DIAGNOSTIK + THERAPIE HYPEREMESIS GRAVIDARUM Vielfältige Ursachen erfordern individuelle Therapiekonzepte J.K. Jückstock1, A. Gingelmaier1, F. Kainer1, K. Friese1, I. Mylonas1 Bis zu 90% aller schwangeren Frauen leiden unter Übelkeit und Erbrechen. Meist sind die Beschwerden gering und vergehen um die 14. Schwangerschaftswoche von selbst. Anhaltendes und schweres Erbrechen wird als Hyperemesis gravidarum bezeichnet und kann lebensbedrohlich für die Patientin sein. Im Folgenden werden Ätiologie, Diagnosestellung und therapeutische Konzepte auf Basis einer selektiven Literaturrecherche dargestellt. Etwa 50–90% aller Schwangerschaften sind mit Übelkeit und Erbrechen assoziiert (1). Eine an über 360 Schwangeren durchgeführte Studie zeigte, dass 2% aller Frauen nur über morgendliche Übelkeit klagten, während die Symptomatik bei 80% den ganzen Tag über anhielt. Die Beschwerden sind normalerweise nicht belastend, erreichen etwa in der 9. SSW ihr Maximum und vergehen bis zur 20. SSW in den meisten Fällen von selbst wieder. Bei 20% der Schwangeren können sie allerdings bis zur Geburt anhalten (1). Diese Symptomatik wird als Emesis gravidarum bezeichnet und hat keine pathologische Bedeutung, da die betroffenen Frauen nicht unter Krankheitsgefühlen leiden oder dadurch im täglichen Leben eingeschränkt sind (2). Ein kleiner Prozentsatz der Schwangeren leidet jedoch unter einer schwerwiegenden Form von Übelkeit und Erbrechen, die als Hyperemesis gravidarum (Synonyme: exzessives Schwangerschaftserbrechen, frühe Gestose) bezeichnet wird und für die Betroffene lebensgefährlich sein kann. Die Inzidenz wird auf etwa 0,3–1,5% auf alle Lebendgeburten geschätzt (3). Die klinischen Symptome umfassen Dehydratation, Azidose aufgrund mangelnder Ernährung, Alkalose aufgrund von Hydrochlorid 1 992 1. Frauenklinik Innenstadt der LMU München FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr. 11 (HCO3)-Verlusten und Hypokaliämie. Zwei Schweregrade der Erkrankung werden unterschieden (2): n Grad 1 mit Übelkeitsgefühlen ohne metabolische Störungen und n Grad 2 mit metabolischen Störungen. Zusätzlich zur Behandlung der körperlichen Symptome kann eine psychologische und psychosomatische Betreuung notwendig werden. Da in diesem Artikel jedoch somatische Aspekte der Störung behandelt werden sollen, wird hier nicht eingehender auf psychologische oder psychiatrische Therapieoptionen eingegangen. Ätiologie Bisher sind die genauen ätiologischen Hintergründe der schwangerschaftsassoziierten Hyperemesis nicht vollständig bekannt, obwohl einige pathophysiologische und psychologische Faktoren als Ursache vermutet werden. Mögliche Risikofaktoren sind unter anderem Mehrlingsschwangerschaften, Nulliparität, Adipositas, metabolische Ursachen, Hyperemesis in einer vorangegangenen Schwangerschaft, Trophoblaststörungen, Essstörungen wie Anorexia nervosa oder Bulimie und eine Migrationsanamnese (4, 5). Humanes Chorion-Gonadotropin Unter den endokrinen Parametern gilt Humanes Chorion-Gonadotropin (HCG) als der plausibelste Faktor, der zu Hy- peremesis gravidarum führen kann. Diese Schlussfolgerung basiert auf einer Assoziation zwischen erhöhten HCGWerten (wie z.B. bei Molen- oder Mehrlingsschwangerschaften) (6–9) und der Beobachtung, dass die HyperemesisInzidenz am