewalt eng miteinander verbunden sind und dass „der Islam“, vereint auf der ganzen Welt, gegen alle anderen kämpft. Tatsächlich sind aber die meisten Menschen, die zu Opfern von Terror und Krieg „im Namen des Islam“ werden, Muslime. „Den“ Islam gibt es genauso wenig wie „das“ Christen- oder Judentum. Muslimische Religionsführer auf der ganzen Welt verurteilen Gewalt und Zwang im Namen des Islam und begründen dies theologisch sehr genau, z. B. in einem Brief von 38 muslimischen Religionsführern an Papst Benedikt XVI 2006: Der Glaube werde politisch instrumentalisiert. Ein Grund dafür liegt darin, dass heilige Schriften eben nicht nur Frieden fördernde Stellen beinhalten. Dschihadisten könnten sich z.B. auf Verse aus der 4. Sure im Koran berufen: „Wer auf dem Weg Gottes kämpft und wird getötet – oder siegt – dem werden wir gewaltigen Lohn geben“. Andererseits wird gesagt, es sei immer besser Gewalttätigkeit hinzunehmen, als selber gewalttätig zu werden. Der Koran nennt Gewalt als letztes Mittel im Zusammenhang mit dem Recht zur Selbstverteidigung. Aus Sicht vieler gläubiger Muslime und islamischer Gelehrter ist der Islamismus keinesfalls mit dem Koran zu rechtfertigen. Sie richten verstärkt den Fokus auf jene Stellen, die ein friedliches Miteinander einfordern. Der Koran ermahnt die Muslime: „Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift … Wir glauben an das, was zu uns herab gesandt wurde und was zu euch herab gesandt wurde. Unser Gott und euer Gott ist ein und derselbe. Und Ihm sind wir ergeben.“ (Sure 29, Vers 46) Salam bedeutet mehr als Friede Der Friede, auf Arabisch „Salām“, gehört untrennbar zum Islam: Beide haben dieselbe sprachliche Wurzel. Salam bedeutet Ergebenheit aber auch Sicherheit, Freiheit und Frieden. Somit kann das Ziel dieser Religion mit aktiver Ergebung und Hingabe gegenüber Gott verstanden werden, um Frieden zu finden und Frieden zu machen. Der Muslim ist demnach derjenige, der sich aktiv Gott ergibt, sich Ihm hingibt, um Frieden zu finden und Frieden zu machen. Religionen und Gewalt stehen durchaus in Beziehung, sodass Gewalt ein Problem ist, das alle Glaubenden betrifft und nur gemeinsam gelöst werden kann. Von den eigenen Gewalttaten mit den Gewalttaten der jeweils anderen Religion abzulenken oder gar zu versuchen, sie damit zu rechtfertigen, ist nicht zielführend. Es geht vielmehr darum, die verbindende Friedensverheißung der Religionen wahrzunehmen, selbst Frieden zu machen und die anderen in ihrem Bemühen um Frieden und Gewaltlosigkeit zu unterstützen.