ISSN 0943-3341 Jahrgang 14 März 2009 JATROS Sonderpublikation 2009 Das Fachmedium für Herz-Kreislauf-Erkrankungen Kardiologie & Gefäßmedizin Herzinsuffizienz und metabolische Störungen – eine gefährliche Allianz?“ IMPRESSUM: Herausgeber: Mag. Wolfgang Chlud. Verlag: Universimed Verlags- und Service GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 8, 1150 Wien. Telefon: 01/876 79 56. Fax: 01/876 79 56-20. Geschäftsführung: Mag. Wolfgang Chlud. Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer. Graphik & Layout: Mag. Walter Rehucek. Lektorat: Daphne Mark. Produktion: Renée Boyer. Gerichtsstand: Wien. Druck: Bernsteiner Druckservice, 1220 Wien. Fotonachweis: Archiv. Publikation im Auftrag der Firma Abbott Ges.m.b.H. Entgeltliche Information lt. § 26 Mediengesetz. Verlags- und Service GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 8, 1150 Wien ■ www.universimed.com JATROS G. Pölzl | sonderpublikation Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009 M. Frick Das 3. Innsbrucker Konsensusmeeting Herzinsuffizienz am 29.11.2008 stand unter dem Motto „Herzinsuffizienz und metabolische Störungen: eine gefährliche Allianz?“. Wie schon im Vorjahr haben wir uns auch heuer wieder entschlossen, die Referate in Form einer Sonderbeilage zu JATROS Kardiologie und Gefäßmedizin zusammenzufassen. In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass Herzinsuffizienz nicht als isolierte Organerkrankung sondern als komplexes Syndrom zu verstehen und zu behandeln ist. Metabolische Störungen und Ernährungsstörungen spielen sowohl bei der Entstehung wie auch im Verlauf der Herzinsuffizienz eine Rolle. Damit kommt ihnen in der Prophylaxe und in Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! der Therapie der Erkrankung ein besonderer Stellenwert zu. Umgekehrt beeinflusst die Herzinsuffizienz das Management dieser Erkrankungen in mehrfacher Hinsicht. Herzinsuffizienz ist demnach keine Domäne eines ausschließlichen Organspezialisten, sondern erfordert häufig eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wir haben versucht, der Komplexität dieser Zusammenhänge bei der Zusammenstellung der Vorträge und bei der Auswahl der Referenten gerecht zu werden. Entsprechend wird die ursächliche Bedeutung des Diabetes mellitus an der Entwicklung von Herzmuskelerkrankungen und des Syndroms der Herzinsuffizienz sowie spezielle Aspekte in der Behandlung des Diabetes bei Herzinsuffizienz von Diabetologen besprochen. Im Weitern wird auf die besondere Rolle des Cholesterins und die kontroversielle Diskussion der Therapie der Hypercholesterinämie sowie der Hyperurikämie eingegangen. Im letzten Abstrakt wird die Bedeutung von Ernährungsstörungen im Zusammenhang mit der Herzinsuffizienz diskutiert. Wir würden uns freuen, wenn dieser Überblick nicht nur das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge der aufgezeigten Erkrankungen fördert, sondern auch die Notwendigkeit für eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit im Management der Herzinsuffizienz unterstreicht. Gerhard Pölzl Matthias Frick AG Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft www.herzvital.at universimed.com 3 I JATROS Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009 Diabetes und Herzinsuffizienz Eigenständige Erkrankung oder Folge des Risikoprofils? M. Clodi, Wien Die heutigen Daten belegen klar die Zusammenhänge zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz. Essenziell für die Interaktion der beiden Krankheitsbilder sind die durch den Diabetes gesteigerte Progredienz der Atherosklerose sowie die strukturellen Veränderungen des Myokards. Es sollte daher bei Patienten mit Herzinsuffizienz ein oraler Glukosetoleranztest zur Bestimmung der Stoffwechselsituation und bei Patienten mit Diabetes mellitus eine NT-proBNP-Bestimmung durchgeführt werden. Anschließend ist eine interdisziplinäre (Diabetologie/Kardiologie) therapeutische Intervention – medikamentöser Natur – notwendig. © UNIVERSIMED ® Diabetes mellitus gilt in klinischen Stu- tende Veränderungen im Herzmuskel. hängig von koronarer Herzkrankheit dien als unabhängiger Risikofaktor für Für einige pathologisch veränderte, in- (KHK) an der Entstehung der diabeHerzinsuffizienz. Umgekehrt ist Herzin- trazelluläre Mechanismen konnte dies tischen Herzinsuffizienz beteiligt sind. suffizienz ein unabhängiger Risikofaktor nachgewiesen werden: Bildung von Ad- Faktoren, die bei Diabetes mit dem Grad für Diabetes. Mehr als 10% der Diabe- vanced Glycation End Products (AGEs), der Herzinsuffizienz korrelieren, sind: tespatienten leiden an einer manifesten Polyol-Stoffwechsel, Aktivierung der Pro- 1. HbA1c: Eine HbA1c-Erhöhung um Herzinsuffizienz. Etwa 30% der Pati- teinkinase C und oxidativer Stress. 3, 4 1% erhöht das Risiko um 12%. enten mit Herzinsuffizienz sind gleich- Generell ist die Effizienz der Energieer- 2. Diabetesdauer zeitig an Diabetes mellitus erkrankt. Eine zeugung und Utilisation im Myokard bei 3. Kormorbidität: koronare HerzkrankUntersuchung an 44.000 Patienten mit Hyperglykämie herabgesetzt. Kommt es heit, Hypertonie idiopathischer Herzinsuffizienz konnte zusätzlich zu einem strukturellen Scha- 4. zusätzliche Nierenerkrankung zeigen, dass Diabetes mellitus das Risiko, den am Herzmuskel, so bewirkt die In- 5. BMI eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, um sulinresistenz eine Steigerung der ineffi- 6. Alter das 2,5-fache erhöht. zienten Metabolisierung freier FettsäuFolgende Risikofaktoren gelten für die ren. Abbildung 1 zeigt weitere wichtige Atherosklerose als Bindeglied Entstehung einer Herzinsuffizienz bei pathologische Veränderungen, die unabDiabetes mellitus als gesiDie Atherosklerose stellt ein chert: Hypertonie, koronare essenzielles Bindeglied zwiDiabetische Herzinsuffizienz Herzkrankheit, kardiovaskuschen Diabetes und Herzinläre autonome diabetische suffizienz dar. Atherosklerostrukturelle Neuropathie (KADN), Hytisch bedingte HerzerkranEffekte durch Veränderungen: perglykämie und Hyperinsukungen gehören zu den FFA ↑, IR myokardiale Fibrose linämie.1 Die kardiovaskuläre Haupttodesursachen von PaMatrixveränderungen autonome diabetische Neurotienten, die an Diabetes melpathie bewirkt eine reduzierte litus erkrankt sind. Diabetes diabetisches Herz Herzfrequenzvariabilität mit ist ein unabhängiger RisikoRuhetachykardie (Vagusläfaktor für koronare Herzsion) und fixierter Herzfrekrankheit und erhöht die kardiale autonome Mikroangiopathie, quenz.2 Neben Hypertonie, Wahrscheinlichkeit, an einer diabetische endotheliale Dysfunktion Neuropathie KHK, kardiovaskulärer autoKHK zu erkranken, um das nomer diabetischer Neuropa2- bis 4-fache. Weiters erhöht thie bewirkt die bestehende Abb. 1: Pathologische Veränderungen, die unabhängig von KHK an der das Vorliegen eines metaboHyperglykämie ebenso bedeu- Entstehung der diabetischen Herzinsuffizienz beteiligt sind lischen Syndroms die PrävaI 4 universimed.com | sonderpublikation © UNIVERSIMED ® Insulinsensitivität (1,82 min-1 . U . ml-1 . 