Vom Harnwegsinfekt zur Nierenbeckenentzündung Ein leichtes Ziehen in der Nierengegend macht noch keine Nierenbeckenentzündung. Diese geht nämlich mit weitaus unangenehmeren Beschwerden einher. Nicht nur deshalb sollte man rasch zum Arzt. Dr. Andreas Koch ist Facharzt für Innere Medizin und Spezialist auf dem Gebiet der Angiologie bzw. Gefäßerkrankungen. Neben seiner Praxis in Feldkirch ist der Internist als Oberarzt der Abteilung für Innere Medizin am Krankenhaus Dornbirn tätig. Im Interview erklärt Dr. Andreas Koch, was ein Harnwegsinfekt mit einer Nierenbeckenentzündung zu tun hat, was man gegen letzteres tun und wie man ersterem vorbeugen kann. Man spürt ein leichtes Ziehen in der Nierengegend. Ist das ein erstes Anzeichen für eine Nierenbeckenentzündung, Herr Dr. Koch? Nein, ein leichtes Ziehen in der Nierengegend ist noch kein Anzeichen für eine Nierenbeckenentzündung. Eine richtige Nierenbeckenentzündung geht nämlich neben den sogenannten Flankenschmerzen (Anm.: wellenförmig auftretende und krampfartig wiederkehrende, sehr starke Schmerzen in der hinteren seitlichen Bauchregion im Bereich des Rumpfs) meist mit Fieber, Übelkeit, Erbrechen, oft auch mit Beschwerden beim Wasserlassen, also mit Brennen und häufigem Harndrang, einher. Wie kommt es zu einer Nierenbeckenentzündung? Anders gefragt: Besteht die Gefahr einer Nierenbeckenentzündung, wenn man mehrere Stunden bei Regen, Wind und Kälte spazieren geht, wenn die Kleider nass sind und man keine Gelegenheit hat, sich aufzuwärmen? Bei den allermeisten Personen wird sich in diesen Situationen keine Harnwegsinfektion oder Nierenbeckenentzündung entwickeln. Das soll aber nicht heißen, dass es ausgeschlossen ist. Denn wer bereits mehrfache Harnwegsinfekte gehabt hat, sollte sich besser vor Kälte und Nässe schützen. Eine Nierenbeckenentzündung wird in der Regel durch Bakterien verursacht. Unterkühlung und nasse Kleidung können Faktoren sein, die die Entwicklung einer Harnwegsinfektion begünstigen. Sie haben nun bereits zwei Mal die Harnwegsinfektion erwähnt. Was hat diese denn mit der Nierenbeckenentzündung zu tun? Nun, eine Harnwegsinfektion kann zu einer Nierenbeckenentzündung führen. Unter einem Harnwegsinfekt versteht man eine durch Krankheitserreger, wie eben Bakterien, verursachte Infektionskrankheit der ableitenden Harnwege. Die Erreger entstammen meist der körpereigenen Darmflora und wandern die Harnröhre hinauf in die Harnblase. Dort können sie zu einer Blasenentzündung führen. Wandern die Bakterien noch weiter hinauf, kann es eben zu einer Nierenbeckenentzündung kommen. Wie wird man eine Nierenbeckenentzündung wieder los? Eine Nierenbeckenentzündung muss mit einem Antibiotikum behandelt werden. Oft sind aber auch zusätzlich Schmerzmittel sinnvoll. Bei entsprechenden Beschwerden sollte man also auf jeden Fall den Arzt aufsuchen. In den meisten Fällen ist eine ambulante Behandlung mit Antibiotika-Tabletten möglich, bei schweren Erkrankungen oder bei speziellen Risikofaktoren, beispielsweise wenn eine Patientin schwanger ist, muss die Behandlung stationär erfolgen. Neben einer Harnuntersuchung ist unter Umständen eine weitere Abklärung notwendig. Das heißt, in manchen Fällen wird unter anderem ein Ultraschall der Nieren und ableitenden Harnwege gemacht. Was – wenn überhaupt – kann man selbst dazu beitragen, dass man rasch wieder gesund wird? Mehr als die Antibiotika zu schlucken und Bettruhe einzuhalten, kann man eigentlich nicht machen. Ob eine reichliche Flüssigkeitszufuhr die Abheilung begünstigt, ist nicht gesichert. Bei Fieber, was wie bereits erwähnt, oft mit einer Nierenbeckenentzündung einhergeht, besteht aber ohnehin ein größerer Flüssigkeitsbedarf. Kann es weitreichende Folgen haben, wenn man nichts dagegen unternimmt? Eine nicht behandelte Nierenbeckenentzündung kann unter Umständen schwerwiegende Komplikationen verursachen. So können sich Abszesse in und um die Niere entwickeln. Selten, aber doch hin und wieder treten schwerwiegende Allgemeininfektionen bis hin zur lebensbedrohlichen Blutvergiftung auf. Außerdem können wiederholte Nierenbeckenentzündungen und chronische Nierenbeckenentzündungen zur Niereninsuffizienz, aber auch bis hin zur Dialysepflichtigkeit führen. Dies ist zwar auch nur selten der Fall, aber es kann eben vorkommen. Wie beugt man einer Nierenentzündung vor? Wie gesagt, besteht die Möglichkeit, dass Harnwegsinfekte