Kapitel 6 Biologische Strahlenwirkungen Abbildung 6-1 Modell des DNS-Moleküls BIOLOGISCHE STRAHLENWIRKUNGEN 2 Der Aufbau einer Zelle 2 Zellstoffwechsel und Zellteilung Mutationen 3 4 Die Einwirkung ionisierende Strahlung auf Zellen 4 Die Reparatursysteme 5 Strahlenschäden Deterministische Strahlenschäden Stochastische Strahlenschäden 6 6 8 Überblick über die strahlenbiologische Wirkungskette 11 Literatur 12 Übungsfragen 12 Dazu im Internet 12 Seite 6-1 S. Prys Fachkunde im Strahlenschutz Biologische Strahlenwirkungen Der Aufbau einer Zelle Abbildung 6-2 Schematischer Aufbau einer Zelle Die Grundbausteine aller Lebewesen sind Zellen. Die Körperzellen eines Menschen haben Durchmesser zwischen 0,01 mm und 0,1 mm und sind daher mit bloßem Auge nicht erkennbar. Sie sind etwa 100 000 mal größer als Atome. Ein menschlicher Körper enthält im Mittel 30 Billionen Zellen, davon sind 25 Billionen Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Abbildung 7-1 zeigt einen stark vereinfachten Aufbau der Zelle. Die Zellen innerhalb eines Organismus sind sehr stark spezialisiert. Die permeable (durchlässige) Zellmembran grenzt die Zelle nach außen zwar ab, jedoch können verschiedene Stoffe, die zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen dienen hindurch diffundieren, bzw. Stoffwechselprodukte aus dem inneren der Zelle wieder ausgeschieden werden. Lebewesen Chromosomenzahl Spulwurm Erbse Walderdbeere Kaninchen Mensch Menschenaffe Hund 2 14 14 44 46 48 78 Tabelle 6-1 Chromosomenzahlen verschiedener Lebewesen Das Zellplasma weist eine komplizierte Struktur auf und unterstützt verschiedene lebenserhaltende Funktionen, wie z.B. die Erneuerung bestimmter Zellbestandteile, die Erzeugung von Energie, Wachstum und Vermehrung. Die Regelung chemischer Prozesse wird durch Biokatalysatoren, den so genannten Enzymen, bewirkt. Der Zellkern enthält die Chromosomen, in denen Seite 6-2 Kapitel 6 Biologische Strahlenwirkungen Informationen sowohl zu Aufbau und Funktion der betreffenden Zelle, als auch Informationen zu Lebensfunktionen des gesamten Organismus enthalten. Die Chromosomenzahl ist bei jedem Lebewesen konstant. Chromosomen sind die Träger der Gene (beim Menschen ca. 3x106 pro Zelle). Die Gene bestehen ihrerseits aus Makromolekülen, der sog. Desoxyribonukleinsäure, kurz genannt DNS. Die DNS enthält drei verschiedene Grundbausteine, nämlich Zuckermoleküle, vier verschiedene organische Basen und Phosphorsäure. Abbildung 7-2 zeigt wie die Bausteine verknüpft sind: es wird quasi das Gerüst einer Strickleiter gebildet. Diese ist jedoch nicht linear angeordnet, sonder spiralig gewunden. Immer zwei bestimmte Basen bilden jeweils eine Sprosse dieser Strickleiter. So ist Adenin stets mit Thymin verknüpft, bzw. Cytosin stets mit Guanin. Die miteinander verbundenen Basen verhalten sich wie Positiv und Negativ zueinander. Deshalb ist durch die Basenfolge eines halben Stranges stets die Basenfolge der anderen Hälfte festgelegt. Die Reihenfolge dieser Basensequenzen bildet die Erbinformation. Beim Menschen folgen etwa 200 Basenpaare aufeinander. Drei Basenpaare bilden dabei die kleinste Verschlüsselungseinheit, das so genannte Codon. 