Landinfo 7/2008 Sonderkulturen Karlheinz Thoma, WBI Freiburg Rebenselektion - die wichtigste Aufgabe des Klonenzüchters Mit der Rebenselektion beginnt für den Klonenzüchter eine sehr arbeitsreiche Zeit. Er muss die Klone oder Einzelstocknachkommenschaften in seinen Prüfanlagen bonitieren und bewerten. Ebenso muss in den Klonenvermehrungsanlagen eine züchterische Bearbeitung und eine Selektion durchgeführt werden. Was heißt Rebenselektion Selektion heißt Auslese oder Auswahl. Bei der Rebenselektion kann man auch von Zuchtwahl sprechen. Die einzige Methode in der Klonenzüchtung ist die Selektion. Sie ist die wichtigste züchterische Maßnahme um den Leistungsstand einer Sorte zu erhalten und zu verbessern. In Deutschland begann die eigentliche Selektion im Jahre 1876 durch Ökonomierat Georg Fröhlich aus Edenkoben in der Pfalz. Warum können wir eine Selektion durchführen? Alle Kulturpflanzen und damit auch die Reben unterliegen ständigen oft kleinen erblichen Veränderungen. Man nennt diese Mutationen. Durch die vegetative Vermehrung werden diese Mutationen auf die Nachkommen übertragen. Diese Veränderungen des Erbgutes können sich sowohl positiv als auch negativ auswirken und machen eine Selektion eigentlich erst möglich. Gäbe es keine Mutationen würde jeder Rebstock immer gleich bleiben und eine Auslese oder Auswahl wäre nicht möglich. Klonenaufbau durch Einzelstockauslese Für den Aufbau neuer Klone bedient sich der Klonenzüchter nur solcher Mutationen, die sich positiv auf die Leistungsfähigkeit der Rebe ausgewirkt haben. Die Stockauslese geschieht kurz vor der Traubenlese. Diese Mutterstöcke werden dann getrennt durch Pfropfung vermehrt und die Nachkommen in Klonenprüfanlagen 48 gepflanzt. Am Anfang der Klonenzüchtung war es nur wichtig schnell hohe und stabile Erträge zu erzielen. 100 Jahre nach dem Beginn der Klonenzüchtung hatte man dieses Ziel erreicht. Seit etwa 30 Jahren werden bei der Einzelstockauslese nur noch Zuchtziele verfolgt, die die Trauben- und Weinqualität positiv beeinflussen. Leistungseigenschaften bewährter Klonen erhalten Auch die bewährten alten Klone sind Mutationen unterworfen. Der Züchter muss bestrebt sein, die typischen Merkmale seiner Klone zu erhalten. Hierzu führt er in den Klonenvermehrungsanlagen eine „Positivselektion“ durch. Danach werden aber die „negativ“ gekennzeichneten Stöcke aber nicht getrennt, sondern zusammengefasst vermehrt. Mit den erhaltenen Pfropfreben wird eine neue Vorstufenanlage mit der ursprünglichen Klonbezeichnung erstellt. Warum ist Selektion notwendig? Beim bisher Beschriebenen bedient sich der Züchter nur mit den positiven Mutationen, die die Leistungsfähigkeit erhalten oder verbessern. Viel häufiger kommen aber die „negativen Mutationen“ vor, die die Leistungsfähigkeit verschlechtern. Wenn nun solche Stöcke mit negativen Eigenschaften vermehrt würden, könnten wir einige Pfropfreben bekommen, die diese negative Eigenschaft besitzen. Es ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben diese negativen Abweicher von jeglicher Vermehrung unbedingt auszuschließen. Selektion in den Vermehrungsanlagen Für die Erzeugung von Edelreisern und Unterlagen benötigt der Züchter Mutterrebenbestände (Vermehrungsanlagen). Diese werden in die Kategorien Vorstufenpflanzgut (V), Basispflanzgut (B) oder zertifiziertes Pflanzgut (Z) eingestuft. In allen diesen Vermehrungsanlagen muss aus den vorgenannten Gründen eine jährliche Selektion durchgeführt werden. In den Vorstufen- und Basisanlagen wird in der Regel eine „Positivselektion“ durchgeführt. Zur Kennzeichnung der positiven Stöcke verwenden wir ausschließlich weiße wetterfeste Farbe. Die von diesen