P. GIESBRECHT und H. RUSKA

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46. Jg., Heft 11, 1965'
P. GI~S~c~T und H. RVsKx: Ver~inderungen der Feinstrukturen yon Bakterien
575
Originalien
Ober Veriinderungen der Feinstrukturen yon Bakterien
unter der Einwirkung yon Chloramphenicol ++
P. GIESBRECIITund H. RusK~
Robert Koch-Institut des Bundesgesundheitsamtes Berlin
und Institug fiir Biophysik and Elektronenmikroskopie der Universit~it Diisseldorf
Dureh antibiotisehe Substanzen kann das Wachsrum bestimmter Bakterien stark gehemmt werden. Je
naeh der Art des verwendeten Antibiotieums ist abet
sein Angriffspunkt in der Baktelienzette versehieden
und vielfaeh noeh nicht in allen Einzelheiten gekl£rt.
Sicher ist nut, dab jades in der Itumanmedizin verwendete Antibiotieum die Mikroorganismen in einem
infizierten 0rganismus wesentlieh st/~rker seh£digt als
den Makroorganismus, so dM3 dieser die Infektion mit
eigenen Abwehrkr/iften leiehter fiberwindet.
200 p.g/mI Par~xin zugesetzt und Proben dieser Kulturen in
gleieher Weise nach 4, 8 und 24 Std fixiert.
Die Sedimente der fixierten Bakterien wurden in 1% igem
Agar eingesehlossen, mit diesem dehydratisierL und in Vestopal W eingebettet. Die Kontrastierung der Sehnitt~ erfolgte
30 rain mit ges£ttigtem Uranylacetat [31] und 15 rain mit
Bleihydroxyd [16].
U ntersuchungsergebnisse
Der Feinbau der unbeeinflul3t waehsenden Staphylokokken unterschied sieh nicht yon dem anderer grampositiver Bakterien (Abb. 1). Die Zellen waren yon
Um eine Seh£digung des Makroorganismus dureh
einer etwa 30 nm dicken Zellwand umgeben (1 NanoAntibiotiea zu vermeiden, sind solehe Antibiotiea von
m e t e r = 1 0 - f m m ) , dem ,,osmotischen Korsett" der
besonderem Interesse, die in einen Stoffweehselvor- Bakterienzelle (Mtn~l~Ay et at., 1959). Aul3en war der
gang der Bakterienzelle eingreifen, den es im Makro- Zellwand eine dtinne unregelm/tBig begrenzte Schleimorganismus nieht gibt. Da Bakterien sich yon allen sehicht aufgelagert. Die Zellwand selbst bestand minhSheren Zellen dureh die einzigartige Zusammensetdestens aus zwei Schiehten, einer £uBeren, dicken, relazung ihrer Zellwand unterscheiden (vgl. bei SALTO~', tiv kontrastarmen Schicht and einer inneren kontrast1964; D~EWS U. GI~SBRECHT, 1966; PELZ~m, 1967),
reich erseheinenden. Diese kontrastreiche Schicht lag
sotlte der antibiotisehen Beeinflussung der bakterielder Cytoplasmamembran direkt auf.
len Zetlwanclsynthese besondere Aufmerksamkeit
An vielen Stellen waren Einfaltungen der Cytogeschenkt werden.
plasmamembran zu erkennen, die auf diese Weise die
Feinstrukturuntersuehungen fiber Stfrungen der Membrankfrper ausbilden (,,Mesosomen", FITZ-JA~s,
1960 ; ,,Plasmutemmosomen", EDWAt~DS,1962). "Wie
Zellwandsynthese der Bakterien mit Hilfe von Penicillin sind wiederholt durehgeffihrt worden (vgl. z.B.
bei allen anderen Bakterien fehlen auch hier die eharakteristisehen Membrandifferenzierungen der hSheren
5fvg~A¥ et al., 1959; FITZ-JAs~>zSu. HA~-COCK, 1965).