stärksten in der Zeit der höchsten HCG-Produktion (um die 9. SSW) ausgeprägt ist (10). Diese Annahmen konnten jedoch noch nicht eindeutig bewiesen werden. Denn einige Schwangere klagen trotz erhöhter HCG-Werte nicht über Übelkeit oder Erbrechen. Außerdem wird auch bei Patientinnen mit Chorionkarzinom, das ebenfalls mit einem HCG-Anstieg korreliert ist, keine Nausea beobachtet. Helicobacter-pylori-Infektion Eine chronische Helicobacter-pyloriInfektion ist unter Umständen ebenfalls mit dem Auftreten einer Hyperemesis gravidarum assoziiert. In einer histologischen Untersuchung der Magenmukosa wurde das Bakterium bei 95% der Hyperemesis-Patientinnen, aber nur bei 50% der Kontrollgruppe nachgewiesen (11). Auch in einer Metaanalyse von 14 Fall-Kontroll-Studien an 1.732 Patientinnen und Kontrollfällen korrelierte das Auftreten von Hyperemesis gravidarum mit dem Nachweis von Helicobacter pylori, wenngleich diese Ergebnisse, vermutlich aufgrund der großen Heterogenität der Studien, keine statistische Signifikanz erreichten (12). Eine Studie zeigte allerdings signifikante Resultate bei der Untersuchung sowohl von Speichel (61,8% Nachweis von Helicobacter pylori bei Hyperemesis-Patientinnen vs. 27,6% bei symptomfreien Schwangeren) als auch von Blutserum (52,9% vs. 20,7%) (13). In einer chinesischen Studie wurde eine Korrelation bezüglich des Cytotoxin-assoziierten Gens A und SerumAnalysen festgestellt (14). Außerdem DIAGNOSTIK + THERAPIE zeigten zwei Fallbeobachtungen an insgesamt 5 Patientinnen keine Besserung der Symptome durch eine medikamentöse Standardtherapie, im Gegensatz zu einer antibiotischen Therapie der Helicobacter-pyloriInfektion mit Erythromycin (15, 16). Hormonelle Faktoren Es wird vermutet, dass einige hormonelle Faktoren eine Hyperemesis gravidarum auslösen können: Östrogen, Progesteron, adrenokortikotropes Hormon (ACTH) und Kortisol sowie Wachstumshormon und Prolaktin. Serotonin scheint ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen, aber die Ergebnisse diesbezüglich sind nicht eindeutig (17). Der Progesteronwert ist bei Patientinnen mit Hyperemesis nach den Ergebnissen einiger Untersuchungen entweder erhöht (18) oder erniedrigt (19). Allerdings konnten andere Studien keine Assoziation zwischen der Progesteronkonzentration im Serum und einer Hyperemesis gravidarum zeigen (9, 20), und eine Progesterontherapie scheint keine positive Wirkung zu haben (21). Progesteron kann während der Schwangerschaft die gastrointestinale Motilität vermindern (22) und zu gastrischen Dysrhythmien führen (23), wodurch eine Hyperemesis begünstigt wird. Weibliche Feten sind mit vermehrter Übelkeit und Erbrechen assoziiert (10). Eine Erklärung dafür ist die in diesem Fall erhöhte Östrogenkonzentration in utero (24). Das ist mit der Beobachtung vereinbar, dass eine östrogenhaltige Therapie ebenfalls Übelkeit und Erbrechen auslösen kann und Hyperemesispatientinnen vermutlich empfindlicher auf Östrogen reagieren als asymptomatische Schwangere (18). Andererseits zeigen andere Studien negative Ergebnisse bezüglich einer möglichen Assoziation von erhöhten Östrogenwerten und dem Auftreten einer Hyperemesis (21). Eine Hyperthyreose mit normalem fT3 und fT4, aber erniedrigtem Thyreoidea-stimulierendem Hormon (TSH) 994 FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr. 11 könnte ebenfalls zur Entstehung einer Hyperemesis gravidarum beitragen (25). Es wird vermutet, dass es sich dabei um eine selbstlimitierende transiente Hyperthyreose mit Hyperemesis gravidarum (THHG) handelt. Die THHG kann bis zur 18. SSW anhalten und ist nicht therapiebedürftig. Um die Diagnose THHG stellen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: n wiederholt pathologische Laborparameter während der Schwangerschaft, n keine präexistente Hyperthyreose vor der Schwangerschaft, n Fehlen von Schilddrüsen-Antikörpern (2). Psychosomatische Ursachen Auch psychosomatische Störungen werden mit Hyperemesis gravidarum im ersten Trimester in Zusammenhang gebracht. Seelische Belastung und emotionaler Druck liegen der Krankheit häufig zugrunde. Allerdings lassen neuere Studien vermuten, dass psychosomatische Symptome eher durch die Hyperemesis ausgelöst werden und nicht die Ursache dafür sind (3). Davis et al. konnten weder Unterschiede bezüglich des Familienstands oder der Einstellung der Patientinnen gegenüber der Schwangerschaft feststellen noch darin, ob das Kind erwünscht war oder nicht (26). Die am häufigsten zitierte Studie erhob den psychologischen Cornell Medical Index bei 44 Schwangeren mit und 49 ohne Hyperemesis gravidarum. Ein etwas anders gestalteter Fragebogen (Minnesota Multiphasic Personality Inventory, MMPI) wurde nur bei Patientinnen mit Hyperemesis gravidarum verwendet. Beide Studien zeigten eine sehr starke Bindung der Patientinnen zu ihrer Mutter, und am häufigsten waren der hysterische und der infantile Persönlichkeitstyp vertreten (21). Interessanterweise tritt Hyperemesis gravidarum gehäuft bei Persönlichkeits- und depressiven Störungen auf, wenngleich das bisher nicht ausreichend untersucht wurde (27). Anamnese und Klinik Da die klinischen Symptome meistens unspezifisch und uncharakteristisch sind, ist es wichtig, seltenere Ursachen für Übelkeit und Erbrechen auszuschließen. Als ursächliche Krankheiten kommen z.B. in Frage (10): n Magenulzera, n Hepatitis, n Pankreatitis, n Hyper- oder Hypothyreose, n gastrointestinaler Verschluss und n Nebenniereninsuffizienz. Eine gebräuchliche Definition von Hyperemesis gravidarum umfasst mehr als dreimaliges Erbrechen pro Tag mit begleitender Ketonurie und einem Gewichtsverlust von mehr als 3 kg oder 5% (12). Metabolische Ketoazidose und/oder Ketonämie (mit azetonartigem Atemgeruch) können ebenfalls auftreten und gelegentlich mit Fieber und hepatischen Symptomen (z.B. Ikterus) vergesellschaftet sein. In manchen Fällen kommt es zu Benommenheit und Verlangsamung, was im Extremfall bis zu Delirien oder Leberversagen führen kann. Laboruntersuchungen sollten beinhalten: n Hämatokrit, n Elektrolyte, n Transaminasen, n Bilirubin, n Schilddrüsenparameter und n Urinstatus (Ketonkörper, spezifisches Gewicht, pH). Zusätzlich sollte eine Sonographie zum Ausschluss einer Mehrlingsschwangerschaft oder einer Trophoblasterkrankung durchgeführt werden. Bei anhaltendem Erbrechen oder suspekten Symptomen sollten Differenzialdiagnosen als Ursache in Betracht gezogen werden (s. Abb. 1) (2). Prognose Meistens vergehen Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft bis zum Erreichen der 14. SSW von selbst (10). Hyperemesis gravidarum