- 20 - 5 Viskosität 5.1 Allgemeines Versucht man einen Festkörper zu scheren, so wird durch die Deformation eine Schubspannung erzeugt, die der angelegten Schubspannung entgegenwirkt. Ein ordentlicher Festkörper beginnt nicht zu fließen, d. h. Schubspannung und Deformation bleiben über unendlich lange Zeiten erhalten. Flüssigkeiten und Gase beginnen dagegen zu fließen. Der Scherung wird durch die Zähigkeit oder Viskosität eine Schubspannung entgegengesetzt. Die zugehörige Materialeigenschaft, der Viskositätskoeffizient, wird durch (5.1.1) Abb. 13 Scherung eines Körpers definiert. K/A ist die Schubspannung (5.1.2) Für den Geschwindigkeitsgradienten wird oft das Symbol verwandt und Gl. (5.1.1) in der Form (5.1.3) geschrieben. Die Einheit des Viskositätskoeffizienten ist gemäß der Definitionsgleichung (5.1.1) 1 Pa s. Im cgsSystem wurde die Einheit 1 Poise mit dem Symbol P benutzt. Häufig wurde 0,01 P × 1 cP × 1 m Pa s verwandt. Ähnlich wie bei der Diffusion kann auch eine Gleichung entwickelt werden, welche die zeitabhängigen und die stationären Fließvorgänge beschreibt: die Navier-Stokessche Differenzialgleichung. Sie ist eine partielle Differenzialgleichung, die alle Vorgänge der Hydro- und Aerodynamik beschreibt. Ihre Anwendung ist häufig, z. B. bei der Beschreibung der Turbulenz, außerordentlich kompliziert. Die bisher angenommene Unabhängigkeit der phänomenologischen Koeffizienten von der Kraft ist bei der Viskosität von Flüssigkeiten mit komplexer Struktur i. a. nicht mehr gegeben. Die Viskositätskoeffizienten hängen u. U. sowohl vom Geschwindigkeitsgradienten als auch von der Vorgeschichte der Scherung der Probe ab (nicht-Newtonsche Flüssigkeiten). Eine Diskussion dieses Verhaltens wird in Kap. 5.5 erfolgen. 5.2 Zwei Strömungsprofile Wird eine Newtonsche Flüssigkeit zwischen zwei unendlich ausgedehnten planparallelen Platten geschert, so bildet sich ein konstanter Geschwindigkeitsgradient aus. An jeder der in Abb. 1 diskutierten Flüssigkeitsschichten zwischen zwei fiktiven Ebenen zieht rechts die Kraft K nach oben und links nach unten. Auf die Schicht wirkt daher keine beschleunigende Kraft. Die Strömung mit dem konstanten Geschwindigkeitsgradienten ist daher stationär und es gilt (5.2.1) Als zweiten Fall (Abb. 14) wollen wir uns eine Strömung durch eine Kapillare ansehen, auf die ein Druckgradient in z-Richtung wirkt, wobei wir annehmen, dass der Druck in der positiven z-Richtung zunimmt. Die Strömung erfolgt daher in Richtung der negativen z-Richtung. Wir ziehen in die Kapillare einen fiktiven Zylinder mit dem Radius r ein. Auf diesen Zylinder wirken zwei 2 Abb. 14 Strömung in Kräfte. Erstens erzeugt die Druckdifferenz )p auf dem Querschnitt Br eine Kraft. Zweitens wird die Flüssigkeit an der Mantelfläche des Zylinders geeiner Kapillare - 21 schert. Bei einer stationären Strömung müssen diese beiden Kräfte gleich sein, da sonst der Inhalt des Zylinders beschleunigt werden würde. (5.2.2) Zu den Vorzeichen ist zu bemerken, dass )p vereinbarungsgemäß positiv ist und dL/dr bei negativem L auch positiv ist. Die Differenzialgleichung wird durch Trennung der Variablen gelöst (5.2.3) (5.2.4) An der Innenwand der Kapillare soll die Flüssigkeit durch Adhäsion festgehalten werden. Die Konstante C lässt sich dann aus der Bedingung L = 0 bei r = R bestimmen. (5.2.5) und daher (5.2.6) Abb. 15 Zur Definition von L und r Es entsteht ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil. Der positiv angesetzte Volumenstrom wird (5.2.7) (5.2.8) Der Volumenstrom nimmt also mit der 4. Potenz des Kapillardurchmessers zu. Die nach Hagen und Poiseuille benannte Gl. (5.2.8) stellt die zentrale Formel für die im folgenden Kapitel behandelten Messverfahren mit Kapillarviskosimetern dar. 5.3 Messverfahren Kapillarviskosimeter In einem Kapillarviskosimeter strömt die zu untersuchende Flüssigkeit durch eine Kapillare und die Bestimmung des Viskositätskoeffizienten erfolgt mit Hilfe der Hagen-Poiseuilleschen Gleichung. Die Druckdifferenz wird i. a. als hydrostatische Druckdifferenz vorgegeben und der Volumenstrom wird aus der Zeit für die Entleerung eines Messvolumens bestimmt. Es gilt (5.3.1) wobei h die hydrostatische Druckhöhe und D die Dichte der Flüssigkeit sind. Für präzise Messungen wird heute meistens die von Ubbelohde angegebene Konstruktion, das Ubbelohde-Viskosimeter, mit hängendem Niveau verwandt. Das Ubbelohde-Viskosimeter ist kein Instrument zur Absolutbestimmung von Viskositätskoeffizienten. Es wird immer durch Vermessung einer Flüssigkeit mit bekanntem Viskositätskoeffizienten geeicht. Das erlaubt, alle bei der Relativ- - 22 messung konstant bleibenden Größen in einer Konstanten zusammenzufassen. (5.3.2) k ist die durch die Eichmessung zu bestimmende Kapillarkonstante. Durch die Eichmessung wird die Bestimmung einer Reihe schwierig messbarer Größen vermieden. So ändert sich die Höhe h der Flüssigkeitssäule während der Messung und der in der 4. Potenz eingehende Kapillarradius ist nicht einfach zu bestimmen. Die Messung geschieht wie folgt. Bei verschlossenem Rohr A wird die Flüssigkeit in B nach oben gesaugt, bis sie über der oberen Marke steht. Dann werden A und B geöffnet und die Flüssigkeit fließt durch die Kapillare ab. Der obere Teil von D füllt sich über das Rohr A mit Luft oder Stickstoff und die Flüssigkeit fließt an der Innenwand von D herab. Es entsteht das hängende Niveau, das eine definierte und von der Füllmenge unabhängige Höhe h der Flüssigkeitssäule bewirkt. Durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeit entstehen unter einer gekrümmten Oberfläche Drücke, die hier im Gefäß E nach oben ziehen und im Gefäß D nach unten ziehen und sich bei einer sorgfältigen Konstruktion aufheben. Die Vorteile des Ubbelohde-Viskosimeters gegenüber anderen Konstruktion bestehen darin, dass die Füllmenge keinen Einfluss auf die Messung hat, dass die Oberflächenspannung einen geringen Einfluss hat und dass sich die Kapillarkonstante bei einer Temperaturänderung vernachlässigbar wenig ändert. Für präzise Messungen wird das gesamte Viskosimeter in eine thermostatisierte Flüssigkeit eingetaucht. Bei der Herleitung der Hagen-Poiseuilleschen Gleichung wird vernachlässigt, dass die Flüssigkeit beim Eintritt in die Kapillare beschleunigt werden muss. Die Wirkung dieses Effekts sieht man in einem extremen Fall sofort ein. Die Hagen-Poiseuillesche Gleichung sagt für l60 voraus. Das würde bedeuten, dass ein unendlich großer Volumenstrom aus einem kleinen Loch in einer Folie bei einer endliAbb. 16 Ubbelohde-Vis- chen Druckdifferenz austreten sollte. Das ist im Experiment nicht der Fall. Der Beschleunigungsvorgang verbraucht Energie und lässt den kosimeter Volumenstrom endlich bleiben. Auch unter weniger extremen Bedingungen ist dieser sog. Hagenbach-Effekt für präzise Messungen zu berücksichtigen (Hagenbach-Korrektur). Durch Wahl eines kleinen Kapillardurchmessers und einer langen Kapillare lässt sich erreichen, dass der Volumenstrom und damit die Beschleunigung klein bleiben. In solchen Fällen kann auf die Hagenbach-Korrektur verzichtet werden. Das Ubbelohde-Viskosimeter ist ein Instrument, das in geübten Händen Messungen mit einer Genauigkeit von einigen 0,1 % zulässt. Gröbere Hände bewirken häufig einen Bruch des filigranen Glasinstruments. Für manche Zwecke wird das direkt aus Gl. (5.3.2) ohne Dichtemessung zugängliche Verhältnis des Viskositätskoeffizienten zur Dichte benötigt. Dieses Verhältnis (5.3.3) wird als kinematischer Viskositätskoeffizient bezeichnet. Wenn eine Unterscheidung notwendig ist, wird 0 als dynamischer Viskositätskoeffizient bezeichnet. Für die Bestimmung der Viskosität von Gasen werden auch Kapillarviskosimeter verwendet. Bei der Konstruktion und Verwendung dieser Viskosimeter sind mehrere Dinge im Vergleich zu den Viskosimetern für Flüssigkeiten anders. - 23 1) Gase sind im Verhältnis zu Flüssigkeiten leicht kompressibel, d. h. durch die Änderung das Drucks in der Kapillare ändert sich auch der Volumenstrom. Das führt zu einer modifizierten Hagen-Poiseuilleschen Gleichung. Für jeden Querschnitt der Kapillare gilt (5.3.4) Da nun der Volumenstrom druckabhängig ist, muss dieses berücksichtigt werden. (5.3.5) Dies ergibt (5.3.6) Die Differenzialgleichung wird durch Trennung der Variablen und Integration gelöst (5.3.7) (5.3.8) wobei p2 und