104) 7 6 5 4 3 2 60 diastolische Dysfunktion systolische Dysfunktion 40 20 1 0 80 © UNIVERSIMED ® Diastolische/systolische Dysfunktion Xxxxxxxxxxx Insulinsensitivität Kontrollen NYHA I NYHA II NYHA III NYHA IV Quelle: Doehner et al, J Am Coll Cardiol 2005 Abb. 2: Die Insulinsensitivität nimmt mit der Verschlechterung der Herzinsuffizienz ab lenz der subklinischen kardiovaskulären Erkrankung signifikant. Umgekehrt korreliert die Zahl der stenosierten Koronararterien mit dem Grad der Insulinresistenz bei noch normaler Glukosetoleranz. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist bei Patienten mit Diabetes gleich hoch wie bei normoglykämischen Patienten, die bereits einen Herzinfarkt in der Anamnese aufweisen.5 Ist die Grunderkrankung kardialer Natur, so steigert dies die Inzidenz von Störungen des Glukosemetabolismus. Prof. Wascher und Kollegen untersuchten daher Patienten, die sich einer elektiven Koronarangiographie unterzogen, mithilfe eines oGTT.6 In diesem Setting waren insgesamt 63% der Patienten an Diabetes mellitus oder gestörter Glukosetoleranz erkrankt. Daher sollte bei kardial kranken Patienten ein oGTT zum Ausschluss einer Glukosestoffwechselstörung durchgeführt werden. Diese Daten decken sich mit den Ergebnissen einer Studie aus unserer Arbeitsgruppe. In einem Patientenkollektiv der Herzinsuffizienzambulanz (Kardiologische Universitätsklinik; Prof. Pacher, Prof. Hülsmann) lag die Prävalenz der Insulinresistenz bei 97%. Darüber hinaus korrelierten in diesem Kollektiv die Biomarker HbA1c und NTproBNP miteinander.7 Generell kann davon ausgegangen werden, dass mit der klinischen Verschlechterung der Herzinsuffizienz auch die Insulinsensitivität abnimmt (Abb. 2). Ein weiterer wichtiger Aspekt der diabetischen Herzinsuffizienz ist die diastolische Dysfunktion. Die Prävalenz der diastolischen Dysfunktion bei an Diabetes erkrankten Patienten ist dramatisch universimed.com 0 2 5 10 15 20 25 Abb. 3: Diastolische und systolische Dysfunktion in Abhängigkeit von der Diabetesdauer hoch. So leiden bereits nach etwa 15 Jahren Diabetesdauer bis zu 80% der Patienten an einer diastolischen Dysfunktion (Abb. 3). Daher rückt in letzter Zeit die diastolische Dysfunktion bzw. die diastolische Herzinsuffizienz immer mehr in den Vordergrund. Aktuelle Daten belegen, dass die Überlebensrate bei Vorliegen einer isolierten diastolischen Dysfunktion ähnlich gering wie bei reduzierter linksventrikulärer Funktion ist. NT-proBNP korreliert mit Grad der Herzinsuffizienz Um den Zusammenhang zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz genau zu evaluieren, führen wir in unserer Diabetesambulanz gemeinsam mit der Univ.-Klinik für Kardiologie (Prof. Pacher, Prof. Hülsmann) ein NT-proBNP-Register. BNP, das aktive Hormon von proBNP, wird bei Herzinsuffizienz nach Dehnungsreizen freigesetzt und steuert der Volumenbelastung vasodilatatorisch und natriuretisch entgegen. Als Konsequenz wird Volumen ausgeschieden und zusätzlich bewegt sich die Blut/Flüssigkeitssäule leichter. BNP und sein mit einer längeren Halbwertszeit versehenes Spaltprodukt NT-proBNP korrelieren sehr gut mit dem Grad der Herzinsuffizienz und sind dabei aussagekräftiger als ein Herz-Echo (zumindest in unseren Daten). Mithilfe des NT-proBNP können kardiovaskuläre Ereignisse innerhalb eines kürzeren Zeitraums präzise vorhergesagt werden. Unseren Daten zufolge lag der negative prädiktive Wert eines normalen NT-proBNP-Spiegels (<125pg/ml) für die Vorhersage kardio- vaskulärer Ereignisse bei 98%. 8 Daher ist die Bestimmung von NT-proBNP generell bei Diabetespatienten mit gesteigertem kardiovaskulärem Risiko zu empfehlen. Aus therapeutischer Sicht sind alle für Herzinsuffizienz zugelassenen Medikamente auch beim Diabetiker nicht kontraindiziert. Referenzen: 1 Marwick TH: Diabetic heart disease. Heart 2006; 92(3): 296-300 2 Vinik AI, Ziegler D: Diabetic cardiovascular autonomic neuropathy. Circulation 2007; 115(3): 38797 3 Boudina S, Abel ED: Diabetic cardiomyopathy revisited. Circulation 2007; 115(25): 3213-23 4 Poornima IG et al: Diabetic cardiomyopathy: the search for a unifying hypothesis. Circ Res 2006; 98(5): 596-605 5 Schramm TK et al: Diabetes patients requiring glucose-lowering therapy and nondiabetics with a prior myocardial infarction carry the same cardiovascular risk: a population study of 3,3 million people. Circulation 2008; 117(15): 1945-54 6 Saely CH et al: Key role of postchallenge hyperglycemia for the presence and extent of coronary atherosclerosis: An angiographic study. 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Entsprechend den Daten der Framingham-Studie beträgt diese Risikozunahme das 2,4-Fache bei Männern und das 5,1-Fache bei Frauen. Darüber hinaus ist die Mortalität bei Herzinsuffizienz bei diabetischen gegenüber nicht diabetischen Patienten erhöht.1 Diese Zunahme des Mortalitätsrisikos bei Herzinsuffizienz besteht bereits bei einem metabolischen Syndrom und damit vor der Diagnose des Diabetes mellitus. Die Entwicklung der Herzinsuffizienz bei den Ergebnissen der UKPDS, eine Re- ckerkontrolle (glykämisches GedächtDiabetes mellitus wird durch komplexe duktion des Herzinsuffizienzrisikos um nis), nicht jedoch auf die antihypertenpathophysiologische Mechanismen be- 16% (Abb.).4 In der kürzlich publizierten sive Therapie. günstigt wie die koronare Herzerkran- Langzeitanalyse der UKPDS-Daten fand Die kürzlich präsentierten Ergebnisse der kung, die autonome diabetische Neuro- sich ein anhaltend günstiger Effekt der VADT-Studie, die rund 1.700 ältere Typpathie sowie die nicht enzymatische verbesserten glykämischen Kontrolle 2-Diabetiker mit lang dauerndem Typ-2Glykierung von Proteinen und die Zu- auch Jahre nach Beendigung der thera- Diabetes inkludierte, zeigte auf, dass bei nahme oxidativer Stressmechanismen in- peutischen Interventionen im Rahmen einer umfassenden Betreuung kein Unterfolge der