Stöcken gewonnenen Edelreiser oder Unterlagen werden nur über den Züchter an Vertragsveredlungsbetriebe geliefert, die dann Pfropfreben herstellen, die dem Aufbau neuer Vermehrungsanlagen dienen. In den „zertifizierten Anlagen“ wird ausschließlich eine „Negativselektion“ durchgeführt, wobei die negativen Stöcke mir roter Farbe markiert werden. Diese rot gekennzeichneten Stöcke werden von jeglicher Vermehrung ausgeschlossen, folglich wird nur das Holz der nicht gekennzeichneten Stöcke entnommen und veredelt. Bei unserer Selektion wird die rote Markierung jedes Jahr aufgefrischt, auch wenn die früher gezeichneten Stöcke im Selektionsjahr keine negativen Eigenschaften mehr zeigen. Das gewonnene Landinfo 7/2008 Sonderkulturen Zuchtmaterial kann von jedem Rebveredler bezogen und veredelt werden. Die erzeugten Pfropfreben werden in die Kategorie (Z) eingestuft und dienen der Erstellung von Ertragsanlagen, die dann nicht mehr der Vermehrung dienen. Die Vermehrungsanlagen der Kategorie (Z) liefern die Edelreiser und Unterlagen für die Mehrzahl der Klonenveredlungen. Tabelle 1: Tabelle 1 zeigt eine Aufstellung der Vermehrungsflächen mit Klonenmaterial von Standardsorten, die 2008 selektioniert werden müssen. Selektion der Vermehrungsanlagen mit Keltertrauben von Neuzüchtungen und Tafeltrauben Auch die Neuzüchtungen und Tafeltraubensorten können mutieren. Es ist deshalb wichtig und unerlässlich, dass Anlagen mit diesen Sorten, die für die Vermehrung vorgesehen sind, auch jährlich selektioniert werden. Der Züchter wird in solchen Anlagen „positiv“ oder „negativ“ selektionieren. Da Neuzüchtungen wegen ihres geringen Alters noch sehr homogen sind, wird meistens eine „Negativselektion“ durchgeführt. Später werden aber auch Positiv-Abweicher für den Klonenaufbau verwendet. Die Tabellen 2 und 3 zeigen eine Aufstellung der Vermehrungsflächen von Neuzüchtungen und Tafeltraubensorten. Aufstellung der Vermehrungsflächen mit Klonenmaterial von Standardsorten, die 2008 selektioniert werden müssen. Zahl der Mutterrebenbestände Sorte Auxerrois Fläche in Ar 7 114,41 139 1.995,41 Chardonnay 4 54,02 Gutedel, Roter 7 70,43 Spätburgunder, Blauer Gutedel, Weißer 19 403,81 Müller-Thurgau 22 532,33 Muskateller 11 149,66 Muskat-Ottonel 4 34,54 Nobling 8 48,10 101 2.161,92 Silvaner, Grüner 3 34,31 Traminer, Roter (Gewürztraminer) 23 418,94 Burgunder, Weißer 48 735,17 Ruländer Riesling, Weißer Insgesamt Tabelle 2: 9 81,73 405 6.834,78 Aufstellung der Vermehrungsflächen mit Neuzuchten, die 2008 selektioniert werden müssen. Sorte Zahl der Mutterrebenbestände Baron 2 7,36 Bronner 3 20,90 Fläche in Ar Cabernet Cantor 1 18,32 Cabernet Carbon 6 34,37 Cabernet Carol 5 22,54 Selektion auch in Ertragsanlagen? Cabernet Cortis 9 108,06 Monarch 6 23,60 Auch in Ertragsanlagen mit hochwertigen Klonenbeständen können Stöcke auftreten, die schlechte Eigenschaften zeigen. Diese können durch Mutationen, Umwelteinflüsse oder Krankheitsbefall bedingt sein. Prior 6 17,74 Piroso 5 45,53 Johanniter 12 397,31 Solaris 18 370,98 Muscaris 7 70,96 Souvignier gris 4 20,61 Merzling 2 12,61 Helios 3 53,54 82 1.153,47 Jeder fortschrittliche Winzer wird seine Weinberge auch selektionieren. Dabei werden die gleichen Maßstäbe angesetzt, die vorher bei der Selektion der Z-Anlagen Insgesamt 49 Landinfo 7/2008 Sonderkulturen aufgeführt sind. Sollte man sich nicht gleich entscheiden können, ist es aber ratsam, den Stock nach zwei- bis dreimaliger Kennzeichnung zu entfernen und mit einer gesunden Rebe nachzupflanzen. Hierzu eignen sich am besten Hochstammreben. Diese Selektion in Ertragsanlagen ist zur Zeit sehr notwendig, da die Pilzkrankheit ESCA immer mehr