„WIEN ALS TOR NACH DEM SÜDOSTEN“1 – DER BEITRAG WIENER GEISTESWISSENSCHAFTLER ZUR ERFORSCHUNG SÜDOSTEUROPAS WÄHREND DES NATIONALSOZIALISMUS Petra Svatek Einleitung „Die durch die Lage, die kulturelle und politische Vergangenheit Wiens vorgezeichnete Aufgabe, eine geistige Leuchte für den europäischen Südosten zu sein, verpflichtet die Wiener Universität in ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit diesem Teil Europas ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und in der deutschen Wissenschaft sich führend bei der Pflege der Beziehungen zu dem Südosten zu betätigen. Damit wird wieder eine alte Tradition aufgenommen, die in der Nachkriegszeit völlig abzureissen drohte.“ 2 Wie unter anderem diese Worte des Wiener Kulturgeographen Hugo Hassinger (1877–1952) in einem Bericht vom 6. Mai 1939 zeigen, galt Wien während des Nationalsozialismus als der Ausgangspunkt für die Erforschung Südosteuropas. Die Wiener Tradition der Erforschung des südöstlichen Europas reichte bereits bis in das 19. Jahrhundert zurück, wobei sich zum Beispiel die 1856 ins Leben gerufene „k. k. Geographische Gesellschaft in Wien“ ebenso wie die 1897 von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften gegründete „Kommission für die historisch-archäologische und philologisch-ethnographische Durchforschung der Balkanhalbinsel“ auch mit geisteswissenschaftlichen Forschungen auseinandergesetzt hatte. Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie verlor die Südostforschung kurzfristig an Bedeutung. Erst durch die Gründung der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft im Jahre 1931 setzte ein neuerlicher Aufschwung ein, der sich während des Nationalsozialismus unter anderem durch die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung an den Wiener Hochschulen“ und der Südosteuropagesellschaft noch verstärkte. Nach einem kurzen Überblick zur Forschungsgeschichte setzt sich der Artikel vor allem mit der Frage nach den Kontinuitäten und Wandlungen der geisteswissenschaftlichen Forschungen vom Gründungsjahr der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft bis 1945 unter besonderer Berücksichtigung der NS-Zeit auseinander. Wegen der großen Fülle an südostorientierten Studien sollen allerdings lediglich die Forschungen der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung und der Südosteuropagesellschaft aufgearbeitet werden, in die eine Vielzahl an Mitarbeitern der Universität Wien involviert waren. 3 Zentrale Themen bilden dabei vor allem die personellen und thematischen Kontinuitäten und Diskontinuitäten, die Veränderungen im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik sowie die Vernetzungen der einzelnen an der Südostforschung beteiligten Wissenschaftler und Institutionen untereinander. Über welche Staaten unter dem Begriff „Südostforschung“ geforscht wurde, unterlief im Laufe der Jahre einigen Veränderungen. Während man sich vor der NS-Zeit vor allem mit 1 Solche Formulierungen sind bei Hassinger immer wieder zu finden: Hugo HASSINGER: Die Ostmark. In: Raumforschung und Raumordnung, 2 (1938), S. 393; Universitätsarchiv Wien (UAW), Nachlass Hugo Hassinger, Karton (K.) 25, Aktenvermerk über die Besprechung vom 23.1.1942 und so weiter 2 UAW, Nachlass Hassinger, K. 25, Hassingers Denkschrift „Die Universität Wien und der Südosten“ vom 6.5.1939. 3 Aus diesem Grund können einige andere Wissenschaftler der Universität Wien, die sich zwar mit dem südosteuropäischen Raum auseinandersetzten, aber nicht in den drei Forschungsgemeinschaften aufscheinen, nicht berücksichtigt werden, wie beispielsweise Alois Hajek und Ferdinand Liewehr. 1 Ungarn, Jugoslawien und der Tschechoslowakei auseinandersetzte, sah beispielsweise Hassinger im Jahre 1939 Ungarn, Jugoslawien, Albanien, Bulgarien, Rumänien, Griechenland und die Türkei als bevorzugte Forschungsfelder an. 4 Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wandten sich Wiener Geisteswissenschaftler aber auch der Krim und der Kaukasusregion zu. Gegenwärtiger Stand der Forschungen Bis heute setzten sich mit dem Thema Südostforschung an der Universität Wien nur sehr wenige Wissenschaftler auseinander. Den Beginn markierte der Artikel „Angewandte Wissenschaft im Nationalsozialismus“ von Siegfried Mattl und Karl Stuhlpfarrer, 5 welcher im Jahre 1989 in dem von Gernot Heiss und anderen herausgegebenen Sammelband „Willfährige Wissenschaft“ veröffentlicht wurde. Dieser thematisierte erstmals die Rolle Wiens als Ausgangspunkt der Südostkolonisation sowie des Kulturgeographen und leitenden Mitglieds der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft Hugo Hassinger. Weiters sind zu dieser Thematik die Abhandlungen von Michael Fahlbusch zu nennen, der sich in diversen Publikationen mit der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft beschäftigt hatte und daher auch in Bezug auf die in diesem Artikel vorgestellten geisteswissenschaftlichen Forschungen eine wichtige Quelle darstellt. 6 Zu erwähnen ist auch die 2004 verfasste Diplomarbeit von Gerhard Lechner über die Südostforschung an der Universität Wien. 7 Doch fehlt allen diesen Studien eine gesonderte Betrachtung der Wiener geisteswissenschaftlichen Forschungen in Bezug auf Interdisziplinarität und Kriegseinsatz samt Involvierung der Universität Wien in dieses Unterfangen. Südostforschung in Wien 1931 bis 1938 Forschungsthematiken und Interdisziplinarität vor 1938 Die geisteswissenschaftliche Südostforschung begann an der Universität Wien im größeren Ausmaß mit der Gründung der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, wodurch nach den Worten des Historikers und Leiters des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Hans Hirsch (1878–1940) „Wien für den Südosten eine Stellung“ erhielt, „um die es sich schon längst hätte bemühen sollen“. 8 Die Forschungsgemeinschaft konstituierte sich am 17. Oktober 1931 und stellte in Wien bis zur NS-Machtübernahme die einzige Plattform für 4 UAW, Nachlass Hassinger, K. 25, Hassingers Denkschrift „Die Universität Wien und der Südosten“ vom 6.5.1939. 5 Siegfried MATTL, Karl STUHLPFARRER: Angewandte Wissenschaft im Nationalsozialismus. Großraumphantasien, Geopolitik, Wissenschaftspolitik. In: Dies., Gernot HEISS, Sebastian MEISSL, Edith SAURER (Hg.), Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–45. Wien 1989, S. 283–301. 6 Michael FAHLBUSCH: Wissenschaft im Dienste der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ von 1931–1945. Baden-Baden 1999; Ders.: Die „Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft“. Politische Beratung und NS-Volkstumspolitik. In: Winfried SCHULZE, Otto Gerhard OEXLE (Hg.), Die Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt/Main 1999, S. 241–264; Michael FAHLBUSCH: Im Dienste des Deutschtums in Südosteuropa: Ethnopolitische Berater als Tathelfer für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In: Mathias BEER, Gerhard SEEWANN (Hg.), Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen – Inhalte – Personen. München 2004, S. 175–214; Michael FAHLBUSCH: Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft. In: Ders., Ingo HAAR (Hg.), Handbuch der völkischen Wissenschaften. München 2008, S. 688–697. 7 Gerhard LECHNER: Die „Südostforschung“ an der Universität Wien 1931–1945. Diplomarbeit, Universität Wien 2004. 8 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PAAA), R 60270 (Arbeitsgemeinschaft für west- und südostdeutsche Forschungen), Brief von Hans Hirsch vom 24.11.1931. 2 derartige Forschungen dar. Sie gehörte zu jenen sechs Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften, welche sich die systematische Erforschung des Grenz- und Auslandsdeutschtums zur Aufgabe gemacht hatten. Im Mittelpunkt der Forschungen der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft stand vor der NS-Machtübernahme das Auslandsdeutschtum der ehemaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie. Ferner versuchte man von Beginn an die Propagandaarbeit der südosteuropäischen Staaten zu unterminieren und Unternehmungen, welche der gesamtdeutschen Auffassung dienten, zu unterstützen. 9 Die Mitarbeiter der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft setzten sich fast zur Gänze aus Geisteswissenschaftlern der Universität Wien zusammen, die sowohl dem Vorstand als auch dem Arbeitsausschuss und diversen Projektgruppen angehörten. Vertreten waren vor allem Historiker, Germanisten und Kulturgeographen, wodurch eine vorher auf dem Gebiet der Südostforschung noch nie dagewesene interdisziplinäre Ausrichtung gewährleistet wurde. Die Forschungsgemeinschaft wurde bis 1934 von Hugo Hassinger geleitet, der sich danach wegen Zeitmangels die Leitung mit Hans Hirsch teilte. Hassinger kam am 8. November 1877 als Sohn eines Bankbeamten in Wien zur Welt. Nach seinem Studium der Geographie, Geologie und Geschichte übte er zunächst den Lehrberuf an diversen Schulen in Wien und Mährisch-Weißkirchen aus. Der Nationalitätenkampf im gemischtsprachigen Gebiet Mährens prägte Hassinger derart, dass er bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts seine ersten Studien zum Thema „deutsche Minderheiten“ veröffentlichte. Nach erfolgreich abgelegter Habilitation im Jahre 1914 wirkte er als Privatdozent am Geographischen Institut der Universität Wien, ehe er 1918 als Professor an die Universität Basel und 1927 an die Universität Freiburg bestellt wurde. 1931 erfolgte seine Ernennung zum Ordinarius für Kulturgeographie am Geographischen Institut der Universität Wien. Hassinger verstarb am 13. März 1952 infolge eines Straßenbahnunfalls. 