Hyperglykämie. Die Ergebnisse der Studie.5 Dieser nachhaltige Effekt schied in den primären Endpunkte (Myoder UKPDS zeigen, dass eine schlechtere fand sich nur in Bezug auf die Blutzu- kardinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer glykämische Kontrolle mit einer Tod, Revaskularisation, AmputaZunahme des HbA1c-Wertes tion) zwischen der intensivierten Inzidenz* der Herzinsuffizienz bei DM2 um 1% zu einer Erhöhung des antiglykämischen Therapie mit Erstes Zweites Längere Herzinsuffizienzrisikos um 8% einem HbA1c-Wert von 6,9% Therapie Gesamt Jahr Jahr Dauer führt.2 Als weitere Risikofakund der Standardtherapie mit toren für die Entwicklung einer einem HbA1c-Wert von 8,4% Ohne Medikamente 6,8 14,7 34,4 18,5 Herzinsuffizienz beim Diabetizu beobachten war.6 Insulin 14,2 7,6 15,6 14,1 ker gelten das Alter der PatiIn der ACCORD-Studie unenten, die Dauer des Diabetes ter Einschluss von über 10.000 Sulfonylharnstoffe 32,7 20,5 26,0 26,6 mellitus, die Insulintherapie, Typ-2-Diabetikern war im inhypertone Blutdruckwerte, das tensivierten Behandlungsarm mit Metformin 20,6 15,9 19,2 18,8 Vorliegen einer koronaren Herzeinem HbA1c-Zielwert von unInsulin 35,8 0 27,7 24,3 erkrankung und eine eingeter 6% die kardiovaskuläre und Kombination schränkte Nierenfunktion.2, 3 die Gesamtmortalität gegenüber OAD Kombination 15,8 18,6 19,3 18,7 der Standardtherapie mit einem Die glykämische Kontrolle HbA1c-Wert von 7,5% sogar erGesamt 15,3 16,6 27,0 20,8 höht. Als mögliche Erklärung * Inzidenz pro 1.000 Personenjahre seit Diagnose Eine Verbesserung der glykäwurde die Risikozunahme bei ei** 25.690 Patienten mit neu diagnostiziertem Diabetes mischen Kontrolle mit einer ner raschen und aggressiven BlutReduktion des HbA1c-Wertes Tab.: UK General Practice Research Database** (1988–1999); (Maru zuckersenkung bei Patienten mit um 1% bewirkt, entsprechend et al, Diabetes Care 2005; 28: 20) lang dauerndem Diabetes und I 6 universimed.com | sonderpublikation universimed.com © UNIVERSIMED ® Hazard-Ratio einem erhöhten kardiovaskuDisaccharidasehemmer Herzinsuffizienzrisiko lären Risikoprofil diskutiert. (Acarbose) 5 Die Sicherheit und den VorIn der STOP-NIDDM-Studie 16% Risikoreduktion pro 1% HbA1c-Senkung teil einer strikten Blutzuckerresultierte die Verbesserung kontrolle bei Typ-2-Diabetes der glykämischen Kontrolle vor allem im Hinblick auf die durch Acarbose bereits bei RiNephropathie bestätigte die sikopatienten für einen TypADVANCE-Studie. In dieser 2-Diabetes auch in einer Regroßen, über 11.000 Patienten duktion der kardiovaskulären umfassenden Studie ergab sich Ereignisse.13 keine Zunahme der Mortalität p=0,016 in der intensivierten TheraInsulin piegruppe bei einem HbA1cDa die Insulintherapie übli5 6 7 8 9 10 11 HbA1c (Median) Wert von 6,5% gegenüber cherweise im Rahmen eines Quelle: UKPDS 35, BMJ 200; 321: 405–12 7,3% in der Standardthera- Abb. Sekundärversagens oraler Anpiegruppe. Jüngere Patienten tidiabetika und damit nach ohne manifeste mikro- und makrovaskuläre Sulfonylharnstoffderivaten bzw. Metfor- längerer Diabetesdauer erfolgt, sind AnaSpätkomplikationen zu Beginn der Studie min auch eine deutlich geringere Herz- lysen zum Herzinsuffizienzrisiko unter profitierten von der intensivierten antiglyk- insuffizienzinzidenz unter Metformin. Insulintherapie erschwert.14 In Beobach6 ämischen Therapie am deutlichsten. tungsstudien und Subgruppenanalysen Glitazone zeigte sich bei Patienten unter InsulinFormen der Glitazone sind bei manifester Herzinsuf- therapie eine höhere kardiovaskuläre antiglykämischen Therapie fizienz kontraindiziert, denn diese anti- Morbidität und Mortalität, während eine diabetische Substanzklasse führt zu einer retrospektive Kohortenstudie unter EinNeben der glykämischen Kontrolle und Gewichtszunahme, die zum Teil auf ei- beziehung von 16.417 älteren US-amedamit der Bedeutung des HbA1c-Ziel- ner verstärkten Flüssigkeitsretention be- rikanischen Männern keine Korrelation wertes von unter 7% zur Reduktion der ruht. Metaanalysen von Glitazon-Inter- zwischen Insulintherapie und HerzinsufSpätkomplikationsrate werden für die an- ventionsstudien zeigen für Rosiglitazon fizienzrisiko aufzeigen konnte. 9 Ein tidiabetischen Substanzklassen unter- und Pioglitazon eine erhöhte Inzidenz deutlich erhöhtes Risiko für eine verschiedliche Effekte auf das kardiovasku- der Herzinsuffizienz im Therapiearm. In mehrte Flüssigkeitsakkumulation zeigt läre Risiko beschrieben. der PROactive-Studie fand sich bei Typ- sich bei Kombination von Insulin mit 2-Diabetikern mit einem hohen kardio- Glitazonen.11 Metformin vaskulären Risiko unter Therapie mit PiMetformin erhöht die Insulinsensitivität oglitazon eine Reduktion des kombi- GLP-1- und DPP-4-Hemmer und weist günstige Effekte in Bezug auf nierten Endpunkts und der Reinsult- Daten weisen auf eine mögliche Redukdas Körpergewicht auf. Als Kontraindi- rate,10 das Risiko zur Entwicklung einer tion des Herzinsuffizienzrisikos hin, klikationen für die Therapie mit Metformin Herzinsuffizienzsymptomatik war unter nische Studien und Langzeitergebnisse gelten eine eingeschränkte Nierenfunktion Pioglitazon erhöht wie auch die Hospi- liegen allerdings noch nicht vor.15 GLPund Erkrankungen, die mit einem erhöh- talisierungsrate wegen Herzinsuffizienz, 1-Rezeptoren konnten im Myokard und ten Laktatanfall einhergehen können. Eine die unter Pioglitazon 7,5% betrug und im vaskulären Endothel nachgewiesen retrospektive Auswertung der Daten von im Vergleichsarm 5,2%. Kein Unter- werden. Als Zusatztherapie zur Stan8.872 Diabetikern nach Myokardinfarkt schied fand sich hingegen bezüglich der dardbehandlung fand sich unter Verzeigte auf, dass die Therapie mit antidia- Mortalität bei Herzinsuffizienz mit 1,8% suchsanordnungen bei Tieren unter eibetischen Substanzklassen, welche die In- unter Pioglitazon und 1,7% unter Pla- ner Infusionstherapie mit GLP-1 nach sulinresistenz vermindern, wie vor allem cebo.11 Myokardinfarkt eine Verbesserung der Metformin, aber auch Glitazone, ein redulinksventrikulären Funktion.16 Eine Verziertes Mortalitätsrisiko gegenüber ande- Sulfonylharnstoffderivate besserung des funktionellen Status und ren antidiabetischen Substanzklassen auf- Im Hinblick auf das Herzinsuffizienzri- der Lebensqualität nach GLP-1-Infusiweisen, der Unterschied erreichte jedoch siko zeigen Sulfonylharnstoffderivate ein onen konnte auch für Patienten mit kein Signifikanzniveau.7, 8 neutrales Verhalten. Bei einer verglei- schwerer Herzinsuffizienz aufgezeigt Auch Analysen der Saskatchewan Data- chenden Auswertung fand sich unter werden. 