Zelle (Kernmembran, Membranen des endoplasmatiVom Chloramphenieol dagegen ist bekannt, dag es die
schen Reticulums sowie der Golgi-Felder).
Zellwandsynthese nicht hemmt (HA~-COCK U. PAint,
h n Cytoplasma liel3en sieh die granul~iren t%NS1958; MA~DELSTA3~ U. ROeEgS, 1958, 1959; vgl. bei
haltigen l%ibosomen erkennen und im Zentrum jeder
VAZQIZ~z, 1966), doeh haben kfirzlich Untersuehungen
fiber den Meehanismus der Zellwandsynthese an BaZelle der mehr oder weniger geordnet erscheinende
cillus megaterium gezeigt, dab aueh mit Hilfe dieses DNS-Faden des Chromosoms, dessen genauer OrdAntibiotieums eine geordnete Zellwandsynthese ver- nungszustand nieht analysiert werden konnte.
hindert werden kann (GIEsBt~EGItT, 1966).
Wir h~ben Staphylokokken anstatt mit der Diinnsehnittmethode aueh mit Itilfe der Gefriergtzteehnik da.rgestellt
Unsere Untersuehungen haben nun ergeben, dag
(MooR, 1964). Dabei wurden lebende Zellen eingefroren und
bei den pathogenen Staphylokokken (grampositiv)
aufgebroehen and naeh Freilegung tier Feinstrukturen warden
dutch Einwirkung yon Chloramphenieol besonders
Abdraeke der BruchfI~chen hergestellt.
schwerwiegende StSrungen des Gleiehgewichts zwiBei den Staphylokokken verliefen die Bruehfl~chen meist
sehen der S3mthese yon Zeltwandmaterial und der entlang tier Oberfl£che der Zellwand und/oder der Cytoplasmamembra.n und legten deren strukturell weuig ausgepr~igte FlgSynthese yon Protoplastenanteilen induziert werden
ehenansichten frei. Selt.en lief der Brueh (lurch das Zellinnere.
kSnnen. Darfiber hinaus haben vergleiehende UnterLeider braehen bei Verwendung yon Glycerin als Gefriersuchungen an gramnega~iven Bakterien wie Eseherisehutzmittel Grundplasma und Chromosom, ohae Unterschiede in der Bruchfl~iche erkennen zu lassen.
chin eoli gezeigt, dab diese auf Chloramphenieol mit
andersartigen Zeltver£nderungen reagieren als gramUntersuehte man nun mit der Dfinnschnitt-Technik
positive Zellen.
Zellen, die 4--8 Std unter dem Eh~fluB yon 5 bis
Untersuchungstechnik. Zellen von Mikroeoceus pyogenes 200 izg/ml Chloramphenicol gestanden hatten, so kam
wr. aui~us sowie yon E. eoli wurden 15 Std bei 37° C in Bouil- es zu einer Vertangsamung des Knlturwaehstums.
lon kultiviert; dann warden je 0,5 ml der Kultur auf 4,5 ml Gleiehzeitig nahm der Prozentsatz der in Teilung befrisehe Bouillon fiberimpft. Proben dieser Kulturen wurden findliehen Zellen um etwa die Hi~lfte ab, nnd die Zahl
naeh 4, 8 und 24 Std mit OsOa und Uranylaeetat 26 Std
der aueh in normMen Kulturen beobaehteten Zellfixiert [17].
trfimmer nahm zu. In einigen Kokken konnten wir
Ffir die Chloramphenicolversuehe wurde Paraxin der
dann aueh Strukturen beobaehten, die an MyelinfiguFirma C. F. Boehringer & SShne verwendet. Dabei wurden zum
Zeitpunkt der (3berimpfung der 15 Std alten Zellen 5 bis ten erinnerten (Abb. 2) und in dieser Form bei unbe* Durehgeffihrt mit Unters~iitzung der C. F. Boehringer & einfluf~t waehsenden Kutturen nieht naehzuweisen
S6hne Gmbtt Mannheim-Waldhof.
waren.
