Herzinsuffizienz und metabolische Störungen – eine gefährliche

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ISSN 0943-3341
Jahrgang 14
März 2009
JATROS
Sonderpublikation
2009
Das Fachmedium für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Kardiologie & Gefäßmedizin
Herzinsuffizienz und
metabolische Störungen
– eine gefährliche Allianz?“
IMPRESSUM:
Herausgeber: Mag. Wolfgang Chlud. Verlag: Universimed Verlags- und Service GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 8, 1150 Wien. Telefon: 01/876 79 56. Fax: 01/876 79 56-20. Geschäftsführung:
Mag. Wolfgang Chlud. Redaktion: Dr. Hannelore Nöbauer. Graphik & Layout: Mag. Walter Rehucek. Lektorat: Daphne Mark. Produktion: Renée Boyer. Gerichtsstand: Wien. Druck: Bernsteiner
Druckservice, 1220 Wien. Fotonachweis: Archiv. Publikation im Auftrag der Firma Abbott Ges.m.b.H. Entgeltliche Information lt. § 26 Mediengesetz.
Verlags- und Service GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 8, 1150 Wien
■
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JATROS
G. Pölzl
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Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009
M. Frick
Das 3. Innsbrucker Konsensusmeeting
Herzinsuffizienz am 29.11.2008 stand
unter dem Motto „Herzinsuffizienz und
metabolische Störungen: eine gefährliche
Allianz?“.
Wie schon im Vorjahr haben wir uns
auch heuer wieder entschlossen, die Referate in Form einer Sonderbeilage zu JATROS Kardiologie und Gefäßmedizin
zusammenzufassen.
In den letzten Jahren haben wir gelernt,
dass Herzinsuffizienz nicht als isolierte
Organerkrankung sondern als komplexes
Syndrom zu verstehen und zu behandeln
ist. Metabolische Störungen und Ernährungsstörungen spielen sowohl bei der
Entstehung wie auch im Verlauf der
Herzinsuffizienz eine Rolle. Damit
kommt ihnen in der Prophylaxe und in
Sehr geehrte
Kolleginnen
und Kollegen!
der Therapie der Erkrankung ein besonderer Stellenwert zu. Umgekehrt beeinflusst die Herzinsuffizienz das Management dieser Erkrankungen in mehrfacher
Hinsicht. Herzinsuffizienz ist demnach
keine Domäne eines ausschließlichen Organspezialisten, sondern erfordert häufig eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Wir haben versucht, der Komplexität dieser Zusammenhänge bei der Zusammenstellung der Vorträge und bei der Auswahl der Referenten gerecht zu werden.
Entsprechend wird die ursächliche Bedeutung des Diabetes mellitus an der
Entwicklung von Herzmuskelerkrankungen und des Syndroms der Herzinsuffizienz sowie spezielle Aspekte in der
Behandlung des Diabetes bei Herzinsuffizienz von Diabetologen besprochen. Im
Weitern wird auf die besondere Rolle des
Cholesterins und die kontroversielle Diskussion der Therapie der Hypercholesterinämie sowie der Hyperurikämie eingegangen. Im letzten Abstrakt wird die
Bedeutung von Ernährungsstörungen im
Zusammenhang mit der Herzinsuffizienz diskutiert.
Wir würden uns freuen, wenn dieser
Überblick nicht nur das Verständnis für
die komplexen Zusammenhänge der aufgezeigten Erkrankungen fördert, sondern
auch die Notwendigkeit für eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit im Management der Herzinsuffizienz unterstreicht.
Gerhard Pölzl
Matthias Frick
AG Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft
www.herzvital.at
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3 I
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Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009
Diabetes und Herzinsuffizienz
Eigenständige Erkrankung
oder Folge des Risikoprofils?
M. Clodi, Wien
Die heutigen Daten belegen klar die Zusammenhänge zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz. Essenziell
für die Interaktion der beiden Krankheitsbilder sind die durch den Diabetes gesteigerte Progredienz der
Atherosklerose sowie die strukturellen Veränderungen des Myokards. Es sollte daher bei Patienten mit Herzinsuffizienz ein oraler Glukosetoleranztest zur Bestimmung der Stoffwechselsituation und bei Patienten mit
Diabetes mellitus eine NT-proBNP-Bestimmung durchgeführt werden. Anschließend ist eine interdisziplinäre
(Diabetologie/Kardiologie) therapeutische Intervention – medikamentöser Natur – notwendig.
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Diabetes mellitus gilt in klinischen Stu- tende Veränderungen im Herzmuskel. hängig von koronarer Herzkrankheit
dien als unabhängiger Risikofaktor für Für einige pathologisch veränderte, in- (KHK) an der Entstehung der diabeHerzinsuffizienz. Umgekehrt ist Herzin- trazelluläre Mechanismen konnte dies tischen Herzinsuffizienz beteiligt sind.
suffizienz ein unabhängiger Risikofaktor nachgewiesen werden: Bildung von Ad- Faktoren, die bei Diabetes mit dem Grad
für Diabetes. Mehr als 10% der Diabe- vanced Glycation End Products (AGEs), der Herzinsuffizienz korrelieren, sind:
tespatienten leiden an einer manifesten Polyol-Stoffwechsel, Aktivierung der Pro- 1. HbA1c: Eine HbA1c-Erhöhung um
Herzinsuffizienz. Etwa 30% der Pati- teinkinase C und oxidativer Stress. 3, 4
1% erhöht das Risiko um 12%.
enten mit Herzinsuffizienz sind gleich- Generell ist die Effizienz der Energieer- 2. Diabetesdauer
zeitig an Diabetes mellitus erkrankt. Eine zeugung und Utilisation im Myokard bei 3. Kormorbidität: koronare HerzkrankUntersuchung an 44.000 Patienten mit Hyperglykämie herabgesetzt. Kommt es
heit, Hypertonie
idiopathischer Herzinsuffizienz konnte zusätzlich zu einem strukturellen Scha- 4. zusätzliche Nierenerkrankung
zeigen, dass Diabetes mellitus das Risiko, den am Herzmuskel, so bewirkt die In- 5. BMI
eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, um sulinresistenz eine Steigerung der ineffi- 6. Alter
das 2,5-fache erhöht.
zienten Metabolisierung freier FettsäuFolgende Risikofaktoren gelten für die ren. Abbildung 1 zeigt weitere wichtige Atherosklerose als Bindeglied
Entstehung einer Herzinsuffizienz bei pathologische Veränderungen, die unabDiabetes mellitus als gesiDie Atherosklerose stellt ein
chert: Hypertonie, koronare
essenzielles Bindeglied zwiDiabetische Herzinsuffizienz
Herzkrankheit, kardiovaskuschen Diabetes und Herzinläre autonome diabetische
suffizienz dar. Atherosklerostrukturelle
Neuropathie (KADN), Hytisch bedingte HerzerkranEffekte durch
Veränderungen:
perglykämie und Hyperinsukungen gehören zu den
FFA ↑, IR
myokardiale Fibrose
linämie.1 Die kardiovaskuläre
Haupttodesursachen von PaMatrixveränderungen
autonome diabetische Neurotienten, die an Diabetes melpathie bewirkt eine reduzierte
litus erkrankt sind. Diabetes
diabetisches Herz
Herzfrequenzvariabilität mit
ist ein unabhängiger RisikoRuhetachykardie (Vagusläfaktor für koronare Herzsion) und fixierter Herzfrekrankheit und erhöht die
kardiale autonome
Mikroangiopathie,
quenz.2 Neben Hypertonie,
Wahrscheinlichkeit, an einer
diabetische
endotheliale
Dysfunktion
Neuropathie
KHK, kardiovaskulärer autoKHK zu erkranken, um das
nomer diabetischer Neuropa2- bis 4-fache. Weiters erhöht
thie bewirkt die bestehende Abb. 1: Pathologische Veränderungen, die unabhängig von KHK an der das Vorliegen eines metaboHyperglykämie ebenso bedeu- Entstehung der diabetischen Herzinsuffizienz beteiligt sind
lischen Syndroms die PrävaI 4
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Insulinsensitivität
(1,82 min-1 . U . ml-1 . 104)
7
6
5
4
3
2
60
diastolische
Dysfunktion
systolische
Dysfunktion
40
20
1
0
80
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Diastolische/systolische Dysfunktion
Xxxxxxxxxxx
Insulinsensitivität
Kontrollen NYHA I
NYHA II
NYHA III
NYHA IV
Quelle: Doehner et al, J Am Coll Cardiol 2005
Abb. 2: Die Insulinsensitivität nimmt mit der Verschlechterung der Herzinsuffizienz ab
lenz der subklinischen kardiovaskulären
Erkrankung signifikant. Umgekehrt korreliert die Zahl der stenosierten Koronararterien mit dem Grad der Insulinresistenz bei noch normaler Glukosetoleranz.
Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist bei Patienten mit Diabetes gleich
hoch wie bei normoglykämischen Patienten, die bereits einen Herzinfarkt in
der Anamnese aufweisen.5 Ist die Grunderkrankung kardialer Natur, so steigert
dies die Inzidenz von Störungen des Glukosemetabolismus. Prof. Wascher und
Kollegen untersuchten daher Patienten,
die sich einer elektiven Koronarangiographie unterzogen, mithilfe eines
oGTT.6 In diesem Setting waren insgesamt 63% der Patienten an Diabetes mellitus oder gestörter Glukosetoleranz erkrankt. Daher sollte bei kardial kranken
Patienten ein oGTT zum Ausschluss einer Glukosestoffwechselstörung durchgeführt werden. Diese Daten decken sich
mit den Ergebnissen einer Studie aus unserer Arbeitsgruppe. In einem Patientenkollektiv der Herzinsuffizienzambulanz
(Kardiologische Universitätsklinik; Prof.
Pacher, Prof. Hülsmann) lag die Prävalenz der Insulinresistenz bei 97%. Darüber hinaus korrelierten in diesem Kollektiv die Biomarker HbA1c und NTproBNP miteinander.7 Generell kann davon ausgegangen werden, dass mit der
klinischen Verschlechterung der Herzinsuffizienz auch die Insulinsensitivität abnimmt (Abb. 2).
Ein weiterer wichtiger Aspekt der diabetischen Herzinsuffizienz ist die diastolische Dysfunktion. Die Prävalenz der
diastolischen Dysfunktion bei an Diabetes erkrankten Patienten ist dramatisch
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0
2
5
10
15
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25
Abb. 3: Diastolische und systolische Dysfunktion in Abhängigkeit von der
Diabetesdauer
hoch. So leiden bereits nach etwa 15 Jahren Diabetesdauer bis zu 80% der Patienten an einer diastolischen Dysfunktion
(Abb. 3). Daher rückt in letzter Zeit die
diastolische Dysfunktion bzw. die diastolische Herzinsuffizienz immer mehr
in den Vordergrund. Aktuelle Daten belegen, dass die Überlebensrate bei Vorliegen einer isolierten diastolischen Dysfunktion ähnlich gering wie bei reduzierter linksventrikulärer Funktion ist.
NT-proBNP korreliert
mit Grad der Herzinsuffizienz
Um den Zusammenhang zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz genau zu evaluieren, führen wir in unserer Diabetesambulanz gemeinsam mit der Univ.-Klinik für Kardiologie (Prof. Pacher, Prof.
Hülsmann) ein NT-proBNP-Register.
BNP, das aktive Hormon von proBNP,
wird bei Herzinsuffizienz nach Dehnungsreizen freigesetzt und steuert der
Volumenbelastung vasodilatatorisch und
natriuretisch entgegen.
Als Konsequenz wird Volumen ausgeschieden und zusätzlich bewegt sich die
Blut/Flüssigkeitssäule leichter. BNP und
sein mit einer längeren Halbwertszeit versehenes Spaltprodukt NT-proBNP korrelieren sehr gut mit dem Grad der Herzinsuffizienz und sind dabei aussagekräftiger als ein Herz-Echo (zumindest in unseren Daten). Mithilfe des NT-proBNP
können kardiovaskuläre Ereignisse innerhalb eines kürzeren Zeitraums präzise
vorhergesagt werden. Unseren Daten zufolge lag der negative prädiktive Wert
eines normalen NT-proBNP-Spiegels
(<125pg/ml) für die Vorhersage kardio-
vaskulärer Ereignisse bei 98%. 8 Daher
ist die Bestimmung von NT-proBNP generell bei Diabetespatienten mit gesteigertem kardiovaskulärem Risiko zu empfehlen.
Aus therapeutischer Sicht sind alle für
Herzinsuffizienz zugelassenen Medikamente auch beim Diabetiker nicht kontraindiziert.
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■
Autor:
ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi
Univ.-Klinik für Innere Medizin II –
Endokrinologie u. Stoffwechsel,
Medizinische Universität Wien
Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien
E-Mail: [email protected]
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Medikamentöse Therapie
des Diabetes mellitus bei HI
M. Lechleitner, Hochzirl
Diabetes mellitus Typ 2 ist die häufigste Stoffwechselerkrankung und betrifft rund 5% der Bevölkerung in
Mitteleuropa. Das Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz (HI) ist bei Diabetikern gegenüber der
nicht diabetischen Bevölkerung deutlich erhöht. Entsprechend den Daten der Framingham-Studie beträgt
diese Risikozunahme das 2,4-Fache bei Männern und das 5,1-Fache bei Frauen. Darüber hinaus ist die Mortalität bei Herzinsuffizienz bei diabetischen gegenüber nicht diabetischen Patienten erhöht.1 Diese Zunahme
des Mortalitätsrisikos bei Herzinsuffizienz besteht bereits bei einem metabolischen Syndrom und damit vor
der Diagnose des Diabetes mellitus.
Die Entwicklung der Herzinsuffizienz bei den Ergebnissen der UKPDS, eine Re- ckerkontrolle (glykämisches GedächtDiabetes mellitus wird durch komplexe duktion des Herzinsuffizienzrisikos um nis), nicht jedoch auf die antihypertenpathophysiologische Mechanismen be- 16% (Abb.).4 In der kürzlich publizierten sive Therapie.