p1 die Drücke am Anfang bzw. Ende der Kapillare sind. Schließlich wird der Volumenstrom unter dem Druck am Ende eingeführt (5.3.9) 2) Bei der Strömung einer Flüssigkeit darf man annehmen, dass die Flüssigkeit an festen Oberflächen durch Adhäsion festgehalten wird, d. h. dort die Geschwindigkeit Null ist. Bei Gasen ist dieses leider nicht so einfach, sondern das Gas gleitet teilweise auf der Oberfläche. Die hier nicht durchgerechnete Theorie zeigt, dass diese Gleitung als Korrektur in Gl. (5.3.9) in der Form (5.3.10) eingeführt werden kann. . ist der sog. Gleitungskoeffizient, der etwa der mittleren freien Weglänge (siehe Kap. 6.5) der Gasmoleküle in der Kapillare entspricht. Bei nicht allzu engen Kapillaren und höheren Drücken kann dieser Korrekturterm vernachlässigt werden. Da die mittlere freie Weglänge umgekehrt proportional zum Druck ist, wächst . mit fallendem Druck. Wird schließlich die mittlere freie Weglänge so groß wie der Kapillardurchmesser, so versagt auch Gl. (5.3.10) und die durch die Kapillare fließende Gasmenge wird erheblich größer, als von der Gleichung vorausgesagt. Abb. 17 Gasviskosimeter Eine sehr einfache Messapparatur ist in Abb. 17 gezeigt. Das Gas wird mit einer Pumpe durch die Kapillare ge- - 24 saugt. Da sich die Volumenmessvorrichtung am Kapillaranfang befindet, sind in Gl. (5.3.9) anstelle von und p1 im Nenner die mit 2 indizierten Größen zu verwenden. Wegen der großen Druckdifferenz spielt die Druckänderung am Kapillareingang durch die veränderliche Wasserhöhe keine Rolle und es darf der mittlere Druck verwandt werden. Wird Wasser als Absperrflüssigkeit verwandt, so kann sich dieses nachteilig auswirken (Reaktion mit dem Gas, Änderung der Viskosität durch den Wasserdampfdruck). In solchen Fällen werden auch andere Absperrflüssigkeiten verwandt. Couette-Viskosimeter Alle Kapillarviskosimeter ergeben in der Flüssigkeit ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil. Der Geschwindigkeitsgradient nimmt daher von 0 im Zentrum nach außen zu. Weiterhin lässt sich der mittlere Geschwindigkeitsgradient bei einem gegebenen Instrument nicht variieren. Bei vielen nichtNewtonschen Flüssigkeiten hängt nun der Viskositätskoeffizient vom Geschwindigkeitsgradienten ab, der daher für Messungen an diesen Verbindungen variabel und messbar sein sollte. Für diesen Zweck sind daher andere Viskosimeter zu verwenden. Bei den Couette-Viskosimetern vom Mooney-Ewart-Typ wird ein zylindrisches Gefäß in Rotation versetzt. Die zu untersuchende Flüssigkeit befindet sich zwischen diesem Gefäß und einem koaxial angeordneten Innenzylinder mit einem konischen Boden. Das Drehmoment auf den Innenzylinder wird gemessen und gestattet die Bestimmung des Viskositätskoeffizienten. Durch die besondere Geometrie des Spalts wird erreicht, dass der Geschwindigkeitsgradient in der Flüssigkeit bei kleinen Spaltbreiten überall gleich ist. Unterschiedliche Gradienten lassen sich durch unterschiedliche Umdrehungsgeschwindigkeiten des äußeren Zylinders erreichen. Schließlich ist es möglich, durch einen vorgegebenen zeitlichen Ablauf der Umdrehungsgeschwindigkeit des äußeren Zylinders die Zeitabhängigkeit des Viskositätskoeffizienten zu untersuchen. Viskosimeter dieses Typs sind daher speziell für die Untersuchung nicht-Newtonscher Flüssigkeiten geeignet. Die Genauigkeit dieser Viskosimeter ist im Vergleich zu einem Ubbelohde-Viskosimeter kleiner. Die Thermostatisierung der Probe kann nur über den äußeren Zylinder erfolgen, da am inneren Zylinder das Drehmoment gemessen wird. Die Temperaturkon- Abb. 18 Couette-Viskosimeter stanz in der Probe ist daher schlechter als bei einem Kapillarviskosimeter. Weiterhin ist die Messung der kleinen Drehmomente am inneren Zylinder schwierig und mit größeren Fehlern behaftet. 5.4 Experimentelle Ergebnisse für Flüssigkeiten Temperaturabhängigkeit Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass bei fast allen Flüssigkeiten die Auftragung des Logarithmus des Viskositätskoeffizienten gegen die reziproke Temperatur innerhalb eines Temperaturbereichs bis etwa 50 K eine lineare Abhängigkeit ergibt. Ähnlich wie bei den Diffusionskoeffizienten gilt daher (5.4.1) Das Vorzeichen im Exponenten ist hier positiv, da die Viskosität mit zunehmender Temperatur abnimmt. Stellt man die Stokes-Einstein-Beziehung in die Form (5.4.2) um, so könnte man vielleicht daraus schließen, dass die hier auftretende lineare Temperaturabhängigkeit einen Widerspruch zu den beiden Gleichungen für 0 und D, die exponentielle Abhängigkeiten von der - 25 Temperatur aufweisen, darstellt. Da aber die lineare Abhängigkeit im Vergleich zu der exponentiellen Abhängigkeit gering ist, geht sie in den Messfehlern und sonstigen Fehlern der Gl. (5.4.1) und (4.6.1) unter. Die Erklärung für Gl. (5.4.1) verläuft ähnlich, wie für die analoge Gl. (4.6.1) für die Temperaturabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten. Sie soll hier etwas ausführlicher entsprechend den Überlegungen von Eyring (kinetische Theorie von Eyring) erfolgen. Wie bereits bei den Diffusionskoeffizienten dargelegt, gibt es in einer Flüssigkeit bei einer bestimmten Temperatur eine gewisse Konzentration von Löchern. Deren Konzentration ist exponentiell Abb. 19 Mikroskopisches Bild für von der Temperatur abhängig. Das Fließen einer Flüssigkeit bedie Scherströmung steht nach Eyring darin, dass Teilchen aus der Umgebung eines Loches in dieses hineinspringen. Bei der Diffusion ist dieser Sprungprozess für alle Richtungen wie beim betrunkenen Seemann gleich wahrscheinlich. Beim Fließvorgang jedoch nicht. Entsprechend der Kraft, welche die obere Schicht nach rechts zu ziehen versucht, wird der Sprung für das schraffierte Teilchen nach rechts erleichtert und für das auf der Gegenseite befindliche Teilchen erschwert. Der Teilchenstrom nach rechts ist gerade die Differenz dieser beiden Ströme. Das Produkt Kraft ( Sprunglänge ergibt die durch die Kraft beim Sprung geleistete Arbeit. Ist diese Arbeit klein gegen kT, ergibt die Rechnung von Eyring die obige Gleichung für die Temperaturabhängigkeit, wobei der Vorfaktor zwar aus der Rechnung folgt, aber nicht so genau ist. Die Aktivierungsenergie sollte der Energie für die Bildung eines Lochs entsprechen. Die Vermutung liegt nun nahe, dass deswegen die Aktivierungsenergie und die Verdampfungsenthalpie zusammenhängen sollten. Die Verdampfungsenthalpie bzw. die nicht wesentlich verschiedene Verdampfungsenergie beschreiben ja den energetischen Aufwand für den Übergang eines Teilchens bzw. eines Mols von der flüssigen Phase in die Dampfphase. In der Tat zeigt das Experiment, dass die Verdampfungsenthalpie i. a. um den Faktor 2,5 größer als die Aktivierungsenergie für das viskose Fließen ist. Die Aktivierungsenergien liegen üblicherweise zwischen 5 und 50 kJ/mol und entsprechen etwa den Werten der Aktivierungsenergien für die Diffusion. Untersucht man die Temperaturabhängigkeit der Viskosität über größere Temperaturbereiche, so findet man i. a. eine Zunahme der Steigung bei der Auftragung ln 0 gegen 1/T (siehe Abb. 20). Bei Substanzen, die von sich aus nicht kristallisieren oder bei denen der Schmelzpunkt durch Mischung mittels der Gefrierpunktserniedrigung drastisch erniedrigt wird, beobachtet man bei tiefen Temperaturen eine glasartige Erstarrung. Dabei bildet sich eine feste, nicht-kristalline, d. h. amorphe, Phase. Die Umwandlungstemperatur wird auch als Glaspunkt bezeichnet. Die Viskosität dieser glasartigen Phasen ist im Vergleich zu einer normalen flüssigen Phase nahezu unendlich hoch. Bei Temperaturen oberhalb dieser Umwandlung treten Fluktuationen in diese amorphe Phase auf, was zu einer Viskositätserhöhung führt. Dieser Effekt wird in der Gleichung von Vogel (5.4.3) durch Einführung der Temperatur To, die in der Nähe des Glaspunkts liegt, berücksichtigt. Die Konstante B mit der Einheit einer Temperatur stellt keine Aktivierungsenergie mehr dar. Abb. 20 zeigt die Vorzüge dieser Gleichung, dargestellt am Beispiel von "-Phenyl-o-Cresol Abb. 20 Temperaturabhängigkeit der Viskosität - 26 - einer Verbindung, die sich beliebig unterkühlen lässt. Eine andere Idee, die Temperaturabhängigkeit zu beschreiben, stammt von Batschinski, der die Gleichung (5.4.4) vorgeschlagen hat. Vo ist das Molvolumen, bei dem die Viskosität unendlich groß wird, und entspricht etwa