Arbeitsbericht Nr. 13 Dortmund, Februar 2005 Vanessa Hessenkamp/Claus Wilke Die Konzeptualisierung des Konsumentenvertrauens in eine Branche – Eine qualitative Untersuchung in der Versicherungswirtschaft Dipl.-Kff. Vanessa Hessenkamp Universität Dortmund Lehrstuhl für Marketing D-44221 Dortmund Dipl.-Kfm. Claus Wilke Universität Dortmund Lehrstuhl für Marketing D-44221 Dortmund Tel.: +49 (0)231 755 5213 Fax: +49 (0)231 755 3271 [email protected] Tel.: +49 (0)231 755 3278 Fax: +49 (0)231 755 3271 [email protected] 1 Die Konzeptualisierung des Konsumentenvertrauens in eine Branche – Eine qualitative Untersuchung in der Versicherungswirtschaft 1 Einleitung...................................................................................................................3 2 Das Vertrauen in eine Branche ..................................................................................6 3 Qualitative Studie ......................................................................................................9 3.1. Erhebungsdesign ..........................................................................................9 3.2. Ergebnisse ..................................................................................................11 3.2.1. Branchenvertrauen als eigenständiges Konstrukt ......................................11 3.2.2. Vertrauensdimensionen auf Branchenebene ..............................................13 3.2.3. Unternehmen und Vertreter/Makler als separate Vertrauensobjekte des Branchenvertrauens ....................................................................................19 3.2.4. Dimensionen des Vertretervertrauens auf Branchenebene und relationaler Ebene ..........................................................................................................21 3.2.5. Sachversicherungen vs. Kapitalversicherungen.........................................22 3.2.6. Aggregiertes Modell der verschiedenen Vertrauensebenen.......................23 4 Fazit und Implikationen...........................................................................................24 5 Ausblick ...................................................................................................................26 2 1 Einleitung Das Konsumentenvertrauen ist durch den Wandel im Marketing von rein transaktionsbezogenen zu beziehungs- und austauschbezogenen Prozessen seit den 80er Jahren immer mehr in den Mittelpunkt der Marketingwissenschaft gerückt (Dwyer et al. 1987). Die Bedeutung eines einzelnen Geschäftsabschlusses ist dem Ziel gewichen, langfristig kundenorientiert zu handeln und dauerhafte Beziehungen zu seinem Kunden einzugehen. Das Vertrauen spielt dabei für eine Reihe von Autoren eine entscheidende Rolle, um Geschäftsbeziehungen aufzubauen und wird als wichtiger positiver Einflussfaktor für die Kundenbindung hervorgehoben (siehe u.a.: Morgan und Hunt 1994; Garbarino und Johnson 1999; Kennedy et al. 2001; Sirdeshmukh et al. 2002; Nijssen et al. 2003; Román 2003). Trotz der sehr ausführlichen Bearbeitung der Vertrauensthematik in Kunden-AnbieterBeziehungen hat die Marketingwissenschaft bisher einen Aspekt vernachlässigt, der einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Beziehung zwischen Konsument und Unternehmen haben könnte: Das Vertrauen des Konsumenten in die Branche, dem das Unternehmen angehört. Eine Reihe aktueller praxisbezogener Untersuchungen zeigt, dass bestimmte Wirtschaftsbereiche einem nur geringen Vertrauensniveau seitens der Konsumenten ausgesetzt sind. Nach einer Studie von Golin/Harris International (Jernstedt 2003) trifft dies auf 19 von 24 untersuchten Branchen zu. Als die am wenigsten vertrauenswürdigen Sektoren der Wirtschaft werden die Immobilien- und die Automobilbranche bezeichnet (Reader's Digest 2003). Tabelle 1 zeigt eine Auswahl von Studien, die branchenbezogene Vertrauensbeurteilungen von Konsumenten erheben. Tabelle 1 verdeutlicht, dass dem Branchenvertrauen in der Praxis durchaus eine hohe Bedeutung zugesprochen wird. Eine relativ große Zahl an Marktforschungsinstituten beschäftigt sich regelmäßig mit der Untersuchung branchenbezogener Vertrauensurteile von Konsumenten. Einschränkend muss jedoch die geringe Vergleichbarkeit der Studien durch die uneinheitliche Nutzung von Begriffen wie Vertrauen gesehen werden. Es finden sich weder genaue Definitionen noch die Beschreibung konzeptueller Unterschiede zwischen den Untersuchungen. Zudem erfolgt die Messung von Branchenvertrauen anhand uneinheitlicher Untersuchungsdesigns. Trotz dieser Einschränkungen gibt die große Anzahl an Umfragen im Kern einen Hinweis auf die wahrgenommene Bedeutung des Branchenvertrauens im Zusammenhang mit marktbezogenen Austauschbeziehungen, ohne jedoch die sich aus den Ergebnissen ergebenden Konsequenzen für die Unternehmen zu nennen. 3 Quelle Fokus/ Inhalt Golin/Harris “Trust in American Business” www.golinharris.com Benchmarkstudie über Vertrauen bzgl. der Intensität und Richtung des Vertrauens in 25 Geschäftsbereichen. Befragte sollen sich ein Gespräch mit einem von ihnen respektierten Geschäftsführer vorstellen und ihm/ihr Ratschläge über die wichtigsten Maßnahmen zur Vertrauensgewinnung und -erhaltung geben. Studie über die vertrauenswürdigsten Berufe, Marken, Politikfelder und Institutionen in 18 Ländern Europas. Studie über die Rolle von Vertrauen bei der Aufrechterhaltung von Konsumentenloyalität. Reader's Digest “European Trusted Brands” 2003 http://www.readers-digest.de/ Booth-Harris „Trust Monitor“ 2001 www.mbooth.com Edelman “Building Trust” 2003 www.edelman.com/people_a nd_perspectives/insights/Trus t/EdelSurveyBroch_FNL.pdf psychonomics AG „Vertrauen in die Versicherungswirtschaft“ (Teilstudie Kundenmonitor Assekuranz) 2004 http://www.psychonomics.de/ trade/productview/101/6/ Vertrauen in Institutionen, Unternehmen und die Regierung. Vertrauensbarometer auf Grundlage einer Studie über Wege der Meinungsbildung und Status Quo des Vertrauens. Vertrauensdimensionen und Vertrauensindex in der Versicherungsbranche Branche/ Häufigkeit Industrie/ jährlich Stichprobe Ergebnisse Meinungsumfrage unter 200 Amerikanern 82% der Amerikaner glauben, dass die Vertrauenskrise schlimmer wird oder gleich bleibt. Jährlich Europaweite Umfrage unter 31.000 Reader´s Digest Lesern Industrie/ einmalig Umfrage unter 1252 Amerikanern. Industrie/ halbjährlich Telefoninterviews mit 850 Meinungsführern aus den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien Feuerwehrleute sind in Deutschland mit 97% Vertrauenssieger, gefolgt von Krankenschwestern und Piloten - Politiker (12%), Immobilienmakler (12%) und Autoverkäufer (17%) genießen am wenigsten Vertrauen. Laut Studie ist Vertrauen nicht nur das wichtigste Bindeglied zwischen Konsumenten und Unternehmen, sondern auch Antriebsfeder für das Ansehen des Unternehmens und seiner Marken. Eine überwältigende Mehrheit von 82% der Probanden sagen, dass sie aufhören eine Marke zu nutzen, sobald ihr Vertrauen in ein Produkt oder das Unternehmen enttäuscht wurde. Das Vertrauen der Europäer in Unternehmen sank von 43% im Juni 2002 auf 35% im März 2003. Im Branchenvergleich schneidet die Versicherungsbranche mit 30 % am schlechtesten ab, am vertrauenswürdigsten mit 66% sind Unternehmen der Verbrauchs- und Gebrauchsgüterindustrie. Versicherung/ jährlich Umfrage unter 2.500 Deutschen Die gesamte Branche wird häufig deutlich schlechter eingeschätzt als die eigenen Versicherer. Nur jeder Zehnte stimmt der Aussage „Den Versicherungsgesellschaften kann man im Großen und Ganzen vertrauen“ voll und ganz zu. Gut ein Viertel der Befragten (27%) äußern sich sogar eher ablehnend. Tabelle 1: Praxisbezogene Studien zum Branchenvertrauen 4 Dies stimmt mit der Beobachtung überein, dass Forschung und Praxis die individuelle Konsumentenbeziehung immer noch losgelöst von gesellschaftlichen Trends betrachten (Institut für Markt und Umwelt und Gesellschaft 1997; Devries 1997). Nach Devries (1997, S. 30) ist nachzuweisen, dass „Konsumenten in ihre Konsumkalküle bereits Elemente integrieren, die weit über Forderungen nach preis-leistungsgerechten Gütern und Dienstleistungen hinausgehen“. Auf Basis der zuvor erläuterten Problemstellung wird im Rahmen dieser Arbeit die Zielsetzung verfolgt, das Vertrauen der Konsumenten in eine Branche in Abgrenzung zum relationalem Vertrauen als eigenständiges Konstrukt empirisch nachzuweisen. Relationales Vertrauen bezeichnet hierbei das Vertrauen in einer spezifischen Kunden-Anbieter-Beziehung. Zudem wird ermittelt, aus welchen Dimensionen sich Branchenvertrauen zusammensetzt und welche Facetten diese beinhalten. Daneben interessiert