100 - 300 aufeinander folgende Codons ergeben zusammen ein Gen. Abbildung 6-3 Schematischer Aufbau der DNS Zellstoffwechsel und Zellteilung Gesunde Zellen sind in der Lage im richtigen Augenblick jeweils passende Abschnitte der DNS zu lesen und entsprechende biochemische Reaktionen umzusetzen. Wird ein Gen aktiviert, so wird durch lesen des betreffenden Codons der Aufbau einer Aminosäurekette bewirkt, diese wird außerhalb des Zellkerns mit anderen Aminosäuren zusammengesetzt zu den so genannten Enzymen, den Wirkstoffen unseres Körpers. Dieses verhält sich wie ein Katalysator. Seite 6-3 S. Prys Fachkunde im Strahlenschutz Bei der Vermehrung von Zellen durch Zellteilung muss auch die DNS verdoppelt werden, indem sich die Stränge teilen. Dieses ist ein für die Zelle sensibler Prozess. Denn durch äußere Einflüsse wie z.B. chemische Substanzen, Temperaturschock, energiereiche Strahlung oder Viren können Schäden auftreten, die zu einer Veränderung der Erbinformation führen. Dieser Sachverhalt wird auch als Mutation bezeichnet. Mutationen Bei Mutationen wird unterschieden, ob sie sich in Körperzellen ereignen (also somatische Mutationen darstellen, die das Individuum selbst betreffen) oder aber ob es sich um Mutationen in den Keimzellen handelt, den so genannten genetischen Mutationen, die dann die Nachkommen des Individuums betreffen würden. Bei den Mutationen unterscheidet man drei Mutationsarten: Punktmutation: Hier werden Veränderungen in einem kleinen Bereich des DNSDoppelstrangs wirksam mit der Folge, dass sich z.B. die Basenreihenfolge von GGA auf GAG umstellt. Damit ist der Code für eine andere Aminosäure entstanden. Das Enzym, das aus dieser Aminosäure aufgebaut wird hat damit veränderte Eigenschaften. Chromosomenmutation: Bei einer Chromosomenmutation bricht ein Chromosom in zwei oder mehrere Teile auseinander. Diese können verloren gehen, fehlerhaft zusammenwachsen oder aber sich an andere Chromosomen anlagern. Genommutationen: Bei Genommutationen ändert sich die Chromosomenzahl insgesamt. So ist z.B. beim Down-Syndrom (Mongolismus) das Chromosom Nr. 21 nicht zweifach, sondern dreifach vorhanden. Die Einwirkung ionisierende Strahlung auf Zellen In lebenden Zellen wird durch Ionisation und Anregung von Atomen eine Kette von Ereignissen ausgelöst, die zur Störung der normalen Lebensfunktionen der Zellen führen können. Am Anfang dieser Ereigniskette steht eine Änderung der chemischen Reaktionsbereitschaft der Atome und Moleküle, die zum Zerfall von den Molekülen unter Strahleneinwirkung, zur Radiolyse, führen kann. Die entstehenden Radiolyseprodukte, vorwiegend Radikale, sind außerordentlich reaktionsfähig. Die Radikale zeichnen sich dadurch aus, dass chemische Bindungen durch die Energie der Strahlen gespalten wurden und die Bruchstücke ungepaarte Elektronen aufweisen. Die Radikale können sowohl untereinander als auch mit Molekülen in ihrer Umgebung reagieren Seite 6-4 Kapitel 6 Biologische Strahlenwirkungen und diese in Struktur und Eigenschaften verändern. Diese primären Ereignisse können sich auf allen Organisationsebenen des Organismus auswirken. O H O H H Zellen bestehen zu ca. 80 % aus Wasser H O +H . + H + e-aq H . H C H C OH. H2O2 Abbildung 6-4 H C C N N H O C H O Thymin Strahleneinwirkung auf eine Zelle (Beispiel) So können z.B. auf molekularer Ebene Veränderungen von Enzymen, Membranbestandteilen und im Desoxyribonucleinsäuremolekül (DNS), dem genetischen Material der Zelle, auftreten, die Störungen der zellulären Stoffwechselprozesse zur Folge haben. Dadurch können auf zellulärer Ebene Störungen der Zellteilung, Veränderungen von Zellform und -größe oder der Zelltod verursacht werden. Auf Organebene manifestieren sich solche zellulären Veränderungen als Strukturveränderungen, Funktionsstörungen und in der Entstehung bösartiger und gutartiger Geschwülste. Radikale entstehen auch im normalen Stoffwechselprozess und durch andere physikalische und chemische Noxen (u. a. durch zahlreiche Medikamente). Deshalb sind diese Ereignisketten nicht unbedingt spezifisch für