10 Dem zunächst vierköpfigen Vorstand der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft gehörte neben Hassinger und Hirsch noch der aus Graz stammende Volkskundler Viktor Geramb (1884–1958), sowie der von 1928 bis 1935 am Geographischen Institut der Universität Wien wirkende Fritz Machatschek (1876–1957) an, wobei lediglich letztgenannter Wissenschaftler infolge seiner physiogeographischen Ausrichtung keine geisteswissenschaftlichen Forschungen betrieb. Auch der Arbeitsausschuss wurde im Laufe der 1930er Jahre weitgehend mit Geisteswissenschaftlern von der Universität Wien besetzt, wie zum Beispiel mit den Germanisten Josef Nadler, Anton Pfalz und Walter Steinhauser, dem Archäologen Eduard Beninger, dem Kunsthistoriker Hans Sedlmayr, dem Althistoriker Rudolf Egger, dem Volkskundler Arthur Haberlandt sowie den Historikern Otto Brunner und Wilfried Krallert. Durch die Integration von Geisteswissenschaftlern, die hauptberuflich nicht an der Universität Wien beschäftigt waren – wie etwa der Kunsthistoriker Karl Maria Swoboda von der Universität Prag, die Archivare Lothar Gross und Josef Kallbrunner sowie Erich Gierach von der Universität Prag beziehungsweise München – konnte eine nicht nur über die Fakultätsund Hochschul- sondern auch über die Staatsgrenzen hinausreichende interdisziplinäre geisteswissenschaftlich orientierte Arbeitsgemeinschaft entstehen. Neben Machatschek setzten sich im Arbeitsausschuss lediglich der an der Hochschule für Welthandel lehrende Wirtschaftsgeograph Randolf Rungaldier sowie der Statistiker und Ökonom Wilhelm Winkler nicht mit geisteswissenschaftlichen Forschungen auseinander. 11 Ihren Arbeitsschwerpunkt legten die von der Universität Wien kommenden Mitglieder der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft bis 1938 vor allem auf die geisteswissenschaftliche Erforschung des Burgenlandes, der Sudetenländer, Ungarns und des jugoslawischen 9 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 263. Näheres zur Biographie von Hugo Hassinger siehe: Gustav GÖTZINGER: Hugo Hassinger, 1877–1952. In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft Wien 96 (1954), S. 149–176; Christine ZIPPEL: Hugo Hassinger. In: FAHLBUSCH, HAAR, Handbuch, S. 226–230. 11 Für einen Überblick über die Mitarbeiter siehe: FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 251 ff. 10 3 Raumes. 12 Von Ende 1931 bis 1938 wurden neben dem Aufbau eines Übersetzungsdienstes, einer Südostbibliothek, eines Verzeichnisses der über den Südosten erarbeitenden Dissertationen und einer Kartei mit allen deutschen und nichtdeutschen Wissenschaftlern im Südosten, 13 vor allem Forschungen durchgeführt, die sich mit kulturgeographischen, germanistischen, geschichtlichen und volkskundlichen Themen befassten. 14 Die einzelnen Projekte wurden dabei nicht nur von den oben genannten Wissenschaftlern, sondern auch von Akademikern anderer ostösterreichischer Institutionen sowie der Sudetenländer und Südoststaaten selbst ausgearbeitet. Als Beispiel hierfür sind die germanistischen Studien zu nennen, welche nicht nur von Angehörigen der Universität Wien, sondern unter anderem auch von Heinrich Schmidt aus Szeged (deutsche Mundarten in Ungarn), Josef Beranek aus Neuhaus (deutsche Mundarten Südmährens) und Hans Karner aus Oberschützen (Mundarten des Burgenlandes) durchgeführt wurden. Die geisteswissenschaftlichen Forschungen hatten vor allem zum Ziel, die kulturelle Abhängigkeit des untersuchten Gebietes zum deutschsprachigen Raum zu belegen, sowie die Verbreitung der deutschen Minderheiten in den jeweiligen Staaten zu ergründen. Die Wiener Geisteswissenschaftler stellten bei der Ausarbeitung diverser Studien nicht nur ihr Fachwissen zur Verfügung, sondern beteiligten sich zudem an der Kontaktaufnahme mit diversen ausländischen Behörden und Wissenschaftlern. Als Beispiel soll hier lediglich Hassinger Erwähnung finden, der im Frühjahr 1937 eine Reise nach Ungarn, Jugoslawien und Rumänien unternahm. Im Zuge dieser versuchte er die Ausweitung der Tätigkeit der Forschungsgemeinschaft in Richtung der südöstlichen Balkanstaaten zu forcieren, eine Exkursion nach Siebenbürgen vorzubereiten, sowie mit den Führern der deutschen Volksgruppen Kontakt aufzunehmen und neue Mitarbeiter zu rekrutieren. 15 Das vor der NS-Machtübernahme größte interdisziplinäre Arbeitsvorhaben stellte der unter der Leitung von Hassinger und Fritz Bodo 16 herausgegebene Burgenlandatlas dar. An den Arbeiten beteiligten sich neben einigen Naturwissenschaftlern, Archivaren, Lehrern und Mitgliedern der Burgenländischen Landesregierung auch Geisteswissenschaftler von der Universität Wien wie zum Beispiel die Kulturgeographen Walter Strzygowski und Egon Lendl, der Historiker Otto Brunner, der Volkskundler Arthur Haberlandt, die Germanisten Anton Pfalz und Walter Steinhauser und der Anthropologe Viktor Lebzelter. Den Geisteswissenschaftlern fiel die Aufgabe zu, Kartenbegleittexte zu verfassten und ihre zusammengetragenen Daten Fritz Bodo für die Herstellung der Karten zu übermitteln (Näheres zum Atlas im nächsten Abschnitt). Zur Verbindung von Wissenschaft und Politik vor 1938 Die Mitarbeiter der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft und somit auch die involvierten Geisteswissenschaftler der Universität Wien bauten bereits vor 1938 eine intensive Verbindung mit dem nationalsozialistischen Deutschland auf, wodurch ihre Forschungen in Österreich manchmal mit kritischem Blick gesehen wurden. Die Finanzierung der einzelnen Projekte und Publikationen erfolgte fast ausschließlich durch diverse Berliner Behörden sowie 12 Eine genaue Beschreibung der Arbeitsvorhaben siehe ebenda, S. 278–297. Ebenda, S. 273–278. 14 Eine Auflistung der einzelnen Forschungsthemen befindet sich in den Tätigkeitsberichten der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft im UAW, Nachlass Hassinger, K. 24, und im PAAA, R 60270 (Arbeitsgemeinschaften für west- und südostdeutsche Forschungen). 15 Reisebericht siehe: UAW, Nachlass Hassinger, K. 24; LECHNER, Südostforschung, S. 44 f. 16 Fritz Bodo wurde am 3. November 1893 in Neunkirchen im südlichen Niederösterreich geboren. Ab den 1920er Jahren wandte er sich neben seinem Beruf als Lehrer immer mehr der Heimatforschung und der Anfertigung von Karten zu. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ sich Bodo als Kartenverleger in Deggendorf (Bayern) nieder. Bodo verstarb am 8. August 1978. Randolf RUNGALDIER: In Memoriam Fritz Bodo (1893– 1978). In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft 122 (1980), S. 309–312. 13 4 den Verein für das Deutschtum im Ausland. 17 Zudem suchten bereits einige Wissenschaftler vor 1938 um die Mitgliedschaft in der NSDAP an, wie zum Beispiel Fritz Bodo (Parteieintritt am 18.11.1930), 18 Egon Lendl (Parteieintritt am 28.10.1932) 19 und Walter Strzygowski (Parteieintritt am 1.5.1933). 20 Kontakte mit reichsdeutschen Wissenschaftlern intensivierte man unter anderem auf den regelmäßig stattgefunden Tagungen, welche allerdings auf Grund ihrer volkspolitischen Ausrichtung nur getarnt in Form von Exkursionen abgehalten werden konnten. Die Reiseziele waren vor allem die österreichischen Grenzregionen sowie die Gebiete mit deutschen Minderheiten in den östlichen Nachbarstaaten und in Siebenbürgen. 21 Diese Exkursionen wurden von Hugo Hassinger, aber auch von Hirsch organisiert beziehungsweise geleitet. Die in einem internen Protokoll über die erste Tagung in der Slowakei Ende September 1932 geschriebenen Worte zeigen zum Beispiel sehr deutlich, dass man sich sehr wohl von Beginn an über die politische Tragweite der einzelnen Aktivitäten bewusst war. So meinte der unbekannte Verfasser, dass „zur Vermeidung jeder Reibungsmöglichkeit oder Bespitzelung die Hauptvorträge auf österreichischem Boden oder doch in einer Weise abgehalten wurden, daß unbedingte Sicherheit gegen unerwünschte Lauscher gegeben war.“ 22 Eine Erschwerung der Arbeiten ergab sich auch daraus, dass zumindest politisch brisantes Aktenmaterial nur versteckt aufbewahrt werden konnte sowie Verhöre von Mitgliedern und auch Hausdurchsuchungen stattgefunden hatten. 23 Als Paradebeispiel für ein verschleiertes politisches Projekt kann der Burgenlandatlas angesehen werden. Während in Radiosendungen und gedruckten Artikeln die Bedeutung des Atlas als Lehrbehelf für Schulen und Wissenschaftler sowie als Planungsgrundlage für diverse Behörden gewürdigt wurde, kann in den geheimen, nur für den Dienstgebrauch bestimmten Tätigkeitsberichten der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft die Schaffung einer bedeutenden Grundlage für die Abwehr etwa auftauchender „ungarischer revisionistischer Bestrebungen“ 24 als Ziel herausgelesen werden. Die Veröffentlichung vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten scheiterte vor allem aus politischen Gründen. Hassinger verrät in seinem Vorwort der gedruckten Fassung von 1941 Folgendes: „Das Atlaswerk wurde zeitweilig mit Misstrauen, da es der gesamtdeutschen Sache diente, betrachtet, seine Herausgeber und eine Anzahl Mitarbeiter wurden wegen ihrer nationalsozialistischen Gesinnung gemaßregelt.“ 25 Kontinuitäten und Wandlungen der Südostforschung während der NS-Herrschaft Institutionen – Mitarbeiterstruktur – vorherrschende Themen 17 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 272. Bundesarchiv der Bundesrepublik Deutschland, Berlin-Lichterfelde (BA), NSDAP-Mitgliedskarteien, Zentralkartei 3100, 9 C 0035. 19 BA, NSDAP-Mitgliedskarteien, Ortskartei 3200, 29 N 0023. 20 UAW, Personalakt der philosophischen Fakultät (phil. PA) Walter Strzygowski, 3566/253. 21 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 622. 22 PAAA, R 60271 (Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften), internes Protokoll von der ersten Tagung der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft in der Slowakei vom 24.–27. September 1932. 23 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 268; PAAA, R 60294 (Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften), Tätigkeitsbericht der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft für das Rechnungsjahr 1937/38. 24 PAAA, R 60291 (Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften), Tätigkeitsbericht der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft über das Rechnungsjahr 1934/35; sowie R 60279 (Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften), Kostenvoranschlag für das Rechnungsjahr 1937/38. 25 Hugo HASSINGER: Vorwort. In: Fritz BODO (Hg.), Burgenland. Ein deutsches Grenzland im Südosten (1921-1938). Wien 1941. 