DIAGNOSTIK + THERAPIE Differenzialdiagnosen weitere Symptome Labordiagnostik Differenzialdiagnosen I weiterführende Diagnostik Differenzialdiagnosen II Abb. 1: Differenzialdiagnosen bei Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft (Auszug); nach (2). ist mit einer erniedrigten Fehlgeburtenrate sowie intrauteriner Wachstumsretardierung und Frühgeburtlichkeit assoziiert (4, 28, 29). Häufig ergeben sich psychosoziale Probleme für die Mutter, da bis zu 60% aller Hyperemesispatientinnen eine Depression entwickeln (7). Andere Unannehmlichkeiten umfassen Arbeitsunfähigkeit und eine Abnahme der Lebensqualität (1). Schwerwiegendere seltene Komplikationen können sein (4, 10, 29): n Mallory-Weiss-Riss (akuter Druckanstieg im Ösophagus aufgrund von starkem Erbrechen), n Ösophagusruptur, n Pneumothorax, n periphere Neuropathien, n Wernicke-Enzephalopathie durch Thiaminmangel nach hochkalorischer Ernährung, 996 FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr. 11 n Präeklampsie, n Koagulopathien und n fetale Wachstumsretardierung. Behandlungsstrategien Die Behandlungsstrategien bei Hyperemesis gravidarum sollten auf dem Schweregrad der Krankheit basieren und multimodalen Charakter haben: Beratung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Antiemetika, andere Medikamente und, wenn nötig, stationäre Überwachung und psychologische Betreuung (s. Abb. 2). Der Schweregrad kann mithilfe von zahlreichen Fragebögen erfasst werden, von denen der Pregnancy-Unique Quantification of Emesis and Nausea (PUQE)-Bogen mit am häufigsten verwendet wird. Im Anfangsstadium kann bereits eine Ernährungs- und Lebensstilbera- tung häufig zu einer Besserung der Symptome und damit zu einer Steigerung der Lebensqualität führen. Leichte Formen von Übelkeit und Erbrechen können häufig allein durch allgemeine Ernährungsratschläge beherrscht werden, wie z.B. mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt und reichlich Flüssigkeit anstelle von wenigen reichhaltigen Mahlzeiten. Bevorzugte Nahrungsmittel sollten reich an Kohlehydraten sein und wenig Fett oder Säure enthalten (2). Oft werden auch leichte Zwischenmahlzeiten und trockene Salzkekse empfohlen. Wenn die Übelkeit durch den Geruch gekochter Speisen ausgelöst wird, sollten stattdessen kalte Lebensmittel bevorzugt werden. Die Lebensstilberatung sollte der Stressreduzierung dienen und Ruhephasen bei beginnender Übelkeit empfehlen. DIAGNOSTIK + THERAPIE Abb. 2: Algorithmus zur Therapie der Hyperemesis gravidarum. Psychologische und psychosomatische Betreuung durch einen Psychologen oder einen Arzt mit psychosomatischer Weiterbildung kann ebenfalls hilfreich sein. Je nach Ausprägung der Erkrankung können unterstützende Beratung oder auch Kriseninterventionen erforderlich werden (2). Eine detailliertere Beschreibung psychologischer oder psychiatrischer Therapieoptionen soll hier nicht erfolgen, da sich dieser Artikel auf somatische Ursachen und Therapien der Störung beschränkt. Die Vermeidung einer Dehydratation ist von höchster Priorität (10). Falls die Symptome nicht durch eine Umstellung der Ernährung und der Lebensgewohnheiten gelindert werden können, kann eine niedrig dosierte medikamentöse Therapie mit Antiemetika begonnen werden. In einer Metaanalyse von 28 randomisierten Studien