41 c
I(lin. Wschr., 46. Jahrg.
576
P. GIESBR~eHTund H. RUSKA:Vergnderungen der Feins~rukturen yon Bakterien
Besonders bemerkenswert fanden ~4r, dab unter
dem Einflul~ yon Chloramphenieol die einzelnen, langsam wachsenden Bakterien etwas gr6ger als die Norm
wurden mid ihre Zellwand sich dabei verdiekte (Abb. 3).
Zum Teit wirkte die Zellwand wie gesehiehtet (Abb. 4).
Von der Zellwandverdiekung war - - im Gegensatz zu
Bacillus megaterium - - bei diesen kugelf6rmigen Bakterien in der Regel fast die gesamte Zellwand betroffen.
Eine eindeutig erkennbare lokale Speieherung yon Zellwandmaterial an kleinen Wandbezirken lieB sieh nur
Kli~. Wschr.
der Zellen k a m (Abb. 9), blieben auger den Zellwandmassen nur noeh Membranreste der Bakterien iibrig,
w~hrend alle anderen Cytoplasmaanteile nieht mehr
naehweisbar waren.
Unter Chloramphenicoleinwirkung traten augerdem
Vergnderungen der Membrank6rper auf, indem in diesen Organellen die Membranen wie bei Bacterium
megaterium fiber gr6gere Streeken parallel verliefen.
Je naeh Sehnittriehtung erkannte man den Zusammenhang mit der Plasmamembran (Abb. 7),
Abb. 1. Staphylococcus aureus. NormMzellen aus 8stiindiger Kultur. 100000:1
selten naehweisen (Abb. 5). I n solchen F&llen wiesen
die lokal besonders verdiekten Zellwandstellen Kont a k t mit Membrank6rpern auf. Es handelte sieh m6glicherweise um Zellen, bei denen eine I I e m m u n g bei
der QueI~vandbildung am Ende der Teilungsphase eingesetzt hatte (Abb. 5).
Besonders bei 1/h~gerer Einwh'kung yon Chloramphenieol k a m es zur Ausbildung immer gr6Berer, konzentrischer Zellwandmassen, die mehr als 100 nm dick
werden konnten (Abb. 6). Nieht selten fibertraf die
Masse des Wandmaterials den Volumenanteil des eingesehlossenen Cytoplasmas (Abb. 7--9). Das Cytoplasma selbst konnte dabei bizarre Formen einnehmen
(Abb. 8). Einzelne mbul/~re oder vesieul&re Anteile der
Membrank6rper konnten yore eigentliehen Cytoplasma
abgetrennt und vom Wandmaterial umhfillt erscheinen
(Abb. 5). Wenn es in diesem Stadium zu einer Lysis
oder die N[embranen erschienen im Cytoptasma
dispergiert (Abb. 8). SehlieBlieh sei noeh erwghnt,
dab sieh in Kulturen, die l&ngere Zeit in Gegenwart yon Chloramphenieol gewaehsen waren, die DNSStrnkturen des Chromosoms h/~ufig k a u m noeh eindeutig differenzieren lieBen. Sie waren zum Teil offenbar zwisehen sehr kontrastreichen Zellanteilen verborgen (Abb. 6, 7), die wit ffir - - m6glieherweise verinderge - - aus dem Chromosomenbereieh nieht mehr abtransporgierte l~ibosomen halten (vgl. EZ~KI]~5, 1961 ;
BUTLs~ u. GODSOn, 1964). I n einem Teil der Zellen
war alas Chromosomenmaterial eoaguliert (Abb. 2, 4).