günstigt wie die koronare Herzerkran- Langzeitanalyse der UKPDS-Daten fand Die kürzlich präsentierten Ergebnisse der
kung, die autonome diabetische Neuro- sich ein anhaltend günstiger Effekt der VADT-Studie, die rund 1.700 ältere Typpathie sowie die nicht enzymatische verbesserten glykämischen Kontrolle 2-Diabetiker mit lang dauerndem Typ-2Glykierung von Proteinen und die Zu- auch Jahre nach Beendigung der thera- Diabetes inkludierte, zeigte auf, dass bei
nahme oxidativer Stressmechanismen in- peutischen Interventionen im Rahmen einer umfassenden Betreuung kein Unterfolge der Hyperglykämie. Die Ergebnisse der Studie.5 Dieser nachhaltige Effekt schied in den primären Endpunkte (Myoder UKPDS zeigen, dass eine schlechtere fand sich nur in Bezug auf die Blutzu- kardinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer
glykämische Kontrolle mit einer
Tod, Revaskularisation, AmputaZunahme des HbA1c-Wertes
tion) zwischen der intensivierten
Inzidenz* der Herzinsuffizienz bei DM2
um 1% zu einer Erhöhung des
antiglykämischen Therapie mit
Erstes Zweites Längere
Herzinsuffizienzrisikos um 8%
einem HbA1c-Wert von 6,9%
Therapie
Gesamt
Jahr
Jahr
Dauer
führt.2 Als weitere Risikofakund der Standardtherapie mit
toren für die Entwicklung einer
einem HbA1c-Wert von 8,4%
Ohne Medikamente 6,8
14,7
34,4
18,5
Herzinsuffizienz beim Diabetizu beobachten war.6
Insulin
14,2
7,6
15,6
14,1
ker gelten das Alter der PatiIn der ACCORD-Studie unenten, die Dauer des Diabetes
ter Einschluss von über 10.000
Sulfonylharnstoffe
32,7
20,5
26,0
26,6
mellitus, die Insulintherapie,
Typ-2-Diabetikern war im inhypertone Blutdruckwerte, das
tensivierten Behandlungsarm mit
Metformin
20,6
15,9
19,2
18,8
Vorliegen einer koronaren Herzeinem HbA1c-Zielwert von unInsulin
35,8
0
27,7
24,3
erkrankung und eine eingeter 6% die kardiovaskuläre und
Kombination
schränkte Nierenfunktion.2, 3
die Gesamtmortalität gegenüber
OAD Kombination
15,8
18,6
19,3
18,7
der Standardtherapie mit einem
Die glykämische Kontrolle
HbA1c-Wert von 7,5% sogar erGesamt
15,3
16,6
27,0
20,8
höht. Als mögliche Erklärung
* Inzidenz pro 1.000 Personenjahre seit Diagnose
Eine Verbesserung der glykäwurde die Risikozunahme bei ei** 25.690 Patienten mit neu diagnostiziertem Diabetes
mischen Kontrolle mit einer
ner raschen und aggressiven BlutReduktion des HbA1c-Wertes Tab.: UK General Practice Research Database** (1988–1999); (Maru
zuckersenkung bei Patienten mit
um 1% bewirkt, entsprechend et al, Diabetes Care 2005; 28: 20)
lang dauerndem Diabetes und
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Hazard-Ratio
einem erhöhten kardiovaskuDisaccharidasehemmer
Herzinsuffizienzrisiko
lären Risikoprofil diskutiert.
(Acarbose)
5
Die Sicherheit und den VorIn der STOP-NIDDM-Studie
16% Risikoreduktion pro 1% HbA1c-Senkung
teil einer strikten Blutzuckerresultierte die Verbesserung
kontrolle bei Typ-2-Diabetes
der glykämischen Kontrolle
vor allem im Hinblick auf die
durch Acarbose bereits bei RiNephropathie bestätigte die
sikopatienten für einen TypADVANCE-Studie. In dieser
2-Diabetes auch in einer Regroßen, über 11.000 Patienten
duktion der kardiovaskulären
umfassenden Studie ergab sich
Ereignisse.13
keine Zunahme der Mortalität
p=0,016
in der intensivierten TheraInsulin
piegruppe bei einem HbA1cDa die Insulintherapie übli5
6
7
8
9
10
11
HbA1c (Median)
Wert von 6,5% gegenüber
cherweise im Rahmen eines
Quelle: UKPDS 35, BMJ 200; 321: 405–12
7,3% in der Standardthera- Abb.
Sekundärversagens oraler Anpiegruppe. Jüngere Patienten
tidiabetika und damit nach
ohne manifeste mikro- und makrovaskuläre Sulfonylharnstoffderivaten bzw. Metfor- längerer Diabetesdauer erfolgt, sind AnaSpätkomplikationen zu Beginn der Studie min auch eine deutlich geringere Herz- lysen zum Herzinsuffizienzrisiko unter
profitierten von der intensivierten antiglyk- insuffizienzinzidenz unter Metformin.
Insulintherapie erschwert.14 In Beobach6
ämischen Therapie am deutlichsten.
tungsstudien und Subgruppenanalysen
Glitazone
zeigte sich bei Patienten unter InsulinFormen der
Glitazone sind bei manifester Herzinsuf- therapie eine höhere kardiovaskuläre
antiglykämischen Therapie
fizienz kontraindiziert, denn diese anti- Morbidität und Mortalität, während eine
diabetische Substanzklasse führt zu einer retrospektive Kohortenstudie unter EinNeben der glykämischen Kontrolle und Gewichtszunahme, die zum Teil auf ei- beziehung von 16.417 älteren US-amedamit der Bedeutung des HbA1c-Ziel- ner verstärkten Flüssigkeitsretention be- rikanischen Männern keine Korrelation
wertes von unter 7% zur Reduktion der ruht. Metaanalysen von Glitazon-Inter- zwischen Insulintherapie und HerzinsufSpätkomplikationsrate werden für die an- ventionsstudien zeigen für Rosiglitazon fizienzrisiko aufzeigen konnte. 9 Ein
tidiabetischen Substanzklassen unter- und Pioglitazon eine erhöhte Inzidenz deutlich erhöhtes Risiko für eine verschiedliche Effekte auf das kardiovasku- der Herzinsuffizienz im Therapiearm. In mehrte Flüssigkeitsakkumulation zeigt
läre Risiko beschrieben.
der PROactive-Studie fand sich bei Typ- sich bei Kombination von Insulin mit
2-Diabetikern mit einem hohen kardio- Glitazonen.11
Metformin
vaskulären Risiko unter Therapie mit PiMetformin erhöht die Insulinsensitivität oglitazon eine Reduktion des kombi- GLP-1- und DPP-4-Hemmer
und weist günstige Effekte in Bezug auf nierten Endpunkts und der Reinsult- Daten weisen auf eine mögliche Redukdas Körpergewicht auf. Als Kontraindi- rate,10 das Risiko zur Entwicklung einer tion des Herzinsuffizienzrisikos hin, klikationen für die Therapie mit Metformin Herzinsuffizienzsymptomatik war unter nische Studien und Langzeitergebnisse
gelten eine eingeschränkte Nierenfunktion Pioglitazon erhöht wie auch die Hospi- liegen allerdings noch nicht vor.15 GLPund Erkrankungen, die mit einem erhöh- talisierungsrate wegen Herzinsuffizienz, 1-Rezeptoren konnten im Myokard und
ten Laktatanfall einhergehen können. Eine die unter Pioglitazon 7,5% betrug und im vaskulären Endothel nachgewiesen
retrospektive Auswertung der Daten von im Vergleichsarm 5,2%. Kein Unter- werden. Als Zusatztherapie zur Stan8.872 Diabetikern nach Myokardinfarkt schied fand sich hingegen bezüglich der dardbehandlung fand sich unter Verzeigte auf, dass die Therapie mit antidia- Mortalität bei Herzinsuffizienz mit 1,8% suchsanordnungen bei Tieren unter eibetischen Substanzklassen, welche die In- unter Pioglitazon und 1,7% unter Pla- ner Infusionstherapie mit GLP-1 nach
sulinresistenz vermindern, wie vor allem cebo.11
Myokardinfarkt eine Verbesserung der
Metformin, aber auch Glitazone, ein redulinksventrikulären Funktion.16 Eine Verziertes Mortalitätsrisiko gegenüber ande- Sulfonylharnstoffderivate
besserung des funktionellen Status und
ren antidiabetischen Substanzklassen auf- Im Hinblick auf das Herzinsuffizienzri- der Lebensqualität nach GLP-1-Infusiweisen, der Unterschied erreichte jedoch siko zeigen Sulfonylharnstoffderivate ein onen konnte auch für Patienten mit
kein Signifikanzniveau.7, 8
neutrales Verhalten. Bei einer verglei- schwerer Herzinsuffizienz aufgezeigt
Auch Analysen der Saskatchewan Data- chenden Auswertung fand sich unter werden. 17
base zeigen unter einer Therapie mit Metformin jedoch eine geringere MorMetformin gegenüber Sulfonylharnstof- talität als unter Sulfonylharnstoffderiva- Grundsätzlich gilt auch beim Diabetiker
fen eine Reduktion der Mortalität und ten.12 Für die neueren Sulfonylharnstoff- mit manifester Herzinsuffizienz das Erder Hospitalisationsrate.9 In dieser ka- derivate wie Gliclazid und Glimepirid reichen der entsprechenden glykämischen
nadischen Studie unter Einbeziehung von wurden im Vergleich zu Glibenclamid Zielwerte als vorrangig. Unter Bezug5.631 älteren Typ-2-Diabetikern (66±13 günstigere gefäßbiologische Effekte be- nahme auf die aktuelle Studienlage sollte
Jahre) fand sich unter Monotherapie mit schrieben.
bei lang dauerndem Typ-2-Diabetes und
7 I
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bereits manifesten kardiovaskulären Erkrankungen eine vorsichtige schrittweise
durchzuführende Reduktion der Hyperglykämie angestrebt werden, mit einem
weniger strikten HbA1c-Zielwert.