die Frage, welche Unterschiede und Parallelen sich zur relationalen Vertrauensebene erkennen lassen. Abschließend sollen möglichst breit gefächerte Einsichten zu Einstellungen und Erfahrungen mit der Versicherungsbranche und -unternehmen aus Konsumentensicht erhoben werden. Um den Einfluss des Branchenvertrauens bzw. Branchenmisstrauens von Konsumenten auf deren Verhalten in der einzelnen Geschäftsbeziehung näher untersuchen zu können, gilt es zunächst, den Begriff des Branchenvertrauens zu konzeptualisieren. Hierzu werden im Rahmen dieser Arbeit bestehende Konzepte aus verschiedenen wissenschaftlichen Fachrichtungen herangezogen. Die aus diesen Konzepten gewonnenen Kenntnisse werden in einem nächsten Schritt mit den Ergebnissen einer qualitativen Studie mit Einzelinterviews und Fokusgruppen am Beispiel der Versicherungsbranche verbunden. Ziel der Studie ist die Untermauerung und Konkretisierung der bis dahin vorgestellten Konzeptualisierung. Zudem sollen die im Rahmen der Studie erhaltenen Dimensionen des Branchenvertrauens mit den bisherigen Erkenntnissen der Literatur verglichen werden, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzudecken. Es gilt, die theoretischen Herleitungen zu fundieren sowie Parallelen und Unterschiede zur bisherigen Vertrauensforschung im Rahmen konkreter Geschäftsbeziehungen aufzudecken. Die Ergebnisse der qualitativen Studie liefern einen Ausgangspunkt für künftige Forschungsansätze, welche das Branchenvertrauen in die Untersuchung von Kundenbeziehungsqualitäten und dem Käuferverhalten integrieren. 5 2 Das Vertrauen in eine Branche Das Vertrauen von Personen in eine abstrakte Entität (Branche, Wirtschaft, Regierung, politisches System, etc.) wurde in wissenschaftlicher Hinsicht sehr stark von der Soziologie, in welcher formelle Gruppen von Individuen oder Organisationen betrachtet werden (vgl. Zucker 1986; Shapiro 1987), und den Politikwissenschaften, die ihren Fokus auf politische Systeme oder die Regierung richten (vgl. Weatherford 1992; Levi und Stoker 2000), bestimmt. Singh und Jayanti (2004) setzen den Fokus der Betrachtung dagegen auf die Analyse des Vertrauens auf Branchenebene. Sie beschreiben Branchen als eine Anzahl von Unternehmen, die in ihrer Geschäftstätigkeit durch das Angebot gleicher Produkt- oder Dienstleistungskategorien ähnliche Charakteristika aufweisen. Um das Vertrauen in eine Branche genauer zu bestimmen und einzugrenzen, werden im folgenden der Begriff des kollektiven Vertrauens (Zucker 1986) vorgestellt sowie Parallelen und Besonderheiten zu der bisherigen Vertrauensforschung beschrieben. Außerdem wird eruiert, wie Konsumenten branchenbezogene Vertrauensurteile bilden. Es existieren diverse Bezeichnungen, die das Vertrauen von Personen in eine abstrakte Ebene beschreiben. Sehr häufig werden in diesem Zusammenhang die Ansätze des öffentlichen Vertrauens, Systemvertrauens, institutionenbasierten Vertrauens und politischen Vertrauens genannt1. Während diese Begriffe das Vertrauensobjekt bzw. den Vertrauensnehmer nicht genau spezifizieren, sondern sich im Kern auf verschiedene Systeme und/oder Institutionen beziehen, ist das Branchenvertrauen weitgehend eingegrenzt. Es beruht auf dem Ansatz des kollektiven Vertrauens und beschreibt das Vertrauen einer Einzelperson in eine Branche als Gruppe von Unternehmen mit sich ähnelnden Eigenschaften und Aktivitäten (Zucker 1986). Es stellt somit eine Ausprägung des Begriffs eines wirtschaftlich tätigen Kollektivs dar. Zuckers (1986) Definition schließt dabei neben den Unternehmen auch Gruppen von Einzelpersonen ein, so dass auch Gastwirte, Steuerberater und Architekten als Kollektiv angesehen werden können. Shapiro (1987, S. 626) formuliert den Begriff des kollektives Konsumentenvertrauens und definiert diesen als “consumer’s willingness to invest resources, authority, and/or responsibility in a collective entity to act on consumers’ behalf to safeguard consumer interests in exchanges involving individual members of the collective”. Ausgehend von der Definition ist der Konsument mit hohem Branchenvertrauen eher bereit, einer Branche Befugnisse und Verantwortlichkeit zuzugestehen, das Konsumenteninteresse zu schützen. Als Konsequenz von Misstrauen suchen Konsumenten nach Handlungsalternativen (Unterlassung eines Kaufs, Kauf alternativer Formen 1 Die verwendeten Bezeichnungen unterscheiden sich jedoch häufig nur in semantischer Hinsicht (Schweer 2003). 6 der Absicherung, etc.)2 oder wenden sich gezielt an Unternehmen innerhalb dieser Branche, welche aufgrund der wahrgenommenen Leistungsfähigkeit und des Leistungsverhaltens eine hohe Vertrauenswürdigkeit aufweisen (Newton und Norris 2000). Die Definition des kollektiven Konsumentenvertrauens (Shapiro 1987) entspricht nur zum Teil dem Pendant auf der relationalen Ebene, welche das Vertrauen des Konsumenten im Rahmen einer spezifischen Geschäftsbeziehung beschreibt. Es zeigen sich implizit Parallelen zu der Ansicht von Deutsch (1958), dass das Vertrauen ein Verhalten bzw. eine Verhaltensabsicht mit einschließt, in der sich sowohl die Verlässlichkeit des Partners widerspiegelt als auch die Verwundbarkeit bzw. Unsicherheit (Lewis und Weigert 1985)3 des Vertrauensgebers, mit einschließt. Der Wille, ein Risiko auf sich zu nehmen, ist eines der wenigen Merkmale, das in allen Vertrauenssituationen vorkommt (Johnson-George und Swap 1982, S. 1306). Nur, wenn eine Situation ein Risiko bzw. Verwundbarkeit hervorruft, z.B. durch unzureichende Information, kommt das Vertrauen zum Tragen. Im Gegensatz zu der Verhaltensabsicht des Konsumenten werden die Erwartungen an den Vertrauensnehmer, die im Rahmen des relationalen Vertrauens häufig genannt werden, nicht explizit in der Definition erwähnt. Im Kern beziehen sich diese Erwartungen auf die Zuverlässigkeit (vgl. u.a.: Crosby et al. 1990; Sirdeshmukh et al. 2002), das Wohlwollen und die Ehrlichkeit des Vertrauensnehmers (Kumar et al. 1995)4. Der Umstand, dass in der Definition zum kollektiven Konsumentenvertrauen explizit keine Dimensionen genannt werden, motiviert zur näheren Untersuchung des Konsumentenvertrauens in eine Branche. Hinweise darauf, warum Konsumenten branchenbezogene Vertrauensurteile fällen, geben das Konzept der Hintergrunderwartungen (Zucker 1986, S. 57) und die Existenz von marktbezogenen Metakognitionen (Wright 2002). Beide Ansätze werden folgend kurz erläutert. Hintergrunderwartungen im Markt („Background expectations“) sind neben den konstitutiven Erwartungen („Constitutive expectations“), die sich auf eine spezifische Situation oder den Kontext beziehen, eine Hauptkomponente von Vertrauen (Zucker 1986, S. 57). Sie umfassen alle Dinge, die von Individuen als selbstverständlich wahrgenommen werden. Auf den Marktkontext bezogen entsprechen sie somit einem allgemeinen Verständnis des Konsumenten darüber, in 2 Hirschman (1970) bezeichnet diese Handlungsalternative mit „exit“, also dem Ausstieg des Kunden aus der Geschäftsbeziehung. 3 „If one were omniscient, actions could be undertaken with complete uncertainty, leaving no need, or even possibility, for trust to develop” (Lewis und Weigert 1985, S. 970). 4 Siehe hierzu u.a. die Definitionen von Crosby et al. (1990) "The customer's trust in relational sales contexts can be defined as a confident belief that the salesperson can be relied upon to behave in such a manner that the long-term interest of the customer will be served.", Sirdeshmukh et al. (2002) “Consumer trust as the expectations held by the consumer that the service provider is dependable and can be relied on to deliver on its promises." und Kumar et al. (1995) “believe that the partner is honest and benevolent“. Einen Überblick über eine große Anzahl von Vertrauensdefinitionen geben Geyskens et al. (1998). 