die Einwirkung ionisierender Strahlung. Die Reparatursysteme Da sich seit der Entstehung des Lebens auf der Erde jeder Organismus mit den Noxen seiner Umwelt auseinandersetzen muss, haben sich im Laufe der Evolution auf allen oben erwähnten Organisationsebenen außerordentlich effiziente Reparatur- und Schutzmechanismen entwickelt, die so genannten Repair-Mechanismen. Solche Reparatur- und Schutzsysteme sind z.B. molekulare Ebene: Enzyme zum Abbau von Radikalen und Peroxyden, DNSReparaturenzyme zelluläre Ebene: Selektion geschädigter Zellen bei der Zellteilung, zelluläre Immunprozesse Organebene: hohe Teilungsfähigkeit der meisten Gewebe zum Ausgleich von Zellverlusten Seite 6-5 S. Prys Fachkunde im Strahlenschutz Besonders bei enger räumlicher und zeitlicher Folge von schadensauslösenden Ereignissen besteht jedoch die Gefahr, dass die Reparaturkapazität nicht ausreicht, um alle Schäden fehlerfrei zu reparieren. Infolge unzureichend oder falsch reparierter Schadstellen können klinisch diagnostizierbare Schäden auftreten. Strahlenschäden Strahlenschäden im medizinischen Sinne sind Befunde, die durch ärztliche Untersuchungen an strahlenexponierten Personen festgestellt werden und die in ursächlichem Zusammenhang mit der Strahlenexposition stehen, oder Krankheiten, bei denen auf Grund von Beobachtungen größerer Personengruppen festgestellt wurde, dass ihre Inzidenz durch eine Strahlenexposition bestimmter Größe deutlich beeinflusst wird, d. h. bestimmte Krankheiten treten in strahlenexponierten Gruppen häufiger auf als in nichtexponierten Kontrollgruppen. Man unterscheidet deterministische (nicht-stochastische) und stochastische Strahlenschäden. Stochastisch bedeutet zufällig, dem Zufall unterworfen. Deterministische Strahlenschäden Unter deterministischen oder nicht-stochastischen Strahlenschäden versteht man Strahlenschäden, deren Schweregrad mit zunehmender Strahlenexposition (Dosis) zunimmt und die erst oberhalb bestimmter Werte der Strahlenexposition klinisch nachweisbar sind. Deterministische Strahlenschäden können in engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bestrahlung innerhalb von Stunden, Tagen oder Wochen nach der Bestrahlung, aber auch als Spätschäden nach Monaten oder Jahren auftreten. Zu den sich früh manifestierenden deterministischen Strahlenschäden gehören z.B. akute Strahlenkrankheit das Hauterythem die Strahlenpneumonitis. Spätschäden sind hauptsächlich atrophische Veränderungen und Fibrosen. Eine wesentliche Ursache deterministischer Strahlenschäden ist der Zelltod. Unter Zelltod wird hier der Verlust der Proliferationsfähigkeit der Zelle verstanden, ohne dass dabei unbedingt der Verlust der metabolischen und funktionellen Fähigkeiten der Zelle eingeschlossen ist. Die Dosis, die zum Verlust der Proliferationsfähigkeit führt, ist gewöhnlich viel geringer als die, die zum Seite 6-6 Kapitel 6 Biologische Strahlenwirkungen Verlust der Funktionsfähigkeit führt. Stark proliferierende Gewebe sind deshalb strahlenempfindlicher als wenig oder nicht proliferierende Gewebe. System Produktionsrate in 109 Zellen / d Produktionsrate in 1014 Zellen / 70 a Haut Magen, Darm Erythrozyten Lymphozyten 0,7 56 200 20 Tabelle 6-2 0,18 14,31 51,10 5,11 Erneuerungsraten menschlicher Zellen Klinisch nachweisbar wird ein deterministischer Strahlenschaden erst, wenn ein wesentlicher Zellverlust in den betroffenen Organen und Geweben eintritt. Die Größe des Zellverlustes hängt von der Strahlendosis ab: je höher die Dosis, desto mehr Zellen sterben ab je größer der Zellverlust, desto schwerer der Schaden. Die Schwellendosis Da Organe und Gewebe