17 base zeigen unter einer Therapie mit Metformin jedoch eine geringere MorMetformin gegenüber Sulfonylharnstof- talität als unter Sulfonylharnstoffderiva- Grundsätzlich gilt auch beim Diabetiker fen eine Reduktion der Mortalität und ten.12 Für die neueren Sulfonylharnstoff- mit manifester Herzinsuffizienz das Erder Hospitalisationsrate.9 In dieser ka- derivate wie Gliclazid und Glimepirid reichen der entsprechenden glykämischen nadischen Studie unter Einbeziehung von wurden im Vergleich zu Glibenclamid Zielwerte als vorrangig. Unter Bezug5.631 älteren Typ-2-Diabetikern (66±13 günstigere gefäßbiologische Effekte be- nahme auf die aktuelle Studienlage sollte Jahre) fand sich unter Monotherapie mit schrieben. bei lang dauerndem Typ-2-Diabetes und 7 I JATROS bereits manifesten kardiovaskulären Erkrankungen eine vorsichtige schrittweise durchzuführende Reduktion der Hyperglykämie angestrebt werden, mit einem weniger strikten HbA1c-Zielwert. Weitere Risikofaktoren wie die antihypertensive Therapie und das Erreichen der Lipidzielwerte sind gerade auch im Hinblick auf das Herzinsuffizienzrisiko und die Prognose nicht zu vernachlässigen. Literatur: 1 Pfister R, Erdmann F: Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz. Herz 2008; 33: 178-183 2 Nichols et al, Diabetes Care 2004 3 Maru et al, Diabetes Care 2005 4 UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group: effect of intensive blood glucose control with metformin on complications in overweight patients with type 2 diabetes (UKPDS 34). 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Diese Empfehlung gilt jedoch explizit nicht für Patienten, die bereits vor Auftreten der CHI eine Statintherapie erhielten, Patienten mit asymptomatischer ischämischer CMP und Patienten mit symptomatischer CHI und erhaltener LV-Funktion. I 10 © UNIVERSIMED ® kumulatives Überleben (%) Die Tatsache, dass Cholesterin einerseits Die Ursachen für dieses paradoxe Phä- neutralisieren. Es ist ebenfalls denkbar, zwar einen relevanten Risikofaktor für die nomen sind vorerst spekulativ. Eine mög- dass sich die durch Statine inhibierte BilEntwicklung der Herzinsuffizienz dar- liche Erklärung geht davon aus, dass mit dung von Koenzym Q10 und die damit stellt, andererseits aber erhöhtes Choles- Cholesterin und Triglyzeriden ange- verbundene Reduktion der antioxidativen terin bei bereits bestehender Herzinsuf- reicherte Lipoproteine in der Lage sind, Funktion ungünstig auf die CHI ausfizienz protektiv ist, wird als Cholesterin- zirkulierende Endotoxine (=bakterielle wirkt. Paradox bezeichnet. Subgruppenanalysen Lipopolysaccharide, die durch die öde- Unter diesen Gesichtspunkten erscheint von großen prospektiven Studien wie 4S matöse Darmwand immigrieren), die für die therapeutische Reduktion des Chound CARE haben ergeben, dass es durch einen chronischen Entzündungsprozess lesterinspiegels bei bereits erkrankten die statinvermittelte Reduktion des Cho- und damit für die Progression der HI Personen kontraproduktiv. lesterinspiegels möglich ist, die Inzidenz mitverantwortlich gemacht werden, zu Dem ist allerdings der nachgewiesene poder HI um ca. 20% zu redusitive Einfluss der Statine auf zieren. Das spricht eindeutig Entzündung, oxidativen Langzeitüberleben für eine diätetische und mediStress, Atherogenese und Plakamentöse Therapie der Hyquestabilisation entgegenzu1,0 percholesterinämie in der Prohalten. Tatsächlich konnte gephylaxe der CHI. zeigt werden, dass Statine das 0,8 Anders verhält es sich bei PaAuftreten von akuten Korotienten mit bereits bestehennarsyndromen reduzieren. In 0,6 der CHI. Hier gilt: Ein erder CARE-Studie war dieser höhter SerumcholesterinspieEffekt von Pravastatin sowohl 0,4 gel (>200mg/dl) ist mit einer bei Patienten mit eingehöheren Überlebenswahrscheinschränkter (LV-EF zwischen 0,2 Cholesterin ≥5,2 (200,8mg/dl) lichkeit verbunden (Abb. 1). 25 und 40%) als auch bei PaCholesterin <5,2 Diese Assoziation zwischen ertienten mit erhaltener LV0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 höhtem Cholesterin und höFunktion zu beobachten. Geht Monate herer Überlebenswahrscheinman davon aus, dass jedes ko1: Patienten mit CHI und erhöhtem Cholesterinspiegel weisen ein lichkeit ist unabhängig von der Abb. ronare Ereignis letztendlich signifikant besseres Langzeitüberleben auf als Patienten mit normalem Ätiologie der CHI. zur Progression der CHI beiCholesterinspiegel (Rauchhaus et al, J Am Coll Cardiol 2003) universimed.com | sonderpublikation CORONA-Studie 20 15 10 5 0 6 12 18 24 30 Placebo Rosuvastin 30 25 20 15 10 5 p=0,12 0 © UNIVERSIMED ® 25 Tod jeglicher Ursache 35 Patienten (%) Placebo Rosuvastin 30 Patienten (%) © UNIVERSIMED ® Kombinierter Endpunkt 35 36 0 Monate p=0,12 0 6 12 18 24 30 36 Abb. 2: In der CORONA-Studie konnte kein Unterschied zwischen der Rosuvastatin- und der Placebo-Gruppe im Hinblick auf den kombinierten Endpunkt (Tod aus kardiovaskulären Gründen, Myokardinfarkt, Schlaganfall) (A) und Tod jeglicher Ursache (B) gefunden werden (Kjekshus et al, N Engl J Med 2007) trägt, spricht dies für den Einsatz von Statinen bei CHI. Auch der positive Effekt auf die Endothelfunktion und die Tatsache, dass Statine die Expression des Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptors reduzieren, was wiederum ein verbessertes Ansprechen auf Sartane zur Folge hat, spricht für den Einsatz dieser Substanzklasse bei CHI. Schließlich gibt es auch Hinweise auf einen antiarrhythmischen Effekt von Statinen bei CHI. Tatsächlich konnte in kleineren, z.T. prospektiven, z.T. retrospektiven Studien gezeigt werden, dass Statine die neurohumorale Imbalance ebenso wie die Entzündungsaktivität bei Patienten mit nicht ischämischer CMP verbessern, die Mortalität sowohl bei ischämischer wie auch bei nicht ischämischer Ursache der CHI reduzieren und Morbidität und Mortalität bei Patienten mit CHI nach Myokardinfarkt günstig beeinflussen können. In eine ähnliche Richtung weisen auch die Ergebnisse von zwei großen retrospektiven Kohortenstudien an älteren Patienten, die wegen kardialer Dekompensation hospitalisiert waren. Hier zeigte sich klar ein günstigeres Langzeitüberleben für Patienten, die mit einer Statintherapie entlassen wurden. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse wurden 13 CHI-Studien mit insgesamt 131.430 Patienten zusammengefasst. Dabei zeigte sich eine Mortalitätsreduktion von relativen 26% für die mit Statinen behandelten Patienten (n=30.107). Dies traf sowohl für Patienten mit ischämischer wie auch mit nicht ischämischer CMP zu. Aber auch hier ist anzumerken, dass es sich bei den eingeschlossenen Studien mehrheitlich um retrospektive Analysen handelt. Diese offensichtliche Diskrepanz zwischen der scheinbar protektiven Rolle des Cholesterins bei CHI einerseits und dem vermeintlich günstigen Effekt der Statine auf die Progression der CHI andererseits war die Grundlage für zwei große prospektive, randomisierte Studien, die den Vergleich zwischen Statinen und Placebo bei Patienten mit chronischer HI zum Ziel hatten. In beiden Studien, CORONA und GISSI-HF, wurde Rosuvastatin 10mg pro Tag verabreicht. In CORONA (n=5.011) wurden ältere Patienten (>60a, im Mittel 73a) mit ischämischer CMP im NYHA-Stadium III/IV und LV-EF ≤40% bzw. NYHA-Stadium II und LV-EF ≤35% eingeschlossen. Für GISSI-HF (n=4.574) waren weder jüngeres Lebensalter (mittleres Alter 67a, ca. 42% >70a) noch nicht ischämische CMP (ca. 50%) ein Ausschlussgrund. Am Ende zeigten sich in beiden Studien in der Rosuvastatin-Gruppe sowohl LDL-C als auch Placebo Rosuvastin 0,6 0,5 0,4 Adjustierte HR 1,00 (95,5% Cl 0,898–1,122); p=0,943 Nicht adjustierte HR 1,03 (95,5% Cl 0,917–1,145); p=0,660 0,3 0,2 0,1 0 0 6 12 18 24 30 Monate 36 42 48 54 Kombinierter Endpunkt 0,7 © UNIVERSIMED ® Tod jeglicher Ursache © UNIVERSIMED ® Tod jeglicher Ursache 0,7 Tod jeglicher Ursache oder Spitalsaufnahme wegen Kardiovask. Ursachen GISSI-HF-Studie Adjustierte HR 1,01 (95,5% Cl 0,908–1,112); p=0,903 Nicht adjustierte HR 1,02 (95,5% Cl 0,923–1,130); p=0,594 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 Placebo Rosuvastin 0,1 0 0 6 12 18 24 30 36 42 48 54 Monate Abb. 3: Kein Unterschied zwischen Rosuvastatin und Placebo in der GISSI-HF-Studie im Hinblick auf Tod jeglicher Ursache (links) und den kombinierten Endpunkt (rechts) bestehend aus Tod und Krankenhausaufnahmen wegen kardiovaskulärer Erkrankungen (GISSI-HF Investigators, Lancet 2008) universimed.com 11 I JATROS hsCRP signifikant reduziert. Allerdings, und das ist die entscheidende Information, war in beiden Studien keine Mortalitätsreduktion nachzuweisen (Abb. 2 u. 3). Auch die Todesursachen waren vergleichbar: Die Verschlechterung der CHI und der plötzliche Herztod standen jeweils an oberster Stelle, während akuter Myokardinfarkt und Schlaganfall nur eine geringe Rolle spielten. Als Positivum ist anzumerken, dass in CORONA die Hospitalisationsrate wegen dekompensierter Herzinsuffizienz signifikant reduziert werden konnte und dass in beiden Studien keine relevanten Nebenwirkungen (z.B. Erhöhung von CK oder Leberenzymen, Muskelschmerzen oder Niereninsuffizienz) in der RosuvastatinGruppe beobachtet wurden. Der für viele unerwartete Ausgang beider Studien hat zu einer Reihe von Spekulationen über mögliche Ursachen Anlass gegeben. Angeführt wird unter anderem, dass in den vorherigen Studien zu- I 12 | sonderpublikation Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009 meist Patienten mit symptomatischer CHI ausgeschlossen wurden und dass der therapeutische Effekt von Statinen möglicherweise kein Klasseneffekt ist. Es wird weiters argumentiert, dass sowohl in CORONA als auch in GISSI-HF Patienten mit einer klinischen Indikation für Statine ausgeschlossen waren und dadurch ein möglicher Auswahlfehler vorlag. Die wahrscheinlichste Erklärung ist jedoch, dass, sobald ein irreversibler Organschaden aufgetreten ist, der positive Effekt der Statine auf Prävention und Progression der KHK zu spät kommt. Die Tatsache, dass in beiden Studien die KHK keinen wesentlichen Einfluss auf die Todesursache hatte, unterstützt diese Vermutung. Damit ergibt sich insgesamt derzeit keine Indikation für den Einsatz von Statinen bei Patienten mit symptomatischer CHF. Dies gilt sowohl für Patienten mit ischämischer wie auch für Patienten mit nicht ischämischer CMP. Diese Empfehlung gilt explizit nicht für Patienten, die bereits vor Auftreten der CHI eine Statintherapie erhielten (keine relevanten Nebenwirkungen, mögliche prothrombotische Effekte nach Absetzen der Therapie!) und Patienten mit asymptomatischer ischämischer CMP und Patienten mit symptomatischer CHI und erhaltener LV-Funktion (diese Patientengruppen wurden in den beiden Studien nicht untersucht). ■ Autoren: Univ.-Doz. Dr. Gerhard Pölzl1 Univ.-Doz. Dr. Martin Hülsmann2 1Univ.-Klinik für Innere Medizin III – Kardiolo- gie, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstraße 35, 6020 Innsbruck, E-Mail: [email protected] 2Univ.-Klinik für Innere Medizin II – Kardiologie, Medizinische Universität Wien, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, E-Mail: [email protected] universimed.com JATROS Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009 Hyperurikämie Behandlungsbedürftig oder Marker für oxidativen Stress? M. Frick, Innsbruck Eine Hyperurikämie (Serumharnsäurespiegel ≥7mg/dl) ist bei Herzinsuffizienz häufig, wobei die höchsten Werte im NYHA-Stadium IV und bei kachektischen Patienten auftreten. Eine myokardiale Schädigung kann dabei durch die Harnsäure selbst oder über eine gesteigerte Aktivität der Xanthinoxidase mit Ausschüttung von freien Sauerstoffradikalen erfolgen. In mehreren retrospektiven Studien konnte auch die Bedeutung der Harnsäure als prognostischer Marker bei Herzinsuffizienz nachgewiesen werden. Ob herzinsuffiziente Patienten mit asymptomatischer Hyperurikämie zusätzlich mit Allopurinol behandelt werden sollen, ist unklar. Allgemeine Aspekte Harnsäure ist eine organische Substanz, die aus Karbon, Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff besteht. Die Harnsäure ist das Endprodukt des Purinsäuremetabolismus (Abb. 1). Purin, welches aus endogener Synthese oder der Nahrung entsteht, wird zu Hypoxanthin umgewandelt. Das im Harnsäuremetabolismus entscheidende Enzym Xanthinoxidase katabolisiert dann die Synthese von Hypoxanthin zu Xanthin und schlussendlich die Bildung von Harnsäure. Die Harnsäure selbst wird zu 80% renal eliminiert und zu 20% über den Gastrointestinaltrakt ausgeschieden. Von einer Hyperurikämie wird ab einem Serumharnsäurespiegel ≥7mg/dl gesprochen. Prinzipiell werden primäre und sekundäre Formen der Hyperurikämie unterschieden. Die primären Formen entstehen zumeist aufgrund einer Störung der renalen Ausscheidung oder der Biosynthese