dem Molvolumen der kristallinen Verbindung. Die Form dieser Gleichung resultiert aus der bereits diskutierten Idee, dass die reziproke Viskosität, wie auch die Diffusionkoeffizienten, proportional zum freien Volumen, d. h. der Lochzahl, sein müssen. Die Gleichung vermag die Viskosität über große Temperaturbereiche gut wiederzugeben. Ein Nachteil ist, dass sie die Temperatur nicht explizit, sondern nur über V(T) enthält, das bekannt sein muss. Im Lauf der langen Geschichte der Viskositätsuntersuchungen und -modelle sind mehr als 100 Gleichungen für die Beschreibung der Temperaturabhängigkeit vorgeschlagen worden. Die alles beschreibende Gleichung wird es sicherlich nicht geben. Dazu sind die Flüssigkeiten mit ihren komplexen Wechselwirkungen, ihren Assoziationen und Dissoziationen (Beispiel Wasser) und temperaturabhängigen Molekülstrukturen (Beispiel Polymere) zu kompliziert aufgebaut. Druckabhängigkeit Mit ganz wenigen Ausnahmen (Wasser bei niedrigen Temperaturen durch Zerstörung der lockeren Wasserstoffbrückenstruktur) nimmt die Viskosität mit steigendem Druck zu. Die dabei erreichbaren Änderungen sind bei weitem nicht so groß wie diejenigen, die durch Temperaturänderungen erreicht werden. Einen Anhalt gibt die Regel, dass für die durch )T = - 1K hervorgerufene Änderung 300 bar angewandt werden müssen. Im Prinzip ist die Beschreibung der Druckabhängigkeit mit Gl. (5.4.4) und V(T,p) möglich. Wie bei der Temperaturabhängigkeit zieht man jedoch Gleichungen vor, welche die interessierende Variable explizit enthalten. Es liegt nahe, es mit (5.4.5) zu versuchen. Leider ist diese Gleichung nur für sehr kleine Druckbereiche gut geeignet, da die Viskosität bei höheren Drücken schwächer zunimmt, als von ihr vorausgesagt. Üblicherweise wird dies durch ein weiteres Druckglied im Exponenten berücksichtigt. (5.4.6) Mit dieser Gleichung gelingt es, die Druckabhängigkeit über größere Druckbereiche zufriedenstellend darzustellen. Analog zur Aktivierungsenergie gibt es ein Aktivierungsvolumen (5.4.7) welches formal dem (molaren) Volumen für die Bildung der Löcher entsprechen sollte, in welche die Teilchen beim Fließen springen. ist der mittlere Koeffizient im Exponenten für einen gewissen Druckbereich. VA stimmt nur in der Größenordnung mit dem molaren Volumen überein und kann z. B. durch Einbau von voluminösen Seitengruppen in ein Molekül drastisch erhöht werden. Einfluss der Molekülstruktur Theorien, welche die Viskositätskoeffizienten für eine bestimmte Verbindung auszurechnen gestatten, gibt es nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen, z. B. für die flüssigen Edelgase, d. h. runde - 27 Teilchen mit Dispersionswechselwirkungen. Für den kleinen Rest der chemischen Verbindungen gibt es keine allgemeine Theorie. Systematische experimentelle Untersuchungen haben es erlaubt, gewisse Regeln für den Einfluss molekularer Parameter auf die Viskosität aufzustellen. Die folgende Tabelle enthält die Viskositätskoeffizienten einiger Verbindungen bei 20 bzw. 25 oC (Fluorverbindungen). Verbindung 0/m Pa s Verbindung 0/m Pa s Verbindung 0/m Pa s n-Hexan 0,397 Trifluormethan 0,016 Ethanol 1,78 n-Octan 0,703 Tetrafluormethan 0,02 Propanol-2 4,56 n-Decan 1,29 Trichlormethan 0,70 Ethandiol 55 n-Dodecan 2,28 Tetrachlormethan 1,35 Propantriol 12 100 Die Viskosität nimmt bei konstanter Temperatur und Druck mit der Molekülgröße zu. Dipolmomente wirken sich nicht sehr stark aus. Dagegen bewirken Wasserstoffbrückenbindungen, insbesondere bei Verbindungen mit mehreren OH-Gruppen, eine drastische Zunahme der Viskosität. Es bilden sich in solchen Verbindungen größere Aggregate, die als Ganzes nur sehr schwer bewegt werden können, oder es müssten bei der Bewegung von Aggregatteilen Wasserstoffbrücken gelöst werden. Sounders und Thomas haben zwei verschiedene Verfahren angegeben, mit denen sich die Viskositäten aus Inkrementen für die molekulare Struktur berechnen lassen. Bei nicht zu exotischen Verbindungen lassen sich Genauigkeiten von etwa 10 % erreichen. Mischungen Abb. 22 zeigt einige Beispiele für die Viskosität von Mischungen in Abhängigkeit von der Zusammensetzung. Man beobachtet Maxima, Minima, Wendepunkte und fast niemals eine lineare Abhängigkeit. Dies lässt die Chance für die Auffindung einer einigermaßen allgemeingültigen Gleichung gegen Null gehen. Gleichungen, welche die Viskosität der Mischungen ohne anpaßbare Parameter beschreiben, sind nur für Mischungen unpolarer Verbindungen anwendbar. In allen anderen Fällen ist es notwendig, mindestens einen frei wählbaren Parameter einzuführen. Eine häufig angewandte Gleichung ist die von Grundberg und Nissan (5.4.8) Abb. 22 Viskosität in Miwobei G den anpaßbaren Parameter darstellt. Der Produktterm erschungen laubt die Beschreibung von symmetrischen Maxima und Minima mit variabler Höhe. In einem speziellen Fall kann mittels der hydrodynamischen Theorie die Viskosität einer Mischung berechnet werden: für eine verdünnte Suspension kugelförmiger Teilchen. Dazu wird die Wärmeentwicklung berechnet, die durch die Umströmung einer Kugel von einer Flüssigkeit entsteht. Der Vergleich dieser Wärmeentwicklung mit dem Fall der Strömung ohne die suspendierten Teilchen ergibt die Viskositätserhöhung durch die suspendierten Teilchen. Die von Einstein erstmals angegebene Gleichung ist (5.4.9) wobei N der Volumenbruch der suspendierten Teilchen und 0o die Viskosität des reinen Lösungsmittels ist. Die Gleichung findet indirekt Anwendung bei der Bestimmung molarer Massen von Polymeren in Lösungen über Viskositätsmessungen. - 28 5.5 Nicht-Newtonsche Flüssigkeiten Die bisherige Diskussion beschränkte sich auf Newtonsche Flüssigkeiten, bei denen entsprechend Gl. (5.1.3) die Auftragung von J gegen unabhängig von der Zeit eine Gerade mit der Steigung des Viskositätskoeffizienten ergibt. Bei den nicht-Newtonschen Flüssigkeiten ist das nicht der Fall. Die folgenden Abbildungen zeigen eine J, -Darstellung und die mit Gl. (5.1.3) berechnete Viskosität als Funktion von . Abb. 23 Verlauf der Schubspannung bei Nicht-Newtonschen Flüssigkeiten Abb. 24 Verlauf der Viskosität bei NichtNewtonschen Flüssigkeiten Man bezeichnet das Verhalten einer Flüssigkeit als & dilatant, wenn die Schubspannung stärker als linear mit dem Geschwindigkeitsgradienten zunimmt & strukturviskos, wenn sie weniger zunimmt. Der Viskositätskoeffizient nimmt bei einer & dilatanten Flüssigkeit mit dem Geschwindigkeitsgradienten zu & strukturviskosen Flüssigkeit ab. Dilatantes Verhalten wird von Stärke- und Sandsuspensionen in Wasser und Bodensätzen von Ölfarben gezeigt. Steckt man beispielsweise einen Spatel in die Mitte eines Becherglases mit einer Stärkesuspension, so fällt er um. Versucht man ihn dagegen schnell herauszuziehen, so zieht man das ganze Becherglas nach oben. Strukturviskoses Verhalten wird von Systemen gezeigt, die im Ruhezustand und bei geringer Scherrate eine innere Struktur aufweisen. Beispiele sind Kaolin- und Bentonitdispersionen, die in Ruhe und bei geringen Scherraten durch elektrostatische Wechselwirkungen Bänder oder dreidimensionale Strukturen aus den Plättchen des dispergierten Materials aufbauen. Bei zunehmender Scherrate werden diese Strukturen zerstört und dadurch die Viskosität verkleinert. Auch Dispersionen mit stäbchenförmigen Teilchen ohne Wechselwirkungen zeigen diesen Effekt. Bei niedrigen Scherraten sind die langen Achsen der Stäbchen in alle Richtungen gleichmäßig verteilt und behindern das Fließen. Bei höheren Scherraten werden die Stäbchen parallel zur Fließrichtung ausgerichtet, was zu einer geringeren Viskosität führt. Abb. 25 Zeitabhängigkeit der Viskosität Als plastisch bezeichnet man das Verhalten einer Flüssigkeit, wenn erst eine gewisse Schubspannung überwunden bei Nicht-Newtonschen Flüssigkeiten - 29 werden muss, damit die Flüssigkeit zu fließen beginnt. Die oben genannten Tondispersionen zeigen diese Eigenschaft meist auch. Die oben genannte Erklärung trifft auch für die Erklärung des plastischen Verhaltens zu. Neben der Abhängigkeit des Viskositätskoeffizienten von der Scherrate gibt es auch eine von der Zeitdauer, während der geschert wird. Dies ist Abb. 25 gezeigt. Beim Newtonschen Fließverhalten gibt es keine Zeitabhängigkeit. Bei & rheopexen Flüssigkeiten nimmt 0 mit der Zeit zu, bei & thixotropen Flüssigkeiten ab. Bei thixotropem