über eine erhebliche Regenerations- und Funktionsreserve verfügen, können solche multizellulären Effekte erst oberhalb bestimmter Schwellendosen nachgewiesen werden. Die Schwellendosis ist definiert als die Dosis, die erforderlich ist, um bei 1 - 5 % der bestrahlten Individuen einen bestimmten Effekt hervorzurufen. Die Größe der Schwellendosis ist vom Organ oder Gewebe, von der Art des betrachteten Schadens, dem bestrahlten Volumen und von der Dosisleistung abhängig. Die akute Strahlenkrankheit Eine Form des deterministischen Strahlenschadens ist die akute Strahlenkrankheit, die anfänglich durch Übelkeit, Erbrechen, Fieber und Durchfälle, später durch Blutungen und Infekte gekennzeichnet ist und zum Tode führen kann. Sie tritt nach akuter Bestrahlung mit Dosen über 1,5 Gy auf, wenn der gesamte Körper oder zumindest große Teile, z.B. der Rumpf, bestrahlt wurden. Oberhalb von etwa 2,5 Gy können Todesfälle auftreten. Die akute Strahlenkrankheit wurde bei Seite 6-7 S. Prys Fachkunde im Strahlenschutz Opfern der Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki, bei Strahlentherapiepatienten und nach Strahlenunfällen, z. B. bei KKW-Arbeitern und Feuerwehrleuten in Tschernobyl, beobachtet. Andere deterministische Strahlenwirkungen Bei Bestrahlung kleiner Körperabschnitte, z. B. der Hände, werden im Allgemeinen nur lokale Reaktionen beobachtet. Sie können von vorübergehenden Haarausfall und Hautrötung bis zu tiefreichender Gewebezerstörung, die aufgrund ihrer schlechten Heilungstendenz zur Amputation des betreffenden Gliedes führen kann, reichen. Deterministische Strahlenwirkungen werden nicht nur nach akuter Exposition mit hohen Dosen beobachtet, auch die Akkumulation vieler kleiner Dosen kann zu klinisch nachweisbaren Schäden führen. Beispiele hierfür sind die Linsentrübung (Strahlenkatarakt) und krankhafte Veränderungen der Haut (Röntgenhaut). Schwellendosen für Strahlenschäden nach protrahierter bzw. chronischer Strahlenexposition sind erheblich größer als Schwellendosen für akute Bestrahlung mit hoher Dosisleistung. Deterministische Strahlenschäden können verhindert werden, indem die Grenzwerte für die Strahlenexposition von Organen und Geweben unterhalb der Schwellendosen festgelegt werden. Stochastische Strahlenschäden Als stochastische Strahlenschäden bezeichnet man Strahlenschäden, bei denen die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens mit zunehmender Strahlenbelastung zunimmt, deren Schweregrad jedoch nicht dosisabhängig ist. Stochastische Strahlenschäden sind Einzeleffekte. Veränderungen des Informationsgehaltes der DNS (Mutationen) bei erhaltener Lebens- und Teilungsfähigkeit der Zelle können Ursache einer Krebserkrankung des bestrahlten Individuums (somatischer stochastischer Strahlenschaden) oder einer Erbkrankheit bei Nachkommen des bestrahlten Individuums (genetischer stochastischer Strahlenschaden) sein. Ionisierende Strahlen erzeugen grundsätzlich keine neuartigen oder strahlenspezifischen Krebsleiden oder Erbkrankheiten. Es ist insbesondere (zum heutigen Zeitpunkt) nicht möglich, im Einzelfall zu erkennen, ob ein Krebsleiden oder eine Erbkrankheit strahleninduziert oder anderweitig bedingt ist. Zwischen Induktion und Manifestation von stochastischen Strahlenschäden besteht kein enger zeitlicher Zusammenhang; sie treten gewöhnlich erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Strahlenexposition auf. Seite 6-8 Kapitel 6 Biologische Strahlenwirkungen Organ Mundschleimhaut Erkrankung Mukositis Magen-Darm-Trakt Ösophagitis, Gastritis, Enteritis, Kolitis, Proktitis Lunge Pneumonitis Urogenitalsystem