]4hnlieh wie bei unbeeinfluBt waehsenden Staphylokokken
lieB sieh mit Hilfe der Gefriergtzung bei Verwendung yon
Gtyeerin als Gefriersehutzmittel keine detailliertere Analyse
der Bakterienstrukturen erhMten.
Zu unserer ]~berrasehung konnten bei dem gramnegativen Bacterium Eseheriehia eoli Zellver~nderungen
Abb. 2. Staphylococcus aureus, 24stiindige Kultur mit 5 ~zg Paraxin/ml, Chromosomenmateria,I coa,gutiert, zwei
NIembr~nk6rper und eine l~[yelinfigur. 132 000:1
Abb. 3. Vorbeha.ndkmg wie bei Abb. 2. Zwei Kokken mit ~-erdiekten Zellw//nden und erhaltener Chromosomenstruktur. 88000:1
Abb. 4. 24stfindige Kuttur mit 20 ~zg P~raxin/ml. Wandschichtung und co~guliertes Chromosomenmaterial. 132000:1
578
P. GI:V~S]mnCHTund H. I~t~SKA:Vergnderungen der Feinstrukturen yon Bakterien
dieser Art nicht naehgewiesen werden (Abb. 10).
Vor a,ltem fehlte die eharakteristische Verdiekung der
Zellwand. Mit tIilfe von Chloramphenieol konnten wit
bei diesen Zellen nur eine sch/irfere Begrenzung der
Chromosomenareale erzielen, als sic in den unbeeinflugten Kontrollen vorlag. Ferner waren die Membrank6rper etwas ver/indert und gelegentlieh liegen sieh
aueh myelinartige Gebilde naehweisen. Erw'~hnt sei
Klin. W8chr.
peptide erhielten (MANDELSTAMU. P~OGEI~S,1959), u a d
die neuerdings als Murein bezeiehnet werden (vgl.
PELzEg, 1967).
Von grampositiven Zellen ist bekannt, dag ihre Zellw/~nde zum grogen Tell aus Mueopolymeren bestehen
k6nnen. AuBerdem ist in ihren Zellw~nden neben anderen Anteilen vor allem noeh Teiehonsgure naehgewiesen worden, aueh in den Zellw/inden yon Staphylo-
Abb. 5. 24stfindige Kultur mit 5 ,ag Paraxin/mt. LokMisierte Ablagerungen yon Wa.ndmateriah
Beide Zellen enthMten Membrananteile im Wandmaterial. 100000:1
sehliel~lieh noeh, dal~ im Verlauf der Einbettung bei
Eseheriehia eoli unter Chloramphenieol eine geringere
Sehrumpfung der Zellen eintrat als in den Kontrollen,
so dag wit eine Erh6hung der Permeabilig~t der
Cytoptasmamembran in Gegenwart yon Chloramphenieol vermuten.
Diskussion
Das strukturelle t~fickgrat der Bakterienzellwand,
die sogenannte Stfitzmembran, besteht aus N-AeetylD-Glueosamin und N-Aeetyl-Muramins/~ure (STRANGe, 1956), die alternierend miteinander verkn/ipft sind
(BRu~FITT et al., 1958). Da an den Mfiehs/~urerest der
Muralnins/~ure jeweils ein kurzes Peptic[ gebunden ist
(PA]~K, 1952; PARK U. ST~O~INGER, 1957) handelt es
sieh bei diesen Substanzen um Aminozueker-Peptidkomplexe, die den Namen Mueopolymere oder Mueo-
kokken (BADDIL~]¥ U. MAT~IAS, 1954; ARMSa'RONG et
al., 1958 ; MITC~]~LLU. MOYL]L 1958). Bei der Teichons~ure handelt es sich um ein stark phosphatrestehaltiges Polymer, das eine gewisse Ahnlichkeit mit den
Nucleinsauren aufweist; denn hier sind entweder Glycerin oder Adonit-(Ribit)-Molekfile dutch Phosphordi-ester-Briicken zu langen Ketten verbunden, die seitlieh versehiedene Zueker- und Aminosguren tragen
(BADDILEYet al., 1961 ; ARCmBALD U.BADDILEY,1966).