Verhalten wird meist eine innere Struktur im Laufe des Schervorgangs zerstört und kann sich nur mit einer großen Zeitkonstante wieder aufbauen. Viele Metalloxidhydratgele bauen dreidimensionale Netzwerke von Wasserstoffbrücken auf, die durch die Scherung zerstört werden. Rheopexes Verhalten wird sehr selten beobachtet. Schließlich gibt es noch "Flüssigkeiten", die sowohl die Eigenschaften einer Flüssigkeit als auch die eines elastischen Festkörpers aufweisen: sie sind viskoelastisch. Beispiele dafür sind hochkonzentrierte Tensidlösungen, bei denen durch die Scherung eine innere Struktur deformiert wird. Teilweise wird die Struktur zerstört, eine gewisse Deformationsenergie bleibt aber immer gespeichert. Beendet man die Scherung eines solchen viskoelastischen Körpers, so läuft für eine kurze Zeit der zur ursprünglichen Scherung entgegengesetzte Prozess ab. Wird beispielsweise eine Tensidlösung in einem Becherglas eine Weile in Rotation versetzt und dann die Rotation beendet, so dreht sich die Flüssigkeit mehrfach wie ein elastischer Körper hin und her. Bekannt sind auch Polymere, die einerseits langsam auseinander fließen, andererseits sich bei einer schnellen Beanspruchung wie ein Gummiball verhalten können. Die Ähnlichkeit der Erklärungen für die einzelnen Phänomene zeigt, dass die genannten Eigenschaften nicht alleine, sondern mehr oder weniger immer zusammen auftreten. Das erschwert die Untersuchungen und die Beschreibung der Phänomene durch Modelle. Das Gebiet der Untersuchung und Modellierung der nicht-Newtonschen Flüssigkeiten ist heute so groß und wirtschaftlich interessant geworden, dass sich manche Forscher allein mit diesem Gebiet beschäftigen und es einen eigenen Namen bekommen hat: die Rheologie. Viele von der Nahrungsmittelindustrie gefertigte Suppen erhalten die richtige Konsistenz durch Zusatz von Dickungsmitteln mit Konzentrationen im %-Bereich. Zahncreme soll aus der Tube pressbar sein, aber auf der Zahnbürste nicht wegfließen; Wandfarbe soll gut verstreichbar sein, aber dann nicht mit Nasenbildung von der Wand laufen; Beton soll in jedes Loch fließen, aber nicht durch jede Ritze in der Schalung; Ketchup und Mayonnaise sollen aus der Flasche fließen, aber auf den Pommes ihre Form beibehalten; Haarshampoo soll sich nicht wie Wasser anfühlen. Die Rheologie ermöglicht dies durch allerlei Zusätze, die wir mitessen, uns auf die Haut und ins Haar schmieren. Wohl bekomm's. - 30 - Kinetische Gastheorie 6 Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung Die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung (MGV) beschreibt die Verteilung der Geschwindigkeiten für ein Gas unter idealen Bedingungen. Die Teilchen sollen klein im Verhältnis zu den mittleren Abständen sein. Die Stöße untereinander sollen elastisch sein. Sonst sollen die Teilchen nicht miteinander wechselwirken. 6.1 Herleitung der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung Im Prinzip müsste die Mechanik diese Aufgabe exakt lösen können. Man gibt die Lage der Teilchen und ihre Geschwindigkeiten zu Beginn vor und rechnet mit Hilfe der mechanischen Gesetze die entsprechenden Daten zu einem späteren Zeitpunkt aus. Weiterhin könnte man über längere Zeiten diese Daten berechnen und dann Aussagen über mittlere Eigenschaften machen. Man sieht schnell ein, dass dieses bei .1023 Teilchen nicht möglich ist und auch die Anwendung der klassischen Mechanik bei Teilchen von atomarer Größe nicht korrekt ist. Man wird sich daher mit statistischen Aussagen begnügen müssen. Es wird sich dann zeigen, dass man mit diesem statistischen Verfahren alle interessierenden Eigenschaften berechnen kann und die sich ergebende Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung von relativ einfacher Form ist. Die MGV beantwortet nicht die Frage nach der Geschwindigkeit und Richtung eines Teilchens, sondern die Frage, welcher Anteil der Teilchen Geschwindigkeiten in einem bestimmtem Geschwindigkeitsintervall aufweist. Dazu wird eine Dichtefunktion F(Lx,Ly,Lz) wie folgt definiert (6.1.1) F gibt also den Anteil d 3N/N der Teilchen von den insgesamt N Teilchen an, deren Geschwindigkeiten in x-Richtung im Intervall zwischen Lx und Lx + dLx und entsprechend für y und z liegen. Früher nannte man derartige Funktionen Verteilungsfunktionen, daher der Name "Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung", heute benutzt man meist den Begriff "Dichtefunktion" dafür. Als nächstes ist die Frage zu beantworten, ob und wie die Geschwindigkeitsverteilung in einer bestimmten Richtung, z. B. der z-Richtung, von der Geschwindigkeit in den beiden anderen Richtungen abhängt. Dazu sehen wir uns den in Abb. 26 gezeigten zentralen Stoß in z-Richtung an, wobei das eine Teilchen noch eine Komponente in x-Richtung aufweisen möge. Man sieht, dass das obere Teilchen unabhängig von seiner x-Komponente durch den Stoß den Impuls des stoßenden, unteren Teilchens erhält. Wir "schließen" daraus, dass in der Dichtefunktion die Abhängigkeiten von den einzelnen Geschwindigkeitskomponenten Lx, Ly und Lz unabhängig voneinander sind. Dieser Schluß ist natürlich keiner, sondern eher eine Annahme. Abb. 26 Stoß auf ein bewegEin korrekter Nachweis wurde von Boltzmann um 1900 durchgeführt tes Teilchen und füllt viele Seiten mit schwieriger Mathematik, die wir uns hier ersparen wollen. Wir haben also vielleicht plausibel gemacht, dass die Dichtefunktionen für die einzelnen Geschwindigkeitskomponenten unabhängig voneinander sind. Nach den Gesetzen der Statistik berechnet man dann die Gesamtwahrscheinlichkeit wegen der Unabhängigkeit aus dem Produkt dieser drei Funktionen (6.1.2) wobei zusätzlich berücksichtigt wurde, dass die Dichtefunktion für jede der drei Komponenten aus Symmetriegründen gleich sein muss. Logarithmieren ergibt (6.1.3) - 31 Ableitung nach Lx ergibt (6.1.4) wobei der letzte Teil durch Anwendung der Kettenregel entsteht. Den Ausdruck in der Klammer erhält man wie folgt. Die Gleichung (6.1.5) wird implizit nach Lx abgeleitet (6.1.6) und daher (6.1.7) und weiter (6.1.8) wobei die beiden letzten Teile der Gleichung daraus folgen, dass die Abhängigkeiten in x-, y- und zRichtung aus Symmetriegründen übereinstimmen müssen. Da nun Teil 2 nur von Lx, Teil 3 nur von Ly und Teil 4 nur von Lz abhängt und alle auch noch gleich sein müssen, müssen alle Ausdrücke einer unbekannten Konstanten gleich sein. (6.1.9) Die Lösung dieser Differenzialgleichung erfolgt durch Trennung der Variablen (6.1.10) (6.1.11) (6.1.12) und daher (6.1.13) Diese Verteilung enthält noch die beiden unbekannten Konstanten " und C, die aus Bedingungen, denen das Gas unterliegt, bestimmt werden müssen. dN/N gibt den Anteil der Teilchen an, deren Geschwindigkeitskomponenten in x-Richtung im Intervall zwischen Lx und Lx + dLx liegen. Das Integral von dN über alle Lx muss daher N, bzw. das Integral von f über alle Lx muss eine 1 ergeben. Die Integration (siehe Anhang 20.2) ergibt daher (6.1.14) und daher - 32 (6.1.15) und die dreidimensionale Verteilung wird (6.1.16) Die Bestimmung von " ist etwas komplizierter; die meisten Ergebnisse der etwas längeren Rechnung werden jedoch noch anderweitig Verwendung finden. Die Geschwindigkeitsverteilung muss mit Sicherheit die Temperatur enthalten. Da dieses bislang noch nicht der Fall ist, muss " von der Temperatur abhängen. Mit mechanischen Argumentationen kann " daher nicht bestimmt werden, da die Mechanik die Größe Temperatur nicht kennt. Das einfachste Verfahren zur Bestimmung von " besteht darin, mit Hilfe von Gl. (6.1.16) eine von der Temperatur abhängige Eigenschaft eines Idealen Gases zu berechnen. Dafür bietet sich der Druck an, der mit Hilfe von Gl. (6.1.16) aus dem Impuls der auf eine Wand stoßenden Teilchen berechnet werden kann. Das Ergebnis wird dann mit dem Idealen Gasgesetz verglichen. Zur Berechnung der Stoßzahl und des auf die Wand übertragenen Impulses muss ein für diese Berechnung geeignetes Koordinatensystem eingeführt werden. Aus später ersichtlichen Gründen ist hierfür ein Kugelkoordinatensystem mit den Koordinaten N, h und L anstelle von Lx, Ly und Lz besser geeignet. Das kartesische Volumenelement dLx dLy dLz muss jetzt in das neue Koordinatensystem transformiert werden. Mathematiker machen das mit einer Funktionaldeterminante. In einem anschaulicheren Verfahren berechnet man die KanAbb. 