über Hyperemesis gravidarum verringerte die Anwendung von Antiemetika in der Frühschwangerschaft nicht nur die Übelkeitsgefühle, sie war auch einer Therapie mit Plazebo überlegen (2). Andere Therapieempfehlungen sind Metoclopramid zur Förderung der gastrointestinalen Motilität oder die Gabe von Vitamin B6 (Pyridoxin) dreimal täglich in einer Dosierung von 10–25 mg, beginnend mit einer niedrigen Dosis. Dadurch können die Symptome häufig deutlich gebessert werden; auch diese Therapie war in Studien bei gleichzeitig niedrigster Nebenwirkungsrate einer Plazebogabe überle- 998 In einer Studie an 66 Frauen zeigte Ingwer (1 g/d) im Vergleich zu Plazebo eine bessere Wirkung auf Übelkeit und Erbrechen (33). Obwohl Ingwer anscheinend keine teratogenen Effekte hat, sind mögliche Nebenwirkungen und die optimale Dosierung bislang unbekannt (34, 35). Behandlungsalgorithmus FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr. 11 gen (10, 30). Die Anwendung von Antihistaminika und Anticholinergika wie Meclozin, Dimenhydrat und Diphenhydramin ist unbedenklich und hat ebenso eine bessere Wirksamkeit als Plazebo (s. Tab. 1) (31). Weitere Therapiealternativen umfassen Akupressur – vor allem am P6Punkt (Neiguan) auf der Innenseite des Handgelenks (32) – und Akupunktur, aber diese Methoden gelten noch nicht als einheitlich evidenzbasiert, wenngleich bereits einige Studien dazu durchgeführt wurden. Bei ausgeprägter Dehydratation oder Ketonurie muss eine stationäre Behandlung erfolgen (s. Abb. 3 auf S. 999). In manchen Fällen kann allein durch diese Maßnahme eine Besserung erreicht werden. Zunächst sollte komplette Nahrungskarenz eingehalten werden. Wie schon erwähnt, ist die Gewährleistung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr oder, falls die Patientin bereits exsikkiert ist, eine schnelle und suffiziente Rehydratation das wichtigste Therapieziel. Volumen- und Elektrolytsubstitution (mindestens 3 l/d), Ausgleich eventuell bestehender Elektrolytstörungen, Vitamingaben (genaues Schema s. Tab. 2 auf S. 999) und parenterale Verabreichung von Kohlenhydraten sowie Aminosäuren (etwa 8.400–10.500 kJ/d) werden empfohlen. Möglichkeiten der medikamentösen Therapie Präparat Applikationsart Pyridoxin (Vitamin B6) Ondansetron oral oral/i.v. Metoclopramid Meclozin Diphenhydramin Dimenhydrinat Doxylamin Promethazin Prochlorperazin Prednisolon Ingwer empfohlene Dosis 20 mg 3x tgl. 4–8 mg 2–3x tgl. 2–4 mg alle 6–8 h oral 10 mg 3–4x tgl. oral/rektal 25–100 mg 2–4x tgl. / 1x tgl. oral/i.v. 25–50 mg alle 6–8 h oral/i.v./rektal 50 mg 3–4x tgl. 62 mg 2x tgl. / 1–3x tgl. oral 25 mg nachts und 12,5 mg morgens in Kombination mit 10 mg Pyridoxin oral/i.v. 12,5–25 mg bis zu 6x tgl. rektal 25 mg tgl. oder 2x tgl. oral 40–60 mg tgl., Dosishalbierung alle 3 Tage oral (Kekse, Konfekt, 1–4 g tgl. auf mehrere Gaben Bonbons, Pulver, verteilt Tabletten, Kapseln, frischer Ingwer) Tab. 1: Antiemetika und empfohlene Dosierung bei Hyperemesis gravidarum, nach (2) und (10). Abb. 3: Therapieoptionen zur stationären Behandlung von Hyperemesis gravidarum; nach (2). In einer Studie an 94 Patientinnen mit Hyperemesis gravidarum traten allerdings bei einigen Frauen, die einen zentralen Venenkatheter erhalten hatten, im Vergleich zu rein medikamentös therapierten Patientinnen