Naeh den Befunden yon GI~SB~EC~T (1962, 1966)
tritt bei dem grampositiven Bacillus megaterium in
Gegenwart yon 50--500 ~g/ml Chloramphenicol eine
progressive Verdiekung der Zellwand ein. Aus den bei
Bae. megaterium hi~ufigen lokalen Anh/~ufungen yon
Zellwandmaterial wurde auf den Oft der Zellwandsynthese gesehlossen.
~6.Jg., Heft 11, 1968 P. GI~SB~CH~ und H. RUSXA: Ver~nderungen der Feinstrukturen von Bakterien
Bei unseren Versuchen an Staphylokokken konnte
bereits mit Hilfe geringerer Mengen an Chloramphenicol ( 5 ~ 2 0 Bg/ml) die Bildung noeh wesentlich grSgerer
Zellwandmassen induziert werden als bei Bacillen, so
dab es zu einer Lysis der Zellen kam. Da die iibersehtissige Zellwandmenge wenigstens zum Tell auch
unter der prim£ren Zellwand abgelagert wird, ist es
erklgrlich, dab dabei der Protoplast verformt wird
(Abb. 7, 8) und dag der dadureh kontinuierlich steigende Druek zur Lysis der Zellen beitragen kann. Eine
579
HANCOCK U. PARK (1958) sowie ~ANDELSTAM U. I~OG ~ S (1958, 1959) h e m m t dieses Antibioticum das
Waehstum der Staphylokokken, ohne dal~ es gMchzei~ig zu einer wesentlichen H e m m n n g der ZeIIwandsynthese k o m m t (85--98 % der Synthese an Plasmaproteinen wurde gehemmt, doch nur 4 - - 8 % der B i t
dung yon Proteinen f/ir die Mucopeptide der Zellwand).
Daher handett es sich bei den elektronenmikroskopisch
nachweisbaren Zellwandverdickungen nicht etwa um
eine Abwehrreaktion der Bak~erien gegen das Chlor-
Abb. 6. 24stiindige Knltur mit 20 ~zg Paraxin/ml. Konzentrisehe Wandsubstanzen iiber 100 mn dick. Chromosomenmaterial
uater kontrastreichen Plasmaanteilen verborgen. 132000:1
Speicherung yon Wandmaterial in bestimmten Zellwandbezirken war zwar nur selten zu beobaehten,
doch die Tatsache, dug e'mzelne tubulg.re oder v e s t
cul/tre Anteile yon MembrankSrpern in diesen Zellwandmassen eingesehlossen waren, spricht dafiir, dal~
die Zellwandsynthese bei Staphylokokken an bestimmten Stelten unter aktiver Beteiligung der Membrank6rper stattfindet. Die Zellwandsynthese erfolgt
also wie bei Bac. megaterium mehr oder weniger punkt.
f6rmig, nieht etwa ringf6rmig. Gegenteilige Auffassungen (vgl. bei P ~ L z ~ , 1967), die vor allem auf
Untersuehungen mit fluoreseierenden AntikSrpern basieren, lassen sieh nicht 1/~nger aufrecht erhalten. Der
Auffassung you SALTON (1964), dab mit fluoreszierenden AntikSrpern nut die Verteitung yon Oberfl/~ehenAntigenen erfal~bar ist, kSnnen wit daher zus~immen.
Es erhebt sich nun die Frage, auf welehe Weise
Chloramphenieot die Ausbildung der Zetlwandmassen
bei Staphylokokken induziert. Nach den Befunden yon
amphenicol sondern um eine H e m m u n g des Waehsturns des Protoplasten bei gleiehzeitig fast ungestSrt
weiterlaufender Syn~hese yon Zetlwandmaterial.