Weitere Risikofaktoren wie die antihypertensive Therapie und das Erreichen der
Lipidzielwerte sind gerade auch im Hinblick auf das Herzinsuffizienzrisiko und
die Prognose nicht zu vernachlässigen.
Literatur:
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■
Autorin:
Prim. Univ.-Prof. Dr. M. Lechleitner
Landeskrankenhaus Hochzirl
Anna-Dengel-Haus
[email protected]
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Hyperlipidämie
Statintherapie sinnvoll
bei Herzinsuffizienz?
G. Pölzl, Innsbruck
M. Hülsmann, Wien
Aufgrund ihrer pleiotropen Effekte und positiver Ergebnisse in überwiegend retrospektiven Studien wurden
Statine als mögliche Ergänzung zur neurohumoralen Modulation bei chronischer Herzinsuffizienz (CHI) in
Erwägung gezogen. Zwei prospektive randomisierte Studien, CORONA und GISSI-HF, haben dies jedoch
widerlegt. Aufgrund konsistenter Ergebnisse in beiden Studien besteht derzeit keine Indikation für den Einsatz von Statinen bei Patienten mit symptomatischer CHI. Dies gilt sowohl für die ischämische wie auch für
die nicht ischämische Kardiomyopathie (CMP). Diese Empfehlung gilt jedoch explizit nicht für Patienten, die
bereits vor Auftreten der CHI eine Statintherapie erhielten, Patienten mit asymptomatischer ischämischer
CMP und Patienten mit symptomatischer CHI und erhaltener LV-Funktion.
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kumulatives Überleben (%)
Die Tatsache, dass Cholesterin einerseits Die Ursachen für dieses paradoxe Phä- neutralisieren. Es ist ebenfalls denkbar,
zwar einen relevanten Risikofaktor für die nomen sind vorerst spekulativ. Eine mög- dass sich die durch Statine inhibierte BilEntwicklung der Herzinsuffizienz dar- liche Erklärung geht davon aus, dass mit dung von Koenzym Q10 und die damit
stellt, andererseits aber erhöhtes Choles- Cholesterin und Triglyzeriden ange- verbundene Reduktion der antioxidativen
terin bei bereits bestehender Herzinsuf- reicherte Lipoproteine in der Lage sind, Funktion ungünstig auf die CHI ausfizienz protektiv ist, wird als Cholesterin- zirkulierende Endotoxine (=bakterielle wirkt.
Paradox bezeichnet. Subgruppenanalysen Lipopolysaccharide, die durch die öde- Unter diesen Gesichtspunkten erscheint
von großen prospektiven Studien wie 4S matöse Darmwand immigrieren), die für die therapeutische Reduktion des Chound CARE haben ergeben, dass es durch einen chronischen Entzündungsprozess lesterinspiegels bei bereits erkrankten
die statinvermittelte Reduktion des Cho- und damit für die Progression der HI Personen kontraproduktiv.
lesterinspiegels möglich ist, die Inzidenz mitverantwortlich gemacht werden, zu Dem ist allerdings der nachgewiesene poder HI um ca. 20% zu redusitive Einfluss der Statine auf
zieren. Das spricht eindeutig
Entzündung,
oxidativen
Langzeitüberleben
für eine diätetische und mediStress, Atherogenese und Plakamentöse Therapie der Hyquestabilisation entgegenzu1,0
percholesterinämie in der Prohalten. Tatsächlich konnte gephylaxe der CHI.
zeigt werden, dass Statine das
0,8
Anders verhält es sich bei PaAuftreten von akuten Korotienten mit bereits bestehennarsyndromen reduzieren. In
0,6
der CHI. Hier gilt: Ein erder CARE-Studie war dieser
höhter SerumcholesterinspieEffekt von Pravastatin sowohl
0,4
gel (>200mg/dl) ist mit einer
bei Patienten mit eingehöheren Überlebenswahrscheinschränkter (LV-EF zwischen
0,2
Cholesterin ≥5,2 (200,8mg/dl)
lichkeit verbunden (Abb. 1).
25 und 40%) als auch bei PaCholesterin <5,2
Diese Assoziation zwischen ertienten mit erhaltener LV0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
höhtem Cholesterin und höFunktion zu beobachten. Geht
Monate
herer Überlebenswahrscheinman davon aus, dass jedes ko1: Patienten mit CHI und erhöhtem Cholesterinspiegel weisen ein
lichkeit ist unabhängig von der Abb.
ronare Ereignis letztendlich
signifikant besseres Langzeitüberleben auf als Patienten mit normalem
Ätiologie der CHI.
zur Progression der CHI beiCholesterinspiegel (Rauchhaus et al, J Am Coll Cardiol 2003)
universimed.com
| sonderpublikation
CORONA-Studie
20
15
10
5
0
6
12
18
24
30
Placebo
Rosuvastin
30
25
20
15
10
5
p=0,12
0
© UNIVERSIMED ®
25
Tod jeglicher Ursache
35
Patienten (%)
Placebo
Rosuvastin
30
Patienten (%)
© UNIVERSIMED ®
Kombinierter Endpunkt
35
36
0
Monate
p=0,12
0
6
12
18
24
30
36
Abb. 2: In der CORONA-Studie konnte kein Unterschied zwischen der Rosuvastatin- und der Placebo-Gruppe im Hinblick auf den kombinierten Endpunkt
(Tod aus kardiovaskulären Gründen, Myokardinfarkt, Schlaganfall) (A) und Tod jeglicher Ursache (B) gefunden werden (Kjekshus et al, N Engl J Med 2007)
trägt, spricht dies für den Einsatz von
Statinen bei CHI. Auch der positive Effekt auf die Endothelfunktion und die
Tatsache, dass Statine die Expression des
Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptors reduzieren, was wiederum ein verbessertes Ansprechen auf Sartane zur Folge hat,
spricht für den Einsatz dieser Substanzklasse bei CHI. Schließlich gibt es auch
Hinweise auf einen antiarrhythmischen
Effekt von Statinen bei CHI.
Tatsächlich konnte in kleineren, z.T.
prospektiven, z.T. retrospektiven Studien
gezeigt werden, dass Statine die neurohumorale Imbalance ebenso wie die Entzündungsaktivität bei Patienten mit nicht
ischämischer CMP verbessern, die Mortalität sowohl bei ischämischer wie auch
bei nicht ischämischer Ursache der CHI
reduzieren und Morbidität und Mortalität bei Patienten mit CHI nach Myokardinfarkt günstig beeinflussen können.
In eine ähnliche Richtung weisen auch
die Ergebnisse von zwei großen retrospektiven Kohortenstudien an älteren Patienten, die wegen kardialer Dekompensation hospitalisiert waren. Hier zeigte
sich klar ein günstigeres Langzeitüberleben für Patienten, die mit einer Statintherapie entlassen wurden.