Strahlennephritis > 35 Gy Urogenitalsystem Strahlenuretitis > 70 Gy Urogenitalsystem Strahlenzystis > 40 Gy Nervensystem Strahlenenzephalitis > 50 Gy Strahlenmyelitis > 40 Gy Nervensystem Nervensystem Herz- und Gefäßsystem Strahlenneuritis, periphere Nerven Strahlenkarditis und Peridarditis > 50 Gy Herz- und Gefäßsystem Strahlenarteritis Auge Linsenschädigung > 3-4 Gy Keratokonjunktivitis Radiogene Otitis media > 50 Gy Ohren Blutbildendes Knochenmark Strahlenschädigung des Knochenmarks > 50 Gy Tabelle 6-3 Symptomatik Mundtrockenheit, Schleimhautschwellung und –rötung, Belege, Soorbildung (reversibel) Enteritis: Übelkeit, Erbrechen, Subileus, Tenesmen, Blut- und Schleimabgang, beschleunigte Darmpassage, bei großen Dosen verlangsamte Passage Atembeschwerden bis Atemnot, Husten, bisweilen Fieber, Hyperämie u. Schwellung der Bronchialschleimhaut, Flüssigkeitsaustritt in die Alveolen Bluthochdruck, Proteinurie, Erhöhung der harnpflichtigen Substanzen, Kopfschmerz Harnleiterschwellung, Abflußstörungen in der Harnblase Harndrang, schmerzhafte und häufige Urinentleerungen, Ulkus mit Blutung Hirnödem, Gefäßschädigung Rückenmarkstörungen, Reflexstörungen, Paresthesien Reflexstörungen Spätschäden Schleimhautatrophie, Mundtrockenheit, Parodontose Tachykardie, Pulsfrequenzerhöhung, Blutdruckabfall Gefäßerweiterung, Endothelschwellung Reizleitungsstörungen, Perikardfibrose Malabsorption, Eiweißverlust, Verlust der Darmzotten, Ephiteldefekte, Ulkus und Striktur Interstitielle Fibrose, Gefäßschaden Interstitielle Fibrose des Parenchyms Striktur des Ureters, Stauung Schrumpfharnblase Hirnnekrosen Lähmungen Lähmungen Intimafibrose, Gefäßverschluß Katarakt Mittelohrschaden und InVestibularisschäden nenohrschaden, Labyrinthitis, Blutungen Panmyelophtise: Lymphopenie, Linksverschiebung der Granulozyten, Granulozytopenie, Thrombozytopenie, Anämie Strahlenschäden bei Organbestrahlung Seite 6-9 S. Prys Fachkunde im Strahlenschutz Organe und Gewebe unterscheiden sich auch hinsichtlich stochastischer Strahlenschäden in ihrer Strahlensensibilität. Viele Studien an strahlenexponierten Kollektiven haben gezeigt, dass die Häufigkeit maligner Krankheiten mit steigender Dosis zunimmt. Es ist folglich zu erwarten, dass durch eine bestimmte Strahlenexposition Krebsleiden nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit induziert werden. Die Abhängigkeit dieser Wahrscheinlichkeit ist jedoch nur für hohe Dosen bekannt. In den meisten Untersuchungen an Kollektiven von beruflich strahlenexponierten Personen, Patientengruppen nach strahlendiagnostischen Maßnahmen und an Populationen aus der Umgebung von Kernkraftwerken konnten durch ionisierende Strahlen verursachte Erhöhungen der Krebsinzidenz bzw. -mortalität nicht eindeutig nachgewiesen werden. Ausnahmen bilden radonexponierte Bergarbeiter („Schneeberger Lungenkrankheit“) und die Radiologen der ersten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts. Die Form der Beziehung zwischen Krebshäufigkeit und Dosis (Dosiswirkungskurve) ist im niedrigen Dosisbereich nicht bekannt. Aussagen über das Strahlenrisiko (Wahrscheinlichkeit eines nachteiligen Effekts), z.B. bei beruflicher Exposition, können nur aus einer Kombination empirischer Daten aus Beobachtungen aus hochexponierten Kollektiven und theoretischen Annahmen, die zu Modellen der Strahlenwirkung zusammengeführt werden, abgeleitet werden. Modelle der Strahlenkanzerogenese stützen sich auf folgende grundlegende Annahmen: 1. Die beobachtete Dosiswirkungskurve für klinisch manifeste Tumoren spiegelt näherungsweise die Beziehung zwischen Dosis und Krebsinitiation auf dem zellulären Niveau wider; 2. Die Krebsinitiation ist ein Einzellprozess, der zufällig in einzelnen Zellen stattfindet; 3. Zwischen der Dosis und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines stochastischen Stahlenschadens besteht im Bereich kleiner Dosen und Dosisleistungen eine lineare Beziehung ohne Schwellenwert. Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) hat Risikokoeffizienten für den Strahlenschutz beruflich exponierter Personen und der Bevölkerung angegeben, die sich aus Beobachtungen an hochbelasteten Personengruppen ableiten, jedoch berücksichtigen, dass die Strahlenbelastung von Strahlenarbeitern und Bevölkerung sich aus über lange Zeiträume akkumulierten kleinsten Dosen zusammensetzt. Mit Hilfe dieser Risikoeffizienten ist es unter Annahme einer linearen Dosiswirkungsbeziehung möglich, im niedrigen Dosisbereich das Risiko der Mortalität durch strahleninduzierte Tumoren und des Auftretens schwerer strahleninduzierter Erbkrankheiten zu schätzen. Die Werte, die man durch ein solches Verfahren erhält, sind Schätzwerte für die Zwecke des Strahlenschutzes und keinesfalls beobachtete Fälle. Das strahlengenetische Risiko menschlicher Populationen muss durch Extrapolation aus Tierversuchen geschätzt werden. Ein statistisch gesicherter direkter Nachweis strahleninduzierter genetischer Effekte beim Menschen steht bisher noch aus. Nach heutiger Kenntnis können stochastische Strahlenschäden nicht mit Seite 6-10 Kapitel 6 Biologische Strahlenwirkungen Sicherheit verhindert werden. Die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens muss auf ein für die Gesellschaft akzeptables Maß begrenzt werden. Überblick über die strahlenbiologische Wirkungskette Biologische Strahlenschäden Ionisation und Anregung vom Atomen bzw. Molekülen Rekombination ja nein Radiolyse des Wassers, Bildung von Peroxiden Veränderung von Aminosäuren und Enzymen Reparatur Brüche von Molekülbindungen bzw. Chromosomen ja nein somatische Schäden Abbildung 6-5 genetische Schäden Zelltod Die strahlenbiologische Wirkungskette Seite 6-11 S. Prys Fachkunde im Strahlenschutz Literatur 1. 2. 3. 4. 5. M. Volkmer; Radioaktivität und Strahlenschutz; Informationskreis Kernenergie, 1992 Vogt / Schultz; Grundzüge des praktischen Strahlenschutzes; Carl Hanser Verlag, München, 1992 Landesanstalt für Personendosimetrie; Grund- und Spezialkurs im Strahlenschutz; Mecklenburg-Vorpommern, 1994 Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Radioaktivität, Röntgenstrahlen und Gesundheit, K. Hahn et. al. Oktober 2006 Strahlenphysik, Dosimetrie und Strahlenschutz, H. Krieger, Teubner Verlag Band 1 5. Auflage 2002, Band 2 3. Auflage 2001 Übungsfragen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Was versteht man unter stochastischen Strahlenschäden? Was versteht man unter deterministischen Strahlenschäden? Zeichnen und erläutern Sie die Dosis-Wirkungs-Diagramme (aus Kapitel 1) Was bedeuten die Wichtungsfaktoren für die einzelnen Organe? Was versteht man unter RBW? Wie groß ist der Qualitätsfaktor für Gamma-Strahlung? Was für Arten von Mutationen kennen sie? Erläutern Sie die strahlenbiologische Wirkungskette! Was versteht man unter der Schwellendosis? Nennen Sie Symptome der akuten Strahlenkrankheit! Geben Sie eine Einschätzung zu Auswirkungen geringfügiger Strahlendosen! Dazu im Internet 1. Strahlenschutz im Labor, Universität Magdeburg, http://www.med.unimagdeburg.de/~cschulz/lectures/esf/strahlenschutz/sld001.htm 2. Hochschule Furtwangen, http://www.fh-furtwangen.de/fachbereiche/cee/deutsch/labore/ labor/naturwissenschaften/strahlenmesstechniklabor/?tg=0 Seite 6-12