TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung P. S. de Laplace (1749 – 1827) Dr. Karsten Webel A. N. Kolmogoroff (1903 – 1987) 168 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Satz 2.11: Bei einem Laplace-Experiment, d. h. bei einem Zufallsexperiment, bei dem alle Elementarereignisse mit gleicher Wahrscheinlichkeit eintreten, ist die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses A ⊆ Ω gegeben durch P (A) = = Dr. Karsten Webel |A| |Ω| Anzahl der für A günstigen Elementarereignisse . Anzahl aller möglichen Elementarereignisse 169 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.12: zweimaliges Würfeln Ereignis |·| P (·) verbal mengentheoretisch gleiche Augenzahlen {(1, 1), (2, 2), . . . , (6, 6)} 6 6/36 Augensumme gleich 10 {(4, 6), (5, 5), (6, 4)} 3 3/36 keine 6 {(1, 1), (1, 2), (1, 3), . . . , (5, 5)} 25 25/36 nur ungerade Zahlen {(1, 1), (1, 3), (1, 5), . . . , (5, 5)} 9 9/36 gerade Zahl im 1. Wurf {(2, 1), (2, 2), (2, 3), . . . , (6, 6)} 18 18/36 gerade Zahl im 2. Wurf {(1, 2), (1, 4), (1, 6), . . . , (6, 6)} 18 18/36 Dr. Karsten Webel 170 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Definition 2.13: Wahrscheinlichkeitsmaß Eine Abbildung P : Ω → [0, 1], die allen Ereignissen A ⊆ Ω eines Zufallsexperiments eine Zahl P (A) zuordnet und die die Kolmogoroff’schen Axiome • 0 ≤ P (A) ≤ 1 für alle A ⊆ Ω, • P (Ω) = 1 und • P (A ∪ B) = P (A) + P (B) für alle A, B ⊆ Ω mit A ∩ B = ∅ erfüllt, heißt Wahrscheinlichkeitsmaß. Dr. Karsten Webel 171 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Bemerkung 2.14: Aus den Kolmogoroff’schen Axiomen ergeben sich sofort folgende Rechenregeln für Wahrscheinlichkeiten: P (∅) = 0 P (Ā) = 1 − P (A) P (A ∪ B) = P (A) + P (B) − P (A ∩ B) P P (A) = P ({ωi}) ωi ∈A Dr. Karsten Webel 172 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.15: Prozess gegen O. J. Simpson, 1995 O. J. Simpson Dr. Karsten Webel A. M. Dershowitz 173 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.15: Prozess gegen O. J. Simpson, 1995 (Fortsetzung) • Argument des Verteidigers Dershowitz: Nur 1/1000 der Männer, die ihre Frauen schlagen, ” bringen sie irgendwann um.“ • Prozess endete mit Freispruch (trotz erdrückender Beweislage) Dr. Karsten Webel 174 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Bemerkung 2.16: Venn-Diagramm: bedingte Wahrscheinlichkeit Ω B A Dr. Karsten Webel 175 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Definition 2.17: bedingte Wahrscheinlichkeit Für ein Ereignis A gelte P (A) > 0. Für ein Ereignis B heißt dann P (A ∩ B) P (B | A) = P (A) bedingte Wahrscheinlichkeit von B gegeben A. Dr. Karsten Webel 176 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.18: 14. Landtag NRW P CDU SPD FDP Grüne fraktionslos männlich 76 43 10 5 1 135 weiblich 13 31 2 6 0 52 P 89 74 12 11 1 187 P (SPD | weiblich) = Dr. Karsten Webel P (weiblich ∩ SPD) 31/187 31 = = = 0, 596 P (weiblich) 52/187 52 177 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.19: Prozess gegen O. J. Simpson, 1995 (Fortsetzung Bsp. 2.15) • Argument des Verteidigers Dershowitz: P ( Mann ermordet seine Frau“ | Mann schlägt seine Frau“) = 1/1000 ” ” • eigentlich von Interesse: P ( Mann ermordet seine Frau 1994“ | ” Frau wird 1994 ermordet“ ∩ Mann schlägt seine Frau) ≈ 90% ” ” • Details: Good (1996), When batterer becomes murderer, Nature 381, 481. Dr. Karsten Webel 178 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Definition 2.20: stochastische Unabhängigkeit Gilt