18 5 Die Machtübernahme der Nationalsozialisten brachte für die Südostarbeiten nun ganz andere Arbeitsvoraussetzungen und mehr Wandlungen als Kontinuitäten mit sich. Die Mitarbeiter konnten sich nun offen zu ihren Forschungen und zu ihrer politischen Gesinnung bekennen und Wien als den Stützpunkt für die NS-Südostforschung ausbauen. Das führte zur Gründung neuer Forschungsgemeinschaften, zu einer starken Zunahme der südostorientierten Studien, zu einer Umgestaltung der zur Verfügung gestellten personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen sowie zu einer dadurch verbundenen Intensivierung und Ausweitung bestehender Netzwerke. So beteiligten sich Geisteswissenschaftler nicht mehr nur im Rahmen der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, sondern auch in der 1938 an der Universität Wien ins Leben gerufenen „Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung“ und der „Südosteuropagesellschaft“ an den Forschungen. In diversen Sitzungsprotokollen, Berichten und Vorträgen wurde die Bedeutung des Standortes Wien als Ausgangspunkt für die Erforschung Südosteuropas ausreichend erläutert, um gegenüber den anderen reichsdeutschen Wissenschaftlern und Politikern die Anerkennung der wichtigen Funktion Wiens in Bezug auf den Südosten zu erhalten. Hauptakteur war dabei Hassinger, der in vielen Beiträgen die Sonderstellung Wiens in Bezug auf den Südosten untermauerte. Zu dieser Thematik bearbeitete er im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung auch ein eigenes Projekt mit dem Titel „Raumfunktion Wiens im Rahmen des Deutschen Reiches als zentraler Ort des südöstlichen Mitteleuropa“, worin er unter anderem die Beziehungen Wiens mit dem Südosten in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht ausarbeitete. Hassinger vermerkte in seinem Projektansuchen deutlich, dass „im Deutschen Reich die Stellung Wiens wohl als Grenzstadt, nicht aber ihre Funktion als die natürliche Beherrscherin eines Grossraumes bekannt ist und daher auch die Vorteile, die das Deutsche Reich durch die Einverleibung Wiens raum- und wirtschaftspolitisch gewonnen hat, noch nicht durchaus in das Bewusstsein der deutschen Allgemeinheit eingegangen sind“ 26 und man daher im „Altreich“ noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten hätte. Als Hauptargumente lieferte er einerseits die Lage Wiens am Schnittpunkt bedeutender Verkehrslinien sowie im Grenzsaum des Deutschen Reiches und des slawisch-magyarisch geprägten mittleren und unteren Donauraumes sowie die zentrale Stellung, welche Wien sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf kultureller Ebene bereits während der Habsburgermonarchie für das südöstliche Europa innehatte. 27 Denn alleine der österreichischungarischen Monarchie sei es zu verdanken, dass „auch außerhalb seines deutschen Volksgebietes den Formen mitteleuropäischer Kultur Geltung“ verschafft „und die Stufe des Kulturgefälles zwischen Westen und Osten allmählich ostwärts“ verlagert werden konnte. 28 Ein besonderes Charakteristikum der ab der nationalsozialistischen Herrschaft durchgeführten Forschungen über Südosteuropa war im Allgemeinen deren starke raumwissenschaftliche Ausrichtung. Die Raumforschung etablierte sich in den 1930er Jahren als interdisziplinäre Wissenschaft, bei der Fachleute aus allen Bereichen der Geistes- und Naturwissenschaften sowie aus der Praxis beteiligt waren. Durch ihre große Bedeutung für die NSExpansionspolitik und die Neugestaltung des „deutschen Lebensraumes“ stellt sie zudem ein Paradebeispiel für die während der NS-Zeit eingegangene Verbindung zwischen Wissenschaft 26 UAW, Nachlass Hassinger, K. 16, Projektansuchen für das Haushaltsjahr 1940/41. Siehe dazu: Hugo HASSINGER: Wiens deutsche Sendung im Donauraum. In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft Wien 85 (1942), S. 3–31; UAW, Nachlass Hassinger, K. 25, Hassingers Denkschrift „Die Universität Wien und der Südosten“ vom 6.5.1939; BA, R 164/15, Hassingers „Wien – die kulturelle Hauptstadt des Donauraumes“, ohne Datum. 28 Hugo HASSINGER: Lebensraumfragen der Völker des europäischen Südostens. In: Karl Heinrich DIETZEL (Hg.), Lebensraumfragen europäischer Völker, Bd. 1. Leipzig 1941, S. 594. 27 6 und Politik dar. 29 Vor 1938 wandten sich nur einige wenige Wiener Geisteswissenschaftler raumforschungsorientierten Themen zu. In Bezug auf die Südostforschung stellt das wichtigste Beispiel dazu der Burgenlandatlas dar. Vor allem ein Radiointerview Fritz Bodos vom Jahre 1936 gibt uns Auskunft, dass die Karten unter anderem auch als Planungsgrundlage gedacht waren. 30 Der Begriff „Raumforschung“ selbst kam im wissenschaftlichen Sprachgebrauch österreichischer Gelehrter allerdings erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Verwendung. Hassinger sah nicht nur die Technischen Hochschulen sondern vor allem auch die Universitäten als bevorzugten Ort für die Beschäftigung mit dieser relativ neuen Forschungsrichtung und damit auch für die Beteiligung am Ausbau des großdeutschen Reiches sowie seiner Lebensordnung. 31 Bei der Frage nach den personellen Kontinuitäten und Diskontinuitäten scheint der Befund zu gelten, dass es mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten bei den an den drei Forschungsgemeinschaften mitbeteiligten Geisteswissenschaftlern der Universität Wien zu keinen politisch bedingten Entlassungen gekommen war und dadurch kein Verlust geistiger Potenz stattgefunden hatte. Alle wichtigen Mitarbeiter behielten auch während der NS-Zeit ihre jeweiligen Lehrstühle oder sonstigen Stellen. Aufgrund der bereits zuvor erwähnten Gründung neuer südostorientierter Forschungsgemeinschaften kam es zu noch umfangreicheren Vernetzungen sowie zu einer vermehrten Mobilisierung personeller Ressourcen als vor der nationalsozialistischen Herrschaft. In diesem Kontext kann durchaus eine Umschichtung der Mitarbeiter gegenüber der Zeit vor 1938 festgestellt werden. Mit de Machtübernahme der Nationalsozialisten setzte nun ein planmäßiger Ausbau der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft ein, indem neue Räumlichkeiten und Mitarbeiter gewonnen werden konnten. Den arbeitsmäßigen Mittelpunkt stellte die 1934/35 gegründete Publikationsstelle (P-Stelle) unter der Leitung Wilfried Krallerts (1912–1969) dar, bei welcher nun vor allem hauptamtlich beschäftigte Personen die Arbeiten durchführten. Krallert kam am 23. Jänner 1912 als Beamtensohn in Wien auf die Welt. Er studierte ab 1930 Geschichte und Geographie und wurde 1933 ins Institut für Österreichische Geschichtsforschung aufgenommen. Von 1935 bis 1940 arbeitete er unter anderem an den „Monumenta Germaniae Historica“ mit. Der Politik wandte er sich mit dem Aufbau der Wiener Zelle des deutschen rechtsextremen Mittelschülerbundes bereits in seiner Jugendzeit zu. 1933 erfolgte sein Beitritt in die NSDAP, ein Jahr später in die SS, wo er den Rang eines SS-Sturmbannführers erreichte. Während der nationalsozialistischen Herrschaft leitete er die P-Stelle der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft. 32 Die wichtigsten Mitarbeiter der PStelle waren während des Krieges neben Wilfried Krallert vor allem seine Schwester Gertrud und sein Bruder Reinhold, 33 aber auch der spätere Kartographieprofessor am Geographischen Institut der Universität Wien Erik Arnberger, die Ungarnforscherin Irma Steinsch, der Volkskundler Alfred Karasek und der Slawist Viktor Paulsen. 34 29 Zur Geschichte der Raumforschung in den 1930er und 1940er Jahren siehe zum Beispiel: Mechtild RÖSSLER: Die Institutionalisierung einer neuen Wissenschaft im Nationalsozialismus: Raumforschung und Raumordnung 1935–1945. In: Geographische Zeitschrift 75 (1987), S. 177–194. 30 Burgenländisches Landesarchiv, Burgenlandatlas Arbeitsbogen – Entwürfe IX, Protokoll Radiosendung über Burgenlandatlas vom 16.11.1936. 31 MATTL, STUHLPFARRER, Angewandte Wissenschaft, S. 294. 32 Michael FAHLBUSCH: Wilfried Krallert. In: Ders., Ingo HAAR, Handbuch, S. 335–337; FAHLBUSCH, Ethnopolitische Berater, S. 194–203. 33 Reinhold Krallert (1913–2005) studierte ab 1933 an der Universität Wien Geschichte und Kunstgeschichte und wurde 1937 zum außerordentlichen Mitglied am Institut für Österreichische Geschichtsforschung ernannt. Er trat bereits 1933 der NSDAP bei, ein Jahr später der SS. Nach vierjährigem Truppendienst versetzte man Reinhold Krallert in das RSHA VI G. In der P-Stelle übernahm er die Leitung der Weltkartenabteilung. (LECHNER, Südostforschung, S. 85 ff.) 34 Einen Überblick über die Mitarbeiter der P-Stelle siehe: FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 628 f. 7 Zudem verstand sich die Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft auch weiterhin als Arbeitsgemeinschaft, in der alle im Südostraum tätigen und forschenden Wissenschaftler mitarbeiten konnten. Geisteswissenschaftler der Universität Wien beteiligten sich allerdings nicht mehr in einem so großen Ausmaß an den Forschungen der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, doch blieben sie vor allem der Führungsebene in den Personen Hirsch, Brunner und Hassinger weiterhin erhalten. Brunner leitete die Forschungsgemeinschaft ab 1940 und scheint neben Krallert die Kooperationen mit diversen Behörden und Forschungseinrichtungen gefördert zu haben. Der stellvertretende Leiter Hassinger stellte sein fachliches Wissen vor allem bei der Ausarbeitung diverser Karten zur Verfügung und versuchte zudem, in einer im Jahre 1942 durchgeführten Reise nach Südosteuropa neue Kooperationspartner für die Gesellschaft zu gewinnen. Hassinger nahm dabei einerseits Kontakt zu diversen Wissenschaftlern, die er in seinem Reisebericht nach ihrer Deutschfreundlichkeit einstufte, andererseits aber auch zu Vertretern der NSDAP auf. 35 Auch die behandelten Räume sowie Themen haben in der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft eine Veränderung erfahren, indem man die bereits 1937 einsetzende Bewegung von den Sudetenländern weg immer mehr in Richtung Balkanstaaten, Krim und Kaukasusländer forcierte und das Hauptaugenmerk neben dem Ausbau eines Übersetzungsund Pressedienstes vor allem auf die Volkstumsforschung samt Herstellung von Karten und Statistiken legte. 