7 welchem Rahmen Geschäftsbeziehungen ablaufen sollten. Sie entstehen durch das vereinheitlichte Verhalten der Mitglieder eines Kollektivs. Hintergrunderwartungen und konstitutive Erwartungen stehen in einem direkten Zusammenhang miteinander. Zucker (1986, S. 59) stimmt mit der Ansicht von Garfinkel (1963) überein, dass das Vertrauen je nach Bedeutung der jeweiligen Erwartungen variiert. Wenn eine Komponente in ihrer Bedeutung steigt, wirkt sich dies mindernd auf die andere Komponente aus. Beispielsweise wird ein Konsument, der mehrmalig schlechte Erfahrungen mit der Qualität von landestypischen Speisen in Restaurants gemacht hat, Hintergrunderwartungen bilden, die bei einem Besuch eines weiteren Restaurants gleicher Herkunft stärker auf die Vertrauensbeurteilung wirken als die spezifischen Erwartungen. Einen weiteren Anhaltspunkt zur Erklärung allgemeiner Vertrauensurteile stellt die Existenz marktbezogener Metakognitionen (Wright 2002) dar. Diese drücken das Wissen eines Konsumenten sowohl über die Geschäftspraktiken und -prozesse in einem wirtschaftlich tätigen Kollektiv (z.B. Banken, Restaurants) als auch das Bewusstsein über die eigenen Verhaltenskonsequenzen aus. Insofern gehen die Metakognitionen über die reinen Hintergrunderwartungen hinaus. Beispielsweise stellt es eine Metakognition dar, wenn Konsumenten einem Vertreter bei Verkaufsgesprächen primär Eigeninteresse unterstellen. Sie entwickelt sich durch die Kenntnis, dass Vertreter eine Provision für den Geschäftsabschluss erhalten und an dieser gemessen werden. Dieses Wissen ist in der Regel schon vor dem Eintreten in eine Geschäftsbeziehung vorhanden, da sie bereits vom Umfeld (Verwandte, Freunde, Medien, etc.) vermittelt worden ist, und veranlasst den Konsumenten, seine Entscheidung genauer abzuwägen. Bei Betrachtung der beiden genannten Konzepte beruht die Entwicklung des Branchenvertrauens im Kern auf Beobachtungen der Vertrauensbeziehungen anderer5. Diese Informationen fließen in das vom Konsumenten gefällte Vertrauensurteil gegenüber einer Branche ein. Zusammenfassend kann das Branchenvertrauen als wichtiges Konstrukt für das Marketing gesehen werden, dessen bisher fehlende Konzeptualisierung zu einer Reihe unterschiedlicher Ansätze in nicht-wissenschaftlichen Veröffentlichungen geführt hat. Es lehnt sich stark an das kollektive Vertrauen an, welches das Vertrauen in Gruppen mit sich ähnelnden Eigenschaften beschreibt. Die Konzepte der Hintergrunderwartungen und marktbezogener Metakognitionen lassen die Möglichkeit eines eigenständigen Vertrauensurteils von Konsumenten auf Branchenebene zu. Zur empirischen Untermauerung der bisher gewonnen Erkenntnisse bzw. zum Zweck der Anpassung der Konzeptualisierung des Vertrauens in eine Branche wird daher eine qualitative Studie im Rahmen der Versicherungswirtschaft vorgestellt (Abschnitt 3). Die Ergebnisse werden 5 Zum Einfluss der Vertrauensverhältnisse Dritter auf die Vertrauensentscheidung bei Konsumenten siehe Rippberger (1998), die in diesem Zusammenhang den Begriff der Vertrauensatmosphäre erwähnt. 8 in den folgenden Abschnitten diskutiert (Abschnitt 4) und Anregungen für weitere Schritte gegeben (Abschnitt 5). 3 Qualitative Studie Um die o.g. Zielsetzung zu erreichen, wurde im Jahr 2004 eine qualitative Studie durchgeführt. Zur Bearbeitung der Themenstellung empfahl sich ein exploratives Vorgehen, da es eine breite Ergebnisbasis liefert und tiefergehende Erkenntnisse als eine quantitative Erhebung ermöglicht, weil es die Befragten in ihren Auskünften nicht einengt und ihnen genügend Raum zur Erläuterung ihrer Erfahrungen, Ansichten und Bewertungen gibt. Qualitative Methoden bestechen durch ihre Flexibilität und ihre Möglichkeit, ein Thema in ganzheitlicher Sicht und mit allen Facetten detailliert zu erfassen. Als spezielle Befragungsmethode wurden sowohl teilstrukturierte Tiefen- als auch Fokusgruppeninterviews mit verschiedenen Probanden gewählt. 3.1. Erhebungsdesign Als Untersuchungsfeld für die vorliegende Studie wurde die Versicherungsbranche gewählt, da für diese in zahlreichen vorhergegangenen Untersuchungen stets ein geringes Konsumentenvertrauen festgestellt wurde. In einer jährlichen Befragung („Building Trust“) des amerikanischen PR-Unternehmens Edelman unter 850 Meinungsführern in den USA und Europa liegt die Versicherungsbranche im Jahr 2003 mit 30% Vertrauensnennungen in Europa auf dem letzten Platz noch hinter der Pharma- oder der Telekommunikationsbranche (o.V. 2003). Interessanterweise steht dem negativen „Fernbild“ ein vergleichsweise positiveres „Nahbild“ der eigenen Versicherung gegenüber (Hilger 1986, S. 430; Surminski 1987, S. 2; Noelle-Neumann und Geiger 1988, S. 1230; Lach 1994, S. 1400; Bittl 1998, S. 662). Mit dem Nahbild ist die Beurteilung des eigenen Versicherungsunternehmens gemeint, das Fernbild spiegelt die Beurteilung der Branche wider. Durchwegs wird dieser Branche eine offensichtliche Diskrepanz zwischen Nahund Fernbild bescheinigt, (o.V. 1982, S. 28f; Näheres dazu siehe Noelle-Neumann und Geiger 1988, S. 1229ff), also ein geringes Vertrauen auf Branchenebene und ein hohes auf der relationalen Ebene: Beispielsweise sprachen in einer repräsentativen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach 1988 56% der Probanden der eigenen Versicherung „Verlässlichkeit, Vertrauen“ zu, bezogen auf die gesamte Branche lag dieser Wert jedoch nur bei 29% (Geiger et al. 1988, S. 27). Diese Ausführungen weisen auf Grund dieser vorgenommenen Trennung auf eine besonders gute Eignung der gewählten Branche für den Untersuchungszweck hin. 9 Für die vorliegende Studie wurden Anfang 2004 in einem ersten Schritt sechs Versicherungsnehmer in Einzelgesprächen interviewt. Im Sommer 2004 wurden zudem fünf Experteninterviews sowie zwei Fokusgruppeninterviews mit je sechs Konsumenten durchgeführt. Als Experten wurden vier Angestellte von verschiedenen Versicherungsunternehmen in verschiedenen Hierarchiestufen gewählt, da in diesem Personenkreis eine hohe Kompetenz im Bezug auf Vertrauensfragen in der Beziehung zwischen Kunde und Versicherung vermutet werden konnte und die unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb der Unternehmen bezüglich ihrer Kunden erfragt und erfasst werden sollten. Zusätzlich wurde ein Experte einer Verbraucherschutzorganisation befragt, welche sich speziell mit Fragen zu Kunden-Anbieter-Beziehungen auseinandersetzt. Die Teilnehmer wurden nach dem Prinzip des „purposive sampling“ (gezielter Stichprobenauswahl) ausgewählt und direkt kontaktiert. Sie sollten einen gewissen Erfahrungsgrad mit Versicherungen aufweisen und sich untereinander nicht kennen. Ihre Teilnahme wurde mit Incentives (je 50 Euro) belohnt. Die Interviews wurden explorativ geführt. Es wurde ein halbstrukturierter Leitfaden erstellt, um sich mit der zu untersuchenden Thematik vorab intensiv auseinander zu setzen, keinen der bedeutsamen Aspekte zu vergessen sowie ein zu weites Abschweifen von der Thematik zu vermeiden. Die Konsumenteninterviews fokussierten hauptsächlich auf die Fragen, ob und wie Konsumenten die kollektive und die relationale Vertrauensebene in der Versicherungswirtschaft trennen und wie sich Vertrauen auf beiden Ebenen bildet. Beispielhafte nicht-direktive Fragen waren hierbei: “Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an die Versicherungsbranche denken?“, „Schildern Sie mir bitte positive bzw. negative Eindrücke, die Sie mit der Versicherungswirtschaft in Verbindung bringen.“ und „Beschreiben Sie mir bitte nun, wie Sie über Ihre eigene Versicherung denken.“ In den Experteninterviews wurden die unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb der Unternehmen bezüglich ihrer Kunden erfasst. Wichtige weitere Bestandteile des Interviews waren die Einschätzungen der Probanden zum Meinungsbild der Konsumenten bezüglich der Wirtschaft, der kollektiven Vertrauensbildung und deren Bedeutung für die spezifische Kundenbeziehung. „Wie denken Ihrer Meinung nach die meisten Kunden über die Versicherungsbranche?“ „Welche Facetten machen Ihrer Meinung nach das Image der Versicherungsbranche aus?“ bzw. „Welche Eigenschaften verbinden die Kunden/Sie mit der Versicherungsbranche?“ In den Konsumenten-Fokusgruppen wurde der Schwerpunkt sowohl auf positive als auch auf negative Assoziationen und Einstellungen gegenüber der Versicherungsbranche und den eigenen 10 Versicherungen gesetzt. Mit Hilfe von Moderationskärtchen wurden Assoziationen zu Versicherungen anonym erhoben, strukturiert, für alle sichtbar ausgestellt und von der Gruppe diskutiert. Hier lag der Fokus auf dem „Warum?“, also den persönlichen Gründen für die vorhandenen Einstellungen. In einem nächsten Schritt wurden die sowohl positiven als auch negativen Erfahrungen der Teilnehmer auf Kärtchen festgehalten, strukturiert und besprochen. Schon während der Diskussion notierten die Moderatoren wichtige Kernaussagen einzelner Teilnehmer, um diese bei Bedarf später noch einmal von der Gruppe diskutieren zu lassen. Alle aufgezeichneten Gespräche wurden komplett transkribiert und anschließend mit der Software NUD*IST Vivo ausgewertet. Dieses Programm für die Analyse von qualitativen Texten bietet die Möglichkeit, Kategorien zu erstellen und umfangreiche Dokumente und Textabschnitte zu codieren, d.h. Worte, Sätze oder Abschnitte zusammenzufassen und bestimmten Themenbereichen zuzuordnen (siehe Bazeley und Richards 2000; Gibbs 2002). Bei der Inhaltsanalyse wurde der von Glaser und Strauss entwickelten Herangehensweise der populären „Grounded Theory“ gefolgt (siehe Glaser und Strauss 1967; Strauss 1994; Strauss und Corbin 1996), die induktiv arbeitet: Aus dem Textmaterial heraus wurden in einem ersten Schritt explorativ Kategorien entwickelt und Textbausteine diesen zugeordnet („open coding“). Danach wurde jede Kategorie tiefergehend untersucht und dazugehörige inhaltliche Aussagen zusammengefasst, um Strukturen, Beziehungen und Wirkungen innerhalb der Kategorie und auch unter- und zueinander aufzudecken. 