In einer kürzlich publizierten Metaanalyse wurden 13 CHI-Studien mit insgesamt 131.430 Patienten zusammengefasst. Dabei zeigte sich eine Mortalitätsreduktion von relativen 26% für die mit
Statinen
behandelten
Patienten
(n=30.107). Dies traf sowohl für Patienten mit ischämischer wie auch mit
nicht ischämischer CMP zu. Aber auch
hier ist anzumerken, dass es sich bei den
eingeschlossenen Studien mehrheitlich
um retrospektive Analysen handelt.
Diese offensichtliche Diskrepanz zwischen der scheinbar protektiven Rolle des
Cholesterins bei CHI einerseits und dem
vermeintlich günstigen Effekt der Statine auf die Progression der CHI andererseits war die Grundlage für zwei große
prospektive, randomisierte Studien, die
den Vergleich zwischen Statinen und Placebo bei Patienten mit chronischer HI
zum Ziel hatten.
In beiden Studien, CORONA und
GISSI-HF, wurde Rosuvastatin 10mg pro
Tag verabreicht. In CORONA (n=5.011)
wurden ältere Patienten (>60a, im Mittel 73a) mit ischämischer CMP im
NYHA-Stadium III/IV und LV-EF ≤40%
bzw. NYHA-Stadium II und LV-EF
≤35% eingeschlossen. Für GISSI-HF
(n=4.574) waren weder jüngeres Lebensalter (mittleres Alter 67a, ca. 42% >70a)
noch nicht ischämische CMP (ca. 50%)
ein Ausschlussgrund. Am Ende zeigten
sich in beiden Studien in der Rosuvastatin-Gruppe sowohl LDL-C als auch
Placebo
Rosuvastin
0,6
0,5
0,4
Adjustierte HR 1,00 (95,5% Cl 0,898–1,122); p=0,943
Nicht adjustierte HR 1,03 (95,5% Cl 0,917–1,145); p=0,660
0,3
0,2
0,1
0
0
6
12
18
24
30
Monate
36
42
48
54
Kombinierter Endpunkt
0,7
© UNIVERSIMED ®
Tod jeglicher Ursache
© UNIVERSIMED ®
Tod jeglicher Ursache
0,7
Tod jeglicher Ursache oder Spitalsaufnahme wegen Kardiovask. Ursachen
GISSI-HF-Studie
Adjustierte HR 1,01 (95,5% Cl 0,908–1,112); p=0,903
Nicht adjustierte HR 1,02 (95,5% Cl 0,923–1,130); p=0,594
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
Placebo
Rosuvastin
0,1
0
0
6
12
18
24
30
36
42
48
54
Monate
Abb. 3: Kein Unterschied zwischen Rosuvastatin und Placebo in der GISSI-HF-Studie im Hinblick auf Tod jeglicher Ursache (links) und den kombinierten
Endpunkt (rechts) bestehend aus Tod und Krankenhausaufnahmen wegen kardiovaskulärer Erkrankungen (GISSI-HF Investigators, Lancet 2008)
universimed.com
11 I
JATROS
hsCRP signifikant reduziert. Allerdings,
und das ist die entscheidende Information, war in beiden Studien keine Mortalitätsreduktion nachzuweisen (Abb. 2
u. 3). Auch die Todesursachen waren vergleichbar: Die Verschlechterung der CHI
und der plötzliche Herztod standen jeweils an oberster Stelle, während akuter
Myokardinfarkt und Schlaganfall nur
eine geringe Rolle spielten. Als Positivum ist anzumerken, dass in CORONA
die Hospitalisationsrate wegen dekompensierter Herzinsuffizienz signifikant reduziert werden konnte und dass in beiden Studien keine relevanten Nebenwirkungen (z.B. Erhöhung von CK oder Leberenzymen, Muskelschmerzen oder
Niereninsuffizienz) in der RosuvastatinGruppe beobachtet wurden.
Der für viele unerwartete Ausgang beider Studien hat zu einer Reihe von Spekulationen über mögliche Ursachen Anlass gegeben. Angeführt wird unter anderem, dass in den vorherigen Studien zu-
I 12
| sonderpublikation
Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009
meist Patienten mit symptomatischer
CHI ausgeschlossen wurden und dass der
therapeutische Effekt von Statinen möglicherweise kein Klasseneffekt ist. Es wird
weiters argumentiert, dass sowohl in CORONA als auch in GISSI-HF Patienten
mit einer klinischen Indikation für Statine ausgeschlossen waren und dadurch
ein möglicher Auswahlfehler vorlag.
Die wahrscheinlichste Erklärung ist jedoch, dass, sobald ein irreversibler Organschaden aufgetreten ist, der positive
Effekt der Statine auf Prävention und
Progression der KHK zu spät kommt.
Die Tatsache, dass in beiden Studien die
KHK keinen wesentlichen Einfluss auf
die Todesursache hatte, unterstützt diese
Vermutung.
Damit ergibt sich insgesamt derzeit keine
Indikation für den Einsatz von Statinen
bei Patienten mit symptomatischer CHF.
Dies gilt sowohl für Patienten mit
ischämischer wie auch für Patienten mit
nicht ischämischer CMP.
Diese Empfehlung gilt explizit nicht für
Patienten, die bereits vor Auftreten der
CHI eine Statintherapie erhielten (keine
relevanten Nebenwirkungen, mögliche
prothrombotische Effekte nach Absetzen
der Therapie!) und Patienten mit asymptomatischer ischämischer CMP und Patienten mit symptomatischer CHI und
erhaltener LV-Funktion (diese Patientengruppen wurden in den beiden Studien
nicht untersucht).
■
Autoren: Univ.-Doz. Dr. Gerhard Pölzl1
Univ.-Doz. Dr. Martin Hülsmann2
1Univ.-Klinik
für Innere Medizin III – Kardiolo-
gie, Medizinische Universität Innsbruck,
Anichstraße 35, 6020 Innsbruck,
E-Mail: [email protected]
2Univ.-Klinik
für Innere Medizin II –
Kardiologie, Medizinische Universität Wien,
Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien,
E-Mail: [email protected]
universimed.com
JATROS
Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009
Hyperurikämie
Behandlungsbedürftig oder
Marker für oxidativen Stress?
M. Frick, Innsbruck
Eine Hyperurikämie (Serumharnsäurespiegel ≥7mg/dl) ist bei Herzinsuffizienz häufig, wobei die höchsten
Werte im NYHA-Stadium IV und bei kachektischen Patienten auftreten. Eine myokardiale Schädigung kann
dabei durch die Harnsäure selbst oder über eine gesteigerte Aktivität der Xanthinoxidase mit Ausschüttung
von freien Sauerstoffradikalen erfolgen. In mehreren retrospektiven Studien konnte auch die Bedeutung der
Harnsäure als prognostischer Marker bei Herzinsuffizienz nachgewiesen werden. Ob herzinsuffiziente Patienten mit asymptomatischer Hyperurikämie zusätzlich mit Allopurinol behandelt werden sollen, ist unklar.
Allgemeine Aspekte
Harnsäure ist eine organische Substanz,
die aus Karbon, Stickstoff, Sauerstoff und
Wasserstoff besteht. Die Harnsäure ist
das Endprodukt des Purinsäuremetabolismus (Abb. 1). Purin, welches aus endogener Synthese oder der Nahrung entsteht, wird zu Hypoxanthin umgewandelt. Das im Harnsäuremetabolismus
entscheidende Enzym Xanthinoxidase katabolisiert dann die Synthese von Hypoxanthin zu Xanthin und schlussendlich
die Bildung von Harnsäure. Die Harnsäure selbst wird zu 80% renal eliminiert
und zu 20% über den Gastrointestinaltrakt ausgeschieden.
Von einer Hyperurikämie wird ab einem
Serumharnsäurespiegel ≥7mg/dl gesprochen. Prinzipiell werden primäre und sekundäre Formen der Hyperurikämie unterschieden. Die primären Formen entstehen zumeist aufgrund einer Störung
der renalen Ausscheidung oder der Biosynthese als Folge eines Enzymdefekts.