36 Es wurden in Kooperation mit dem Geographischen Institut der Universität Wien vor allem Volkstumskarten von allen Regionen Südosteuropas angefertigt, welche in Bezug auf die Genauigkeit der dargestellten thematischen Daten alle älteren Karten zweifelsohne überragten: Die wichtigsten dabei waren: Völkerkarte des Kaukasus (1:1,000.000) Volkstumskarte der Krim (1:400.000) Volkstumskarte von Rumänien (1:200.000, 44 Blätter) Volkstumskarte von Jugoslawien (1:200.000, 40 Blätter) Volkstumskarte von Ungarn (1:200.000, 23 Blätter) Volkstumskarte der Slowakei (1:200.000, 9 Blätter) Volkstumskarte von Jugoslawien und Rumänien, Sonderausgabe Deutschtum (1:200.000) Volkstumskarte von Ungarn und der Slowakei, Sonderausgabe Deutschtum (1:200.000) Weltkarte 1:1 Mio., Sonderausgabe Volkstum (mehrere Blätter 1943/44 herausgegeben) Bis auf die ersten beiden Karten, bei welchen die einzelnen Volksgruppen in flächenhafter Darstellung zur Eintragung kamen, wurden bei allen anderen Karten die jeweiligen Ethnien durch unterschiedlich gefärbte Punkte in ihrer absoluten Zahl ausgewiesen. Zudem veröffentlichte die P-Stelle im Zuge der Vorbereitungen zu den ethnographischen Karten noch eine ganze Reihe an Verwaltungsgrenz- und topographischen Karten (Gemeindegrenzkarten von Südosteuropa 1:200.000, Verwaltungskarte der Ukrainischen Sowjetrepublik 1:2,500.000, topographische Weltkarte 1:1,000.000 und weitere), die zum Teil von der Kartographischen Anstalt Freytag & Berndt gedruckt wurden. Einige vorher von der Universität Wien beteiligten Mitarbeiter engagierten sich ab nun in der im Herbst 1938 gegründeten Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung, die sich bald mit den anderen in Wien etablierten Hochschularbeitsgemeinschaften an den Hochschulen für Welthandel und Bodenkultur sowie der Technischen und Tierärztlichen Hochschule zur „Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung an den Wiener Hochschulen“ zusammenschloss. Als Zentralstelle galt dabei die Arbeitsgemeinschaft an der Universität Wien unter Hassinger, der als Gesamtleiter alle Projekte koordinierte, die Verbindungsperson zur Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung darstellte und Netzwerke mit anderen 35 36 Ebenda, S. 644, 649, 651 f., 658–660. Ebenda, S. 632–641. 8 Behörden und Forschungseinrichtungen (diversen Planungsbehörden und Bibliotheken, anderen raumforschungsorientierten Arbeitsgemeinschaften an den Universitäten Graz und Innsbruck sowie der Hochschule Brünn, der Kommission für Raum- und Bodenforschung der Sudetendeutschen Anstalt für Heimatforschung in Reichenberg, der Südosteuropagesellschaft, der Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft und so weiter) aufbaute. Nach einer Mitarbeiterliste von 1942 37 wirkten in der Arbeitsgemeinschaft vor allem Geisteswissenschaftler der Fachbereiche für Geographie (Hugo Hassinger, Walter Strzygowski, Egon Lendl), Geschichte (Otto Brunner, Ernst Klebel), Kunstgeschichte (Hans Sedlmayr), Urgeschichte (Kurt Willvonseder) und Anthropologie (Karl Tuppa), aber auch von außeruniversitären Einrichtungen wie dem Archiv in Eisenstadt (Heinrich Kunnert) und dem Wiener Hofkammerarchiv (Josef Kallbrunner) mit. Allerdings stellten sich auch die anderen von 1931 bis 1938 beteiligten Wissenschaftler von der Universität Wien einigen Sitzungsprotokollen und Tätigkeitsberichten zufolge weiterhin für die Südostforschung zur Verfügung. Insgesamt konnten bisher 51 eigens bei der Reichsarbeitsgemeinschaft eingereichte Forschungsprojekte ausfindig gemacht werden. 38 Davon setzten sich 18 mit Südosteuropa, die restlichen Themen mit dem östlichen Teil der Ostmark auseinander. Von diesen 18 fielen 12 in den Bereich der Geisteswissenschaften, zwei in den Bereich der Naturwissenschaften (bodenkundliche Studien seitens der Hochschule für Bodenkultur) und drei in den Bereich der Wirtschaft. Ein Projekt befasste sich zudem mit der Anlage einer Bibliographie der Kartenwerke und Literatur über den europäischen Südostraum. Die 12 geisteswissenschaftlichen Projekte setzten sich vor allem mit Volkstum (Neuordnung der deutschen Volksgruppengebiete im innerkarpatischen Raum, Bestandsaufnahme der deutschen Volksgruppen im mittleren Donauraum und geographische Untersuchung ihrer Siedlungsgebiete), Verkehrsgeographie (die geographischen und räumlichen Voraussetzungen für den Ausbau der Eisenbahnanlage des mittleren Donauraumes, Wasserstraßenweg Donau – Saloniki), Karten- und Siedlungskunde (Kroatienatlas, Mitarbeit an der zweiten erweiterten Auflage des Atlas „Der Donau-Karpatenraum“, Gefüge deutscher Siedlungsgebiete in Siebenbürgen und Ungarn), „Zentrale Orte Theorie“ 39 (Raumfunktion Wiens im Rahmen des Deutschen Reiches als zentraler Ort des südöstlichen Mitteleuropa), aber auch Geschichte (deutsche Kolonisation des Banats von Temeschburg im Rahmen der Verwaltung und Kultivierung dieses Gebietes durch die kaiserliche Hofkammer 1717–1778), Soziologie (soziologische Struktur des Landvolkes in den Südoststaaten) und der Übersetzung wichtiger fremdsprachiger Werke auseinander, bei denen seitens der Universität Wien vor allem Hassinger und das Geographische Institut der Universität mitgearbeitet hatten. Zusätzlich zu den eigentlichen südosteuropäischen Studien wurde seitens der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung in einigen wenigen Projekten auch die östliche Grenzregion der Ostmark in Bezug auf Wanderungsbewegungen sowie Volkstum erforscht. Die dritte Wiener Institution mit Beteiligung von Geisteswissenschaftlern der Universität stellte während der NS-Zeit die Südosteuropagesellschaft dar. Diese wurde von NS-Politikern und Behörden ins Leben gerufen, wodurch sich natürlich eine ganz andere Verbindung zwischen Politik und Wissenschaft ergeben hatte. Die Schirmherrschaft der Gesellschaft hatte Reichsminister Funk inne, das Amt des Präsidenten übte der Wiener Reichsstatthalter aus, und die eigentliche Vereinsarbeit leistete der Wirtschaftsjournalist und -lobbyist August Heinrichsbauer. Den Wissenschaftlern oblag die Aufgabe, die für die NS-Kriegsführung benötigten Studien auszuarbeiten. Diese Arbeitsgemeinschaften der Südosteuropagesellschaft 37 UAW, Nachlass Hassinger, K. 18, Brief Hassinger an Reichsarbeitsgemeinschaft vom 12.8.1942. Ein Großteil der Projektansuchen befindet sich in UAW, Nachlass Hassinger, K. 16. 39 Die „Zentrale Orte Theorie“ wurde 1933 von Walter Christaller begründet und stellt ein „wirtschaftsgeographisches Erklärungsmodell für die Entstehung, Größe und Verteilung von Städten“ dar (siehe dazu: Karl KEGLER: Walter Christaller. In: HAAR, FAHLBUSCH, Handbuch, S. 89–93). 38 9 beschäftigten sich vor allem mit Wirtschafts- und Agrarfragen. Im Rahmen der von der Südosteuropagesellschaft ins Leben gerufenen Südostgemeinschaft Wiener Hochschulen (Leitung: Kurt Knoll, Rektor der Hochschule für Welthandel) wurden aber auch einige wenige geisteswissenschaftliche Forschungen betrieben. Dieser gehörten viele verschiedene Institutionen aus dem Deutschen Reich und Südosteuropa an. 40 Von den Wiener Geisteswissenschaftlern scheinen die wichtigsten Mitglieder Hugo Hassinger und Wilfried Krallert gewesen zu sein. Neben der Sicherung der Zusammenarbeit mit den entsprechenden über Südosteuropa forschenden wissenschaftlichen Institutionen und Personen wurde auch eine Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen, in welcher sich unter anderem Hassinger, Lendl und Krallert mit der Verbreitung des deutschen Volkstums in Südosteuropa auseinandersetzten. 41 Die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung, der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft und der Südostgemeinschaft Wiener Hochschulen stellten sich nicht nur in den Dienst der wissenschaftlichen Erforschung Südosteuropas, sondern forcierten auch den gegenseitigen Kontakt Wiener und südosteuropäischer Studenten, indem sie für Studierende der Universität Wien verstärkt Sprachkurse sowie Lehrveranstaltungen über den Südosten anboten, Studenten aus den Südoststaaten ein Studium in Wien ermöglichten und Gastvorträge von Wissenschaftlern organisierten. Denn nach Hassinger kann nur durch eine „neuerliche Heranbildung einer einsatzfreudigen und sprachkundigen jungen Generation von Forschern aus der Ostmark, den deutschen Volksgruppen und aus den Fremdvölkischen des Südostens“ gewährleistet sein, dass die Stellung Wiens als „geistige Leuchte“ 42 des südöstlichen Europas erhalten bleibt. Von den Geisteswissenschaftlern der Universität Wien zeigten 1939 einer Schrift Hassingers zufolge neben den bereits oftmals erwähnten Gelehrten Brunner, Haberlandt, Nadler, Pfalz und Sedlmayr unter anderem auch noch Viktor Christian (Orientalistik), Rudolf Egger (römische Altertumskunde), Eberhard Geyer (Anthropologie), Rudolf Jagodic (Slawistik), Herbert Jansky (Turkologie), Oswald Menghin (Urgeschichte), Camillo Praschniker (Archäologie) und Richard Wolfram (Volkskunde) Interesse, aktuelle Themen über Südosteuropa verstärkt in ihren Lehrveranstaltungen einfließen zu lassen. 43 Doch muss festgehalten werden, dass Orientalisten, Slawisten, Altertumsforscher und Gelehrte mit Forschungsschwerpunkt osteuropäische Geschichte aufgrund ihrer thematischen Ausrichtung den südosteuropäischen Raum natürlich bereits vor 1938 in ihren Lehrveranstaltungen und Forschungen berücksichtigt hatten. Von den anderen Geisteswissenschaftlern haben während der NS-Zeit vor allem Angehörige der Institute für Geographie, Urgeschichte und Volkskunde Vorlesungen mit alleiniger Betrachtung Ost- und Südosteuropas angeboten. Bereits im Wintersemester 1938/39 lasen Kurt Willvonseder und Franz Hančar über die Urgeschichte Ungarns sowie die Ur- und Frühgeschichte Kaukasiens und Osteuropas. Auch in den Folgejahren wurden am urgeschichtlichen Institut immer wieder Lehrveranstaltungen über Ost- und Südosteuropa abgehalten, die neben Willvonseder und Hančar noch Oswald Menghin betreute. Am Geographischen Institut hielt vor allem Hugo Hassinger Vorlesungen mit alleiniger Betrachtung des südosteuropäischen Raumes. Im Wintersemester 1939/40 bot er zum ersten Mal eine fünfstündige länderkundliche Lehrveranstaltung über „Das südöstliche Europa“ an. Weitere folgten im Sommersemester 1942 („Länderkunde des mittleren Donauraumes und Südosteuropas“) und Wintersemester 1943/44 („Länderkunde von 40 Eine am 1. August 1943 aufgestellte Liste der verschiedenen mitarbeitenden Wissenschaftler und Institutionen siehe: BA, R 63/1 (Gliederung und Forschungsprogramm). 41 Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA)/Archiv der Republik (AdR,) ZNsZ RStH Wien Hauptbüro Schirach, K. 56, Aktenvermerk Südosteuropagesellschaft vom 17.6.1941. 