als Folge eines Enzymdefekts. Die Ursache von sekundären Formen sind zumeist ein gesteigerter Zellumsatz oder eine Nierenfunktionsstörung mit reduzierter Ausscheidung der Harnsäure. Die Hyperurikämie kann grundsätzlich drei Folgeprobleme verursachen: Erstens können die Harnsäureablagerungen zu einer Gichtniere führen. Zweitens kann I 14 es zur Konkrementbildung in den Harnwegen mit Nephro- und Urolithiasis kommen. Drittens kann das klinische Bild einer Gicht mit entsprechender Gelenksbeteiligung entstehen. Es gibt eine Reihe von kardiovaskulären Risikofaktoren oder Erkrankungen, die mit der Hyperurikämie assoziiert sind (Tab.). Im Weiteren soll die Bedeutung der Hyperurikämie bei Herzinsuffizienz genauer beleuchtet werden. Hyperurikämie und Herzinsuffizienz Dass die Hyperurikämie eine Rolle bei der Herzinsuffizienz spielt, konnte in einer großen Anzahl von allerdings eher kleineren Studien gezeigt werden. Beispielsweise konnte nachgewiesen werden, dass die Harnsäurespiegel abhängig vom NYHA-Stadium unterschiedlich sind, wobei die höchsten Werte im NYHA-Stadium IV auftreten. Doehner et al haben festgestellt, dass herzinsuffiziente Patienten generell höhere Harnsäurespiegel aufweisen im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv. Besonders hohe Harnsäurespiegel wurden bei herzinsuffizienten Patienten mit Kachexie gemessen. Interessanterweise konnten auch Korrelationen zwischen Harnsäurespiegel und linksventrikulärem Füllungs- druck sowie rechtsatrialem Druck beobachtet werden. Eine entscheidende Frage ist, warum es bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu erhöhten Harnsäurespiegeln kommt. Die potenziellen Mechanismen sind in Abb. 2 zusammengefasst: Einerseits spielen die bei herzinsuffizienten Patienten häufig auftretende Niereninsuffizienz und die Diuretikatherapie mit einem hemmenden Effekt auf die Harnsäureausscheidung eine Rolle. Andererseits kommt es über Immunaktivierung (Sauerstoffradikale, TNF-α) zur Stimulation der Xanthino- Assoziation mit Hyperurikämie arterielle Hypertonie metabolisches Syndrom Niereninsuffizienz vaskuläre Erkrankungen (KHK, PAVK, CVK) Endotheldysfunktion oxidativer Stress Herzinsuffizienz Quelle: Feig DI et al, NEJM 2008; 359: 1811 Tab.: Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen, die mit Hyperurikämie assoziiert sind universimed.com | sonderpublikation Harnsäurematabolismus Ursachen der Hyperurikämie bei HI De-novo-Synthese Nahrung Purin Hypoxanthin Xanthinoxidase • Zelltod • Gewebshypoxie • reduzierter Metabolismus: • katabolischer Drive • Insulinresistenz Immunaktivierung: • TNF-α • freie O2-Radikale ⊕ PurinMetaboliten ⊕ XO-Aktivität Xanthin Harnsäure Xanthinoxidase Harnsäure renal 80% Reduzierte Nierenfunktion gastrointestinal 20% Abb. 1 xidase und über Zelltod, reduzierten Metabolismus und Gewebehypoxie zum vermehrten Anfall von Purinen und deren Metaboliten. Welche Folgen hat nun aber ein erhöhter Serumharnsäurespiegel für einen herzinsuffizienten Patienten? Es gibt Hinweise aus kleineren Studien, dass die Hyperurikämie bei Herzinsuffizienz zu einer Aktivierung inflammatorischer Marker führt, mit einer reduzierten Gefäßfunktion assoziiert ist und zu einem reduzierten Metabolismus führt. Kontrovers wird in der Literatur diskutiert, ob die Harnsäurespiegel selbst oder die Hochregulierung der Xanthinoxidase-Aktivität zu einem myokardialen Schaden führen. Einerseits wurden Hinweise auf einen direkten Effekt erhöhter Harnsäurespiegel über immunmediierte Prozesse, proinflammatorische Immunaktivierung, Stimulation von TNFα und Steigerung der Synthese von MCP1 von Gefäßmuskelzellen beschrieben. Andererseits ist die Xanthinoxidase, welche bei der Herzinsuffizienz deutlich hochreguliert ist, einer der wichtigsten Produzenten von freien Sauerstoffradikalen und kann damit zur myokardialen Schädigung führen. Prognostische Bedeutung der Hyperurikämie bei Herzinsuffizienz Die prognostische Bedeutung der Hyperurikämie in der Herzinsuffizienz wurde bisher in vier retrospektiven Studien an relativ kleinen Patientenpopulationen untersucht. In allen Arbeiten konnte eine Assoziation zwischen Hyperurikämie und Prognose festgestellt werden, wenngleich universimed.com ⊕ Diuretikatherapie Harnsäureausscheidung Abb. 2 die Cut-off-Werte für das Vorliegen einer Hyperurikämie unterschiedlich waren. In einer Studie blieb auch in der multivariaten Analyse die Harnsäure signifikant mit dem Outcome assoziiert. Die Berliner Arbeitsgruppe um Prof. Anker untersuchte den in der retrospektiven Studie festgestellten Cut-off-Wert für Harnsäure von 9,5mg/dl in einem prospektiven Ansatz. Es wurde dabei die Harnsäure (>9,5mg/dl) in einen Score mit hämodynamischen (VO2max<14ml/ kg/min) und funktionellen Parametern (EF<25%) integriert. Wenn alle drei Scorepunkte erfüllt waren, hatten die Patienten eine Mortalität von 88%! Behandlung der Hyperurikämie bei Herzinsuffizienz Auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz gilt, dass nach einem stattgehabten Gichtanfall eine Therapie der Hyperurikämie mit Allopurinol erfolgen sollte. Zur Behandlung des Gichtanfalls sollte man aber bei dieser Patientenpopula- tion nichtsteroidale Antirheumatika meiden. Eine Alternative in der medikamentösen Behandlung des akuten Gichtanfalles bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist Colchicin. Ob Patienten mit asymptomatischer Hyperurikämie und Herzinsuffizienz eine Therapie mit Allopurinol erhalten sollen, ist unklar. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass Allopurinol in einem Herzinsuffizienzmodell zu einer Verbesserung der Druck-Volumen-Kurve führt. In zwei Studien bei Patienten mit Herzinsuffizienz führte die Gabe von Allopurinol zu einer deutlichen Verbesserung der Endothelfunktion. Allerdings ist die Endothelfunktion nur ein Surrogatparameter für die Prognose. Wünschenswert wäre eine Outcomestudie mit Allopurinol bei Patienten mit Herzinsuffizienz und asymptomatischer Hyperurikämie. Da aber Allopurinol bereits als Generikum verfügbar ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Studie jemals durchgeführt werden wird. Nichtsdestotrotz kann man festhalten, dass man, in Anbetracht der beschriebenen Folgen der Hyperurikämie und der Verbesserung der Endothelfunktion durch Allopurinol, auch Patienten mit asymptomatischer Hyperurikämie und Herzinsuffizienz unter entsprechender Observanz behandeln kann. ■ Autor: Priv.-Doz. Dr. Matthias Frick Univ.-Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie Medizinische Universität Innsbruck Anichstraße 35, 6020 Innsbruck E-Mail: [email protected] 15 I JATROS Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009 Ernährungsstörungen bei chronischer Herzinsuffizienz G. Pölzl, Innsbruck Als kardiale Kachexie wird die ungewollte Abnahme des nicht ödematösen Körpergewichtes von ≥6% über einen Zeitraum von 6 Monaten bezeichnet. Sie betrifft ca. 10–15% der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Ursache dafür ist ein Ungleichgewicht zwischen katabolen und anabolen Faktoren, wobei Neurohormone (RAAS, SAS) und Zytokine eine wichtige Rolle spielen. Tritt eine Kachexie auf, ist mit einer deutlichen Zunahme der Mortalität zu rechnen. Der neurohumoralen Therapie mit ACE-Hemmer und Betablocker kommt vermutlich eine präventive Rolle zu. Adipositas ist nicht Folge, sondern kann Ursache einer Herzinsuffizienz sein. Im Gegensatz zur Kachexie sind Übergewichtigkeit und Adipositas mit einer günstigeren Prognose verbunden als Normalgewichtigkeit. Die Entwicklung der kardialen Kachexie ist ein dynamischer Prozess. Die Diagnose ist daher nur durch die dokumentierte Änderung des „Trockengewichtes“ (=nicht ödematöser Zustand) über einen längeren Zeitraum möglich. Eine kardiale Kachexie liegt dann vor, wenn CHIPatienten im Vergleich zum prämorbiden Normalgewicht einen ungewollten Gewichtsverlust von ≥6% aufweisen. Entscheidend ist daher weniger das absolute Gewicht als die prozentuelle Gewichtsabnahme über die Zeit. Es ist somit durchaus möglich, dass Patienten mit noch normalem oder sogar erhöhtem BMI (Body-Mass-Index) bereits eine kardiale Kachexie aufweisen. Die kardiale Kachexie ist durch eine katabole Stoffwechsellage und den generalisierten Verlust von Fett-, Muskel- und Knochenmasse gekennzeichnet. Unabhängig vom Ausmaß der kardialen Funk- Entwicklung der Kachexie tionseinschränkung zeigt sich bereits bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer CHI (NYHA II–III) in vielen Fällen eine Muskelatrophie an den unteren Extremitäten. Muskelatrophie und reduzierter peripherer Blutfluss sind die wichtigsten Ursachen für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Patienten. Ursachen der Kachexie Die kardiale Kachexie ist das Resultat eines zunehmenden Ungleichgewichtes Aktivierung von TNF-α 10 Anabole Faktoren RAAS ↑, SAS ↑ genetischer Entzündungsprozess genetische Faktoren? 8 TNF (pg/ml) Katabole Faktoren Steroid- und Wachstumshormonresistenz I 16 * * 6 4 2 0 Abb. 1: Die kardiale Kachexie resultiert vor allem aus einem Ungleichgewicht zwischen katabolen und anabolen Faktoren Kontrollgruppe SOLVD Transplantationsgruppe © UNIVERSIMED ® Kachexie Kontrollgruppe I II III NYHA-Klassifizierung IV Abb. 2: Die Serumspiegel von TNF-α nehmen mit steigendem Schweregrad der Herzinsuffizienz zu. Ebenso finden sich deutlich höhere Serumspiegel bei Vorliegen einer kardialen Kachexie im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (von Baumgarten G et al, Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzth 2004) universimed.com | sonderpublikation 80 60 40 20 Hazard-Ratio 1,85 (95% CI 1,25–2,72) p<0,002 0 Baseline 9 Monate 12 24 36 48 Monate Abb. 3: Patienten mit kardialer Kachexie weisen eine 2–3-mal höhere Mortalität auf als nicht kachektische Patienten (von Anker S et al, Lancet 2003) zwischen katabolen und anabolen Faktoren (Abb. 1). Als katabole Faktoren wirken vor allem die im Übermaß aktivierten neurohumoralen Systeme, RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) und SAS (sympathoadrenerges System), sowie generalisierte Entzündungsprozesse. Demgegenüber steht eine abnehmende Wirksamkeit anaboler Faktoren, d.h. zunehmende Resistenz gegenüber Steroid- und Wachstumshormonen. Der Zusammenhang zwischen kardialer Kachexie und aktiviertem Immunsystem wurde erstmals Anfang der 90er-Jahre als eine auffällige Aktivierung von TumorNekrose-Faktor-alpha (TNF-α) bei Patienten mit kardialer Kachexie beschrieben (Abb. 2). Die exakte Ursache der vermehrten Zytokinexpression ist derzeit noch nicht definitiv geklärt. Hypoxie wird in diesem Zusammenhang ebenso diskutiert wie eine mögliche Transloka- 60 © UNIVERSIMED ® Patienten mit Gewichtsverlust ≥6% Patienten ohne Gewichtsverlust ≥6% Hazard-Ratio 1,85 (95% CI 1,25-2,72) p<0,002 kumulativer Anteil der Patienten mit Gewichtsverlust (%) kumulativer Anteil Überlebender (%) 100 SOLVD-Studie © UNIVERSIMED ® Gewichtsverlust als Prädiktor Placebo Enalapril 50 40 30 20 10 0 Baseline 9 Monate 12 24 Monate 36 48 Abb. 4: In der SOLVD-Studie wiesen Patienten, die mit Enalapril behandelt wurden, einen geringeren Gewichtsverlust auf als placebobehandelte Patienten (von Anker S et al, Lancet 2003) tion von Bakterien durch die ödematöse Darmwand kongestiver Patienten. TNF-α und andere Zytokine, aber auch TGF-β können sowohl direkt als auch indirekt zur körperlichen Auszehrung beitragen, so wie das auch bei Tumorerkrankungen der Fall ist. Appetitverlust (Anorexie) ist vermutlich nur bei 10–20% der Betroffenen für die Kachexie verantwortlich. Ebenso dürfte die krankheitsbedingte körperliche Inaktivität nur eine geringe Rolle spielen, zumal sich das histologische Bild einer muskulären Inaktivitätsatrophie deutlich von der Muskelatrophie bei CHI unterscheidet. Häufigkeit der Kachexie und prognostische Bedeutung Etwa 10–15% der Patienten mit CHI entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine kardiale Kachexie. Vor allem in Be- zug auf die Prognose der CHI kommt der Kachexie eine entscheidende Rolle zu. In der SOLVD-Studie erwies sich ein dokumentierter Gewichtsverlust von ≥6% im Verlauf der 8-monatigen Nachbeobachtung als unabhängiger Prädiktor für eine erhöhte Sterblichkeit. Dasselbe Phänomen konnte auch in der V-HeFTII-Studie beobachtet werden. Man kann davon ausgehen, dass die Sterblichkeit von CHI-Patienten mit kardialer Kachexie etwa 2–3-mal höher ist als von Patienten mit CHI ohne Gewichtsverlust, und zwar unabhängig vom Alter, dem Ausgangsgewicht, dem Schweregrad der Erkrankung und dem Ausmaß der LVDysfunktion (Abb. 3). Prävention und Therapie der Kachexie Die Verbesserung des Ernährungszustandes ist ein nahe liegendes Therapieziel Überlebenswahrscheinlichkeit 30 25–29,9 ≥35 20 30-34,9 BMIKategorien 10 0 0 0,5 1,0 1,5 2,0 Jahre 2,5 3,0 3,5 4,0 0 Body-Mass-Index-Kategorien -12,0 -16,9 -20,0 -19,0 -26,0 -28,7 -30,0 -50,0 1,5 -9,5 -10,0 -40,0 0,0 -39,3 -40,4 -28,6 © UNIVERSIMED ® 