auftritt. Es empfiehlt sich, solche Stöcke gleich beim ersten Auftreten der Symptome zu kennzeichnen. Für den Ersatz solcher kranken Stöcke gibt es 2 Möglichkeiten. Man kann den Stamm „amputieren“ und mit einem neuen Trieb den Stock wieder aufbauen. Das hat aber zur Folge, dass eine große Schnittwunde entsteht, die wiederum Eintrittspforte für neue Pilze bietet. Die bessere Lösung ist meines Erachtens die Entfernung der Stöcke und mit einer Hochstammrebe nachzupflanzen. Ob man die eine oder andere Art durchführt hängt auch vom Alter der Anlage und von der Wirtschaftlichkeitsberechnung ab. Wichtig ist aber in beiden Fällen, dass das Holz der kranken Stöcke aus der Rebanlage entfernt und verbrannt wird. Zeitpunkt der Selektion Die erfolgreichste Zeit für Vermehrungsanlagen mit Kelter- und Tafeltraubensorten ist die Zeit vom Beginn der Traubenreife bis zur Lese. Je näher man am Zeitpunkt der Vollreife selektionieren kann, desto besser ist die Beurteilung der Stöcke möglich. Will man eine spezielle visuelle Selektion auf Viruskrankheiten durchführen, eignet sich der Zeitpunkt von Mai bis Juni besser, da zu dieser Zeit die Symptome stärker ausgeprägt sind. Selektion auch in den Unterlagenvermehrungsanlagen Für eine gesunde Pfropfrebe brauchen wir nicht nur ein gesundes Edelreis, sondern und das ist genauso wichtig eine gesunde vitale Unterlage. Die Rebenzüchter haben in den vergangenen Jahrzehnten durch intensive züchteri- 50 Tabelle 3: Aufstellung der Vermehrungsflächen Tafeltraubensorten, die 2008 selektioniert werden müssen. Zahl der Mutterrebenbestände Sorte Fläche in Ar Calastra 5 5,11 Galanth 14 7,11 Garant 10 21,06 Osella 8 19,54 37 53,00 Insgesamt Tabelle 4: Aufstellung der Vermehrungsflächen mit Unterlagssorten, die 2008 selektioniert werden müssen. Sorte Zahl der Mutterrebenbestände Fläche in Ar 125 AA 66 2.582,61 5 BB 29 1.455,58 SO 4 5 54,75 C 3309 Frankreich 1 60,00 101 4.152,94 Insgesamt sche Bearbeitung auch hier hochwertige Klone geschaffen. Mit der nun schon über 100-jährigen Selektion wurde viruskrankes Pflanzgut fast automatisch ausgeschlossen. Die Laborprüfung, die seit 1986 vorgeschrieben ist, hat dies in vielen Ergebnissen bewiesen. In den Vermehrungsanlagen für Unterlagsreben haben wir zur Zeit drei verschiedene Erziehungsmethoden. In der greinerischen Schrägpfahlund in der Tischerziehung muss die Selektion bis Ende Juli erfolgt sein, da man später die einzelnen Stöcke nur noch schwer erkennen kann. In der kriechenden Erziehung muss um die einzelnen Stöcke noch beurteilen zu können, die Selektion im Mai stattgefunden haben. In Tabelle 4 sind die Vermehrungsanlagen von Unterlagsrebsorten aufgeführt. Zusammenarbeit des Züchters mit den Anerkennungsstellen Nach dem Saatgutverkehrsgesetz und der Rebenpflanzgutverordnung muss die Anerkennungsstelle in den zur Vermehrung angemeldeten Anlagen eine Feldbesichtigung durchführen. Das Weinbauinstitut Freiburg koordiniert die Selektionstermine mit den „Anerkennern“, die dann die Feldbesichtigung gleich durchführen und eventuell auftretende Probleme vor Ort mit dem Züchter klären können. Diese Zusammenarbeit hat sich sehr gut bewährt. Zusammenfassung Durch die Klonenzüchtung haben unsere Rebsorten einen sehr hohen Leistungsstand erreicht. Bei allen Sorten können die Winzer heute aus züchterisch bearbeite- Landinfo 7/2008 Sonderkulturen ten Klonenbeständen auf hochwertiges Rebenpflanzgut zurückgreifen. Dadurch wurde die Wirtschaftlichkeit unseres Weinbaus wesentlich gestärkt. Des weiteren haben die Winzer homogene Bestände, die es ermöglichen wein- bauliche Maßnahmen zur Qualitätssteigerung durchzuführen. Kurz mitgeteilt hl/ha noch