gravierende mütterliche Komplikationen auf. Daher sollten invasive Therapiemethoden kritisch erwogen werden (36). Vermutlich aufgrund der sedativen Komponente hat auch Diazepam oder Bromazepam eine positive Wirkung bei Hyperemesis gravidarum (37). Häufige Anwendung der Präparate kann allerdings zur Abhängigkeit führen. Ein weiterer Faktor, der berücksichtigt werden sollte, ist das Risiko möglicher fetaler Nebenwirkungen (2). Im Falle einer therapierefraktären Hyperemesis kann ein Behandlungsversuch mit Kortikoiden (z.B. Hydrokortison) unternommen werden (38). Wenngleich die Anwendung von Kor- DIAGNOSTIK + THERAPIE Therapieoptionen stationäre Therapie Möglichkeiten der medikamentösen Therapie Grundinfusion Zusätze (Tagesdosis) Laufgeschwindigkeit Parenterale Ernährung über peripheren Zugang n 200 mg Vitamin B1 (Thiaminchlorid) 500 ml Glukosen 200 mg Vitamin B6 (Pyridoxin) Infusion 5% n 200 µg Vitamin B12 (Cyanocobalamin) n 2.000 mg Vitamin C (Ascorbinsäure) Parenterale Ernährung über ZVK 500 ml Glukosen 200 mg Vitamin B1 (Thiaminchlorid) Infusion 40% n 200 mg Vitamin B6 (Pyridoxin) n 200 µg Vitamin B12 (Cyanocobalamin) n 2.000 mg Vitamin C (Ascorbinsäure) 50 ml/h 50 ml/h Tab. 2: Empfohlenes Schema zur Vitaminsubstitution bei parenteraler Ernährung. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. B. Ramsauer und Prof. Dr. K. Vetter, Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin. 999 DIAGNOSTIK + THERAPIE tikosteroiden während der Schwangerschaft als unbedenklich eingestuft wird, wurde ein gering erhöhtes Risiko für fetale Fehlbildungen in diesem Zusammenhang beobachtet, vor allem bei Anwendung während des ersten Trimesters (39). Die Therapie sollte erst beendet werden, wenn kein Erbrechen mehr auftritt oder die Frequenz zumindest auf nicht häufiger als dreimal täglich gesunken ist. Der anschließende Kostaufbau sollte behutsam erfolgen (2). Fazit Da die Ursachen einer Hyperemesis gravidarum sehr vielfältig sind, sollte die Störung anhand multimodaler Therapiekonzepte behandelt werden, beginnend bei Ernährungs- und Lebensstilberatung über psychologische Betreuung und Antiemetika bis hin zu intravenöser Flüssigkeitszufuhr oder, in schweren Fällen, nasogastrischer oder parenteraler Ernährung. Da die Krankheit für die Patientinnen mit einer signifikanten Verminderung der Lebensqualität verbunden ist sowie dem Gesundheitssystem hohe Kosten verursacht, sollten behandelnde Hausärzte und Gynäkologen gut darüber informiert sein (z.B. durch das evidenzbasierte Merkblatt des American College of Obstetricians and Gynecologists ACOG) (40). Dadurch kann Schwangeren eine hilfreiche Beratung, Betreuung und eine effektive medikamentöse Therapie angeboten werden, um so eine Exazerbation der Symptome von vornherein zu verhindern. Literatur 1. Gadsby R et al.: A prospective study of nausea and vomiting during pregnancy. Br J Gen Pract 43 (1993) 245–248. 2. Mylonas I, Gingelmaier A, Kainer F: Erbrechen in der Schwangerschaft. Dt Ärztebl 104 (2007) A 1821–1826. 3. Verberg MF et al.: Hyperemesis gravidarum, a literature review. Hum Reprod Update 11 (2005) 527–539. 4. Broussard CN, Richter JE: Nausea and vomiting of pregnancy. Gastroenterol Clin North Am 27 (1998) 123–151. 5. 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