Strahlenschäden Die von radioaktiven Substanzen, Röntgenapparaturen und Beschleunigern ausgehende ionisierende Strahlung führt bei der Einwirkung auf den menschlichen Organismus zu Veränderungen der Biomoleküle in den Zellen und kann ernsthafte gesundheitliche Schäden verursachen. Um die mögliche Gefährdung von Personen, die einer Strahlenbelastung ausgesetzt sind, auf ein Mindestmaß zu reduzieren, sind Strahlenschutzmaßnahmen erforderlich. Da ein vollkommener Schutz vor der Einwirkung ionisierender Strahlung beim Umgang mit Strahlungsquellen unmöglich ist, muß ein ausreichender Schutz im Sinne eines vertretbaren Risikos angestrebt werden. Bei der Einwirkung ionisierender Strahlung auf den menschlichen Körper ist zwischen einer äußeren und inneren Strahlenbelastung zu unterscheiden. Die äußere Strahlenbelastung wird durch den Aufenthalt in Strahlungsfeldern verursacht. Eine innere Strahlenbelastung tritt auf, wenn radioaktive Nuklide über die Luftwege, den Magen-Darm-Trakt oder durch die Haut in den Organismus eindringen (Inkorporation). Bei der äußeren Strahlenbelastung ist immer zwischen einer Ganzkörper- und einer Teilkörperbestrahlung zu unterscheiden. Jedes Individuum verträgt als Teilkörperdosis ein Vielfaches der Ganzkörperdosis. Inkorporierte radioaktive Substanzen bewirken eine Strahlenbelastung einzelner oder mehrerer Organe. Nichtstochastische Strahlenschäden werden erst oberhalb bestimmter Werte der Strahlenbelastung klinisch nachweisbar. Die Schwere des Schadens wächst mit der Strahlenbelastung. Zwischen der Absorption von Strahlungsenergie und der Reaktion des Organismus liegt eine dosisabhängige, aber relativ kurze Latenzzeit. Man spricht deshalb bei den nach kurzzeitiger Bestrahlung mit hohen Energiedosen auftretenden Strahlenschäden auch von Frühschäden. Typische Frühschäden sind Hautrötungen, Haarausfall und Strahlengeschwüre nach Teilkörperbestrahlung (Schwellenenergiedosis > 2 Gy) sowie die akute Strahlenkrankheit oder sogar, der Strahlentod nach Ganzkörperbestrahlung (Tabelle). Viele nichtstochastische Strahlenschäden entwickeln sich erst nach der Akkumulation kleiner Energiedosen über lange Zeiträume, Zu diesen Schäden gehören die Trübung der Augenlinse (Kataraktbildung), fibrotische Gewebsveränderungen, Fruchtbarkeitsverminderung und Sterilität. Bei entsprechend hohen Strahlenbelastungen können sie aber auch nach sehr kurzer Zeit nachweisbar werden. Weitere nichtstochastische Schäden sind Schäden an Neugeborenen infolge einer Bestrahlung der Feten im Mutterleib. Nichtstochastische Strahlenschäden sind stets somatische Schäden, d. h. sie manifestieren sich am bestrahlten Individuum selbst. Stochastische (zufallsmäßige) Strahlenschäden sind Schäden, deren Eintrittswahrscheinlichkeit mit der Strahlenbelastung zunimmt, bei denen der Schweregrad aber nicht von der Dosis abhängt. Es werden nur zwei Arten von stochastischen Strahlenschäden in Betracht gezogen: somatische Schäden infolge Induktion maligner Tumoren und leukämischer Erkrankungen sowie genetische Schäden. Genetische Schäden beruhen auf Genmutationen und chromosomalen Anomalien. Sie stellen eine Sonderform der Spätschäden dar und werden durch Vererbung auf die Nachkommen übertragen. Stochastische somatische Schäden entwickeln sich erst nach einer Latenzzeit von vielen Jahren und sind somit Spätschäden. Die Aufgabe des Strahlenschutzes ist es, nichtstochastische Strahlenschädigungen zu verhüten und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten stochastischer Strahlenschäden auf ein vertretbares Maß zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die äußere und innere Strahlenbelastung der beruflich strahlenexponierten Personen und der Gesamtbevölkerung auf ein Minimum zu beschränken. Vom Gesetzgeber werden daher Strahlenschutzgrenzwerte festgelegt und Strahlenschutzrichtlinien erlassen, um die Strahlenbelastung auch unterhalb der Grenzwerte soweit herabzusetzen, wie es mit einem gesellschaftlich vertretbaren Aufwand erreichbar ist. Die zuletzt genannte Forderung ist besonders für die Strahlenbelastung von Patienten bei strahlenmedizinischen Maßnahmen wichtig, für die keine Grenzwerte festgelegt werden können. Folgen einer kurzzeitigen Ganzkörperbestrahlung Energiedosis Strahlenwirkung in Gy 2 Akute Strahlenkrankheit 1.Grades: Leichte vorübergehende Blutbildveränderungen 2 bis 4 Akute Strahlenkrankheit 2. Grades: Stärkere Blutbildveränderungen 4 bis 6 6 bis 10 > 10 Lebenserwartung Prognose Überlebenschance praktisch 100 % Keine akuten Schäden Letalität ohne Behandlung 40 bis 50% Therapeutisch beeinflußbar, Erholung innerhalb von 3 Monaten wahrscheinlich Akute Strahlenkrankheit Letalität ohne Therapeutisch noch beschränkt 3. Grades: Ausgeprägte Behandlung 95 %, beeinflußbar, hämatologische Schäden bei Therapie <50% Knochenmarktransplantation erforderlich Akute Strahlenkrankheit Überleben Therapeutisch nicht 4. Grades: Gastrounwahrscheinlich beeinflußbar, Schock und Tod intestinale Schäden innerhalb von 10 Tagen Akute Strahlenkrankheit Überleben Tod in 10 bis 36 Stunden 5. Grades: Zerebrale unmöglich Schäden