3.2. Ergebnisse Die Auswertung der explorativen Studie hat eine Reihe von Ergebnissen geliefert, die im folgenden detailliert dargestellt und in einem weiteren Schritt (Abschnitt 4) diskutiert werden sollen. 3.2.1. Branchenvertrauen als eigenständiges Konstrukt Ein Ziel der Studie ist die Konzeptualisierung des Branchenvertrauens als eigenständiges Konstrukt, welches unabhängig vom speziellen Vertrauen in eine Geschäftsbeziehung oder in eine Person ist. Dazu wurden während der Codierung die Textpassagen bezüglich der kollektiven Ebene („alle Versicherungsunternehmen“) und der relationalen Ebene („mein Versicherungsunternehmen“) bewusst getrennten Kategorien zugeordnet, um Unterschiede, Ähnlichkeiten und Beziehungen unter den Ebenen klar analysieren zu können. Beispielhaft für so eine Zuordnung ist folgende Tabelle 2: 11 Aussage/Zitat „Ich denke ja nur, dass die bescheißen, deshalb weiß ich es ja noch nicht. Wenn ich dann die dicken Autos sehe, muss man das denken. Die müssen ja irgendwie das viele Geld verdienen.“ „Meinem Bruder haben sie mal sechs mal das Autoradio geklaut. Hat die Versicherung aber jedes Mal trotzdem wieder bezahlt.“ „Und ich finde einfach, das ist halt in der Versicherungsbranche sehr schlecht. Man müsste da schneller kulanter sein.“ „Ich habe das auch schon erlebt mit meiner Windschutzscheibe. Da war so ne Macke und da sage ich, was kann man denn da so machen. Bin zur Versicherung hingegangen. Ach, das machen wir schon. Fahren sie in die Werkstatt, lassen sie sich ne neue Scheibe einsetzen, Rechnung, fertig. Und dann haben die in den Bericht geschrieben, auf der Autobahn gefahren, LKW voraus, Stein usw. fertig. Ich war froh. Ein Entgegenkommen.“ Proband Kollektive Ebene VN* 9 9 Foku1 E1 Foku1 Relationale Ebene 9 9 Tabelle 2: Zuordnung von Zitaten zu Ebenen * Sämtliche Interviews wurden aus Gründen der den Probanden zugesicherten Anonymität mit folgenden Abkürzungen versehen: Konsumenteninterviews/Versicherungsnehmer: VN1-VN6, Experteninterviews: E1-E5, Fokusgruppen: Foku1-Foku2 (in den Fokusgruppen wurde nicht zwischen den Teilnehmern unterschieden). Die kumulierte Analyse aller Einzel- und Gruppeninterviews bestätigt ganz klar die Annahme, dass in der Versicherungswirtschaft Branchenvertrauen, zusätzlich zum relationalem Vertrauen, von Konsumenten als eigenes Konstrukt wahrgenommen wird. Diese Aussage wird von zwei Beobachtungen gestützt. Zum einen werden Geschäftsprozesse der Versicherungen, wie z.B. die Schadensregulierung, auf Branchenebene anders bewertet als beim eigenen Versicherungsunternehmen. Dies können auch die Experten bestätigen: „Das interessante Phänomen ist, dass die Kunden über die Versicherungswirtschaft an sich meckern, unzufrieden vielleicht auch sind, wenn man global über Versicherungen angesprochen wird, aber der eigene Vertreter oder die eigene Versicherung, die ist in den meisten Fällen gut“ (E3). Zum anderen treten im Rahmen des Branchenvertrauens weitere Gesichtspunkte in den Vordergrund, die auf relationaler Ebene nicht erwähnt werden. Die Dimension Ehrlichkeit z.B. ist in den Interviews ein wichtiger Bestandteil der Vertrauensbildung in eine Branche, taucht jedoch auf der relationalen (Unternehmens-) Ebene überhaupt nicht auf. Außerdem verlagern sich Schwerpunkte zwischen den und innerhalb der Vertrauensdimensionen. Liegt in der Dimension Wohlwollen der Fokus der Versicherungsnehmer auf der kulanten Schadensregulierung nach einem Versicherungsschaden, wird in der Branche das Wohlwollen neben der Schadensregulierung auch an der Servicequalität gemessen. Ein weiteres Argument für die Existenz von differenzierten Vertrauensurteilen auf unterschiedlichen Ebenen bietet das dargestellte Konzept der Metakognitionen. In den Interviews wurde zuweilen sehr deutlich, dass Konsumenten diese Metakognitionen tatsächlich entwickeln. 12 Nachfolgend eine Auswahl an Metakognitionen, welche von den Probanden bzgl. unterschiedlicher Themenbereiche geäußert wurden: Zitat „Der Bankarbeiter sieht ja, was der Kunde am Monatsende noch spart, was er über hat und er will ihm ja nur was Gutes tun. - Genau, was Gutes. - Provision ist das Gute.“ (Foku2) „Es gibt ja auch andere [Makler], die das machen, die dann halt mit allen Versicherungen zusammenarbeiten, aber komischerweise kommen immer die gleichen [Versicherungen] raus, die die höchsten Sätze zahlen.“ (Foku1) „Nur es ist ja ein Geschäft, das abgeschlossen wird und ich denke, dass auch der Versicherungsmakler gut zu seinen eigenen Gunsten versichert.“ (Foku2) „Kommt ja auch auf den Schaden an. Manche Versicherungen sagen ja, bis so und so viel machen wir alles klar, bevor die da viel Theater machen. Bis 1000€ glaube ich, oder so.“ (Foku1) „Ist ja auch nicht jede Versicherung auf jedem Feld tätig. Manche Felder wollen sie gar nicht beackern, weil sie wenig einbringen. Autoversicherung z. B. sind sehr arbeitsaufwendig und wenig lukrativ. Während eine Lebensversicherung ne Sache ist, die eigentlich wenig Bearbeitung benötigt. - Bringt auch mehr Geld. - Bringt dem Vertreter natürlich auch erheblich mehr.“ (Foku1) „Die [Versicherer] nehmen an, wenn der [Versicherungsnehmer] jetzt schon mit 30 Jahren was Chronisches hat, den schmeißen wir mal lieber sofort wieder raus. - Der wird es auch schwer haben, in eine neue Versicherung mit dem gleichen Angebot reinzukommen. - Weil die sich ja untereinander darüber informieren. - Gibt ne schwarze Liste.“ (Foku2) Tabelle 3: Von Probanden geäußerte Metakognitionen Im folgenden Abschnitt werden die identifizierten Dimensionen des Branchenvertrauens näher beschrieben und die neue Dimension „Transparenz“ dargestellt. Im Anschluss wird das Branchenvertrauen noch einmal auf die beiden Vertrauensobjekte Unternehmen und Vertreter/Makler6 aufgeteilt und detailliert erörtert. 3.2.2. Vertrauensdimensionen auf Branchenebene Bei direkten Fragen bezüglich Vertrauen in die gesamte Versicherungsbranche (genau wie bei Fragen zu Vertrauen in das eigene Versicherungsunternehmen) war es für die Probanden selten möglich, den Grad des generellen Vertrauens konkret zu äußern. Es wurden kaum Aussagen getätigt, die Vertrauen per se als zentrales Attribut darstellten. Stattdessen beriefen sich die Befragten stets auf beobacht- oder bewertbare Merkmale von Vertrauen, um ihr Vertrauen zu erklären und abzuschätzen. Nach der gründlichen Analyse der explorativ aus allen Interviews entwickelten Kategorien und ihren Inhalten zeichnen sich vier markante Themenbereiche ab, die für die Probanden sehr eng mit der Vertrauensbildung in eine Branche verbunden schienen. Im folgenden einige Beispielaussagen zu den Dimensionen: 6 Diese Kontaktperson kann sowohl klassischer Vertreter, Makler/Vermittler als auch Außendienstmitarbeiter sein, wird im folgenden aber der Einfachheit halber durchweg als „Versicherungsvertreter/Makler“ bezeichnet. 13 Aussage/Zitat Proband Vertrauensdimension „Du hast ja dann nur Theater nachher. Dann geht´s vor Gericht. Hier und da. Das zieht sich dann jahrelang hin und zwischendurch bist du berufsunfähig geworden. Du bist auf das Geld angewiesen, weil vom Staat gibt´s ja nix mehr . Du kannst deine Hausbaufinanzierung nicht mehr bezahlen und deine Versicherung zögert´s immer weiter hinaus. Zwei Jahre später kriegst du dann endlich dein Geld, aber dann ist dein Haus schon zwangsversteigert.“ „Dann die Verlässlichkeit. Ich habe selten gehört, dass eine Versicherung den zugesicherten Betrag auf dem Mindestniveau nicht ausgezahlt hat. Das habe ich noch nicht gehört. Somit würde ich sagen, die Zuverlässigkeit ist immer da, das entsprechende Versicherungen immer reagieren. Dafür sind ja auch da und auch gesetzlich gebunden.“ „Und ich finde einfach das ist halt in der Versicherungsbranche sehr schlecht. Man müsste da schneller kulanter sein. Und zwar geht das jetzt nicht um einen Schaden, wo einer seinen Fernseher kaputt hat. Ob der jetzt morgen den Scheck bekommt oder übermorgen von 800 €, das bringt mich nicht um. Aber diesen Schäden in Betrieben, wo Arbeitsplätze dran hängen in der heutigen Zeit. Wo sie alle grundsätzlich viele Probleme mit den Banken haben, grundsätzlich, weil der Kontokorrentkredit ziemlich teuer ist. Da müsste eine schnellere und kulantere Regulierung erfolgen.