aufsteigen und in weiterer Folge zu einer Nierenbeckenentzündung führen. Dafür gibt es aber spezielle Risikofaktoren. So sind etwa Frauen anatomisch bedingt stärker gefährdet, da die meisten Infekte durch Fäkalkeime verursacht werden, die über die kürzere Harnröhre leichter zur Blase und weiter zu Niere aufsteigen können. Deswegen ist eine gute Hygiene wichtig, unter anderem die richtige „Wischrichtung“, nämlich von vorne nach hinten. Bei Frauen nach der Menopause können außerdem trockene Schleimhäute eine Ursache für Harnwegsinfekte darstellen, hier können lokale Östrogenpräparate vorbeugend wirken. Das bedeutet also, dass man einer Nierenbeckenentzündung vorbeugen kann, indem man einem Harnwegsinfekt vorbeugt? Genau. Leider kommen aber auch immer wieder stark gehäufte Harnwegsinfekte vor. Ob reichliche Flüssigkeitszufuhr häufige Harnwegsinfekte verhindern kann, ist fraglich. Es wird vermutet, dass es dadurch zu einem stärkeren Ausschwemmen der Bakterien aus der Harnblase kommt. Preiselbeerpräparate können das Anhaften von Bakterien an der Harnblasenwand vermindern. Sie dürften also einen vorbeugenden Effekt in Bezug auf Harnwegsinfekte haben. Allerdings macht bei diesen Patienten unter Umständen eine langzeitige Dauereinnahme von Antibiotika Sinn. Eventuell kann man bei ersten Anzeichen eines Infektes eine Antibiotikatherapie machen. Dies sollte meiner Meinung nach aber nur nach Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. In jedem Fall ist bei gehäuften Harnwegsinfekten eine urologische Abklärung zum Ausschluss ursächlicher Veränderungen notwendig. Warum? Weil jede Behinderung des Harnabflusses zu einer erhöhten Neigung zu Harnwegsinfekten führt. Zum Beispiel Nierensteine oder bei Männern eine vergrößerte Prostata, bei Kindern kann ein undichter Verschlussmechanismus am Übergang vom Harnleiter zur Harnblase Ursache für Nierenbeckenentzündungen sein. Gibt es noch andere Risikogruppen? Ja, beispielsweise Diabetes-Patienten, sie neigen zu gehäuften Harnwegsinfekten. Eine gute Blutzuckereinstellung kann hier vorbeugend wirken. Übrigens: Spermizide können Harnwegsinfekte begünstigen. (Anm.: Spermizid ist ein Spermien-abtötendes Mittel, welches zur Empfängnisverhütung eingesetzt wird. Durch das Abtöten der Spermien wird eine Befruchtung verhindert. Spermizide gibt es in verschiedenen Darreichungsformen: So sind sie zum Beispiel in vielen Scheidenzäpfchen enthalten. Ferner gibt es Spermizid-Gele zur Anwendung mit Barriereverhütungsmitteln für die Frau, wie Diaphragma, Portiokappe oder LEA contraceptivum. Auch versehen einige Hersteller von Kondomen ihre Produkte mit spermiziden Gleitmitteln). Bei gehäuften Harnwegsinfekten sollte also lieber auf andere Methoden der Schwangerschaftsverhütung gewechselt werden. Gibt es „nierenzuträgliche“ Ernährung? Es gibt spezielle Diätempfehlungen für Nierenkranke. Für Gesunde gibt es jedoch keine spezielle Diät zur Vorbeugung von Nierenerkrankungen. Lediglich Preiselbeerpräparate können vermutlich Harnwegsinfekten vorbeugen. Aber das habe ich ja bereits angesprochen. Letzte Frage: Nierenbeckenentzündung und Nierenentzündung – sind das „zwei paar Schuhe“? Wenn ja, wie unterscheiden sie sich? Eine Nierenbeckenentzündung ist in der Regel eine durch Bakterien verursachte akute Entzündung, die aufsteigend von der Harnblase das Nierenbecken und die Nieren erreicht. Die akute Entzündung führt zu deutlichen Beschwerden mit Fieber, Flankenschmerzen, Übelkeit, daneben können eventuell auch Beschwerden beim Wasserlassen, etwa Brennen oder häufiger Harndrang, auftreten. Daneben gibt es andere Formen der Nierenentzündung, die nicht direkt durch Bakterien ausgelöst werden, sondern durch das Immunsystem verursacht werden. Neben einer Verschlechterung der Nierenfunktion können verschiedene Zeichen darauf hindeuten wie erhöhter Blutdruck, blutiger Harn, Wasseransammlungen im Körper. Hinweise auf diese Erkrankungen finden sich in der Harnuntersuchung. Bei Verdacht ist eine weitere nephrologische Abklärung erforderlich (Anm.: Nephrologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin und befasst sich mit den Erkrankungen der Niere sowie deren Therapie). Die Behandlung ist entsprechend eine andere als bei der Nierenbeckenentzündung, häufig ist eine immunsuppressive Therapie notwendig. Der Verlauf und die Prognose hängen stark von der speziellen Art der Entzündung ab.