Die riesigen Massen des Zellwandmaterials sind also
an sieh fiir nieht mehr gebildete Bakterienzellen bestimmt. Unter Berfieksiehtigung eines Korrektionsfaktors kSnnte damit die quantitative elektronenmikro-
skopische Bsstimmung der iibersd~ssigen Zellwandmenge
als Marl [iZrden Grad der Wacl~stumshemmung des Cytoplasmas dutch Chloramphenicol herangezogen werden.
DaInit k6nnte man sogar zmn ersten Mal den Versueh
wagen, an einer einzigen Bakterienzelte das Ausmal3
der Waehstumshemmung dureh ein Antibioticum
quantitativ zu erfassen und die MeBgenauigkeit best,immter bioehemiseher Methoden mindest~ns u m den
Faktor 10~ zu /ibertreffen; denn wit messen ja hier
im 10 -~5 g-Bereieh, w~hrend z. B. bestimmte ehromatographisehe Techniken den 10 -s g-Bereieh k a u m untersehreiten k6nnen.
580
P. GIESBm~C~ITund H. RusKs-: Vergnderungen der Feinstruktm'ea yon Bakterien
Wh" wollen nun dieses elektronenmikroskopiseh
erfagbare Ausmag der Waehstumshemmung einmal
den ,,bakteriostatisehen Wirkungsqnotienten" nennen
und ihn definieren als
gemessene, sekundgre Zellwandmenge -,~ Korrekturfaktor
mittlere primEre Zellwandmenge
oder
ZWsek @ K
Qehl-= ZtVprim
Klin. I{~chr.
fiihren ist (vgl. bei VAZQ~EZ, 1966), soll hier nieht
n£her untersueht werden.
Da bei gramnegativen Bakterien unter den gleiehen
Bedingungen der Chloramphenieoleinwirkung eine entspreehende AnMufung yon Zellwandmaterial nieht induziert werden konnte, ]iegt die Frage nahe, ob dieser
Effekt auf Untersehieden im Zellwandaufbau zwisehen
gTamposi~iven und gramnegativen Bakterien basiert.
Abb. 7. Kultur wie Abb. 6. Vohmlen des Wandmaterials/iber~rifft Volumen des Cytoplasmas. Chromosom yon kontr~streichem
Material iiberlagert. Radi~r geschnittener MembrankSrper mit konzentrischen Membranflgehen. (Vgl. Membr~nk6rper der
Abb. 1.) 1.32000:1
Wollte man eine solche Bestimmung nun einmal
ffir die Sgaphylokokken-Zetle der Abb. 6 durehftihren,
bei der der Sehnitt offenbar ziemlieh genau die Mitre
der Zelle erfagt hat, dann wiirde hier der ,,bakteriostatisehe Wirkungsquotient" = 5,2 betragen.
Das heil~t, aus dieser Bakterienzelle w/iren ohne
Chloramphenieol 5,2 neue Staphylokokken-Zellen entstanden.
Inwieweit diese Waehstumshemmung des Protoplasten auf die Bloekierung des Starter-Proteins der
DNS-Synthese (NAKADA,1960; ;gANAWALT et al.,
1961; MAALOE u. I-IANA'WALT,1961) oder auf die StSrung der gNS-abh/~ngigen Proteinsynthese zur/iekzu-
Tats/iehlich enth~lt im Gegensatz zu grampositiven
Bakterien die dtinne Zellwand gramnegativer Bakterien nur einen sehr geringen Anteil an Mueopolymer
(5--20% ; SALTO~, 1964), der hier wahrseheinlieh sogar nur als monomolek-ulares Mureinnetz vorliegt und
nieht als dreidimensionale Mureinsehieht. Daneben
sind Proteine, Lipopolysaeeharide und Lipoproteine
naehgewiesen worden, die zum Teil sehichtweise
in der Zellwand angeordnet sein sollen (Einzelheiten vgl. bei SALTO~, 1964). Man k6nnte daher vertauten, dab bier der Sehltissel ffir die untersehiedliehe
Reaktion grampositiver und gramnegativer Bakterien
gegenfiber Chloramphenieol zu suchen ware.