42 HASSINGER, Wiens deutsche Sendung, S. 21. 43 UAW, Nachlass Hassinger, K. 25, Hassingers Denkschrift „Die Universität Wien und der Südosten“ vom 6.5.1939. 10 Osteuropa“). Mit der Volkskunde Südosteuropas, der Einwirkung der deutschen Volkskultur auf die östlichen Völker und der Sprachinselforschung beschäftigten sich vor allem Arthur Haberlandt und Richard Wolfram. 44 Netzwerkbildungen im Rahmen der Wiener Südostforschung während der NS-Zeit Die Geisteswissenschaftler von der Universität Wien bauten in den jeweiligen Forschungsgemeinschaften nicht nur eine intensive Vernetzung mit anderen, außerhalb der Hochschulen arbeitenden Gelehrten sowie mit Forschungsstellen außerhalb Wiens auf, sondern es ergab sich auch eine Kooperation zwischen den drei vorher genannten Institutionen. Eine zentrale Bedeutung kam dabei neben Wilfried Krallert Hugo Hassinger zu, der in allen südostorientierten Forschungsgemeinschaften eine zentrale Stellung innehatte. Er leitete die Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung der Universität Wien sowie der Wiener Hochschulen und war stellvertretender Leiter der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft sowie ab 1944 auch der Südostgemeinschaft Wiener Hochschulen. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung stand Hassinger nicht nur mit den vergleichbaren Arbeitsgemeinschaften in Graz, Innsbruck, Brünn und Prag sowie der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung in Kontakt, sondern beispielsweise auch mit diversen Wiener Behörden und Kammern (Statistisches Amt, Wirtschaftskammer, Meteorologische Zentralanstalt, Planungsbehörde et cetera) sowie der Sudetendeutschen Anstalt für Heimatforschung in Reichenberg und der Deutschen Städteakademie. 45 Zudem kooperierte er in einigen Projekten auch mit wissenschaftlichen Sachbearbeitern der deutschen Volksgruppen in den Südoststaaten, wie etwa bei der „Bestandsaufnahme der deutschen Volksgruppen im mittleren Donauraum und geographische Untersuchung ihrer Siedlungsgeschichte“, welche in Zusammenarbeit von Kulturgeographen der Universität Wien mit Angehörigen der deutschen Sprachinseln unter der Leitung Hassingers ausgearbeitet wurde. 46 Hassinger war zudem jener Gelehrte, welchem die Vermittlerrolle zwischen reichsdeutschen und südosteuropäischen Wissenschaftlern zukam. Als Beispiel soll hier das Buchprojekt „Lebensraumfragen europäischer Völker“ erwähnt werden, an dem er nicht nur mitgearbeitet hatte, sondern für die erweiterte Auflage auch zwischen den Leipziger Herausgebern unter dem Geographen Heinrich Schmitthenner und Gelehrten aus Südosteuropa als Mittelsmann tätig war. 47 Das Projekt „Lebensraumfragen europäischer Völker“ hatte zum Ziel, die Großraumpläne der Nationalsozialisten mit vorzubereiten. Diese Pläne sahen die Schaffung eines „Neueuropa“ von Sizilien im Süden bis zum Nordkap im Norden sowie vom westlichsten Punkt Europas bis zum Ural im Osten vor. Dieses Gebiet sollte nach den Vorstellungen der Nationalsozialisten nur von Deutschen und rassisch verwandten Völkern besiedelt werden. 48 Bis zu Kriegsende konnten im Rahmen des Projektes „Lebensraumfragen“ insgesamt drei Bände veröffentlicht werden, welche sich mit Europa, kolonialen Räumen und Nordamerika befassten. 44 Über die einzelnen Lehrveranstaltungen siehe die Vorlesungsverzeichnisse der Universität Wien von 1938 bis 1945 (unter anderem im UAW einzusehen). 45 UAW, Nachlass Hassinger, K. 15, Protokoll der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung vom 10.11.1938; zweites Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung vom 8.2.1940; BA, R 63/178 (Schriftwechsel), Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung an der Universität Wien, ohne Datum und Autor, S. 32–34. 46 UAW, Nachlass Hassinger, K. 16, diverse Projektberichte. 47 Ebenda, K. 11, siehe diverse Briefwechsel der Jahre 1942 und 1943. 48 Allgemeines zum Projekt „Lebensraumfragen europäischer Völker“ siehe: Frank-Rutger HAUSMANN: „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940–1945) (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 12). Heidelberg 32007, S. 129–145. 11 Die einzelnen Projekte bearbeiteten die Geisteswissenschaftler weitgehend in der für raumforschungsorientierte Studien so charakteristischen interdisziplinären Ausrichtung, wobei eines der größten über die Fächer- und Institutsgrenzen hinwegreichende Arbeitsvorhaben die von der Wehrmacht forcierte Neuauflage des Atlas „Der DonauKarpatenraum“ darstellte. Die erste Ausgabe dieses Kartenwerkes war im Auftrag der Volksdeutschen Mittelstelle unter der Leitung von Professor Hesse von der landwirtschaftlichen Hochschule in Stuttgart herausgegeben worden. Die zweite Auflage sollte unter der Aufsicht von Hesse vor allem in Wien bearbeitet werden, wobei viele Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung, des Südostagrarinstitutes der Hochschule für Bodenkultur, des Wirtschaftsinstituts sowie der Südostgemeinschaft Wiener Hochschulen, der Südosteuropagesellschaft, der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, des Geographischen Instituts der Universität Wien sowie einige wenige externe Gelehrte beteiligt waren. Als Geldgeber fungierten vor allem die Südosteuropagesellschaft, die Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung und das deutsche Auslandsinstitut Stuttgart. Auch hier war es wieder Hassinger, welcher als Ansprechperson für alle möglichen Fragen zur Verfügung stand. Von den Wiener Geisteswissenschaftlern stellten sich neben Hassinger unter anderem Lendl, Haberlandt und Krallert für die Arbeiten zur Verfügung. Im Mittelpunkt stand dabei die Ausarbeitung von Karten mit wirtschaftlichen und volkspolitischen Themen. Die dazu benötigten Daten erhielt man vor allem von der P-Stelle Wien, dem Institut für Wirtschaftsforschung und wissenschaftlichen Einrichtungen der Südoststaaten selbst. 49 Ein Beispiel für ein interdisziplinäres historisches Projekt stellt der vor allem in Berlin zur Ausarbeitung gekommene „Historisch-geographische Atlas von Europa“ dar, bei dem einige Wiener Geisteswissenschaftler Grenzentwicklungskarten südosteuropäischer Gebiete anfertigten. Mitgearbeitet hatten dabei unter anderem Herbert Hassinger vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Frau Smollak, Frau Kanowski und Viktor Paulsen von der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft sowie Herr Schwanke vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Hugo Hassinger übernahm die Vermittlung zwischen diversen Wiener Institutionen und Wissenschaftern mit den Berliner Herausgebern (den Geographen Carl Troll und Emil Meynen und anderen). 50 Eine Kooperation ergab sich allerdings nicht nur zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Hochschulen und Institute, sondern auch mit Fachleuten aus der Praxis. So arbeiteten beispielsweise die Kulturgeographen Hassinger, Lendl und Strzygowski bei ihrem Projekt zur „Festlegung der Bevölkerungskapazität und zweckmäßigen Bodenordnung des Grenzkreises Oberpullendorf“ auch mit dem Statistischen Amt, der Landesbauernschaft Donauland und der Agrarpolitischen Abteilung des Gauamtes Wien zusammen. 51 Bei der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft scheint Wilfried Krallert derjenige gewesen zu sein, welcher die intensivste Vernetzung mit diversen NS-Behörden (darunter das Auswärtige Amt) und Institutionen der Südoststaaten aufbaute und einen Austausch diverser bevölkerungs- und sozioökonomischer Daten in die Wege leitete. Ein wechselseitiger Austausch von Statistiken und Karten ergab sich zum Beispiel mit dem antisemitischen Bevölkerungsstatistiker Sabin Manuilă (1894–1964), welcher das rumänische statistische Zentralamt in Bukarest leitete. Krallert überließ ihm beispielsweise nicht nur die Volkstumskarte über Rumänien, sondern auch die erbeutete und anschließend nachgedruckte 49 UAW, Nachlass Hassinger, K. 19, siehe diverse Sitzungsberichte des Arbeitskreises „Kartenwerk Südost“ und Briefe Hassingers aus dem Jahre 1944. 50 PAAA, R 100471 (Historisch-geographischer Atlas von Europa), Rundschreiben vom 20.5.1944; Besprechung vom 17.3.1944. 51 Siehe dazu Projektansuchen im UAW, Nachlass Hassinger, K. 16. 12 Statistik der jugoslawischen Volkszählung des Jahres 1931. Damit wollte man unter anderem Ansprüche auf das westliche Banat untermauern. 52 Auch andere Geisteswissenschaftler gingen eine umfassende Vernetzung mit NS-Politikern und Behörden ein, welche in dieser Studie eine gesonderte Betrachtung im anschließenden Kapitel über den Konnex zwischen Wissenschaft und Politik erfahren wird. Zur Verbindung Wissenschaft und Politik während der NS-Herrschaft Ein zentrales Thema dieses Artikels bilden die Fragen nach der politischen Gesinnung der im Bereich der Südostforschung arbeitenden Geisteswissenschaftler sowie nach den konkreten Beiträgen, welche die geisteswissenschaftlichen Forschungen der drei Forschungsgemeinschaften zur NS-Kriegsführung und Besatzungspolitik geliefert hatten. Von nicht unwesentlicher Bedeutung ist dabei auch die Hinterfragung der bereits in einigen anderen Artikel aufgestellten These, wonach die Initiativen zur Erarbeitung eines für die Politik relevanten Themas nicht immer von den NS-Politikern und Behörden ausgegangen sind, sondern oftmals von Wissenschaftlern selbst, und daher von einer „Indienstnahme“ der Wissenschaften durch die Politik nicht immer die Rede sein kann. 53 Zudem haben die bisherigen Forschungen über die Wissenschaften im Nationalsozialismus sehr genau gezeigt, dass gerade jene Studien eine Förderung erfuhren, welche für die Kernprojekte der Nationalsozialisten von Bedeutung waren. Inwieweit diese Befunde auch für die Südostforschung Gültigkeit besitzen, wird auf den folgenden Seiten nun näher erläutert werden. Die Hauptakteure von der Universität Wien suchten nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fast alle um die Mitgliedschaft in der NSDAP an oder hatten diese bereits seit den frühen 1930er Jahren inne. Lediglich Hassinger war nie NSDAP-Mitglied. Dies scheint wahrscheinlich auch der Grund gewesen zu sein, weshalb er trotz seiner großen Bedeutung für das Deutsche Reich als Raum- und Volkstumsforscher nach dem Ausscheiden Brunners als Leiter der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft im Jahre 1944 nicht zu dessen Nachfolger bestellt wurde. Man warf Hassinger eine unpolitische Haltung vor und ernannte Kurt Knoll von der Hochschule für Welthandel zum neuen Leiter. Hassinger blieb stellvertretender Leiter und wurde zudem zum Stellvertreter Knolls bei der Südostgemeinschaft Wiener Hochschulen befördert. 