27 Volumenelement in Kugelkoordinaten tenlängen des Volumenelements im neuen Koordinatensystem. An und für sich sind das Teile eines Längenkreises (L dh), eines Breitenkreises (sinh L dN) und ein gerades Stück (dL). Für beliebig kleine Differenziale darf man diese Stücke aber als Geraden ansehen und das Volumenelement wird (6.1.17) Gl. (6.1.16) wird im Kugelkoordinatensystem daher zu (6.1.18) Bei der Berechnung des Impulsübertrages beim Stoß der Teilchen auf die Wand nehmen wir an, dass die Stöße vollständig elastisch sind, d. h. der Betrag der Geschwindigkeit eines Teilchens ändert sich durch den Stoß nicht. Es wird nur die Geschwindigkeitskomponente Lz senkrecht zur Wand umgedreht. Es gilt für eine Wand parallel zur xy-Ebene (6.1.19) und der Impuls auf die Wand durch den Stoß eines Teilchens der Masse m beträgt (6.1.20) Dieser Impuls ist jetzt über alle stoßenden Teilchen entsprechend der MGV zu summieren. Den daraus resultierenden Druck findet man wie folgt (6.1.21) - 33 Wir betrachten jetzt alle Teilchen, die sich unter bestimmten Winkeln h und N in Richtung auf die Wandfläche A bewegen, wobei in Abb. 28 wegen der besseren Übersichtlichkeit N = 90o gewählt wurde. sei die Stoßzahl der Teilchen, die sich mit Abb. 28 Zur Berechnung der Stoßzahl Geschwindigkeiten im Intervall L bis L + dL unter den Winkeln h bis h + dh und N bis N + dN auf die Wand zubewegen. Diese Stoßzahl ist zu berechnen. Das in der Abb. gezeigte Parallelepiped weist gerade die Länge L auf. Dann schaffen es gerade alle Teilchen im Parallelepiped mit der betreffenden Geschwindigkeit die Fläche A zu treffen. Natürlich werden einige dieser Teilchen durch Zusammenstöße mit anderen vorher ihre Richtung ändern. Dafür kommen aber im Mittel eine entsprechende Zahl von Teilchen mit der richtigen Richtung wieder dazu. (6.1.22) wobei V das Volumen des Epipeds und 1NL die Teilchendichte mit der betreffenden Geschwindigkeit darstellen. Für den Druck gilt daher (6.1.23) Wird 1NL durch 1N, d. h. die Dichte aller Teilchen, ersetzt, so muss eine Mittelwertbildung über L2 cos2h durchgeführt werden. Dies geschieht mit der Dichtefunktion der MGV (6.1.24) wie folgt. Da F den Anteil der Teilchen im Geschwindigkeitsintervall angibt, ergibt (6.1.25) den Beitrag aller Teilchen im Intervall zum Druck. Um bei der Integration alle Teilchen zu berücksichtigen, die sich aus dem oberen Halbraum auf die Wand zubewegen, ist mit folgenden Grenzen zu integrieren h : 0 - B/2 N : 0 - 2B L : 0 - 4 Die Integration über N ergibt 2B. Die Integration über h ergibt (siehe Anhang 20.2) (6.1.26) Vom Integral verbleibt daher (6.1.27) und schließlich - 34 (6.1.28) Ersetzt man 1N durch N/V, so sieht man, dass dieser Ausdruck das Boyle-Mariotttesche Gesetz und die Abhängigkeit von n korrekt enthält. Zur Berechnung von " wird mit dem Idealen Gasgesetz (6.1.29) verglichen. (6.1.30) Damit erhalten wir die endgültige Form der MGV. Gl. (6.1.16) ergibt (6.1.31) und Gl. (6.1.18) (6.1.32) Oft interessiert nicht die Richtung der Teilchen, sondern es wird nur nach der Verteilung der Beträge der Geschwindigkeiten gefragt. Diese Verteilung erhält man aus der vorhergehenden durch Integration über N und h. Die erste Integration ergibt 2B und die zweite (6.1.33) und daher (6.1.34) Da h von 0 bis B integriert wurde, sind in dieser Formulierung der MGV nur noch positive Geschwindigkeiten von Interesse. 6.2 Diskussion der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung Eindimensionale Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung Abb.29 zeigt die eindimensionale Dichtefunktion (6.2.1) für ein Gas mit einer molaren Masse vom 30 g/mol für verschiedene Temperaturen. Die erste und vielleicht überraschende Feststellung ist die, dass die Geschwindigkeit 0 mit der größten Wahrscheinlichkeit auftritt. Alle positiven und negativen Geschwindigkeiten weisen kleinere Wahrscheinlichkeiten auf. Bei höheren Temperaturen erstreckt sich die Verteilung zu höheren Geschwindigkeiten. Da das Abb. 29 Eindimensionale Geschwin- Integral über der Kurve, d. h. die Fläche unter ihr, immer 1 ergeben muss, sinkt die Höhe bei L = 0 entsprechend. Diedigkeitsverteilung nach Maxwell - 35 ses Absinken wird durch den Faktor vor den Exponentialterm bewirkt. Man beachte die Übereinstimmung des Kurvenverlaufs mit dem der Diffusion aus einer Punktquelle (Gl. (4.3.7)). Zweidimensionale Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung Die Dichtefunktion lautet für den zweidimensionalen Fall (6.2.2) Abb. 30 in Form eines Höhenliniendiagramms zeigt die Dichtefunktion für M = 30 g/mol und 298 K mit äquidistanten f-Werten. Auch hier liegt die größte Wahrscheinlichkeit bei Lx, Ly = 0. Wie schon angesprochen, ist für viele Zwecke die MGV für den Absolutwert der Geschwindigkeiten von Interesse. Ähnlich wie im dreidimensionalen Fall wird dazu ein anderes Koordinatensystem eingeführt. In Polarkoordinaten mit den Variablen L und N ist das Flächenelement L dN dL und die zweidimensionale Abb. 30 Zweidimensionale Ge- MGV wird schwindigkeitsverteilung nach Maxwell (6.2.3) Abb. 31 Flächenelement in Polarkoordinaten Abb. 32 Verteilung der Beträge der Geschwindigkeiten für ein zweidimensionales Gas Fragt man jetzt nach der Wahrscheinlichkeit eine Geschwindigkeit im Intervall L bis L + dL mit beliebigen Winkeln N zu beobachten, so ist die MGV über N zu integrieren und man erhält (6.2.4) Die funktionelle Abhängigkeit ist in Abb. 32 für M = 30 g/mol bei verschiedenen Temperaturen gezeigt. Wegen des Auftretens von L vor dem Exponentialterm wird jetzt nicht mehr die größte Wahrscheinlichkeit bei L = 0, sondern bei höheren Werten beobachtet. Die funktionelle Abhängigkeit bei L . 0 ist im wesentlichen durch mL/kT bestimmt, da der Exponentialterm etwa 1 ergibt. Für spätere Zwecke ist es nützlich, den Anteil A der Teilchen zu berechnen, die eine gewisse Geschwindigkeit überschreiten, d. h. - 36 - (6.2.5) Das Integral ist geschlossen lösbar (siehe Anhang 20.2) und ergibt (6.2.6) (6.2.7) wobei der Strich bei L wieder weggelassen wurde. Einführung der kinetischen Energie (6.2.8) ergibt (6.2.9) Dreidimensionale Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung Die Dichtefunktion über den kartesischen Geschwindigkeitskoordinaten in der Darstellung mit Linien gleicher Dichtewerte ergibt Kugeln mit dem Koordinatenursprung als Zentrum. Auch hier wird die Dichtefunktion bei Lx = Ly = Lz = 0 maximal. Die Dichtefunktion mit beliebigen Winkeln h und N ist gemäß Gl. (6.1.34) (6.2.10) und in Abb. 33 dargestellt. Sie unterscheidet sich vom zweidimensionalen Fall durch den parabolischen Verlauf bei kleinen Geschwindigkeiten. Bei größeren Geschwindigkeiten überwiegt dann der Abfall durch den Exponentialterm. Die Maxima verschieben sich mit steigenden Temperaturen zu höheren Werten. Abb. 34 Apparatur zur Bestimmung der Geschwindigkeitsverteilung Abb. 33 Dreidimensionale Geschwindigkeitsverteilung nach Maxwell Die Abb. 33 gezeigte Geschwindigkeitsverteilung lässt sich mit der in Abb. 34 schematisch dargestellten Apparatur bestimmen. Aus einem kleinen Loch des auf einer konstanten Temperatur gehaltenen Gefäßes verdampft die zu untersuchende Substanz. Durch mehrere Blenden wird ein Molekularstrahl ausgeblendet und durchläuft einen Geschwindigkeitsanalysator. Dieser besteht aus einem rotierenden Zylinder, in dessen Mantelfläche schräg verlaufende Nuten (in der Abbildung nur durch Striche angedeutet) eingefräst sind. Bei einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit T des Zylinders schaffen - 37 es nur Teilchen mit der Geschwindigkeit (6.2.11) wobei )N die Nutenverdrehung über der Zylinderlänge l bedeutet, die Nuten zu durchlaufen. Teilchen mit anderen Geschwindigkeiten berühren die Nutenwände und werden aus der Bahn geworfen. Die durchlaufenden Teilchen treffen auf einen Detektor, wo sie Elektronen auslösen. Der Strom wird verstärkt und angezeigt. Alle Teilchen, welche die Nuten nicht stoßfrei durchlaufen, und die Teilchen, welche die Blendenlöcher nicht treffen, werden mit starken Pumpen aus der Apparatur gesaugt. Im Prinzip kann man durch Auftragung des Detektorstroms gegen die veränderliche Rotationsgeschwindigkeit eine der in der linken Abb. gezeigten Kurven in einem Durchlauf messen. 