“ „Man hört ja schon von einigen Versicherungen, dass die sehr kulant sind, aber ich könnte da jetzt auch keine Namen zuordnen, weil ich auch schon glaube, dass einige Versicherungen für so einen Ruf stehen. Die lassen viel durchgehen, bei irgendwelchen Schadensfällen etc.“ „Also, im Großen und Ganzen sage ich mal, wenn es um Versicherungsverträge geht, sage ich mal: sie sind nicht 100% ehrlich, aber im Prinzip schon. Es wird vielleicht mal ab und zu was verschwiegen. Lügen wird es sicher geben. Da bin ich von überzeugt, aber gut, das kann man aber auch nie so genau beurteilen..“ Foku2 Zuverlässigkeit (negativ) VN4 Zuverlässigkeit (positiv) E1 Wohlwollen (negativ) Foku1 Wohlwollen (positiv) E4 Ehrlichkeit (negativ) k.A. „Negativ, finde ich, ist, dass es so ein Versicherungs-Wirrwarr gibt. Es gibt also zu viele Versicherungen. Wenn man so als Laie wie ich da steht, dann sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Man weiss nicht, was ist jetzt wichtig und was nicht.“ k.A. VN1 Ehrlichkeit (positiv) Transparenz (negativ) Transparenz (positiv) Tabelle 4: Zuordnung von Zitaten zu Dimensionen Die einzelnen Dimensionen spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Erhaltung von Branchenvertrauen. Transparenz scheint bei der Vertrauensbildung besonders in die Versicherungsbranche von großer Bedeutung zu sein und ist daher als Dimension des Vertrauens zu sehen. Die vier Dimensionen Zuverlässigkeit, Wohlwollen, Ehrlichkeit und Transparenz sollen im folgenden näher erläutert werden. 3.2.2.1. Zuverlässigkeit Auf die Frage nach Vertrauen in eine Branche und nach Faktoren bei der Bildung kollektiven Vertrauens berichteten die Befragten häufig von vermeintlich wahrgenommenen Verhaltensweisen in der Versicherungsbranche, die sich generell dem Begriff der Zuverlässigkeit zuordnen 14 lassen7. Auffallend war zudem, dass Probanden sich hier vielfach auf klassische Sachversicherungen, wie z.B. Haftpflichtversicherungen, bezogen. Zuverlässigkeit von Versicherungsunternehmen aus Sicht der Versicherungsnehmer drückt sich sehr offensichtlich in der Schadensregulierung aus. Im Detail verläuft die Regulierung zuverlässig, wenn die Unternehmen den entstandenen Schaden in vollem Umfang, schnell und ohne Verzögerung regeln -„Positiv – positiv ist für mich immer, wenn die Regulierung eines Schadensfalles schnell und problemlos funktioniert“ (VN4), negativ logischerweise, wenn es nicht einwandfrei klappt: „Aber wehe da ist dann mal ein Schaden, da meldet sich dann keiner zurück, wenn man Probleme hat“ (Foku1). Zuverlässigkeit bedeutet für die Probanden, dass schnell und problemlos gezahlt wird („Die Versicherungen müssten eindeutig mit der Schadensregulierung viel schneller werden“ (E1)). Vorherrschend ist die Meinung, dass die Zuverlässigkeit von der Schadenshöhe abhängig ist: „Verlässlichkeit? Teils, teils. Bei kleineren Sachen stellte sich schon mal heraus, dass sie wirklich verlässlich sind, so jetzt bei Haftpflichtversicherungen, wenn was ersetzt werden muss. Bei größeren Sachen muss man, glaube ich, ganz schön rum kämpfen, dass man die Sachen wirklich teilweise ersetzt bekommt“ (VN1). Auch Kündigungen seitens Versicherungen sehen Konsumenten als Zeichen von hoher Unzuverlässigkeit. Politische Rahmenbedingungen mit Einfluss auf die Versicherungsbranche sorgen zusätzlich für den Eindruck, die ganze Branche sei unzuverlässig: „Natürlich hat die Branche auch Probleme, die auch von der Politik gemacht wird. Da ist auch nichts mehr verlässlich. Da wird auch die Steuerpolitik von heute auf morgen geändert“ (E3). Weitere Indikatoren lassen sich nach Art der Versicherung unterscheiden: Bei personenbezogenen Versicherungen (wie z.B. Lebensversicherungen) steht die Größe der Versicherungsgesellschaft bei den Konsumenten für eine hohe Zuverlässigkeit („Da kommt es ganz elementar auf die Größe der einzelnen Versicherung an“ (VN2)). 3.2.2.2. Wohlwollen Eine zweite Dimension des Vertrauens spiegelt das Wohlwollen wider8. Wohlwollen drückt sich für die Probanden primär in zwei Aspekten aus, der Schadensregulierung und dem Service 7 8 Morgan und Hunt (1994) integrieren das Kernelement Zuverlässigkeit in ihre häufig zitierte Definition von Vertrauen: Vertrauen ist existent, „when one party has confidence in an exchange partner’s reliability and integrity.“ (Morgan und Hunt 1994, S. 23). Auch eine Reihe weiterer Autoren sehen die Zuverlässigkeit als Kernelement des Vertrauens (Schurr und Ozanne 1985; Hawes et al. 1989; Gundlach und Murphy 1993; Sirdeshmukh et al. 2002). In der Forschung wird Wohlwollen ebenfalls als Kerndimension des Vertrauens betrachtet. Doney und Cannon (1997) z.B. definieren Vertrauen unter Einbeziehung von Wohlwollen: “we define trust as the perceived credibility and benevolence of a target of trust”. Singh und Sirdeshmuk (2000) bieten folgende Definition von Wohlwollen: “When consumers perceive that the provider is motivated by a genuine concern to place their interests ahead of his or her manifest profit motive, the provider is thought to be benevolent”. “Benevolence is based on the qualities, intentions, and characteristics attributed to the focal partner that demonstrate a genuine concern and care for the partner through sacrifices that exceed a purely egocentric profit motive” (Ganesan und Hess 1997, S. 440). 15 der Versicherungsunternehmen. Merkwürdigerweise wird Wohlwollen in anderen Zusammenhängen, z.B. im Zusammenhang mit Vertragsabschluß oder Beratung, nicht erwähnt. Eine kulante, unkomplizierte und in vollem Umfang des Schadens ausgeführte Schadensregulierung der Unternehmen steht aus Sicht der Konsumenten für Wohlwollen. In Abgrenzung zur schon erläuterten Dimension Zuverlässigkeit, die z.B. einer schnellen Schadensbegleichung für den Versicherungsnehmer gleichkommt, bedeutet Wohlwollen auf Seiten des Versicherungsunternehmens oder –vertreters/-maklers, dass ein möglichst großer Teil des Schadens problemlos übernommen wird. Im Gegensatz zum eigenen Versicherungsunternehmen bescheinigen die Probanden der Branche kaum Wohlwollen: „Sie versuchen aber häufig, den Schadensfall oder die Zahlung entsprechend zu minimieren“ (VN4). Leistungsverweigerung wird klar als nicht wohlwollend gesehen. Der Service der Branche wird primär an der Beratungsqualität gemessen. Hier wird die oft thematisierte Vorenthaltung von Details in einem Beratungs- oder Abschlussgespräch sehr kritisiert (siehe Dimension Ehrlichkeit), da sie dem Vertreter/Makler oft als wissentlich und durchaus beabsichtigt unterstellt wird. Auch das Thema „Versicherungsbetrug“ initiiert von Versicherungen wird zwar von Versicherungsnehmern in der Situation als wohlwollend gesehen, hat aber auch den Nebeneffekt, dass dieses Verhalten zu einer hohen wahrgenommenen Unehrlichkeit in der Branche beiträgt („Stichwort Versicherungsbetrug: Da sind ja auch ganz einfache Sachbearbeiter oder auch Vertreter selbst mit daran beteiligt. Also dir wird ja sogar dazu geraten oder „Wir machen das dann einfach so", wird einem ja auch oft gesagt“ (VN2)). „Wohlwollend? Die wollen ja Geld verdienen. Dann ist es ja meistens nicht wohlwollend. Also ich sag mal so: Es wird sicherlich viele Versicherer geben, die viel Wert auf die Beziehung zum Kunden legen. Ich glaube aber nicht, dass das in der kompletten Branche so gelebt wird“ (VN2). 3.2.2.3. Ehrlichkeit Experten wie auch Versicherungsnehmer empfinden auch die Ehrlichkeit einer Branche als wichtigen Faktor, der zur Bildung kollektiven Vertrauens maßgeblich beiträgt9. Ehrlichkeit äußert sich für die Probanden hauptsächlich in einer ausführlichen Beratung, bei der auch keine Details ausgelassen werden („Ich hab so die Erfahrung gemacht, wenn man jetzt selber Geld sparen könnte beim Versicherungsbetrag, dann betuppen sie einen ja schon ganz gerne und versuchen dann Informationen vorzuenthalten“ (VN1); „Ihre Einschätzung zu dem Vertrauen ge9 Dies wurde in der wissenschaftlichen Literatur von diversen Autoren bestätigt (z.B. Swan et al. 1988; Hawes et al. 1989). Ehrlichkeit vermischt sich häufig mit Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit: „Perceived sincerity is the extent to which a researcher is perceived to be honest and to be someone who makes promises with the intention of fulfilling them” (Moorman et al. 1993, S. 84). 