Die Ursache von sekundären Formen
sind zumeist ein gesteigerter Zellumsatz
oder eine Nierenfunktionsstörung mit reduzierter Ausscheidung der Harnsäure.
Die Hyperurikämie kann grundsätzlich
drei Folgeprobleme verursachen: Erstens
können die Harnsäureablagerungen zu
einer Gichtniere führen. Zweitens kann
I 14
es zur Konkrementbildung in den Harnwegen mit Nephro- und Urolithiasis
kommen. Drittens kann das klinische
Bild einer Gicht mit entsprechender Gelenksbeteiligung entstehen.
Es gibt eine Reihe von kardiovaskulären
Risikofaktoren oder Erkrankungen, die
mit der Hyperurikämie assoziiert sind
(Tab.). Im Weiteren soll die Bedeutung
der Hyperurikämie bei Herzinsuffizienz
genauer beleuchtet werden.
Hyperurikämie und
Herzinsuffizienz
Dass die Hyperurikämie eine Rolle bei
der Herzinsuffizienz spielt, konnte in
einer großen Anzahl von allerdings eher
kleineren Studien gezeigt werden. Beispielsweise konnte nachgewiesen werden, dass die Harnsäurespiegel abhängig vom NYHA-Stadium unterschiedlich sind, wobei die höchsten Werte im
NYHA-Stadium IV auftreten. Doehner
et al haben festgestellt, dass herzinsuffiziente Patienten generell höhere Harnsäurespiegel aufweisen im Vergleich zu
einem Kontrollkollektiv. Besonders hohe
Harnsäurespiegel wurden bei herzinsuffizienten Patienten mit Kachexie gemessen. Interessanterweise konnten auch
Korrelationen zwischen Harnsäurespiegel und linksventrikulärem Füllungs-
druck sowie rechtsatrialem Druck beobachtet werden.
Eine entscheidende Frage ist, warum es
bei Patienten mit Herzinsuffizienz zu erhöhten Harnsäurespiegeln kommt. Die
potenziellen Mechanismen sind in Abb. 2
zusammengefasst: Einerseits spielen die
bei herzinsuffizienten Patienten häufig
auftretende Niereninsuffizienz und die
Diuretikatherapie mit einem hemmenden
Effekt auf die Harnsäureausscheidung
eine Rolle. Andererseits kommt es über
Immunaktivierung (Sauerstoffradikale,
TNF-α) zur Stimulation der Xanthino-
Assoziation mit Hyperurikämie
arterielle Hypertonie
metabolisches Syndrom
Niereninsuffizienz
vaskuläre Erkrankungen (KHK, PAVK, CVK)
Endotheldysfunktion
oxidativer Stress
Herzinsuffizienz
Quelle: Feig DI et al, NEJM 2008; 359: 1811
Tab.: Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen, die mit Hyperurikämie assoziiert
sind
universimed.com
| sonderpublikation
Harnsäurematabolismus
Ursachen der Hyperurikämie bei HI
De-novo-Synthese
Nahrung
Purin
Hypoxanthin
Xanthinoxidase
• Zelltod
• Gewebshypoxie
• reduzierter Metabolismus:
• katabolischer Drive
• Insulinresistenz
Immunaktivierung:
• TNF-α
• freie O2-Radikale
⊕
PurinMetaboliten
⊕
XO-Aktivität
Xanthin
Harnsäure
Xanthinoxidase
Harnsäure
renal 80%
Reduzierte Nierenfunktion
gastrointestinal 20%
Abb. 1
xidase und über Zelltod, reduzierten Metabolismus und Gewebehypoxie zum vermehrten Anfall von Purinen und deren
Metaboliten.
Welche Folgen hat nun aber ein erhöhter
Serumharnsäurespiegel für einen herzinsuffizienten Patienten? Es gibt Hinweise
aus kleineren Studien, dass die Hyperurikämie bei Herzinsuffizienz zu einer Aktivierung inflammatorischer Marker führt,
mit einer reduzierten Gefäßfunktion assoziiert ist und zu einem reduzierten Metabolismus führt. Kontrovers wird in der
Literatur diskutiert, ob die Harnsäurespiegel selbst oder die Hochregulierung der
Xanthinoxidase-Aktivität zu einem myokardialen Schaden führen. Einerseits wurden Hinweise auf einen direkten Effekt
erhöhter Harnsäurespiegel über immunmediierte Prozesse, proinflammatorische
Immunaktivierung, Stimulation von TNFα und Steigerung der Synthese von MCP1 von Gefäßmuskelzellen beschrieben. Andererseits ist die Xanthinoxidase, welche
bei der Herzinsuffizienz deutlich hochreguliert ist, einer der wichtigsten Produzenten von freien Sauerstoffradikalen und
kann damit zur myokardialen Schädigung
führen.
Prognostische Bedeutung der
Hyperurikämie bei Herzinsuffizienz
Die prognostische Bedeutung der Hyperurikämie in der Herzinsuffizienz wurde
bisher in vier retrospektiven Studien an
relativ kleinen Patientenpopulationen
untersucht. In allen Arbeiten konnte eine
Assoziation zwischen Hyperurikämie und
Prognose festgestellt werden, wenngleich
universimed.com
⊕
Diuretikatherapie
Harnsäureausscheidung
Abb. 2
die Cut-off-Werte für das Vorliegen einer Hyperurikämie unterschiedlich waren. In einer Studie blieb auch in der
multivariaten Analyse die Harnsäure signifikant mit dem Outcome assoziiert.
Die Berliner Arbeitsgruppe um Prof. Anker untersuchte den in der retrospektiven Studie festgestellten Cut-off-Wert für
Harnsäure von 9,5mg/dl in einem prospektiven Ansatz. Es wurde dabei die
Harnsäure (>9,5mg/dl) in einen Score
mit hämodynamischen (VO2max<14ml/
kg/min) und funktionellen Parametern
(EF<25%) integriert. Wenn alle drei
Scorepunkte erfüllt waren, hatten die Patienten eine Mortalität von 88%!
Behandlung der Hyperurikämie
bei Herzinsuffizienz
Auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz gilt, dass nach einem stattgehabten
Gichtanfall eine Therapie der Hyperurikämie mit Allopurinol erfolgen sollte.
Zur Behandlung des Gichtanfalls sollte
man aber bei dieser Patientenpopula-
tion nichtsteroidale Antirheumatika
meiden. Eine Alternative in der medikamentösen Behandlung des akuten
Gichtanfalles bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist Colchicin.
Ob Patienten mit asymptomatischer Hyperurikämie und Herzinsuffizienz eine
Therapie mit Allopurinol erhalten sollen, ist unklar. Im Tierversuch konnte
gezeigt werden, dass Allopurinol in einem
Herzinsuffizienzmodell zu einer Verbesserung der Druck-Volumen-Kurve führt.
In zwei Studien bei Patienten mit Herzinsuffizienz führte die Gabe von Allopurinol zu einer deutlichen Verbesserung
der Endothelfunktion. Allerdings ist die
Endothelfunktion nur ein Surrogatparameter für die Prognose. Wünschenswert
wäre eine Outcomestudie mit Allopurinol bei Patienten mit Herzinsuffizienz
und asymptomatischer Hyperurikämie.
Da aber Allopurinol bereits als Generikum verfügbar ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Studie jemals
durchgeführt werden wird. Nichtsdestotrotz kann man festhalten, dass man, in
Anbetracht der beschriebenen Folgen der
Hyperurikämie und der Verbesserung der
Endothelfunktion durch Allopurinol,
auch Patienten mit asymptomatischer
Hyperurikämie und Herzinsuffizienz unter entsprechender Observanz behandeln
kann.