6.3 Mittlere Geschwindigkeiten Für viele Zwecke, z. B. für die Berechnung der kinetischen Energie eines einatomigen Gases und der Theorie der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten, benötigt man bestimmte mittlere Geschwindigkeiten für den dreidimensionalen Fall. Diese sollen jetzt berechnet werden. Mittlere Geschwindigkeit Hierunter wollen wir die linear (und nicht quadratisch) gemittelte Geschwindigkeit verstehen. Entsprechend den Ausführungen in Kap. 6.1 über die Mittelwertbildung ist wie folgt zu verfahren. (6.3.1) Der Wert des bestimmten Integrals ist im Anhang 20.2 angegeben (6.3.2) (6.3.3) Die mittlere Geschwindigkeit nimmt mit der Wurzel aus der Temperatur zu. Da sie mit der Wurzel aus der molaren Masse abnimmt, ist sie für leichte Gase wie Wasserstoff hoch. Für Luft mit M . 29 g/mol beträgt sie bei 298 K 465 m/s. Die Trennung von gasförmigen Isotopen, z. B. UF6, nach dem Diffusionsverfahren (Durchtritt durch eine poröse Membran) beruht auf dieser Gleichung. Mittlere quadratische Geschwindigkeit Für alle energetischen Überlegungen benötigt man wegen Gl. (6.2.8) die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit (6.3.4) Das Integral ist im Anhang 20.2 angegeben. (6.3.5) - 38 (6.3.6) oder (6.3.7) oder in der Formulierung mit der kinetischen Energie (6.3.8) Die Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat ist etwas größer als die linear gemittelte (3 > 8/B), da bei der quadratischen Mittelung die größeren Geschwindigkeiten mehr ins Gewicht fallen. Gl. (6.3.8) zeigt, dass die in der PC I, Kap. 9.1.1, ausgesprochene Vermutung über den Beitrag zur Molwärme von 3R/2 für den translatorischen Anteil zutrifft. Gl. (6.3.8) ergibt (6.3.9) für alle einatomigen Gase. Wahrscheinlichste Geschwindigkeit Schließlich soll noch die wahrscheinlichste Geschwindigkeit berechnet werden. Dazu wird die Dichtefunktion (6.2.10), aus der zuvor alle für die Ableitung unwichtigen Größen herausgestrichen wurden, nach L abgeleitet und Null gesetzt (6.3.10) oder (6.3.11) und schließlich (6.3.12) Die beiden mittleren Geschwindigkeiten gemäß Gl. (6.3.3) und (6.3.7) sind größer als die wahrscheinlichste Geschwindigkeit. Mittlere Relativgeschwindigkeit Es liege eine Mischung der Gase A und B vor. Es soll die durchschnittliche Relativgeschwindigkeit der B- bezüglich der A-Teilchen berechnet werden, d. h. man setzt sich auf ein A-Teilchen und misst die Geschwindigkeit eines B-Teilchens. Diese Messung ist für eine größere Anzahl von Teilchenpaaren zu wiederholen und zu mitteln. Die Relativgeschwindigkeit der B- bezüglich der A-Teilchen beträgt (6.3.13) Die Bezeichnung der Teilchen mit A oder B ist dabei unerheblich, da sich die entsprechenden Relativgeschwindigkeiten nur durch das Vorzeichen unterscheiden. Die Mittelwertbildung erfolgt nach dem bekannten Verfahren: - 39 - (6.3.14) mit (6.3.15) Die Berechnung des Integrals ist nicht ganz einfach und daher im Anhang 20.3 untergebracht worden. Etwas weniger streng ist die folgende Überlegung. Zu Beginn unseres Gedankenexperiments sollen sich die Teilchen A und B an einem Ort befinden (siehe Abb. 35). Danach bewegen sie sich mit ihren Geschwindigkeiten LA und LB von diesem gemeinschaftlichen Ursprung weg. Die Richtung von B darf man ohne Einbuße an Geschwindigkeitskombinationen festlegen; A soll sich dagegen in alle möglichen Richtungen bewegen. Dieses ist durch die auf dem Kreis liegenden Endpunkte der Geschwindigkeitsvektoren angedeutet. Extremalwerte für die Relativgeschwindigkeit LR erhält man bei 0 und 180o zwischen LA und LB. Wir setzen daher als Mittelwert 90o an und erhalten: (6.3.16) Abb. 35 Vereinfachte BeDiese Beziehung soll nun auch für die Mittelwerte gelten rechnung von LR (6.3.17) oder (6.3.18) wobei : die sog. reduzierte Masse (6.3.19) darstellt. Ist eins der Teilchen sehr viel leichter als das andere, so entspricht die Relativgeschwindigkeit der linearen mittleren Geschwindigkeit des leichteren Teilchens. Gl. (6.3.18) stellt den Ausgangspunkt für die Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten dar (siehe nächstes Kapitel). 6.4 Stoßraten Stoßrate auf eine Wand Die Berechnung verläuft ganz ähnlich wie die in Kap. 6.1 erfolgte Rechnung zur Bestimmung der unbekannten Konstanten ". Alle Teilchen in dem dort definierten Parallelepiped treffen die Fläche A. Die Zahl der Teilchen, die in der Zeiteinheit die Fläche A treffen, beträgt daher mit Gl. (6.1.22) und (6.1.32) - 40 - (6.4.1) Die Integration über N ergibt 2B und die über h (6.4.2) Das Integral wird daher zu (6.4.3) Die Stoßzahl Z pro Fläche und Zeit ist daher (6.4.4) und schließlich (6.4.5) Eine sehr viel einfachere Argumentation geht wie folgt vor. Die Bewegung der Teilchen in beliebige Richtungen wird ersetzt durch eine Bewegung von 1/3 der Teilchen in x-Richtung, 1/3 der Teilchen in y-Richtung und 1/3 der Teilchen in z-Richtung. Unsere Fläche soll normal zur x-Richtung liegen. Da nur die Stöße von der "Gasseite" aus von Interesse sind, dürfen wir daher nur 1/6 der Teilchen berücksichtigen. Wie bei der korrekten Rechnung wird ein Parallelepiped mit dem Querschnitt A und der Länge konstruiert, wobei die in Gl. (6.3.3) angegebene mittlere Geschwindigkeit ist. 1/6 der Teilchen in diesem Parallelepiped trifft in der Zeiteinheit die Fläche A, d. h. (6.4.6) Damit wird die Stoßrate (6.4.7) Wir erhalten den gleichen funktionellen Zusammenhang wie bei der korrekten Rechnung. Der Vorfaktor ist jedoch falsch. Da dieser Ansatz sehr einfach zu überblickende Modelle ergibt, werden wir ihn später bei der Berechnung der Transportkoeffizienten verwenden. Wie groß ist die Stoßrate unter üblichen Bedingungen? - 41 - (6.4.8) Man findet für M = 30 g/mol bei 298 K und 1 bar (6.4.9) Die Stoßrate ist so hoch, dass die einzelnen Stoßprozesse bei der Messung des Drucks nicht gesehen werden. Stoßrate zwischen verschiedenartigen Teilchen Gefragt ist nach der Stoßrate zwischen den verschiedenartigen Teilchen einer Mischung. Diese Stoßrate ist der Ausgangspunkt für die Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante bimolekularer Reaktionen. Um die folgende Berechnung möglichst einfach zu halten, sollen folgende Annahmen getroffen werden: & die Teilchen weisen Kugelform auf & die Teilchen führen elastische Stöße aus & die Teilchen üben keine Wechselwirkungen aus, wenn sie nicht gerade zusammenstoßen & die Teilchenradien sind klein gegenüber den durchschnittlichen Abständen. Eine Begegnung zweier Teilchen wird dann als Zusammenstoß gezählt, wenn die Zentren der Kugeln sich auf einen Abstand von (6.4.10) genähert haben. Bei der Verwendung von dAB muss man mit der Bedeutung des Symbols d aufpassen. Als mittlerer Durchmesser von A und B ist das Symbol korrekt; als Radius der Kugel des kleinsten Abstandes für die Zentren von A und B dagegen nicht. Abb. 36 Zur Berechnung Die weitere Entwicklung des Modells wird durch die Einführung der des Stoßquerschnitts Relativgeschwindigkeit drastisch vereinfacht. Wir betrachten jetzt die ATeilchen als fixiert und bewegen nur noch die B-Teilchen mit der Relativgeschwindigkeit LR. Zur Berechnung der Zahl der Zusammenstöße des einen BTeilchens mit allen A-Teilchen konstruieren wir ähnlich wie bei der Berechnung der Stoßrate auf eine Wand einen Zylinder mit dem Radius dAB, der Länge LR und der Richtung von LR. Wir bewegen das B-Teilchen mit dem Stoßradius dAB durch den Zylinder mit der Geschwindigkeit LR und treffen alle als fixiert gedachten A-Teilchen mit dem Radius Null in diesem Zylinder. Im Prinzip müsste man jetzt über alle Beträge LR, d. h. Zylinderlängen, mitteln. Das Abb. 37 Zur Berechnung der Stoßrate geht aber sehr viel einfacher, indem man dem Zylinder gerade die mittlere Relativgeschwindigkeit als Länge gibt. Die Stoßzahl des einen B-Teilchen mit allen A-Teilchen in der Zeiteinheit erhält man daher aus der Zahl der A-Teilchen in dem Zylinder mit der Länge und dem Radius dAB. Sie beträgt (6.4.11) wobei FAB die in der obigen Abb. durch den gestrichelten Kreis begrenzte Fläche, den Stoßquerschnitt, darstellt. Für die Zahl der Stöße aller A- mit allen B-Teilchen pro Volumen und Zeit gilt daher - 42 (6.4.12) oder (6.4.13) Diese Gleichung findet eine direkte Anwendung bei der Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten. Stoßrate in einem reinen Gas Hier soll die Zahl der Stöße in einem reinen Gas berechnet werden. Diese Stoßrate lässt sich aus der vorhergehenden Berechnung der Stoßrate in einer