für zwei Ereignisse A und B mit P (A) > 0 und P (B) > 0 P (A | B) = P (A) und P (B | A) = P (B), so heißen diese stochastisch unabhängig. Dr. Karsten Webel 179 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Bemerkung 2.21: Sind die Ereignisse A und B stochastisch unabhängig, so folgt aus Definition 2.20: P (A ∩ B) = P (B | A) · P (A) = P (A) · P (B). Dr. Karsten Webel 180 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.22: Investitionsprojekt (Fortsetzung Bsp. 2.5) • bekannt: A = zuviel Regen“ mit P (A) = 0, 1 und B = Dollarkurs steigt“ ” ” mit P (B) = 0, 4 • also: P (Investitionsprojekt in Gefahr) = P (A ∪ B) = P (A) + P (B) − P (A ∩ B) = P (A) + P (B) − P (A) · P (B) = 0, 1 + 0, 4 − 0, 1 · 0, 4 = 0, 46 Dr. Karsten Webel 181 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.23: bedingte Wahrscheinlichkeiten in der Presse Führerscheine fast nur von Männern kassiert (dpa-Meldung) Die Männer sind nach wie vor die bösen Buben“ am Lenkrad: Die im vorigen Jahr ” in Deutschland entzogenen 156.000 Führerscheine und fast 103.000 Fahrverbote trafen zu über 90 vH die Männer. Das geht aus einer Statistik des KraftfahrtBundesamtes in Flensburg hervor. 1991 wurde dagegen nur 9,2 vH der Frauen der Führerschein entzogen, 9,6 vH erhielten ein Fahrverbot. Dr. Karsten Webel 182 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.23: bedingte Wahrscheinlichkeiten in der Presse (Fortsetzung) Schäferhund besonders bissig (US-Studie) Vorsicht, Schäferhund-Besitzer! Eine US-Studie fand heraus: Am häufigsten werden Schäferhund-Herrchen von ihren Tieren gebissen. Dann folgen ChowChows und Collies. Die friedlichsten Hunde sind Pudel und Golden Retriever. Hunde, die in einem Haushalt mit Kindern leben, beißen eher zu als Hunde von Singles. Dr. Karsten Webel 183 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Bemerkung 2.24: Fazit zu zufälligen Ereignissen und ihren Wahrscheinlichkeiten • Zufallsexperiment, Ereignisse • klassischer und axiomatischer Wahrscheinlichkeitsbegriff • bedingte Wahrscheinlichkeit und stochastische Unabhängigkeit • Vorsicht bei der Interpretation bedingter Wahrscheinlichkeiten Dr. Karsten Webel 184 Zufallsvariablen TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.25: französisches Roulette Dr. Karsten Webel 186 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.25: französisches Roulette (Fortsetzung) Wette Beispiel Rouge/Noir, Pair/Impair, Manque/Passe 1 – 18 1:1 Collonnes, Douzaines 13 – 24 2:1 Transversale simple 10 – 15 5:1 Carré 29, 30, 32, 33 8:1 Transversale pleine 10 – 12 11:1 Cheval 29, 30 17:1 Plein 32 35:1 Dr. Karsten Webel Gewinnquote 187 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Definition 2.26: Zufallsvariable & Realisation Eine Abbildung X, deren mögliche Werte vom Ausgang eines Zufallsexperiments abhängen, die also jedem Elementarereignis eine reelle Zahl zuordnet, X : Ω → R, heißt Zufallsvariable. Die möglichen Werte einer Zufallsvariablen heißen Realisationen von X. Dr. Karsten Webel 188 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Bemerkung 2.27: Welche Informationen lassen sich über eine Zufallsvariable gewinnen? Konkret: • Welchen Wert nimmt eine Zufallsvariable im Mittel an? (→ Erwartungswert“) ” • Wie stark schwankt eine Zufallsvariable um ihren mittleren Wert? (→ Varianz“, Standardabweichung“) ” ” Dr. Karsten Webel 189 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Definition 2.28: diskrete & stetige Zufallsvariable Kann eine Zufallsvariable X (ggf. innerhalb gewisser Grenzen) alle möglichen reellen Zahlen als Werte annehmen, so heißt sie stetige Zufallsvariable. Kann eine Zufallsvariable X dagegen nur endlich viele (bzw. abzählbar viele) Werte annehmen, so heißt sie diskrete Zufallsvariable. Dr. Karsten Webel 190 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.29: ausgesuchte Zufallsvariablen Zufallsvariable Wertebereich Typ Augensumme beim zweimaligen Würfeln {2, 3, 4, . . . , 12} diskret Funktionsdauer eines Prozessors [0, ∞) stetig {0, 1, 2, 3, . . .} diskret (−∞, ∞) stetig in Tagen Anzahl erfolgloser Lottotipps bis zum ersten Hauptgewinn zeitstetige Rendite einer Aktie an einem Börsentag Dr. Karsten Webel 191 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Bemerkung 2.30: Funktionen von Zufallsvariablen sind wieder Zufallsvariablen. Ist etwa beim zweimaligen Würfelwurf X1 die Augenzahl im ersten und X2 die Augenzahl im zweiten Wurf, so sind auch Z1 = min {X1, X2}, Z2 = max {X1, X2}, Z3 = X1 + X2 Zufallsvariablen. Dr. Karsten Webel 192 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Definition 2.31: Wahrscheinlichkeitsfunktion Es sei X eine diskrete Zufallsvariable mit den möglichen Realisationen x1, x2, . . . , xn. Dann heißt die Funktion f (·), die angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit X die Realisation xi annimmt, f (xi) = P (X = xi), i = 1, . . . , n, Wahrscheinlichkeitsfunktion von X. Dr. Karsten Webel 193 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.32: Augensumme X beim zweimaligen Würfeln X ist diskrete Zufallsvariable mit den möglichen Realisationen x1 = 2, x2 = 3, . . . , x11 = 12. Mit Satz 2.11 ergibt sich: {X = 2} = {(1, 1)} ⇒ P (X = 2) = 1/36 {X = 3} = {(1, 2), (2, 1)} ⇒ P (X = 3) = 2/36 {X = 4} .. = {(1, 3), (2, 2), (3, 1)} ⇒ P (X = 4) = 3/36 .. .. {X = 12} = {(6, 6)} Dr. Karsten Webel ⇒ P (X = 12) = 1/36 194 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.32: Augensumme X beim zweimaligen Würfeln (Fortsetzung) Realisation xi P (X = xi) 2 3 4 5 6 7 1/36 2/36 3/36 4/36 5/36 6/36 8 9 10 11 12 5/36 4/36 3/36 2/36 1/36 Realisation xi P (X = xi) ⇒ P P (X = xi) = 1 i Dr. Karsten Webel 195 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.32: Augensumme X beim zweimaligen Würfeln (Fortsetzung) P(X = xi) 6/36 5/36 4/36 3/36 2/36 1/36 0 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 xi Dr. Karsten Webel 196 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.33: dpa-Meldung vom 29.06.1995 (Fortsetzung Bsp. 2.2) • von Interesse: irgendeine Gewinnreihe irgendeines Lottos trat zu irgendeinem früheren Zeitpunkt schon einmal auf • bis zum 21.06.1995 je 472 Ziehungen im Mittwochslotto A und B sowie 2071 Ziehungen im Samstagslotto • also: gleiche Gewinnreihe erstmals in 3016. Ziehung • Sensation? Dr. Karsten Webel 197 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.33: dpa-Meldung vom 29.06.1995 (Fortsetzung) • X = Zeitpunkt, zu dem erstmals eine frühere Gewinnreihe erneut auftritt“ ” • mögliche Realisationen x1 = 2, x2 = 3, . . . , xn = n+1 mit n = 13.983.816 • Satz 2.11 (k = 2, 3, . . . , n + 1): P (X > k) = ⇒ n n−1 n−2 n−k+1 · · ··· = n n n n P (X ≤ k) = 1 − P (X > k) = 1 − k−1 Yµ 1− j=1 Dr. Karsten Webel j n k−1 Yµ 1− j=1 j n ¶ ¶ 198 TU Dortmund Wintersemester 2009/2010 – Statistik für Ökonomen Kapitel 2 – Wahrscheinlichkeitsrechnung Beispiel 2.33: dpa-Meldung vom 29.06.1995 (Fortsetzung) 1 P(X ≤ k) 0.75 0.5 0.25 0 0 3000 6000 9000 12000 k P (X ≤ 3016) = 0, 278 Dr. Karsten Webel 199