■
Autor: Priv.-Doz. Dr. Matthias Frick
Univ.-Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie
Medizinische Universität Innsbruck
Anichstraße 35, 6020 Innsbruck
E-Mail: [email protected]
15 I
JATROS
Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009
Ernährungsstörungen bei
chronischer Herzinsuffizienz
G. Pölzl, Innsbruck
Als kardiale Kachexie wird die ungewollte Abnahme des nicht ödematösen Körpergewichtes von ≥6% über einen
Zeitraum von 6 Monaten bezeichnet. Sie betrifft ca. 10–15% der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Ursache dafür ist ein Ungleichgewicht zwischen katabolen und anabolen Faktoren, wobei Neurohormone (RAAS, SAS)
und Zytokine eine wichtige Rolle spielen. Tritt eine Kachexie auf, ist mit einer deutlichen Zunahme der Mortalität
zu rechnen. Der neurohumoralen Therapie mit ACE-Hemmer und Betablocker kommt vermutlich eine präventive
Rolle zu. Adipositas ist nicht Folge, sondern kann Ursache einer Herzinsuffizienz sein. Im Gegensatz zur Kachexie
sind Übergewichtigkeit und Adipositas mit einer günstigeren Prognose verbunden als Normalgewichtigkeit.
Die Entwicklung der kardialen Kachexie
ist ein dynamischer Prozess. Die Diagnose ist daher nur durch die dokumentierte Änderung des „Trockengewichtes“
(=nicht ödematöser Zustand) über einen
längeren Zeitraum möglich. Eine kardiale Kachexie liegt dann vor, wenn CHIPatienten im Vergleich zum prämorbiden Normalgewicht einen ungewollten
Gewichtsverlust von ≥6% aufweisen.
Entscheidend ist daher weniger das absolute Gewicht als die prozentuelle Gewichtsabnahme über die Zeit. Es ist somit durchaus möglich, dass Patienten mit
noch normalem oder sogar erhöhtem
BMI (Body-Mass-Index) bereits eine kardiale Kachexie aufweisen.
Die kardiale Kachexie ist durch eine katabole Stoffwechsellage und den generalisierten Verlust von Fett-, Muskel- und
Knochenmasse gekennzeichnet. Unabhängig vom Ausmaß der kardialen Funk-
Entwicklung der Kachexie
tionseinschränkung zeigt sich bereits bei
Patienten mit leichter bis mittelschwerer
CHI (NYHA II–III) in vielen Fällen eine
Muskelatrophie an den unteren Extremitäten. Muskelatrophie und reduzierter
peripherer Blutfluss sind die wichtigsten
Ursachen für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Patienten.
Ursachen der Kachexie
Die kardiale Kachexie ist das Resultat
eines zunehmenden Ungleichgewichtes
Aktivierung von TNF-α
10
Anabole
Faktoren
RAAS ↑, SAS ↑
genetischer
Entzündungsprozess
genetische Faktoren?
8
TNF (pg/ml)
Katabole
Faktoren
Steroid- und
Wachstumshormonresistenz
I 16
*
*
6
4
2
0
Abb. 1: Die kardiale Kachexie resultiert vor allem aus
einem Ungleichgewicht zwischen katabolen und anabolen Faktoren
Kontrollgruppe
SOLVD
Transplantationsgruppe
© UNIVERSIMED ®
Kachexie
Kontrollgruppe
I
II
III
NYHA-Klassifizierung
IV
Abb. 2: Die Serumspiegel von TNF-α nehmen mit steigendem Schweregrad der Herzinsuffizienz zu. Ebenso finden sich deutlich höhere Serumspiegel bei Vorliegen einer kardialen
Kachexie im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz
(von Baumgarten G et al, Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzth 2004)
universimed.com
| sonderpublikation
80
60
40
20
Hazard-Ratio 1,85
(95% CI 1,25–2,72) p<0,002
0
Baseline
9 Monate
12
24
36
48
Monate
Abb. 3: Patienten mit kardialer Kachexie weisen eine 2–3-mal höhere
Mortalität auf als nicht kachektische Patienten (von Anker S et al, Lancet
2003)
zwischen katabolen und anabolen Faktoren (Abb. 1). Als katabole Faktoren
wirken vor allem die im Übermaß aktivierten neurohumoralen Systeme, RAAS
(Renin-Angiotensin-Aldosteron-System)
und SAS (sympathoadrenerges System),
sowie generalisierte Entzündungsprozesse. Demgegenüber steht eine abnehmende Wirksamkeit anaboler Faktoren,
d.h. zunehmende Resistenz gegenüber
Steroid- und Wachstumshormonen. Der
Zusammenhang zwischen kardialer Kachexie und aktiviertem Immunsystem
wurde erstmals Anfang der 90er-Jahre als
eine auffällige Aktivierung von TumorNekrose-Faktor-alpha (TNF-α) bei Patienten mit kardialer Kachexie beschrieben (Abb. 2). Die exakte Ursache der vermehrten Zytokinexpression ist derzeit
noch nicht definitiv geklärt. Hypoxie
wird in diesem Zusammenhang ebenso
diskutiert wie eine mögliche Transloka-
60
© UNIVERSIMED ®
Patienten mit Gewichtsverlust ≥6%
Patienten ohne Gewichtsverlust ≥6%
Hazard-Ratio 1,85
(95% CI 1,25-2,72) p<0,002
kumulativer Anteil der Patienten
mit Gewichtsverlust (%)
kumulativer Anteil
Überlebender (%)
100
SOLVD-Studie
© UNIVERSIMED ®
Gewichtsverlust als Prädiktor
Placebo
Enalapril
50
40
30
20
10
0
Baseline
9 Monate
12
24
Monate
36
48
Abb. 4: In der SOLVD-Studie wiesen Patienten, die mit Enalapril behandelt
wurden, einen geringeren Gewichtsverlust auf als placebobehandelte Patienten (von Anker S et al, Lancet 2003)
tion von Bakterien durch die ödematöse
Darmwand kongestiver Patienten. TNF-α
und andere Zytokine, aber auch TGF-β
können sowohl direkt als auch indirekt
zur körperlichen Auszehrung beitragen,
so wie das auch bei Tumorerkrankungen
der Fall ist.
Appetitverlust (Anorexie) ist vermutlich
nur bei 10–20% der Betroffenen für die
Kachexie verantwortlich. Ebenso dürfte
die krankheitsbedingte körperliche Inaktivität nur eine geringe Rolle spielen,
zumal sich das histologische Bild einer
muskulären Inaktivitätsatrophie deutlich
von der Muskelatrophie bei CHI unterscheidet.
Häufigkeit der Kachexie
und prognostische Bedeutung
Etwa 10–15% der Patienten mit CHI
entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung
eine kardiale Kachexie. Vor allem in Be-
zug auf die Prognose der CHI kommt
der Kachexie eine entscheidende Rolle
zu. In der SOLVD-Studie erwies sich ein
dokumentierter Gewichtsverlust von
≥6% im Verlauf der 8-monatigen Nachbeobachtung als unabhängiger Prädiktor
für eine erhöhte Sterblichkeit. Dasselbe
Phänomen konnte auch in der V-HeFTII-Studie beobachtet werden. Man kann
davon ausgehen, dass die Sterblichkeit
von CHI-Patienten mit kardialer Kachexie etwa 2–3-mal höher ist als von Patienten mit CHI ohne Gewichtsverlust,
und zwar unabhängig vom Alter, dem
Ausgangsgewicht, dem Schweregrad der
Erkrankung und dem Ausmaß der LVDysfunktion (Abb. 3).