Mischung gewinnen. Dazu wird die Zahl der BTeilchen im gesamten Volumen auf 1 reduziert, d. h. 1NB = 1/V, und die Zahl der Stöße aller A-Teilchen mit diesem einen B-Teilchen berechnet, indem in Gl. (6.4.13) 1NB durch 1/V ersetzt wird und beide Seiten mit V multipliziert werden. (6.4.14) Obwohl auf der rechten Seite vorne eine Teilchendichte steht, ist Z die Zahl der Stöße im gesamten Volumen. Das erkennt man auch aus der Einheit s-1 der rechten Seite. Jetzt wird diesem einen B-Teilchen die Größe und Masse eines A-Teilchens gegeben. (6.4.15) Jetzt wird die Zahl der Zusammenstöße aller A-Teilchen (statt des einen) mit allen anderen A-Teilchen berechnet (6.4.16) Diese Rechnung enthält aber noch einen Fehler. Sind die stoßenden Teilchen verschieden, wie bei der Rechnung zu Gl. (6.4.13), so sind die Stöße B11/A17 und B17/A11 verschieden und müssen daher auch als zwei Stöße gezählt werden. Für den jetzigen Fall entsprechen aber A11/A17 und A17/A11 einem Stoß, der in Gl. (6.4.16) doppelt gezählt wird. Diese Doppelzählung kommt dadurch zustande, dass jedes ATeilchen einmal als fixiertes, "gestoßenes" Teilchen und einmal als stoßendes Teilchen gerechnet wird. Die Stoßzahl gemäß Gl. (6.4.16) muss daher noch halbiert werden. Weiterhin wird noch durch Division durch das Volumen die Stoßzahl pro Volumen berechnet (6.4.17) 6.5 Mittlere freie Weglänge Die mittlere freie Weglänge ist der Weg, den ein Teilchen im Mittel zwischen zwei Zusammenstößen zurücklegt. Im vorigen Kapitel wurde in Gl. (6.4.15) die Zahl der Zusammenstöße pro Zeit berechnet, die ein Teilchen mit allen anderen erleidet. Die Zeit J zwischen zwei Zusammenstößen ist der Reziprokwert dieser Stoßzahl (6.5.1) Multiplikation mit ergibt den mittleren Weg zwischen zwei Zusammenstößen. Die mittlere freie Weglänge 8m beträgt daher - 43 (6.5.2) Sie ist eine der zentralen Größen der kinetischen Gastheorie. Viele Eigenschaften der Gase und das aerodynamische Verhalten ändern sich drastisch, wenn durch Änderung des Drucks die mittlere freie Weglänge die Gefäßabmessung über- oder unterschreitet. Um eine Vorstellung zu bekommen, bei welchen Drücken dies der Fall ist, soll der Druck berechnet werden, bei dem die mittlere freie Weglänge von Stickstoff bei 25 oC 1 cm erreicht. Aus Gl. (6.5.2) folgt (6.5.3) und daher (6.5.4) wobei für Stickstoff ein Durchmesser von 0,32 nm verwandt wurde, der aus Gasviskositätsmessungen (siehe Tabelle im Kap. 7.2) stammt. Einen Druck von 0,01 mbar erreicht man ohne Schwierigkeiten mit einer Drehschieberpumpe. Bei einem Druck von 1 bar ist die mittlere freie Weglänge um den Faktor 105 kleiner als 1 cm, d. h. sie beträgt etwa 0,1 :m. - 44 - 7 Berechnung der Transportkoeffizienten mit Hilfe der kinetischen Gastheorie 7.1 Diffusionskoeffizienten Wir wollen den Intradiffusionskoeffizienten in einem Gas berechnen, das aus einer Mischung von markierten und unmarkierten Teilchen mit einem Konzentrationsgradienten bestehen möge. Die Markierung sei so erfolgt, dass sie weder die Durchmesser noch die Massen beeinflusst. Zwei UF6Teilchen mit verschiedenen Uranisotopen sind ein gutes Beispiel dafür. Während des Gedankenexperiments wird ein positiver Druckgradient der markierten Teilchen in x-Richtung aufrechterhalten. Der Druckgradient der unmarkierten Teilchen soll das umgekehrte Vorzeichen aufweisen, so dass der Druck überall konstant ist und keine Gasströmung auftritt. Die Beobachtung des Teilchenstroms soll an einer in der yz-Ebene liegenden Fläche mit der Größe A erfolgen. Um die Berechnung einfach zu gestalten, wollen wir wie bei unserem Primitivmodell in Kap. 6.4 bei der Berechnung der Stoßrate auf eine Wand vorgehen: 1/3 der Teilchen soll sich in x-Richtung, d. h. normal zu unserer Fläche, bewegen. In positiver bzw. negativer x-Richtung bewegt sich daher nur 1/6 der Teilchen. Entsprechend Gl. (6.4.7) gilt dann für den Strom markierter Teilchen von einer Seite (7.1.1) Die Diffusion kommt nun dadurch zustande, dass die Dichte 1N* der markierten Teilchen rechts größer als links ist und daher ein Teilchenstrom markierter Teilchen nach links fließt. Welcher Wert der ortsabhängigen Teilchendichte ist in Gl. (7.1.1) zu verwenden? Die Teilchen erleiden Zusammenstöße und fliegen danach im Mittel eine mittlere freie Weglänge vor dem nächsten Zusammenstoß. Es ist daher die Teilchendichte an der Stelle zu verwenden, an der die Teilchen zu ihrem Flug durch die Beobachtungsfläche ansetzen. Eine innerhalb dieses Modells korrekte Rechnung müsste sowohl die unterschiedlichen Startpunkte als auch die Verteilung der freien Weglängen berücksichtigen. Das macht die Rechnung schon etwas kompliziert. Die Teilchendichte an den Startpunkten wird aus der TeilchenAbb. 38 Zum Startpunkt der dichte an der Beobachtungsfläche berechnet: Teilchen (7.1.2) wobei x die Entfernung des Startpunktes von der Beobachtungsebene darstellt. Wir benötigen daher das über alle Startpunkte mit der freien Weglängenverteilung gewichtete mittlere x. Ein erster Ansatz wäre (7.1.3) Dies wäre eine gute Antwort auf die Frage nach dem mittleren x, wenn die Startpunkte gleichverteilt sind und die Wahrscheinlichkeit, die Beobachtungsebene ohne Zusammenstoß zu erreichen, für x zwischen 0 und 8m 1 und bei größeren Werten 0 beträgt. Die Wahrscheinlichkeit, die Beobachtungsebene ohne Zusammenstoß zu erreichen, ist aber eine kontinuierliche Funktion von x (siehe Anhang 20.4.1), die exponentiell mit x kleiner wird und an der Stelle x = 8m immer noch den Wert 1/e aufweist. Das Produkt aus x und der Verteilungsfunktion wird dort sogar maximal. Im Endeffekt tragen so noch Werte x > 8m stark zum Mittelwert bei und es gilt (7.1.4) Ein besseres Argument für diese Wahl gibt es leider ohne Rechnung nicht. Damit wird die Teilchenstromdichte von rechts - 45 - (7.1.5) und von links gilt entsprechend (7.1.6) wobei beide Teilchenströme positiv angesetzt worden sind. Durch Differenzbildung und Division durch die Avogadrosche Konstante findet man die effektive Stoffmengenstromdichte (7.1.7) wobei die Stromdichte jetzt vorzeichenbehaftet ist. Die Gleichung entspricht dem 1. Fickschen Gesetz, dass somit für Gase aus der MGV herleitbar ist. Der Vergleich mit dem 1. Fickschen Gesetz ergibt den Diffusionskoeffizienten (7.1.8) Aufgrund unserer vereinfachenden Annahmen ist nicht zu erwarten, dass diese Gleichung exakt gilt. Wegen des vorzüglichen Ratens bei der "Herleitung" von Gl. (7.1.4) stimmt der Faktor 1/3 mit dem überein, wie man ihn für die mit der Verteilung der freien Weglängen und unter Berücksichtigung der dreidimensionalen Bewegung der Teilchen berechneten Gleichung erhält (siehe Anhang 20.4). Ein Fehler hängt damit zusammen, dass wir implizit angenommen haben, dass die Teilchen sich nach jedem Stoß völlig regellos bewegen. Nur dann darf man die Berechnung der Stoßzahl auf eine Fläche mit Gl. (6.4.7) bzw. (6.4.5) vornehmen. Diese regellose Verteilung der Geschwindigkeiten nach dem Stoß ist jedoch nicht gegeben. Im Mittel haben die Teilchen, welche den rechten Startpunkt erreichen, eine größere Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung als der Durchschnitt. Bei allen streifenden Zusammenstößen wird dann ein Teil dieser größeren x-Komponente beibehalten und man findet einen größeren Teilchentransport durch die Beobachtungsebene, als mit Gl. (6.4.7) bzw. (6.4.5) berechnet wird. Man bezeichnet diesen Effekt als Persistenz der Geschwindigkeiten. Die korrekte Rechnung unter Berücksichtigung der Persistenz ist sehr kompliziert, so dass hier nur das Ergebnis angegeben werden soll. Die exakte Rechnung ergibt für den Selbstdiffusionskoeffizient in verdünnten Gasen aus starren, kugelförmigen Teilchen (7.1.9) d. h. das Ergebnis unserer einfachen Rechnung liegt ganz gut. Zu dem "krummen" Faktor ist zu bemerken, dass er bei der Reihenentwicklung eines Integrals, das in der von Chapman und Enskog erstmalig durchgeführten Rechnung auftritt, entsteht. Das führende Glied dieser Entwicklung liefert 3B/16 = 0,589 und die Mitnahme weiterer Glieder führt dann zu dem in der Gl. angegebenen Wert. Gl. (7.1.9) stimmt gut mit den experimentellen Ergebnissen für kugelförmige Teilchen überein. Bei höheren Temperaturen ist zu berücksichtigen, dass die Teilchen nicht wirklich starr sind, sondern bei hohen Stoßgeschwindigkeiten beim Stoß etwas zusammengedrückt werden. Dies wurde