54 Eine unpolitische Haltung konnte man Hassinger allerdings sicher nicht vorwerfen. Er hatte seine großdeutsche Gesinnung nie verleugnet und seine Forschungen immer als politisch ausgerichtet verstanden. Auch Hassingers Gauakt im Österreichischen Staatsarchiv gibt uns Auskunft, dass er politisch zwar nie aufgefallen sei, dem Nationalsozialismus gegenüber allerdings immer positiv eingestellt war und er auch bereits während der „Verbotszeit“ eine großdeutsche Einstellung vertrat. 55 52 FAHLBUSCH, Ethnopolitische Berater, S. 196 ff.; Michael FAHLBUSCH: Publikationsstelle Wien. In: Ders., HAAR, Handbuch, S. 499. 53 Siehe dazu unter anderem: Ian KERSHAW: „Working towards the Führer“. Reflections of the Nature of the Hitler Dictatorship. In: Contemporary European History 22 (1993), S. 103–118; Susanne HEIM: „Vordenker der Vernichtung“. Wissenschaftliche Experten als Berater der nationalsozialistischen Politik. In: Doris KAUFMANN (Hg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Göttingen 2000, S. 77–91; Mitchell G. ASH: Wissenschaft und Politik als Ressourcen für einander. In: Rüdiger vom BRUCH (Hg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik – Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2002, S. 32–51; Mitchell G. ASH: Umbrüche 1933/1938 und 1945 im Vergleich. Konstruierte Kontinuitäten. In: Ders., Hochschulen und Wissenschaften im Nationalsozialismus. Stand der Forschung und Projekte in Österreich. CD-Rom, Wien 2003; Margit SZÖLLÖSI-JANZE (Hg.), Science in the Third Reich. Oxford, New York 2001. 54 PAAA, R 100462 (Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft), Brief vom 27.9.1944. 55 ÖStA/AdR, ZNsZ Gauakt Hassinger vom 22.12.1938 und 24.8.1948. 13 Diverse Aussagen in verschiedenen größtenteils unveröffentlichten Berichten und Briefen zeigen deutlich, dass eine politische Ausrichtung der Arbeiten von Hassinger und auch von anderen involvierten Geisteswissenschaftlern der Universität Wien explizit beabsichtigt war und sie mit ihren Arbeiten einen Beitrag zur „Lebensraumpolitik“ der Nationalsozialisten leisten wollten. Bereits in den allgemeinen Grundsätzen der Richtlinien für die Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung an den Wiener Hochschulen vermerkte man ausdrücklich, dass die zur Verfügung stehenden Wissenschaftler für die geplante Neuordnung des „deutschen Lebensraumes“ einzusetzen wären und die Teilnahme an den Forschungen „im nationalen und sozialen Interesse“ 56 läge. Einen wichtigen Themenkomplex bildeten dabei die seitens der Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung sowie der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft ausgearbeiteten Studien zu Volkstum und Wirtschaft, welche einen wichtigen Beitrag zur Umsiedlungspolitik der Nationalsozialisten beziehungsweise zur wirtschaftlichen Abhängigkeit der Südoststaaten leisten sollten. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung trat Hassinger oftmals dafür ein, dass es zu einer Stärkung und „Flurbereinigung des deutschen Volkstums“ im Donauraum kommen sollte und man daher die „natürlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen aller deutschen Sprachinseln“ 57 genauer ergründen müsse. Die erste Studie stellte dabei die von Hugo Hassinger im Jahre 1939 im Rahmen der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft ausgearbeitete Denkschrift zur „Zukunft der Südtiroler“ dar, worin er seine Gründe für deren Umsiedlung in den Beskidischen Raum in den Bereich der alten deutschen Herzogtümer Teschen, Zator und Auschwitz darlegte. Die dafür auszusiedelnden Polen wollte Hassinger in den San-Weichsel-Winkel verlegen. 58 Dazu fertigte Walter Strzygowski auch eine Karte an, in welcher er durch unterschiedliche Farben unter anderem das Gebiet des Deutschen Reiches, die deutschen Sprachinseln, das den Südtirolern und anderen deutschen Rückwanderern zugewiesene Gebiet und den slowakischen Volks- und Staatsboden darstellte. 59 Eine weitere Forschungsarbeit zur Umsiedelung deutscher Volksgruppen war das im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung initiierte Projekt „Neuordnung der deutschen Volksgruppengebiete im innerkarpatischen Raum“, welches unter anderem von Angehörigen der Institute für Geographie (Hassinger und Lendl) und Geschichte (Brunner) ausgearbeitet wurde. Ziel der Untersuchung war vor allem die genaue Feststellung jener auszusiedelnden Volksgruppen, die man durch genaue kartographische und statistische Aufnahmen erreichen wollte. 60 Als drittes Beispiel soll das vor allem von Mitgliedern des Geographischen Institutes eingereichte Projekt „Feststellung der Bevölkerungskapazität und zweckmäßigen Bodenordnung des Grenzkreises Oberpullendorf“ erwähnt werden, in dessen Rahmen neben dem Studium der Landflucht sowie der Bevölkerungskapazität eine Bestandsaufnahme der ungarischen und kroatischen Minderheiten geplant war. Diese Erhebung sollte den Zweck erfüllen, Untersuchungsmethoden für eine zukünftige, weiter umfassendere volkskundliche und bevölkerungsgeographische Erforschung des östlichen Grenzbereiches der Ostmark zu erproben. 61 Dabei ging es unter anderem auch um die Eruierung der Besiedlungsdichte, da man die Ostgrenze des Reiches bei einer Überbevölkerung als Quelle für die 56 BA, R 63/178 (Schriftwechsel), Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung an der Universität Wien, ohne Datum und Autor, S. 32. 57 UAW, Nachlass Hassinger, K. 26, Vortrag Hassingers auf der Tagung deutscher wissenschaftlicher Ost- und Südostinstitute in Breslau 25.–27.9.1941 über „Die Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung an den Wiener Hochschulen und die Geographische Gesellschaft in Wien. 58 Näheres zur Umsiedlung der Südtiroler siehe auch: FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 513 ff.; LECHNER, Südostforschung, S. 61 ff.; Karl STUHLPFARRER: Umsiedlung Südtirol. Zur Außenpolitik und Volkstumspolitik des deutschen Faschismus 1939 bis 1945. Wien 1983, S. 628–632. 59 Die Karte befindet sich im UAW, Nachlass Hassinger, K. 25. 60 Ebenda, K. 16, Projektansuchen vom Jahre 1940. 61 Ebenda. 14 Wiederbesiedlung neuer Reichsgebiete beziehungsweise im gegenteiligen Fall einer möglichen Ansiedlung von Volksdeutschen in Betracht zog. Man wollte auf jeden Fall eine Mehrheit von magyarischen und kroatischen Bauern im burgenländischen Raum verhindern. Damit wurden ebenfalls Vorarbeiten für eine mögliche Umsiedlung bestimmter Bevölkerungsgruppen getätigt. 62 In diesem Kontext gewann auch der vor der NSMachtübernahme nicht mehr zur Publikation gekommene Burgenlandatlas wieder an Bedeutung. Obwohl das Burgenland nicht mehr existierte und auf die Gaue Niederdonau und Steiermark aufgeteilt war, stellte er aufgrund der vielen landeskundlichen und bevölkerungsgeographischen Studien im Kontext der Umsiedelungsplanungen auch für die Nationalsozialisten eine wichtige Quelle dar. Das war auch der Grund, weshalb der Atlas 1941 nur für den „Dienstgebrauch“ erscheinen konnte und für die Öffentlichkeit während der Kriegsjahre nicht zugänglich war. Geisteswissenschaftler von der Universität Wien wandten sich zudem der Erforschung der wirtschaftlichen Gegebenheiten im Südosten zu. Gewisse Arbeiten wie das Projekt „Bestandsaufnahmen der deutschen Volksgruppen im mittleren Donauraum“ dienten neben einer genauen Aufarbeitung der volkskundlichen Gegebenheiten unter anderem auch der Nutzbarmachung von Rohstoffen und agrarischen Produkten, wobei die deutschen Sprachinseln und ihre jeweiligen Heimatstaaten als „Ergänzungsgebiet“ 63 für das Deutsche Reich angesehen wurden. Als Hauptakteur kann von der Wiener Universität auch bei dieser Thematik Hugo Hassinger angegeben werden, der zur wirtschaftlichen Neuordnung Südosteuropas einen Beitrag leisten wollte. Für Hassinger genossen vor allem der Ausbau der Donau und die Errichtung eines mitteleuropäischen Wasserstraßennetzes oberste Priorität, da dadurch das Deutsche Reich mit ihrem südöstlichen Hinterland besser in wirtschaftliche Beziehung treten konnte. Für ihn war die Donau vor allem das Verbindungsband „der Rohstoffländer und Nährflächen des Südostens mit den Kohlengebieten und Industriestädten des Nordwestens“. 64 Hassinger trat daher für die Errichtung einer durchgehenden RheinDonau- und Donau-Oder-Wasserstraße ein und initiierte im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung der Wiener Hochschulen die Projekte über die wirtschaftliche Bedeutung des Oder-Donau-Elbe-Kanals sowie über eine mögliche Wasserstraße zwischen Donau und Saloniki. 65 Ausgeführt wurde das letztgenannte Projekt allerdings von Mitarbeitern der Technischen Hochschule Wien. Die größte seitens der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung initiierte wirtschaftliche Studie stellte der von Hauptmann i. R. Alois Jaschke bearbeitete Kroatienatlas dar, welcher unter dem Titel „Die volkswirtschaftlichen Grundlagen des unabhängigen Staates Kroatien“ bei der Reichsarbeitsgemeinschaft eingereicht wurde. Jaschke hatte im Ersten Weltkrieg vor allem in Galizien und an der Südfront gekämpft und sich danach durch diverse geographischhistorische Veröffentlichungen einen Namen gemacht. Ziel der Untersuchung war, einen „allgemeinen Überblick über die Wirtschaftslage Kroatiens und seiner sozialen Verhältnisse“ zu schaffen sowie den „Anteil der deutschen Volksgruppen an der Wirtschaft besonders“ 66 hervorzuheben. In seinem Begleitschreiben fügte Hassinger hinzu, dass die Arbeit im Hinblick auf die wirtschaftliche und politische Neugestaltung des mittleren Donauraumes von unermesslicher Bedeutung und daher als unbedingt kriegswichtig einzustufen und beschleunigt durchzuführen wäre. 67 Als Ergänzung zum Atlas verfasste Jaschke auch eine 62 UAW, Nachlass Hassinger, K. 15, Brief Gelinek vom 10.11.1939. Ebenda, K. 16, Projektansuchen. 