16 genüber der Branche? Teils, teils. Wie gesagt, jetzt hatte ich ja einmal die Erfahrung, dass mir Details vorenthalten wurden, zu meinem Nachteil. Also es nicht so ganz groß“ (VN1)) und in einer fairen und transparenten Kalkulation, sowohl der Beiträge („Ja und um das jetzt schöner zu rechnen, dann rechne ich für den Dachdecker einfach einen Bürojob. Und was passiert dann im Falle dessen. Sie waren ja als Bürokaufmann angegeben, tut mir leid, sie sind nicht versichert“ (Foku2)) als auch der Leistungen („Und das andere, was Dividenden bei Lebensversicherungen betrifft, halte ich für eine ganz wichtige Geschichte. Das heißt, viele Unternehmen machen da horrende Hochrechnungen, die gar nicht einzuhalten sind. Da wird was vorgegaukelt“ (E4)). Auch von Versicherungen initiierter Versicherungsbetrug (siehe Abschnitt 3.2.2.2 unten) wird zwar als wohlwollend gesehen, verstärkt aber bei Versicherungsnehmern den Eindruck einer gewissen Unehrlichkeit in der Branche. 3.2.2.4. Transparenz Obwohl Transparenz in der Vertrauensliteratur bisher nicht als Dimension des Vertrauens angeführt wird, wurde sie in jedem Interview erwähnt und scheint daher in der Versicherungsbranche für Konsumenten bedeutenden Einfluss zu besitzen. Transparenz wird auf vielfältige Weise bestimmt und wahrgenommen. Von besonderer Bedeutung scheinen dabei die Beratung und die Bereitstellung von Informationen im Vorfeld des Vertragsabschlusses zu sein. “Von meiner Seite würde ich mir aus Kundensicht wünschen, dass mal mehr Offenheit und Transparenz erzielt wird, die Produktvergleiche einfacher anzustellen sind, Mitarbeiter der Unternehmen so geschult werden, dass sie vernünftig beraten können“ (VN4). Ferner wird als Hauptkritikpunkt die mangelnde Transparenz bei der Gestaltung der Versicherungsverträge gesehen. Besonders komplizierte Formulierungen in den Verträgen, nicht durchschaubare Leistungen und unklare Kriterien für z.B. Schadensbewilligung sind für Konsumenten Grund zur Verwirrung: „Dass der Kunde häufig gar nicht so genau weiß, was so in seinen Versicherungsbedingungen steht. Das ist natürlich auch sehr schwierig“ (E2). Auch Kriterien für die Beitragsberechnung erscheinen intransparent (“Allerdings fehlt mir da die Transparenz, wie Tarife entstehen. Man gibt vorne das Geburtsjahr an, und hinten kommt eine tolle Kurve, genau auf mich zugeschnitten. Keiner weiß, wie dieser Verlauf zustande kommt, auch nicht der Berater“ (VN6)). Allgemein erschwert die komplexe Struktur der Branche und die uneinheitliche Gestaltung der Produkte (Anzahl, vermeintliche Ähnlichkeit) den Durchblick der Konsumenten: „Die Produkte sind ausgesprochen unübersichtlich. Man muss da wirklich mit viel Sachverstand dran gehen, um die Sachen zu verstehen“ (E2). Vertreter/Makler können die klar von den Pro- 17 banden artikulierte Unsicherheit durch eine qualifizierte Beratung nehmen, Unternehmen durch problemlose Regulierung. Die Versicherungsbranche wurde in den Interviews bis auf einzelne Expertenaussagen (E4, E5) als sehr intransparent geschildert und häufig negativ kommentiert -„VersicherungsWirrwarr“ (VN1). Die wahrgenommene Intransparenz der Versicherungsbranche sorgt dafür, dass der Versicherungsnehmer meint, vom Wohlwollen und der Zuverlässigkeit der Unternehmen und Vertreter/Makler abhängig zu sein („Paragrafenflut, Zusatzklauseln, wo man ja auch gar nicht durchblickt. Letzen Endes ist man ja auf Gedeih und Verderb der Beratung ausgeliefert, und wenn es mal zu einem Schadensfall kommt, auf die Kulanz. Die Auslegung.“ (VN2)). Folgend werden in der Abbildung 1 die Dimensionen des Branchenvertrauens und ihre Inhalte/ Themen aus den Interviews zusammenfassend dargestellt: Branchenvertrauen Zuverlässigkeit • • • • • • Schadensregulierung - Umfang Leistungsverzögerung - Schnell - Schadenshöhe Kündigung seitens Vers. Größe bei personenbez. Vers. Leistungskalkulation bei Kapital-Vers. Politische Rahmenbedingungen Ehrlichkeit • • Wohlwollen • • Schadensregulierung - Kulanz - Leistungsverweigerung - Details vorenthalten - Unkompliziert / schnell - Umfang Beratung - Details vorenthalten Leistungskalkulation bei Kapital-Vers. Beratung - Details vorenthalten Transparenz • • • • • • • Beratung Bereitstellung von Infos Verträge - Formulierung - Leistungen Kriterien für Beitragsberechnung Kriterien für Bewilligung Struktur der Produkte - Vermeintliche Ähnlichkeit - Anzahl Struktur der Branche Abbildung 1: Dimensionen des Branchenvertrauens 18 3.2.3. Unternehmen und Vertreter/Makler als separate Vertrauensobjekte des Branchenvertrauens Schon bei der ersten Betrachtung der Analyseergebnisse wird offensichtlich, dass Versicherungsunternehmen und Kontaktpersonen zum Versicherungsnehmer zwei von Konsumenten unterschiedlich wahrgenommene Objekte des Vertrauens darstellen. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich ebenfalls diese Unterteilung. Sirdeshmuk et al. (2002) z.B. unterscheiden die beiden Dimensionen “Vertrauen in die Managementpraktiken eines Unternehmens“ (Trust in Management Policies and Practices, MPP) und „Vertrauen in das Verhalten des KundenkontaktMitarbeiters“ (Trust in Front Line Employee behavior, FLE behavior) (Sirdeshmukh et al. 2002, S. 16f). Zu diesen Objekten bildet sich der Kunde möglicherweise unabhängige Urteile. „FLE evaluations are based on observed behaviors that are demonstrated during the service encounter, whereas MPP judgments are based on the policies and practices governing the exchange” (Sirdeshmukh et al. 2002, S. 17). Auch Doney und Cannon (1997) sehen diese klare Zweiteilung in „supplier firm“ und „salesperson“10. Diese Zweiteilung auf der relationalen Ebene lässt sich auf Basis der Daten auch auf die Branchenebene übertragen. Tabelle 5 zeigt die vier somit möglichen Ausprägungen, die sich alle in den Interviews wiederfinden lassen: Relationale Ebene Branchenebene Unternehmen Mein Versicherungsunternehmen Alle Versicherungsunternehmen Beispielzitate „Und zwar ist unsere Lampe im Wohnzim- „Da müsste bei den Versicherungen, obwohl mer geplatzt, auf den Tisch geknallt, Tisch natürlich schon Anstrengungen da sind, es kaputt und so weiter. Da bin ich zur Versi- müsste mehr Service geboten werden.“ (E1) cherung hin, Hausrat, habe denen das geschildert und dann haben die sich gedreht und gewendet, dass die das nicht bezahlen brauchten.“ (Foku1) Vertreter/Makler Mein Vertreter/Makler Beispielzitate Alle Vertreter/Makler „Da sind wir dann zum Versicherungs- „Muss man ganz klar sagen, dass bei vielen vertreter hingegangen, haben ihm das ge- [Vertretern] der Produktions- und der Provisischildert. Der hat gesagt, komm lass mal onsdruck logischerweise sehr groß ist.“ (E1) hier, ich schreibe euch die ganze Schadensmeldung komplett fertig, damit das dann auch wirklich bezahlt wird.“ (Foku1) Tabelle 5: Zitate zur Unterteilung der einzelnen Ebenen in Unternehmen und Vertreter/Makler Abbildung 2 visualisiert die Unterteilung in relationale Ebene und Branchenebene sowie in die Vertrauensobjekte innerhalb einer Ebene. Diese sind das Vertrauen in Unternehmen, Vertre- 10 Plank et al. (1999) integrieren als weiteres Betrachtungsobjekt das Produkt; sie differenzieren damit drei Vertrauenskomponenten: „salesperson trust“, „product trust“ und „company trust“10 (Plank et al. 1999, S. 62f). 19 ter/Makler, die Summe aller Unternehmen einer Branche und die Summe aller Vertreter/Makler. Es wird angenommen, dass sich die einzelnen Konstrukte sowohl innerhalb der Ebenen als auch zwischen den Ebenen beeinflussen. RELATIONALES VERTRAUEN BRANCHENVERTRAUEN Vertrauen in Unternehmen Vertrauen in Summe aller Unternehmen Vertrauen in Vertreter Vertrauen in Summe aller Vertreter Abbildung 2: Unternehmen vs. Vertreter/Makler, relationale vs. Branchenebene Sowohl zur Branchen- als auch zur relationalen Ebene wurden in der Erhebung gezielt Fragen gestellt. Um die einzelnen Facetten getrennt voneinander zu betrachten, wurden Textpassagen in den Interviews unterschiedlich kodiert, analysiert und dann miteinander verglichen. Wie auch schon zuvor erläutert, wussten Probanden viel Negatives über die Versicherungsbranche zu berichten (Vertreter/Makler und Unternehmen), hatten aber für ihr eigenes Unternehmen und ihren Vertreter/Makler häufig auch Lob auszusprechen. Auffällig ist, dass die überwiegende Mehrheit der befragten Versicherungsnehmer zu ihrem Vertreter/Makler ein sehr persönliches Verhältnis haben, meist schon vor ihrer geschäftlichen Verbindung, und dies als sehr bedeutsam empfinden. Oft sind Vertreter/Makler vertraute Verwandte, Freunde oder Bekannte und das Versicherungsunternehmen ist zweitrangig („Hat man mehr Vertrauen zu. Wenn ich jemanden kenne, vertraue ich dem ja eher als einem Fremden“ (Foku1)). Ebenfalls fiel auf, dass vor allem bei Sachversicherungen der Vertreter/Makler wichtig ist, in dem Falle sogar bedeutungsvoller als das Unternehmen: „Das ist also wirklich ein Verhältnis zwischen den beiden [Versicherungsnehmer und Vertreter]. Und das ist das, was für den Kunden in dem Moment wichtig ist. Das ist nicht wichtig, wo der Herr dann ist. Wenn der gut im Verkauf und der Betreuung ist, wenn der seinen Kunden kennt und sich um ihn bemüht, dann ist es nicht mehr so wichtig, bei wem er ist. Also bei welcher Versicherung“ (E2). 