Prävention und Therapie
der Kachexie
Die Verbesserung des Ernährungszustandes ist ein nahe liegendes Therapieziel
Überlebenswahrscheinlichkeit
30
25–29,9
≥35
20
30-34,9
BMIKategorien
10
0
0
0,5
1,0
1,5
2,0
Jahre
2,5
3,0
3,5
4,0
0
Body-Mass-Index-Kategorien
-12,0
-16,9
-20,0
-19,0
-26,0
-28,7
-30,0
-50,0
1,5
-9,5
-10,0
-40,0
0,0
-39,3
-40,4
-28,6
© UNIVERSIMED ®
22,5–24,9
Follow-up (2 Jahre)
am Leben und nicht hospitalisiert
(geschätzte mittlere Differenz)
<22,5
p<0,0001
© UNIVERSIMED ®
kumulative Inzidenz von Tod
jeglicher Ursache (%)
40
-25,4
p=0,081
-52,6
-60,0
Abb. 5a, b: Die Wahrscheinlichkeit von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zu versterben zeigt eine klare Abhängigkeit vom BMI (5a). Die Absterbekurve zeigt einen umgekehrt J-förmigen Verlauf mit einem Anstieg bis zu einem BMI <30, einem Plateau zwischen 30 und 34,9 und einem neuerlichen
Abfall ab einem BMI >35 (5b) (von Kenchaiah S et al, Circulation 2007)
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17 I
JATROS
Kardiologie & Gefäßmedizin 2 I 2009
bei Patienten mit kardialer Kachexie. Systematische Untersuchungen zur Effektivität spezifischer Ernährungstherapien
sind allerdings nur bedingt verfügbar. Bei
stabilen Patienten ohne auffällige Zeichen einer Mangelernährung hat eine
präventive Ernährungstherapie zu keiner
Verbesserung des klinischen Zustandsbildes geführt. Ebenso ist durch eine unmittelbar postoperativ durchgeführte Hyperalimentation kein Überlebensvorteil
zu erreichen. Umgekehrt konnte durch
eine intensive präoperative Ernährungstherapie (intravenöse Verabreichung bis zu 1.200kcal/Tag über 5–8
Wochen) ein Überlebensvorteil gegenüber der Kontrollgruppe beobachtet
werden (17 vs. 57%, p<0,05).
Allerdings dürfte der neurohumoralen
Therapie, d.h. der medikamentösen
Blockade von RAAS und SAS, eine Bedeutung in der Prävention der kardialen Kachexie zukommen. In der bereits oben angeführten SOLVD-Studie war der Gewichtsverlust in der Enalapril-Gruppe deutlich niedriger als in
der Kontrollgruppe, was mit der antiinflammatorischen Wirkung des ACEHemmers in Zusammenhang gebracht
wurde (Abb. 4). Ähnliches konnte in der
COPERNICUS-Studie, bei der Carvedilol bei CHI untersucht wurde, auch für
Betablocker gezeigt werden.
Im Gegensatz dazu bewirkt die gezielte
Blockade der Zytokinaktivität mittels
TNF-Antagonisten keinen nachhaltigen
Effekt auf den klinischen Verlauf von
CHI-Patienten. Dasselbe gilt auch für die
Verabreichung von Wachstumsfaktoren
und anabolen Steroiden.
Adipositas
Im Gegensatz zur Kachexie ist die Adipositas nicht Folge einer CHI, sondern
kann sogar deren Ursache sein. Unabhängig vom Vorhandensein zusätzlicher
Risikofaktoren ist Adipositas mit einer
Reihe von ungünstigen hämodynamischen und morphologischen Veränderungen am kardiovaskulären System verbunden. Daten aus der Framingham-Studie zeigen eine klare Assoziation zwischen
der Höhe des BMI und der Entwicklung
einer CHI. Dabei erwies sich der BMI
als, zumindest partiell, von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren unabhängiger Risikofaktor. Es dürfte ein multiI 18
faktorieller kausaler Zusammenhang zwischen Adipositas und CHI bestehen: (1)
Mit Adipositas assoziierte kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie,
KHK, LV-Hypertrophie und Diabetes
bzw. das metabolische Syndrom sind bekannte Verursacher der Herzinsuffizienz.
Ebenso spielt das mit der Adipositas in
Zusammenhang stehende SchlafapnoeSyndrom eine ursächliche Rolle. (2) Es
ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die
Adipositas per se ebenfalls über derzeit
noch nicht identifizierte Mechanismen
am Zustandekommen der CHI beteiligt
ist. Einzelne Fallberichte weisen darauf
hin, dass bei adipösen Patienten, die eine
CHI entwickeln, die Gewichtsabnahme
zu einer Verbesserung der Herzinsuffizienz führt, weshalb der Begriff der „Adipositas-assoziierten Kardiomyopathie“
geprägt wurde.
Völlig konträr zur Kachexie stellt sich
der Zusammenhang zwischen Adipositas und Prognose dar. Übergewichtigkeit und Adipositas sind bei Patienten
mit Herzinsuffizienz mit einer höheren
Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden als Normalgewichtigkeit. Dies ist
durch mehrere Studien eindeutig belegt.
Dabei zeigt sich eine umgekehrt J-förmige Überlebenskurve: Die Überlebenswahrscheinlichkeit nimmt linear bis zu
einem BMI von 30 zu, bildet ein Plateau zwischen 30,0 und 34,9 und fällt
dann wieder ab (Abb. 5a, b).
Dass die direkte Beziehung zwischen
BMI und Prognose kein statistisches,
sondern ein reales Phänomen ist, zeigt
sich unter anderem daran, dass dieselbe
Beziehung auch bei anderen chronischen
Erkrankungen wie COPD, verschiedenen
Krebserkrankungen, Niereninsuffizienz
oder Leberzirrhose beobachtet wurde.
Als Ursache für dieses unerwartete Phä-
| sonderpublikation
nomen bieten sich verschiedene Hypothesen an: (a) Ein hoher BMI ist vielfach
mit einem höheren Blutdruck verbunden, was eine höhere Dosierung der effektiven neurohumoralen medikamentösen Therapie erlaubt. (b) Erhöhtes
Cholesterin, ein häufiger Befund bei
übergewichtigen Patienten, ist invers korreliert mit der Mortalität bei CHI. Es ist
denkbar, dass Lipoproteine zirkulierende,
für die Erkrankungsprogression ungünstige Lipopolysaccharide und bakterielle Endotoxine neutralisieren. (c)
Möglicherweise spielen auch veränderte Serumspiegel von Zytokinen und
Neurohormonen eine Rolle. So etwa
exprimiert Fettgewebe den löslichen
TNF-α-Rezeptor, der seinerseits wiederum das ungünstige TNF-α neutralisiert. (d) Fettgewebe stellt zudem ein
relevantes Energiereservoir dar. Es ist
möglich, dass dieses Energiereservoir
als metabolische Reserve dient und dadurch die Entstehung des sich mit zunehmender Erkrankungsdauer und schwere entwickelnden „wasting syndrome“ verzögert wird.
Obesity Paradox
Adipositas ist also einerseits mit einem
erhöhten Risiko für die Entwicklung einer CHI verbunden, andererseits haben
erkrankte Patienten mit einem erhöhten
Körpergewicht eine günstigere Prognose
– ein Phänomen, das als Obesity Paradox bezeichnet wird. Es ist daher klar,
dass Gewichtskontrolle und Gewichtsreduktion in der Prävention der Herzinsuffizienz unbestritten sind. Anders verhält es sich bei bereits erkrankten Patienten: Aus den vorliegenden Daten lässt
sich keine zwingende Notwendigkeit für
eine aktive Gewichtsabnahme ableiten.
Dennoch dürfte eine vorsichtige Gewichtsreduktion ratsam sein, zumal diese bei vielen Patienten zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit und weniger
Belastungsdyspnoe führt. Inwieweit eine
aktive Gewichtsabnahme die Prognose
dieser Patienten tatsächlich ungünstig beeinflusst, kann derzeit allerdings nicht
sicher beantwortet werden.
■
Autor: Univ.-Doz. Dr. Gerhard Pölzl
Univ.-Klinik für Innere Medizin III – Kardiologie
Medizinische Universität Innsbruck
Anichstraße 35, 6020 Innsbruck
E-Mail: [email protected]
universimed.com
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