22,5–24,9 Follow-up (2 Jahre) am Leben und nicht hospitalisiert (geschätzte mittlere Differenz) <22,5 p<0,0001 © UNIVERSIMED ® kumulative Inzidenz von Tod jeglicher Ursache (%) 40 -25,4 p=0,081 -52,6 -60,0 Abb. 5a, b: Die Wahrscheinlichkeit von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zu versterben zeigt eine klare Abhängigkeit vom BMI (5a). Die Absterbekurve zeigt einen umgekehrt J-förmigen Verlauf mit einem Anstieg bis zu einem BMI <30, einem Plateau zwischen 30 und 34,9 und einem neuerlichen Abfall ab einem BMI >35 (5b) (von Kenchaiah S et al, Circulation 2007) universimed.com 17 I JATROS Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009 bei Patienten mit kardialer Kachexie. Systematische Untersuchungen zur Effektivität spezifischer Ernährungstherapien sind allerdings nur bedingt verfügbar. Bei stabilen Patienten ohne auffällige Zeichen einer Mangelernährung hat eine präventive Ernährungstherapie zu keiner Verbesserung des klinischen Zustandsbildes geführt. Ebenso ist durch eine unmittelbar postoperativ durchgeführte Hyperalimentation kein Überlebensvorteil zu erreichen. Umgekehrt konnte durch eine intensive präoperative Ernährungstherapie (intravenöse Verabreichung bis zu 1.200kcal/Tag über 5–8 Wochen) ein Überlebensvorteil gegenüber der Kontrollgruppe beobachtet werden (17 vs. 57%, p<0,05). Allerdings dürfte der neurohumoralen Therapie, d.h. der medikamentösen Blockade von RAAS und SAS, eine Bedeutung in der Prävention der kardialen Kachexie zukommen. In der bereits oben angeführten SOLVD-Studie war der Gewichtsverlust in der Enalapril-Gruppe deutlich niedriger als in der Kontrollgruppe, was mit der antiinflammatorischen Wirkung des ACEHemmers in Zusammenhang gebracht wurde (Abb. 4). Ähnliches konnte in der COPERNICUS-Studie, bei der Carvedilol bei CHI untersucht wurde, auch für Betablocker gezeigt werden. Im Gegensatz dazu bewirkt die gezielte Blockade der Zytokinaktivität mittels TNF-Antagonisten keinen nachhaltigen Effekt auf den klinischen Verlauf von CHI-Patienten. Dasselbe gilt auch für die Verabreichung von Wachstumsfaktoren und anabolen Steroiden. Adipositas Im Gegensatz zur Kachexie ist die Adipositas nicht Folge einer CHI, sondern kann sogar deren Ursache sein. Unabhängig vom Vorhandensein zusätzlicher Risikofaktoren ist Adipositas mit einer Reihe von ungünstigen hämodynamischen und morphologischen Veränderungen am kardiovaskulären System verbunden. Daten aus der Framingham-Studie zeigen eine klare Assoziation zwischen der Höhe des BMI und der Entwicklung einer CHI. Dabei erwies sich der BMI als, zumindest partiell, von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren unabhängiger Risikofaktor. Es dürfte ein multiI 18 faktorieller kausaler Zusammenhang zwischen Adipositas und CHI bestehen: (1) Mit Adipositas assoziierte kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, KHK, LV-Hypertrophie und Diabetes bzw. das metabolische Syndrom sind bekannte Verursacher der Herzinsuffizienz. Ebenso spielt das mit der Adipositas in Zusammenhang stehende SchlafapnoeSyndrom eine ursächliche Rolle. (2) Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Adipositas per se ebenfalls über derzeit noch nicht identifizierte Mechanismen am Zustandekommen der CHI beteiligt ist. Einzelne Fallberichte weisen darauf hin, dass bei adipösen Patienten, die eine CHI entwickeln, die Gewichtsabnahme zu einer Verbesserung der Herzinsuffizienz führt, weshalb der Begriff der „Adipositas-assoziierten Kardiomyopathie“ geprägt wurde. Völlig konträr zur Kachexie stellt sich der Zusammenhang zwischen Adipositas und Prognose dar. Übergewichtigkeit und Adipositas sind bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden als Normalgewichtigkeit. Dies ist durch mehrere Studien eindeutig belegt. Dabei zeigt sich eine umgekehrt J-förmige Überlebenskurve: Die Überlebenswahrscheinlichkeit nimmt linear bis zu einem BMI von 30 zu, bildet ein Plateau zwischen 30,0 und 34,9 und fällt dann wieder ab (Abb. 5a, b). Dass die direkte Beziehung zwischen BMI und Prognose kein statistisches, sondern ein reales Phänomen ist, zeigt sich unter anderem daran, dass dieselbe Beziehung auch bei anderen chronischen Erkrankungen wie COPD, verschiedenen Krebserkrankungen, Niereninsuffizienz oder Leberzirrhose beobachtet wurde. Als Ursache für dieses unerwartete Phä- | sonderpublikation nomen bieten sich verschiedene Hypothesen an: (a) Ein hoher BMI ist vielfach mit einem höheren Blutdruck verbunden, was eine höhere Dosierung der effektiven neurohumoralen medikamentösen Therapie erlaubt. (b) Erhöhtes Cholesterin, ein häufiger Befund bei übergewichtigen Patienten, ist invers korreliert mit der Mortalität bei CHI. Es ist denkbar, dass Lipoproteine zirkulierende, für die Erkrankungsprogression ungünstige Lipopolysaccharide und bakterielle Endotoxine neutralisieren. (c) Möglicherweise spielen auch veränderte Serumspiegel von Zytokinen und Neurohormonen eine Rolle. So etwa exprimiert Fettgewebe den löslichen TNF-α-Rezeptor, der seinerseits wiederum das ungünstige TNF-α neutralisiert. (d) Fettgewebe stellt zudem ein relevantes Energiereservoir dar. Es ist möglich, dass dieses Energiereservoir als metabolische Reserve dient und dadurch die Entstehung des sich mit zunehmender Erkrankungsdauer und schwere entwickelnden „wasting syndrome“ verzögert wird. Obesity Paradox Adipositas ist also einerseits mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer CHI verbunden, andererseits haben erkrankte Patienten mit einem erhöhten Körpergewicht eine günstigere Prognose – ein Phänomen, das als Obesity Paradox bezeichnet wird. Es ist daher klar, dass Gewichtskontrolle und Gewichtsreduktion in der Prävention der Herzinsuffizienz unbestritten sind. Anders verhält es sich bei bereits erkrankten Patienten: Aus den vorliegenden Daten lässt sich keine zwingende Notwendigkeit für eine aktive Gewichtsabnahme ableiten. Dennoch dürfte eine vorsichtige Gewichtsreduktion ratsam sein, zumal diese bei vielen Patienten zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit und weniger Belastungsdyspnoe führt. Inwieweit eine aktive Gewichtsabnahme die Prognose dieser Patienten tatsächlich ungünstig beeinflusst, kann derzeit allerdings nicht sicher beantwortet werden. ■ Autor: Univ.-Doz. Dr. Gerhard Pölzl Univ.-Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie Medizinische Universität Innsbruck Anichstraße 35, 6020 Innsbruck E-Mail: [email protected] universimed.com