20 3.2.4. Dimensionen des Vertretervertrauens auf Branchenebene und relationaler Ebene Wie schon im vorherigen Abschnitt erläutert, stellen Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreter/-makler in der Wahrnehmung der Konsumenten separate Vertrauensobjekte dar, die auch auf unterschiedlichen Vertrauensdimensionen zu beobachten sind. Auf Branchenebene wird die Vertrauensbildung in den Vertreter/Makler logischerweise primär vom Auftreten derselben beeinflusst. Das Auftreten der Vertreter/Makler umfasst die vier Unterpunkte Verkaufsorientierung, Kompetenz, Sympathie und Beratung. Diese „Attribute“ des Vertreters/Maklers bewertet der Konsument wiederum auf Grund verschiedener Indizien. Verkaufsorientierung beinhaltet beispielsweise den vom Konsumenten wahrgenommenen Provisionsdruck des Vertreters/Maklers und die Besuchsfrequenz. Hierbei meint der Konsument genau zu wissen, dass sich Provisionsdruck seitens der Vertreter/Makler äußert („Sie werden bezahlt über Provisionen und Abschlusszahlen. Irgendwann kommt der Außendienstmitarbeiter zu einem Punkt, wo es um seine Existenz geht. Dann heißt es nur noch: Hauptsache verkaufen“ (VN6)) und auch die Experten bestätigen dies: „Der Kunde merkt ganz klipp und klar, wenn der Vertreter verkaufen muss“ (E1). Kompetenz spiegelt sich in Verkaufs- und Sachkompetenz wider. Sympathie und Antipathie sind ebenfalls häufig genannte Kriterien, anhand derer Konsumenten Versicherungsvertreter/-makler beurteilen: „Man hat halt das Gefühl, es ist ihnen wichtiger das Geschäft zu machen als die Person selber. Nicht bei allen, aber bei vielen. Und sie sind oft unsympathisch. Ich mag die dann nicht so leiden“ (VN1). Der Punkt Beratung wird mit Hilfe der Kriterien Dauer, individuelle vs. pauschale Beratung und wahrgenommener Qualität eingeschätzt. Neben dem Auftreten spielt die Ehrlichkeit eine Rolle. Hier wird allgemein angenommen, dass diese auf Grund der oft für mangelhaft und lückenhaft gehaltenen Beratung nicht sehr hoch ist: „Es gibt sicher gute und ehrliche Menschen, die Versicherungen verkaufen und die auch offen über Vor- und Nachteile eines Produktes sprechen, aber auch glaube ich, dass die meisten Verkäufer sind und sagen: ich möchte meine Provision und Hauptsache, der Kunden hat gekauft“ (VN4). Auf relationaler Ebene erscheint das Auftreten des eigenen Vertreters/Maklers zwar noch als Dimension, nimmt aber längst nicht so viel Bedeutung ein wie auf Branchenebene. Ehrlichkeit taucht auch hier als wichtige Dimension auf. Indizien für einen ehrlichen Versicherungsvertreter/-makler sind beispielsweise der Hinweis auf Überversicherung in einer Beratung („Und dass dann meinetwegen derjenige sagt, hör mal zu, nicht so viel, das reicht dir schon. Das finde ich macht die Kompetenz dann auch aus. Dann würde er ja auf Provision verzichten. Das macht einen schon ehrlicher in dem Moment und auch vertrauter“ (Foku1)), eine angemessene Be21 suchsfrequenz (nicht zu hoch), und eine offene Beitrags- und Leistungskalkulation („Habe das zu Haus noch mal durchgerechnet und habe gesehen, dass die Tarifkürzungen nur auf Grund von Leistungskürzungen basierten. Wenn ich die Leistungen wieder draufgerechnet habe, war es genau derselbe Tarif. Und dafür ruft der mich an und sagt, er hat was Günstigeres. Ich war so sauer, dass ich ihm das hinterher auch gesagt hab. Das geht ja nun nicht, dass ich da extra antanze.“ (Foku2)). Als dritte (ebeneneigene) Dimension wird Wohlwollen identifiziert. Dies zeigt sich wiederum in einer Beratung, in der auf Überversicherung und Details des Versicherungsvertrages hingewiesen wird, offener Beitragskalkulation und kulanter bzw. stark unterstützter Schadensregulierung („Ich habe auch verschiedene Situationen in meinem Elternhaus erlebt, wo was [zu unseren Gunsten] gedeichselt wird“ (VN1)). 3.2.5. Sachversicherungen vs. Kapitalversicherungen Bei der Analyse verdeutlichte sich, dass bei der Vertrauensbildung eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Versicherungsprodukten notwendig ist. Grob lassen sich die Aussagen der Befragten in zwei Arten von Versicherungsprodukten einteilen. Zum einen wurden die Schaden- und Unfallversicherungen genannt, wie z.B. Sach-, KFZ- und Haftpflichtversicherungen, zum anderen bezogen sich die Aussagen auf Kapitalversicherungen, bei denen monatlich ein bestimmter Geldbetrag zu Ersparniszwecken eingezahlt wird (Lebensversicherungen, Rentenversicherungen). Allgemein fällt auf, dass die Probanden bei Fragen bezüglich der Versicherungsbranche oft primär an Kapitalversicherungen, bei Fragen zum eigenen Unternehmen jedoch an Sachversicherungen denken. Dies scheint auch plausibel, da einerseits Branchenvertrauen von Medienberichten geprägt wird, andererseits nicht jeder eine Kapitalversicherung abgeschlossen hat (obwohl jeder Befragte Erfahrungen mit beiden Versicherungstypen besitzt). Relationales Vertrauen hingegen wird durch die eigene Beziehung zum Unternehmen geformt, die mit jedem Kontakt intensiviert wird. Bei Sachversicherungen ist eine höhere Kontaktfrequenz und somit eine engere Beziehung durch gelegentliche Schäden etc. eher gegeben. Zudem besitzt nahezu jeder Erwachsene eine solche Versicherung. Offensichtlich sprechen Versicherungsnehmer deshalb bei Fragen nach der eigenen Versicherung eher über Sachversicherungen. Probanden führen ihr Vertrauen bei Kapitalversicherungen auf den Ruf des Anbieterunternehmens zurück: „Es läuft aber auch viel über den Namen an sich. Also es gibt Leute, das merke ich auch in meinem täglichen Geschäft, die gucken auf den Namen. Die schauen nicht unbedingt immer auf das Produkt, sondern die gucken auf den Berater, auf den Vertreter und auf den Namen des Unternehmens“ (Foku2). Das Vertrauensverhältnis zum Vertreter/Makler nach Abschluss der Versicherung wird als eher unwichtig gesehen. Bei Sachversicherungen hingegen 22 steht das persönliche Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Vertreter/Makler im Vordergrund, das eigentliche Versicherungsunternehmen ist oft nebensächlich („Wenn der gut im Verkauf und der Betreuung ist, wenn der seinen Kunden kennt und sich um ihn bemüht, dann ist es nicht mehr so wichtig, bei wem er ist. Also bei welcher Versicherung“ (E2)). Während bei Kapitalversicherungen die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit bei der Leistungskalkulation für wichtig erachtet wird, liegt bei Sachversicherungen der Schwerpunkt auf der Zuverlässigkeit und dem Wohlwollen bezüglich der Schadensregulierung. Ein weiterer Unterschied zwischen den Versicherungstypen betrifft die Informationssuche und das Entscheidungsverhalten. Bei Kapitalversicherungen vergleichen die Befragten deutlich intensiver und ziehen unabhängige Informationsquellen (z.B. Stiftung Warentest, Capital) zu Rate. Bei Sachversicherungen scheint der Preis wichtiger als das Versicherungsprodukt an sich zu sein. Dies mag eine Konsequenz der wahrgenommenen und kaum zu überwindenden Intransparenz sein, vor der die Konsumenten kapitulieren und als letztes Entscheidungskriterium den Preis sehen. 3.2.6. Aggregiertes Modell der verschiedenen Vertrauensebenen In Abbildung 3 werden noch einmal die Ergebnisse der Interviewanalyse aggregiert abgebildet. Die identifizierten Dimensionen veranschaulichen zusätzlich ihre inhaltlichen Schwerpunkte. Die verschiedenen Ebenen (Branchen-, relationales sowie Vertretervertrauen) sind mit Symbolen gekennzeichnet, ebenso die Hinweise auf die Versicherungsarten (siehe Abschnitt 3.2.5). PV = Personenbezogene Versicherungen Ehrlichkeit SV = Sachversicherungen S Leistungskalkulation (PV) z Gutes Preisleistungsverhältnis S z Schadensregulierung S Beratung Vertrauen Besuchsfrequenz Beitragskalkulation Wohlwollen (SV) S in Branche S Service z in eigene Versicherung S Beratung in Vertreter Zuverlässigkeit Transparenz S z Schadensregulierung (SV) S Beratung S z Bereitstellung von Infos S z Kriterien für Bewilligung Auftreten Vertreter Verkaufsorientierung S Verträge Kompetenz S Kriterien für Sympathie/Antipathie Beitragsberechnung S Struktur der Branche S Struktur der Produkte Beratung Beziehungsdauer S z Kündigung seitens Versicherung z Preis Produkt / S Größe Unternehmen (PV) S Leistungskalkulation (PV) S Politische Rahmenbedingungen Abbildung 3: Vertrauen in Branche, eigene Versicherung und Vertreter/Makler 23 Nach der Analyse der explorativ aus allen Interviews entwickelten Kategorien und ihren Inhalten zeichnen sich fünf Themenbereiche ab, die für die Probanden sehr eng mit der Vertrauensbildung in eine Branche, eine Versicherung sowie Vertreter/Makler verbunden scheinen und in den vorherigen Abschnitten näher untersucht wurden. Die Befragten berichteten häufig von vermeintlich wahrgenommenen Verhaltensweisen in der Versicherungsbranche, die sich generell den Oberbegriffen Zuverlässigkeit, Wohlwollen, Ehrlichkeit, Transparenz und Auftreten Vertreter/Makler zuordnen lassen. Die Dimension Transparenz konnte exklusiv für die Branche identifiziert werden. Das Auftreten der Vertreter/Makler schien lediglich für das Vertrauensobjekt Vertreter/Makler relevant zu sein. Häufig überschnitten sich Bereiche. Auffällig war zudem eine differenzierte Betrachtung der Branche hinsichtlich Sach- und Kapitalversicherungen. 