64 Hugo HASSINGER: Mitteleuropa, Donaueuropa, Südosteuropa. In: Volkstum im Südosten. Volkspolitische Monatsschrift (1941), S. 176. Über die Bedeutung der Donau schrieb er auch in: HASSINGER, Lebensraumfragen, S. 595, 609 f. 65 Siehe dazu Projektansuchen im UAW, Nachlass Hassinger, K. 16. 66 Ebenda, Projektansuchen vom Jahre 1943. 67 Ebenda. 63 15 Landeskunde Kroatiens, von der heute im Wiener Universitätsarchiv leider nur mehr das Kapitel zur Geschichte vorhanden ist. Auch die Publikationen und sonstigen Tätigkeiten von Mitgliedern der P-Stelle Wien standen mit der NS-Politik in enger Beziehung. So war die politische Relevanz der produzierten Karten von Beginn an beabsichtigt. Wilfried Krallert berichtete zum Beispiel im Herbst 1939 über die in Arbeit befindliche Gemeindegrenzkarte von Rumänien, dass sie ebenso als Grundlage diplomatischer Verhandlungen als auch für die Verwaltung dienlich sein sollte. 68 Michael Fahlbusch wies bereits darauf hin, dass einige Volkstumskarten sowie eine Spezialanfertigung, die von Wilfried Krallert nur mit der deutschen Bevölkerung versehen wurde, sowohl als Grundlage für die Grenzfestlegung zwischen Rumänien und Ungarn als auch für die Umsiedlungskommandos der Volksdeutschen Mittelstelle als Quelle gedient hatten. 69 Die Karten waren zudem ohne Zweifel eine wichtige Quelle für die Truppen im jugoslawischen Raum sowie für den Generalstab des Heeres und der Luftwaffe. 70 Vor allem aufgrund der sehr detailreichen Darstellung nach der Absolutwertmethode konnten über Verbreitung und Größe der einzelnen Volksgruppen im Gegensatz zu früher hergestellten Karten präzise Aussagen gemacht werden. Neben der Ausweisung der Deutschen, Slowaken, Tschechen, Magyaren, Slowenen, Rumänen, Bulgaren, Russen, Ukrainern und anderen enthielten die Karten zudem die jüdische Bevölkerung. Daher könnten sie auch zur Deportation und Vernichtung der Juden als Quelle herangezogen worden sein, was bisher aber noch nicht nachgewiesen werden konnte. Neben der Herstellung der Karten leisteten die Mitarbeiter der P-Stelle zudem in der SS wichtige Dienste bei der Erbeutung und anschließenden Weiterverarbeitung wichtiger Daten in Jugoslawien und der Sowjetunion. Von den Wiener Geisteswissenschaftlern arbeiteten Wilfried Krallert, Viktor Paulsen und Alfred Karasek im Sonderkommando Künsberg mit. Ihnen fiel vor allem die Aufgabe zu, die in diversen Belgrader Institutionen vorhandenen und für die Volkstumsforschung bedeutenden Statistiken, Karten, Akten und Monographien zu sichern. Während der Mitte April 1941 durchgeführten Operationen erbeuteten sie größtenteils sehr wertvolles Material im Statistischen Amt, im Militärgeographischen Institut und im Geographischen Institut der Universität, welches Ende April zwecks Weiterverarbeitung in Wien eintraf. Darunter befand sich unter anderem die in Deutschland bis dahin völlig unbekannte Neuaufnahme der jugoslawischen Karte 1:25.000, die Kartenwerke 1:50.000 und 1:100.000 sowie Restbestände der alten serbischen Landesaufnahme in diversen Maßstäben, wobei letztgenanntes Kartenwerk an die in Wien ansässige Hauptvermessungsabteilung XIV (Nachfolgeorganisation des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen) abgegeben wurde. Krallert kam zunächst die Aufgabe zu, das erbeutete Material zu sichten und an diverse Stellen zwecks Weiterverarbeitung zu versenden, weshalb die P-Stelle Wien zu einer Art Verteilerzentrum ausgebaut wurde. Zudem verarbeiteten die Mitarbeiter der Kartenabteilung die gewonnenen Daten umgehend in den vorher bereits erwähnten ethnographischen Karten, welche der SS und der Wehrmacht als wichtige Quellen zur ethnographischen „Flurbereinigung“ dienten. 71 Zumindest Wilfried Krallert nahm im selben Jahr als Experte an den Verhandlungen zur ethnographischen Segregation in Ost- und Südosteuropa teil, wo es unter anderem zu einer Beratung der Grundlinien der Volkstumspolitik für Jugoslawien kam. Nach Fahlbusch könnte es zudem durchaus der Fall sein, dass Hassinger, Brunner und/oder Wilfried Krallert an der 68 PAAA, R 60283 (Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft), Brief Auswärtiges Amt an Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft vom 31.10.1939. 69 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 634; Ders., Publikationsstelle Wien, S. 500. 70 PAAA, R 100469 (Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften), R 27531 (Jugoslawien geheim). 71 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 480–493; Ders., Ethnopolitische Berater, S. 195; eine genaue Beschreibung des Einsatzes siehe: PAAA, R 27531 (Jugoslawien geheim), Wilfried Krallert: Bericht über meine und Dr. Paulsens Tätigkeit im Rahmen des Einsatzkommandos des Auswärtigen Amtes vom 3.5.1941. 16 „Denkschrift über die Lage und das zukünftige Schicksal des Deutschtums im ehemaligen jugoslawischen Staatsgebiet“ von 1941 mitgearbeitet hatten. Diese wurde auch zur Festlegung der Grundlinien der Volkstumspolitik herangezogen. 72 Die Verbindung von Mitarbeitern der P-Stelle mit den Sondereinsatzkommandos der SS setzte sich nach dem Jugoslawienfeldzug zwischen Sommer 1941 und 1944 in Russland fort, wo auch an Plünderungen diverser statistischer Ämter und geographischer Institute mitgewirkt wurde. Zudem gab Krallert gezielte Aufträge zur Beschlagnahmung der Unterlagen diverser Leningrader Institutionen. An den Beutezügen selbst nahmen Krallert und Paulsen 1941 teil, als sie mit dem Einsatzkommando Nürnberg in Kiew, Charkow, Odessa, Simferopol und Sewastopol und in weiterer Folge auch im Nordkaukasus kriegswichtige Materialien diverser Institutionen plünderten. Aus diesen erarbeiteten Mitarbeiter der P-Stelle unter anderem die Volkstumskarte der Krim (1:400.000) sowie eine ethnographische Karte der Kaukasusregion (1:1,000.000). Die Materialien wurden unter anderem für die geplante Rücksiedlung der Deutschen aus dem Wolga- und Schwarzmeergebiet verwendet. 73 Die Beutezüge machten Wilfried Krallert zu einem hervorragenden Kenner der jugoslawischen und sowjetrussischen Kartenwerke. Diese Kenntnisse verarbeitete er unter anderem in einem 1943 im „Deutschen Archiv für Landes- und Volksforschung“ verfassten Artikel über die „Planmäßigkeit auf dem Gebiet sowjetrussischer kartographischer Arbeiten.“ 74 Im Jahre 1944 beteiligten sich einige Mitarbeiter der P-Stelle Wien außerdem an einer der größten antijüdischen Aktionen in Ungarn. Wilfried Krallert plante vor allem die Plünderung jüdischer Buchhandlungen in Budapest, an der er zusammen mit seinem Bruder Reinhold und seiner Schwester Gertrud sowie Karasek und Irma Steinsch persönlich teilnahm. Nach Fahlbusch soll Wilfried Krallert aber auch die Deportation der Budapester Juden mitgeplant haben, sodass zumindest ein Wiener Geisteswissenschaftler unmittelbar an der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung beteiligt war. 75 Die Initiativen, die zu einer Bearbeitung bestimmter Projekte sowie der Herstellung von Karten geführt hatten, sind je nach Forschungsgemeinschaft entweder von den Wissenschaftlern oder von NS-Behörden ausgegangen. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung scheint eher die These gültig zu sein, dass die über Südosteuropa durchgeführten Studien nicht von außen an die Gemeinschaft herangetragen worden waren, sondern die Wiener Geisteswissenschaftler unter Hassinger selbst die Initiatoren darstellten sowie einige wenige Arbeiten von sich aus an diverse Behörden weiterleiteten. So zeigt zum Beispiel die Aussage Hassingers im Ansuchen zum Projekt über die „Neuordnung der deutschen Volksgruppengebiete im innerkarpatischen Raum“, wonach die „wissenschaftliche Rüstung vorbereitet sein“ soll, „wenn eine dieser Siedlungsfragen politisch angeschnitten werden sollte“ 76, dass die Bearbeiter die politische Ausrichtung ihrer Studie ohne Auftragserteilung irgendwelcher Behörden oder Politiker von Beginn an geplant hatten und diese dann auch den Politikern zur Verfügung stellen wollten. Das Gleiche gilt auf jeden Fall auch für das Projekt „Bestandsaufnahme der deutschen Volksgruppen im mittleren Donauraum und geographische Untersuchung ihrer Siedlungsgebiete“. Eine auf Initiative Hassingers aufgebaute Verbindung stellte jene zur „Forschungsstaffel zur besonderen Verwendung“ (immer zitiert als „Forschungsstaffel z. b. V.“) dar, welche in 72 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 657; Ders., Ethnopolitische Berater, S. 196. FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 487, 490, 659; diverse Berichte über den Einsatz in Russland siehe auch: PAAA, R 27557 (Sonderkommando von Künsberg, Russland) und R 27539 (Sonderkommando von Künsberg, Zwischenstelle Wien). 74 Wilfried KRALLERT: Die Planmäßigkeit auf dem Gebiet sowjetrussischer kartographischer Arbeiten. Ein Beitrag zur Kenntnis der sowjetischen Kriegsvorbereitungen auf einem wissenschaftlichen Teilgebiet. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 7 (1943), S. 12–44. 75 FAHLBUSCH, Wissenschaft, S. 495–498. 76 UAW, Nachlass Hassinger, K. 16, Projektansuchen vom Jahre 1941. 73 17 Neudorf am Gröditzberg stationiert war. Hassinger übermittelte dieser Forschungsstaffel von sich aus einige deutsche Übersetzungen wichtiger südosteuropäischer Werke, wie zum Beispiel das Buch des ungarischen Geographen Karl Kogutowicz über Transdanubien, in Südosteuropa aufgefundenes Kartenmaterial sowie den in Wien von Alois Jaschke bearbeiteten Kroatienatlas. Die der Wehrmacht unterstellte „Forschungsstaffel z. b. V.“ wurde im April 1943 ins Leben gerufen, führte bis Kriegsende in unerschlossenen oder wenig bekannten Gebieten Geländebeurteilungen durch und fertigte dazu auch eine Reihe von Karten an. Ihr gehörten Wissenschaftler aus allen Bereichen der Naturwissenschaften sowie kriegserfahrene militärische Fachkräfte (Pioniere, Panzer-, Luft- und Gebirgsjägerfachleute) an. Zur Zeit der Kontaktaufnahme Hassingers führten sie vor allem Kartierungsarbeiten in Dalmatien durch. 