deutlicher über den diesjährigen Erträgen. Pressemitteilung Stat. Landesamt Baden-Württemberg Aussicht auf gute Qualität im Glas Über 2,5 Millionen Hektoliter Weinmost in Baden- Württemberg geherbstet - Meist zufriedene Gesichter in den Weinbergen Mitte Oktober ist die Weinlese bereits weit fortgeschritten. Nach Einschätzung der Weinbausachverständigen des Statistischen Landesamtes können sich die Weinliebhaber auf so manchen guten Tropfen des Jahrgangs 2008 freuen. Zwar wird mancherorts von Hagelschäden und vereinzelt von Fäulnis der Trauben berichtet, es überwiegt aber bei weitem die Aussicht auf fruchtige, ausdrucksstarke Weine. Zum Stand von Ende September/ Anfang Oktober beziffern die Weinbausachverständigen des Statistischen Landesamtes den Mostertrag für das Anbaugebiet Baden auf rund 93 Hektoliter je Hektar (hl/ha; 2007: 85,6 hl/ha). Für das Anbaugebiet Württemberg wird der Mostertrag auf 98 hl/ha (2007: 113,8 hl/ha) geschätzt bei wie üblich ausgeprägten regionalen und sortenspezifischen Unterschieden. Die langjährigen Durchschnittserträge 1998/2007 liegen in Baden mit 85 hl/ha deutlich unter und in Württemberg mit 112,6 Die Züchter sind aber weiterhin bestrebt den hohen Leistungsstand der Klone zu halten und zu verbessern. Dies wird in Zukunft zwar schwieriger sein aber durch Bei dem bisherigen Umfang der Ertragsrebfläche entspräche dies einer voraussichtlichen Weinmosternte in ganz Baden-Württemberg von 2,55 Millionen hl (1,11 Mill. hl Weißmost und 1,44 Mill. hl Rotmost), wovon voraussichtlich 1,44 Mill. hl auf das Anbaugebiet Baden (816.000 hl Weiß- und 626.000 hl Rotmost) sowie 1,11 Mill. hl auf das Anbaugebiet Württemberg (298.000 hl Weiß- und 814.000 hl Rotmost) entfallen würden. Kurz mitgeteilt Doppelt sauber - Bodensanierung mit Raps und Bakterien (aid) - Raps genießt als nachwachsender Rohstoff für Bioethanol den Ruf, besonders umweltfreundlich zu sein. Nach den Ergebnissen von Wissenschaftlern des Institute of Technology in Carbow, Irland, profitiert die Natur auch auf andere Weise vom Rapsanbau. Denn die Pflanze ist in der Lage, belastete Böden von Schwermetallen, wie Arsen, Kupfer, Chrom oder Zink zu befreien. Um diese Fähigkeit zu entwickeln, mussten die Wissenschaftler allerdings einen Trick anwenden: Sie infizierten die Pflanzen mit unterschiedlichen Stämmen Schwermetall- resistenter Bakterien. intensive Selektion und Prüfung mit getrenntem Weinausbau wird es möglich wenn auch nur in kleinen Schritten die neuen Zuchtziele zu erreichen. Die Bakterien schützen die Rapszellen offenbar vor den giftigen Schwermetallen und sorgen dafür, dass die Pflanze ungehindert keimen und wachsen kann. Das spiegelt sich auch in hohen Erträgen bzw. einer hohen Bioethanolausbeute wieder. Alle drei getesteten Bakterienstämme brachten einen vergleichbaren symbiotischen Effekt, egal ob sie sich in der Wurzel oder in den Blättern ansiedelten. Die vom Raps aufgenommenen Schwermetalle reicherten sich immer in den Blättern an, so dass die Samen ohne Einschränkung zur Ethanolerzeugung genutzt werden können. Das Verfahren, kontaminierte Böden mit Hilfe von Pflanzen zu sanieren, ist nicht neu. Allerdings benötigen die üblicherweise eingesetzten Arten sehr viel Zeit für die Schadstoffaufnahme, da sie trotz ihrer natürlichen Resistenz deutlich langsamer wachsen. Das Forscherteam plant seine Untersuchungen mit neuen resistenten Bakterienstämmen fortzusetzen, um die Ertragsleistung weiter zu verbessern. Auch die Möglichkeiten der Symbiose mit anderen Bioethanolpflanzen sollen ausgelotet werden. Weitere Informationen: www.eurekalert.org/pub_releases/ 2008-09/sfgm-osr090808.php aid Presseinfo Nr. 42/08 51