Abb. 9
Abb. 8. Kultur wie Abb. 6. Bizarre Form yon Cytoplasma und
verdiekter Zellwand. Aqua~orialschnitt durch MembrankSrper
mit konzentrischen Fli~ehen. (Vgl. MembrankSrper der Abb. I.)
132 000:1
Abb. 8
Abb. 9. Kultur wie Abb. 6. Verdiekte Zellwand, lysierter
Zellinhalt mit Membranresten. 88000:1
Abb. 10. Eseheriehia eoli, 8stiindige Kultur mit 10 Izg Par~xin/ml. Leieht gewellte, dfinne, dreisehiehtige Zellwand. Darunter
dreisehieh~ige Cytoplasmamembr~n yon der Zellwand etwas abgetrennt. Myelink6rper im Chromosomenareal,
Cytoplasma erf/illt yon t~ibosomen. 132000:1
582
P. GIESB~EeHTund g. RUSKA:Veranderungen der Feinstrukturen yon Bakterien
Zusammen/assung. D u r c h E i n w i r k u n g v o n Chloramphenicol (Paraxin) auf die g r a m p o s i t i v e n Staphylok o k k e n lassen sich starke Z e l l w a n d v e r d i c k u n g e n i n d u zieren, die auf eine t I e m m u n g des W a c h s t u m s der Bakterienzelle bei gleichzeitig fast u n g e h e m m t weiterlaufender Synthese von Z e l l w a n d m a t e r i a l zurfickzuffihren
sind. Die Masse der Wandsubstanz ~ann daher als Marl
/iir den Grad der induzierten Waehstumshemmung herangezogen werden.
D u r c h Chloramphenicol k 6 n n e n bei Staphylokokken auch die M e m b r a n k 6 r p e r u n d die Chromosomenarea]e v e r g n d e r t n n d die A u s b i l d u n g m y e l i n a r t i g e r
S t r u k t u r e n induziert werden. Einc aktive Beteiligung
der M e m b r a n k 6 r p e r a n der Zellwandsynthese wurde
wahrscheinlich gemacht.
I m Gegensatz zu d e n grampositiven Staphylokokken reagierten g r a m n e g a t i v e B a k t e r i e n wie E. cell auf
Chloramphenieol m i t andersartigen Zellveriinderungen.
Summary. B y the influence of Chloramphenicol
(Paraxin) on grampositive staphylococci, large cellwall thickenings can be induced, t h a t are to be referred
to a growth-restriction of t h e germ cell eytop]asme
with a n at the same time almost u n r e s t r i c t e d l y contin u i n g synthesis of cell wall material. The mass o/ the
cell wall substance can there/ore be re/erred to as a measure/or the degree o/induced growth restriction.
P l a s m a l e m m a s o m e s a n d chromosom areas of staphylococci m a y become altered b y Chloramphenicol,
a n d the f o r m a t i o n of m y e l i n figures m a y be induced.
A n active p a r t i c i p a t i o n of the plasmalemmasomes on
the synthesis of the cell walt substance has been made
likely.
I n contrast to the grampositive staphylococci gramnegative germs like E. cell react on Chloramphenicol
with other cell alterations.
Fraulein U. D6~NERT, Frau Dr. C. RUSKA und Frau M.
VIALON danken wir ffir wertvolle experimentelle Hilfe.
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Dr. P. GIESBRECttT
Robert Koeh-Institut
des Bundesgesundheitsamtes Berlin
Prof. Dr. H. R,USKA
Institut fiir Biophysik und
Elektronenmikroskopie der Univexsitat
4 Dfisseldorf 1, Moorenstr. 5
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