Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) Achenbachstr. 43, 40237 Düsseldorf Geschäftsstelle: Pressestelle: Pressemitteilung Tel: 0211 600692-0 Tel: 0211 600692-61 Fax: 0211 600692-10 Fax: 0211 600692-67 Abdruck frei nur mit Quellenhinweis: Pressetext mail : [email protected] mail : [email protected] DGK 10/2005 Herzrhythmusstörungen bei Diabetes und metabolischem Syndrom Prof. Dr. Wolfgang Schöls, Duisburg Während der Diabetes mellitus primär anhand pathologischer Nüchtern-Glukosewerte und eventuell eines pathologischen Glukose-Toleranztestes diagnostiziert wird, ist die Diagnose des metabolischen Syndroms an das Vorliegen von mindestens drei der nachfolgenden Konditionen gebunden: Hyperglykämie, erniedrigtes HDL-Cholesterin, Hypertriglyceridämie, arterielle Hypertonie und zentrale Adipositas. Pathophysiologisch kommt der Insulinresistenz eine zentrale Bedeutung zu. Mit zehn bis 40 Prozent je nach Geschlecht und Lebensalter ist die Prävalenz hoch. Diabetes und metabolisches Syndrom sind assoziiert mit einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität. Die Frage nach einer eigenständigen Bedeutung für die Arrhythmogenese ist kaum systematisch untersucht. Prof. Dr. Wolfgang Schöls Eine mögliche Kausalität wäre aus epidemiologischen Daten kaum abzuleiten, bedingt durch die hohe Prävalenz verschiedener Arrhythmien einerseits und der genannten Stoffwechselstörungen andererseits. Gleiches gilt für die Differenzierung von Primäreffekten durch Diabetes beziehungsweise metabolisches Syndrom und von Sekundäreffekten durch die asoziierte kardiovaskuläre Morbidität. Eine Reihe von Einzelbefunden könnte, über die Entwicklung der diabetischen Mikro- und Makro-Angiopathie hinaus, sowohl primär für die Arrhythmogenese als auch sekundär für die Pathogenese kardiovaskulärer Folgeerkrankungen von Bedeutung sein. So findet sich eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins und verschiedener Gerinnungsfaktoren als Ausdruck eines proinflammatorischen oder prokoagulatorischen Zustandes. Erregungsbildungs- und Erregungsleitungsstörungen kommen bei Diabetes häufig vor, selbst außerhalb einer Ketoazidose, wo begleitende Elektrolytentgleisungen verantwortlich gemacht werden könnten. Tatsächlich deckt das Reizleitungssystem des Herzens seinen Energiebedarf bevorzugt durch die Glykolyse und ist daher von deren Hemmung bei diabetischer Stoffwechsellage besonders betroffen. Pathophysiologisch bedeutsam für das Auftreten ventrikulärer und supraventrikulärer Arrhythmien ist wahrscheinlich eine erhöhte Sympathikusaktivität als Folge vorwiegend nächtlicher Hypoglykämien. Auch den erhöhten Plasmaspiegeln an freien Fettsäuren scheint eine gewisse Bedeutung zuzukommen. Konsekutiv vermehrt anfallende Acylcarnitine und Lysophosphatide könnten durch eine direkte Aktivierung von Calciumkanälen zu einer Calciumüberladung der Herzmuskelzellen führen. Die Hyperinsulinämie geht mit einer Öffnung kardialer Kaliumkanäle einher und führt damit unmittelbar zu elektrophysiologischen Veränderungen, aggraviert durch die Entstehung freier Radikale und die gestörte Energiebilanz. Eine Überaktivierung der Na-K-ATPase durch die Hyperinsulinämie mag zur Hyperpolarisierung des Sinusknotens und zur Entwicklung eines „Sick-Sinus-Syndroms“ beitragen. Die beim Diabetiker häufig zu beobachtende QT-Verlängerung ist ebenso wie erhöhte Sinusfrequenzen am ehesten Audruck der autonomen Neuropathie, kann aber ebenso direkt durch eine Hypo- oder eine Hyperglykämie verursacht werden. Beide Parameter gelten als Indikatoren einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität, möglicherweise auf der Grundlage tachykarder Rhythmusstörungen. Elektrolytstörungen und Arzneimittelinteraktionen bei der Grunderkrankung und deren Therapie könnten in dieser Hinsicht eine begünstigende Rolle spielen. Sulfonylharnstoff-Präparate hemmen ATP-abhängige Kaliumkanäle und beeinflussen so zum Beispiel unter Hypoxie-Bedingungen unmittelbar die kardiale Elektrophysiologie. Dadurch wird zwar die pathologische Verkürzung des Aktionspotentials vermindert, die Calciumüberladung, die Myokardkontraktion und der Sauerstoffbedarf aber gesteigert. Weit begrenzter als beim Diabetes mellitus ist die Datenlage beim metabolischen Syndrom, obwohl auch hier an kleinen Patientenkollektiven Unterschiede in Refraktär- und Leitungseigenschaften des Herzens in Abhängigkeit von der Stoffwechsellage nachgewiesen wurden, möglicherweise als Ausdruck direkter elektrophysiologischer Effekte spezifischer Stoffwechselprodukte. Insgesamt geht die erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen bei Diabetes mellitus und metabolischem Syndrom auch mit einer erhöhten Inzidenz ventrikulärer und supraventrikulärer Arrhythmien einher, wobei speziell der diabetischen Neuropathie und eventuell auch direkten Membraneffekten eine eigenständige pathophysiologische Bedeutung zukommen könnte. Allerdings erlaubt es die Komplexität des Krankheitsbildes und die Variabilität der metabolischen Komponenten bislang nicht, die Vielzahl an Einzelbefunden im Hinblick auf die Arrhythmogenese in ein schlüssiges pathophysiologisches Konzept zu integrieren und daraus unmittelbar spezifische Therapiekonzepte abzuleiten.