77 Auch die Förderung des Burgenlandatlas durch diverse Behörden wurde von Hassinger initiiert. Aus Briefen ist belegt, dass er bei verschiedenen NS-Politikern und Ämtern um Zuschüsse für den Druck ansuchte. So bat er zum Beispiel am 13. Jänner 1941 Gauamtsleiter Helmut Triska 78, dass dieser sich für die Herausgabe einsetzen möge. Im Rahmen der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft scheint allerdings der Befund zu gelten, dass die Initiativen eher von außen an die Mitarbeiter herangetragen worden waren, wobei dazu aus den Quellen manchmal allerdings keine eindeutigen Aussagen herausgelesen werden können. Kein Zweifel besteht darin, dass weder Hassinger noch andere Mitarbeiter der Forschungsgemeinschaft die Denkschrift zur Umsiedlung der Südtiroler in die Wege geleitet hatten. Der Auftrag hierfür kam einem Bericht der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung vom Jahre 1940 zufolge eindeutig vom „Verein für das Deutschtum im Ausland“. 79 Den Auftrag, Karten zu produzieren sowie diese an andere Behörden und Institutionen des Deutschen Reiches und der Südoststaaten weiterzugeben, scheint die P-Stelle vor allem vom Auswärtigen Amt erhalten zu haben. So gibt uns der Tätigkeitsbericht über das Haushaltsjahr 1939/40 Auskunft, dass die Volkstumskarte über Rumänien auf Wunsch des Auswärtigen Amtes hergestellt wurde. 80 Einem Bericht von Goeken vom Oktober 1943 zufolge scheint auch die Volkstumskarte 1:1,000.000 nicht von der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft initiiert, sondern im Auftrag des Referates Inland II C angefertigt worden zu sein. Zudem zeigte das Oberkommando des Heeres an diesem Kartenwerk Interesse, welches in seiner Vollendung ganz Europa, den Vorderen Orient und Nordafrika umfassen sollte. In einem am 16. September 1943 von Gertrud Krallert geschriebenen Brief an das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete ist ebenfalls diese Meinung vertreten worden. In den Quellen findet man dazu allerdings auch Widersprüchliches vor, indem in einem Bericht des Geographischen Dienstes Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes die Auftragserteilung für dieses Kartenwerk verneinten. 81 Auch die wenigen geisteswissenschaftlich ausgerichteten Arbeitsvorhaben der Südosteuropagesellschaft scheinen eher von außen an die Wissenschaftler herangetragen worden zu sein. Als wichtigstes Beispiel dazu soll die Arbeitsgemeinschaft für 77 Näheres zur Forschungsstaffel siehe: Erwin BOEHM: Aufbau und Einsatz der Forschungsstaffel z. b. V. In: Ders., Walter BRUCKLACHER, Wolfgang PILLEWIZER (Hg.), Luftbildinterpretation und Geländevergleich. Die Tätigkeit der Forschungsstaffel von 1943–1945 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Berichte und Informationen). Wien 1989, S. 9–15; Hermann HÄUSLER: Forschungsstaffel z. b. V. Eine Sondereinheit zur militärgeografischen Beurteilung des Geländes im 2. Weltkrieg (MilGeo, Schriftenreihe des Militärischen Geowesens 21). Wien 2007. 78 UAW, Nachlass Hassinger, K. 15, Brief vom 13.1.1941 an Gauamtsleiter Helmut Triska. 79 Ebenda, Bericht der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung der Universität Wien vom 1.11.1940. 80 PAAA, R 60296 (Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften), Tätigkeitsbericht der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft für das Rechnungsjahr 1939/40. 81 PAAA, R 100469 (Volksdeutsche Forschungsgemeinschaften), Brief von Goeken vom 18.10.1943; Brief Gertrud Krallert an Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete Generalreferat für Raumordnung 16.9.1943; Bericht Geographischer Dienst vom 5.10.1943. 18 Volkstumsfragen erwähnt werden, bei der Hassinger, Lendl, Krallert und Karasek, aber auch der Leiter der Korrespondenzstelle Wien des Auswärtigen Amtes, Franz Ronneberger, und der Rektor der Hochschule für Welthandel, Kurt Knoll, mitgearbeitet hatten. Kurzer Ausblick auf die Zeit nach 1945 Nach der Wiedererrichtung des Staates Österreich wurden die „Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung“, die „Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft“ und die „Südosteuropagesellschaft“ aufgelöst. Von den Hauptakteuren konnte lediglich Hugo Hassinger als einziges Nicht-NSDAP-Mitglied trotz seiner zu hinterfragenden Haltung gegenüber dem NS-Regime ungehindert seine Forschungen fortsetzen. Er war Mitbegründer und erster Leiter der 1946 ins Leben gerufenen „Kommission für Raumforschung und Wiederaufbau der Österreichischen Akademie der Wissenschaften“, welche unter anderem auf einige Forschungen zurückgriff, die bereits während der NS-Zeit in Angriff genommen wurden. Forschungen über Südosteuropa führte er bis zu seinem Tod nicht mehr durch. Lediglich in seinen beiden Artikeln „Boden und Lage Wiens“ 82 und „Österreichs Wesen und Schicksal“ 83 knüpfte er an die Studien über die Bedeutung Wiens für den Südostraum an. Er würdigte neben einer umfassenden Darstellung der physiogeographischen Gegebenheiten sowie der geschichtlichen Entwicklung Österreichs auch ein wenig die Lage Wiens als Verkehrsstern nach allen Richtungen und die zentrale Rolle der Stadt für Südosteuropa während der Habsburgermonarchie. Auf die NS-Zeit nahm Hassinger nur in wenigen Worten Bezug. Er übte beispielsweise an den Verantwortlichen in Berlin Kritik, dass diese Wien in der Gestaltung der Beziehungen des deutschen Volkes und Staates zu den Südostvölkern nicht genügend einbezogen hätten. 84 Wilfried Krallert konnte sich ab den 1950er Jahren wieder der Erforschung des südosteuropäischen Raumes zuwenden. Ihm oblag von 1952 bis 1955 die redaktionelle Leitung beim Wissenschaftlichen Dienst Südosteuropa. Außerdem ernannte man ihm zum Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft Ost, dem späteren Wiener Ost- und Südosteuropainstitut. Zudem hatte er die Schriftleitung der Wiener Quellenhefte zur Ostkunde inne und war Mitinitiator des Atlas der Donauländer sowie des Atlas zur Geschichte der deutschen Ostsiedlung. 85 Seine Forschungsthemen bewegten sich wie in der NS-Zeit vor allem auf den Gebieten der Kartographie und der Volkskunde. Neben der Mitarbeit an den zuvor genannten Atlanten sowie der „Erörterung der methodischen Probleme der Völker und Sprachenkarten von Ost- und Südosteuropa“ 86 und der „Geschichte Osteuropas in kartographischer Darstellung in deutschen Atlanten nach 1945“ 87 wandte er sich 1955 unter anderem wiederum dem Deutschtum zu. 88 Doch scheinen diese Artikel einigermaßen wertneutral ohne Anspielung auf die Forschungen zur Zeit des Nationalsozialismus verfasst worden zu sein. 82 Hugo HASSINGER: Boden und Lage Wiens. In: Wiener Geographische Studien 14 (1946). Hugo HASSINGER: Österreichs Wesen und Schicksal, verwurzelt in seiner geographischen Lage. In: Wiener Geographische Studien 20 (1949). 84 HASSINGER, Wesen, S. 12. 85 Nähere Angaben zum Lebensweg Wilfried Krallerts nach 1945 siehe: FAHLBUSCH, Krallert, S. 336 f. 86 Wilfried KRALLERT: Methodische Probleme der Völker- und Sprachenkarten dargestellt am Beispiel von Karten über Ost- und Südosteuropa. In: Internationales Jahrbuch für Kartographie 1 (1961), S. 100–120. 87 Wilfried KRALLERT: Die Geschichte Osteuropas in kartographischer Darstellung. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas (1955 und 1958), S. 442–259 beziehungsweise 334–351. 88 Wilfried KRALLERT: Zur gegenwärtigen zahlenmäßigen Stärke des Deutschtums in und aus Südosteuropa. In: Südostdeutsche Heimatblätter (1955), S. 89–95. 83 19 Schlussbemerkungen Die Erforschung des südosteuropäischen Raumes begann an der Universität Wien im größeren Ausmaß mit der Gründung der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft im Jahre 1931 und wurde kontinuierlich bis zum Zusammenbruch des NS-Reiches betrieben. Die in den 1930er und in der ersten Hälfte der 1940er Jahre durchgeführten Studien können als Paradebeispiel für ein interdisziplinäres, über die Instituts-, Fakultäten- und Hochschulgrenzen hinweg reichendes Arbeitsvorhaben angesehen werden. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1938 brachte unter anderem durch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung nicht nur eine Vermehrung der südostorientierten Arbeiten mit sich, sondern führte auch zu einer intensiveren Verbindung zwischen geisteswissenschaftlich arbeitenden Wissenschaftlern auf der einen sowie NSPolitikern und diversen Behörden auf der anderen Seite. Die im Kapitel über die Verbindung zwischen Wissenschaft und Politik angeführten Beispiele verdeutlichen sehr gut, dass Wiener Geisteswissenschaftler im Kontext der drei Forschungsgemeinschaften ohne Zweifel mit ihren Studien und sonstigen Tätigkeiten Beiträge zu den Kernprojekten der Nationalsozialisten, wie etwa der Erringung der Herrschaft in Europa sowie der Schaffung eines reinrassigen „Herrenvolkes“, geleistet hatten. Dabei stellten sie als bewusst handelnde Subjekte, manchmal freiwillig und ohne Aufforderungen, den nationalsozialistischen Politikern ihre Forschungsergebnisse zur Verfügung. Auch das Geographische Institut der Universität Wien war in diese Unterfangen involviert, wodurch eine 2005 getätigte Behauptung Heinz Fassmanns, dass die Forschungen der Wiener Geographen nicht der „Festigung der nationalsozialistischen Macht“ dienten sowie „politisch nur bedingt verwendbar“ 89 gewesen wären, doch sehr fragwürdig erscheint. Gerade der Kulturgeograph Hugo Hassinger war jener Geisteswissenschaftler der Universität, welcher während der NS-Herrschaft als Leiter der Arbeitsgemeinschaften für Raumforschung der Universität Wien und der Wiener Hochschulen sowie als stellvertretender Leiter der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft und ab 1944 auch der Südostgemeinschaft Wiener Hochschulen am Intensivsten in allen Bereichen der angewandten Südostforschung mitgearbeitet hatte. Dass einige der von Hassinger und anderen Geisteswissenschaftlern getätigten Volkskundeprojekte Vorarbeiten zur Umsiedlungspolitik der Nationalsozialisten darstellten, kann nach genauerem Aktenstudium nicht mehr geleugnet werden. 90 89 Heinz FASSMANN: Geographie an der Universität Wien 1938/1945/1955. In: Margarete GRANDNER, Gernot HEISS, Oliver RATHKOLB (Hg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955 (Querschnitte 19). Innsbruck, Wien, München, Bozen 2005, S. 289, 278. 90 Dieser Artikel wurde im Zuge des vom FWF geförderten Projektes „Kartographie und Raumforschung in Österreich 1918–1945. Kontinuitäten und Wandlungen in drei politischen Systemen“ (Projektleiter: o. Univ. Prof. Dr. Mitchell G. Ash, Projektnummer: P19189-G08) verfasst. 20