4 Fazit und Implikationen Auf Basis der zuvor in Abschnitt 3.2 vorgestellten Untersuchungsergebnisse können in wissenschaftlicher Hinsicht einige Schlüsse für die Vertrauensforschung gezogen werden. Ebenso bietet die vorliegende Studie Ansatzpunkte für Praxis-Implikationen. Das Vertrauen des Konsumenten in eine Branche muss als eigenständiges und vom Vertrauenskonstrukt auf relationaler Ebene losgelöstes Konstrukt gesehen werden (siehe Abschnitt 3.2.1). Die Definition des kollektiven Konsumentenvertrauens (Shapiro 1987) trifft die Bedeutung des Begriffs Branchenvertrauen nur in der Hinsicht, dass damit Befugnisse auf die Branche bzw. auf einen Vertreter/Makler der Branche übertragen werden, in denen sich die Verwundbarkeit und die Unsicherheit des Konsumenten widerspiegelt. Die Analyse der qualitativen Befragungen hat jedoch ergeben, dass sich das Branchenvertrauen aus insgesamt vier verschiedenen Dimensionen zusammensetzt (siehe Abschnitt 3.2.2). Diese lauten Zuverlässigkeit, Wohlwollen, Ehrlichkeit und Transparenz. Während die Zuverlässigkeit, das Wohlwollen und die Ehrlichkeit in einer Vielzahl von Arbeiten zum relationalen Vertrauen genannt wurden und nun für das Branchenvertrauen in dieser Studie bestätigt werden können, hat sich mit der Transparenz eine neue Dimension gebildet. Obwohl in der Literatur der Begriff der Transparenz durchaus auch thematisiert wird, wurde sie im Zusammenhang mit Vertrauen bisher aber von wissenschaftlicher Seite eher vernachlässigt. Die Praxis hat jedoch längst erkannt, dass Transparenz für die Konsumenten bedeutsam ist. Urban (2004) vertritt die Auffassung, dass Transparenz für Unternehmen einen von acht Faktoren darstellt, vertrauensvolle Beziehungen zu entwickeln und „trustworthy in the eyes of its customers“ zu werden (Urban 2004, S. 79). Auch Scott plädiert für einen gewissen „spirit of 24 transparency“, um öffentliches Vertrauen zu stärken (Scott 2004, S. 47). Trotzdem ist über die Einflüsse von Transparenz auf andere Konstrukte noch wenig nachgewiesen. Eggert und Helm (2003) belegen empirisch, dass „vendor transparency“11 einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene Wertschätzung des Kunden („customer-perceived value“) und die Kundenzufriedenheit hat (Eggert und Helm 2003). Abbildung 4 zeigt die Zugehörigkeit der Transparenz und der bereits erwähnten anderen Dimensionen zu den beiden Betrachtungsebenen. Unternehmen Zuverlässigkeit Ehrlichkeit Wohlwollen Transparenz Branchenvertrauen Vertreter Relationales Vertrauen Unternehmen Vertreter Auftreten Ehrlichkeit Zuverlässigkeit Wohlwollen Ehrlichkeit Wohlwollen Auftreten Abbildung 4: Struktur und Inhalte von Branchenvertrauen vs. relationales Vertrauen Wie aus Abbildung 4 ersichtlich, zeigen die Ergebnisse zudem, dass Konsumenten/Versicherungsnehmer sowohl auf relationaler als auch auf Branchenebene zwischen den Vertrauensobjekten Versicherungsunternehmen und Vertreter/Makler klar unterscheiden (siehe Abschnitt 3.2.3). Somit kann die in der Literatur zitierte Zweiteilung anhand der Untersuchungsergebnisse auf die Branchenebene übertragen werden. Zusätzlich wurden Dimensionen des Vertretervertrauens sowohl auf relationaler Ebene als auch im Branchenzusammenhang identifiziert (siehe Abschnitt 3.2.4). Eine weitere Erkenntnis bezieht sich auf die Art des betrachteten Versicherungsprodukts. Der Vertreter/Makler genießt bei Sachversicherungen eine besondere Bedeutung, da hier der persönliche Kontakt eine entscheidende Facette für das Vertrauen ausmacht. Im Hinblick auf Kapitalversicherungen steht hingegen das Unternehmen im Vordergrund (siehe Abschnitt 3.2.5). Für die Versicherungsbranche haben die Ergebnisse auch eine praktische Relevanz. So ist von Interesse, ob das Konstrukt des Branchenvertrauens für das einzelne Unternehmen berücksichtigt werden sollte. Ein Einfluss des Branchenvertrauens ist z.B. während der Informationssuche vor einem Kauf oder auch für die Kundenbindung in der Nachkaufphase denkbar. Bei hohem Bran11 Eggert und Helm (2003) unterteilen Transparenz („relationship transparency“) in Verkäufer- („vendor“), Prozess(„process“) und Kundentransparenz („customer transparency“). 25 chenvertrauen fällt die Entscheidung für ein Unternehmen leichter, da diesem von vornherein ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Wohlwollen und Transparenz zugesprochen wird. Kundenbefragungen sollten demnach das Branchenvertrauen mit einbeziehen, um je nach Vertrauensniveau bedürfnisgerecht Informationen bereitzustellen oder auch Kundenbindungsmaßnahmen einzuleiten. Des weiteren wurde in der Studie die Bedeutung des Vertreters/Maklers für die Vertrauensbildung festgestellt. Besonders im Bereich der Sachversicherungen stützt sich das Vertrauen der Versicherungsnehmer auf den persönlichen Kontakt. In dem Zusammenhang wird das Auftreten der Versicherungsvertreter/-makler auf Branchenebene von Versicherungsnehmern als primärer Indikator für Vertrauen wahrgenommen. Geeignete Schulungsmaßnahmen zum vertrauenswürdigen Auftreten und das Training der Anpassung an eine jeweilige Verkaufssituation helfen somit, langfristig eine Vertrauensbeziehung zum Kunden aufzubauen. 5 Ausblick Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit leisten einen Beitrag zur Erforschung und wissenschaftlichen Fundierung des Konstrukts des Konsumentenvertrauens in eine Branche. Ausgehend von den diskutierten Erkenntnissen gibt es eine Reihe an Fragestellungen und Aufgaben, die weiterer Ausarbeitung bedürfen. Ein erster Punkt ist die Entwicklung einer validen und reliablen Skala zur Messung des Branchenvertrauens, welche gegenüber dem relationalen Vertrauen Diskriminanzvalidität aufweist. Items können auf Basis der identifizierten Dimensionen und ihren Inhalten formuliert werden. Besonderes Augenmerk ist hier auf die „neue“ Dimension Transparenz zu legen. Mit Hilfe der entwickelten Skala ist es möglich, eventuelle Beziehungen zwischen der relationalen und der Brachenebene, wie sie in den Interviews angedeutet wurden, zu bestätigen, zu quantifizieren und generalisieren. Zudem sollte untersucht werden, inwieweit die vorgeschlagene Trennung zwischen Vertreter/Makler und Unternehmen, wie es bereits auf relationalen Ebene geschehen ist, auch für die Branchenebene vorliegt. Die vorliegende Untersuchung bezog sich mit dem Untersuchungsobjekt der Versicherungsbranche auf einen einzelnen Wirtschaftsbereich. Es ist möglich, dass sich identifizierte Dimensionen aufgrund der Eigenheiten der Struktur der Versicherungswirtschaft und der angebotenen Produkte nicht eins zu eins auf andere Branchen transferieren lassen. Daher gilt es, das Branchenvertrauen für weitere Branchen zu erfassen, um die hier gewonnenen Erkenntnisse zu festigen bzw. zu erweitern. Diese Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes betrifft zudem nicht nur Märkte, in denen Endverbraucher angesprochen werden, sondern auch Industriegütermärkte. 26 Gerade hier vermag das Vertrauen möglicherweise Marktprozesse zu vereinfachen, indem Informationsasymmetrien überwunden und Transaktionskosten gesenkt werden. 27 Literaturverzeichnis Bazeley, Patricia und Lyn Richards (2000), The NVivo Qualitative Project Book. London, Thousand Oaks, New Delhi: SAGE. Bittl, Andreas (1998), "Image und Vertrauen als zukünftige Erfolgsfaktoren in der Assekuranz", Versicherungswirtschaft, Nr. 10, 662-667. Crosby, Lawrence A., Kenneth R. Evans, und Deborah Cowles (1990), "Relationship Quality in Services Selling: An Interpersonal Influence Perspective", Journal of Marketing, Jg. 54, Nr. July, 68-81. Deutsch, Morton (1958), "Trust and suspicion", Journal of Conflict Resolution, Jg. 4, Nr. 2, 265279. Devries, Jan (1997), "Verbraucher und Verantwortung", Zukünfte, Nr. 20, 30. 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