von Sutherland durch eine Korrektur am Stoßquerschnitt berücksichtigt (siehe den entsprechenden Ausdruck bei der Viskositätsberechnung in Kap. 7.2). Schließlich sei noch bemerkt, dass in vielen Lehrbüchern Gl. (6.4.5) oder ähnliches anstelle von (6.4.7) bei der Berechnung des Teilchenstroms in Gl. (7.1.1) verwandt wird. Dies führt zum Faktor 1/2 anstelle von 1/3 in Gl. (7.1.8). Trotz des besseren Ergebnisses ist die entsprechende Herleitung noch "falscher" als die zu Gl. (7.1.8), da bei den schräg durch die Beobachtungsfläche fliegenden Teilchen berücksichtigt werden muss, dass der Teilchendichteunterschied mit cosh kleiner wird. Im Rahmen eines Modells ohne Persistenz ist 1/3 der korrekte Wert, wie im Anhang 20.4 gezeigt wird. - 46 Bisher wurde nur die Selbstdiffusion untersucht. Was ergibt die Theorie für den Interdiffusionskoeffizienten in einer Gasmischung? Bei der Berechnung ist zu berücksichtigen, dass sowohl die mittlere freie Weglänge als auch die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen unterschiedlich sein können. Die Durchrechnung ist daher auch im Primitivmodell aufwändig, so dass hier nur das Ergebnis angegeben wird: (7.1.10) d. h. es ist eine "gekreuzte" Mittelwertbildung der Selbstdiffusionskoeffizienten vorzunehmen. 7.2 Viskositätskoeffizienten Für die Berechnung des Viskositätskoeffizienten eines Gases gehen wir ähnlich wie bei der Berechnung des Diffusionskoeffizienten vor. Das Gas soll in z-Richtung strömen und es soll ein konstanter und positiver Geschwindigkeitsgradient in x-Richtung vorliegen. Wir beobachten die Sprünge von Teilchen durch eine in der yz-Ebene liegende Beobachtungsfläche. Den Teilchenstrom von einer Seite haben wir schon in Gl. (7.1.1) berechnet. Die von rechts durch die Beobachtungsfläche fliegenden Teilchen haben im Mittel eine etwas größere Geschwindigkeit in z-Richtung. Wenn Lo die Strömungsgeschwindigkeit des Gases in der Beobachtungsebene ist, gilt für die zusätzlichen Geschwindigkeiten an den beiden Startpunkten (7.2.1) Der Impulsübertrag beim Sprung eines Teilchens von rechts durch die Beobachtungsebene beträgt im Mittel (7.2.2) Der Impulsstrom für Teilchen von einer Seite beträgt daher (7.2.3) Von der linken Seite kommt der entsprechende negative Impulsübertrag mit umgekehrter Sprungrichtung, d. h. die Impulsströme addieren sich. Für alle Teilchen gilt daher (7.2.4) K ist die Kraft, die auf eine feste Platte der Größe A irgendwo weit links wirkt. Eine Umstellung der Gleichung ergibt (7.2.5) Vergleich mit der Definition des Viskositätskoeffizienten (5.1.1) ergibt (7.2.6) wobei D die Dichte bedeutet. Eine Rechnung unter Berücksichtigung der bereits im vorigen Kapitel diskutierten und weiterer Phänomene führt zu einem größeren Vorfaktor (in erster Näherung findet man 5B/32 = 0,491) (7.2.7) - 47 Wie hängt die Gasviskosität von der Temperatur ab? Dazu führen wir in die vorgehende Gleichung die bereits in der kinetischen Theorie berechneten Größen ein und ersetzen aus praktischen Gründen den Vorfaktor durch 0,5 (7.2.8) oder (7.2.9) Im Gegensatz zur Viskosität von Flüssigkeiten, die exponentiell mit der Temperatur abnimmt, steigt die Gasviskosität mit der Wurzel aus der Temperatur! Bei hohen Temperaturen machen sich Deformationen der Teilchen bei den Stößen bemerkbar, d. h. die effektiven Teilchendurchmesser werden kleiner. Von Sutherland wurde vorgeschlagen, dieses in Form einer temperaturabhängigen Korrektur der Teilchendurchmesser bzw. Stoßquerschnitte zu berücksichtigen: (7.2.10) C wird als Sutherlandsche Konstante bezeichnet. Mit der entsprechend modifizierten Gleichung (7.2.11) kann man die Viskosität von Gasen über sehr weite Temperaturbereiche beschreiben. Die zweite wichtige Aussage von Gl. (7.2.9) ist die, dass die Gasviskosität nicht vom Druck abhängt! Dies wurde von Maxwell vor Durchführung der ersten Messungen vorhergesagt und dann durch die Messungen bestätigt. Die Voraussage dieses unsinnig erscheinenden Ergebnisses war der große Triumph der kinetischen Gastheorie. Diese Unabhängigkeit gilt natürlich nur so lange, wie die mittlere freie Weglänge wesentlich kleiner als die Gefäßdimension ist. Ist das nicht mehr der Fall, so fliegen die Teilchen bei einem Scherexperiment ungehindert durch Zusammenstöße mit anderen Teilchen von einer Platte zur anderen und bewirken so eine lineare Druckabhängigkeit. Die Unabhängigkeit der Viskosität vom Druck kommt gemäß Gl. (7.2.7) dadurch zustande, dass einerseits die Dichte proportional zum Druck ist und andererseits die mittlere freie Weglänge umgekehrt proportional zum Druck ist. Die Viskositäten verschiedener Gase sind sehr ähnlich; sie unterscheiden sich i. a. nur um einen Faktor von höchstens 2. Das hängt damit zusammen, dass sich die Wirkungen von und d 2 teilweise kompensieren. Weiterhin lassen sich sehr große Moleküle bei Raumtemperatur eben nicht in die Gasphase bringen. Gasviskositätsmessungen stellen ein sehr einfaches Verfahren zur Bestimmung von Teilchendurchmessern in der Gasphase dar. Die Auswertung erfolgt mit Gl. (7.2.9). In der folgenden Tabelle sind derartige aus Gasviskositätsmessungen bestimmte Durchmesser Daten gegenübergestellt, die man aus dem van der Waals-Parameter b gemäß Gl. (I 1.3.3.6) findet. - 48 Molekül d/nm aus Gasviskositäten d/nm aus v.d.W.-Parametern b Ar 0,286 0,286 CO 0,380 0,316 CO2 0,460 0,324 Cl2 0,370 0,330 He 0,200 0,248 H2 0,218 0,276 Kr 0,318 0,314 Hg 0,360 0,238 Ne 0,234 0,266 N2 0,316 0,314 O2 0,296 0,290 H2O 0,272 0,288 Für runde Teilchen, z. B. die schwereren Edelgase, ist die Übereinstimmung sehr gut. Vorhersehbare Schwierigkeiten entstehen bei nicht kugelförmigen Teilchen (CO2). Der Fehler beim Quecksilber dürfte durch die teilweise Aggregation in der Gasphase bedingt sein. Die gute Übereinstimmung beim Wasser ist wohl ein Zufall. 7.3 Wärmeleitfähigkeitskoeffizienten Die Berechnung der Wärmeleitfähigkeitskoeffizienten verläuft ganz analog zu den Berechnungen in den beiden vorangehenden Kapiteln. Hier fliegen jetzt die Teilchen aus Bereichen unterschiedlicher Temperaturen durch die Beobachtungsebene. Die Temperaturdifferenz über ihre Flugstrecke beträgt (7.3.1) Bei jedem Sprung fließt daher die Überschusswärme (7.3.2) Als Molwärme ist cL zu benutzen, da die in cp zusätzlich enthaltene Arbeit in Form einer Arbeitsleistung an der Umgebung hier nicht auftritt. Für Teilchen unter Berücksichtigung des Faktors 2 für die von links kommenden findet man (7.3.3) Für den bei einem positiven Temperaturgradienten nach links fließenden Wärmestrom gilt daher (7.3.4) Vergleich mit dem Fourierschen Gesetz (3.1.1) ergibt - 49 (7.3.5) wobei der letzte Teil wegen (7.3.6) gilt. Einführung der spezifischen (massenbezogenen) Wärme (7.3.7) führt schließlich zu (7.3.8) Bei der Wärmeleitung wirkt sich wegen ½mL2 die Persistenz besonders stark aus. Daneben gibt es bei der Berechnung der Viskosität und der Wärmeleitung noch eine Schwierigkeit mit der MGV, die bei Nichtgleichgewichtssystemen nur noch angenähert gilt. Die ein Nichtgleichgewichtssystem beschreibende Gleichung stammt von Boltzmann (Boltzmann-Gleichung). Für die Berechnung der Viskosität und der Wärmeleitung muss diese wesentlich kompliziertere Gleichung herangezogen werden. Sie enthält den Gleichgewichtsfall, d. h. die MGV, als Spezialfall. Die exakte Theorie liefert einen deutlich höheren Vorfaktor (in erster Näherung 25B/64 = 1,227) (7.3.9) Führt man in Gl. (7.3.5) die molekularen Größen ein, so resultiert (7.3.10) Für geringe Wärmeleitfähigkeiten sind daher große Stoßquerschnitte und große Teilchenmassen wichtig. Die Teilchendichte geht & wie bereits bei der Viskosität diskutiert & nicht ein. In Glühlampen und Mehrfachverglasungen versucht man die Wärmeleitung durch Füllung mit möglichst schweren Gasen herabzudrücken. Warum pumpt man Glühlampen und Mehrfachverglasungen nicht aus, bis die mittlere freie Weglänge erheblich größer als die Systemabmessung ist? Bei der Herleitung von Gl. (7.3.8) haben wir in Gl. (7.3.3) angenommen, dass die Größen 1N und auf beiden Seiten der Beobachtungsebene gleich sind. Dies ist an und für sich nicht korrekt, da entsprechend Gl. (6.1.29) (7.3.11) und (7.3.12) gilt, d. h. die Teilchenstromdichte geht mit (7.3.13) und ist für beide Seiten wegen des Temperaturgradienten unterschiedlich. Dies macht jedoch bei der Berechnung der Wärmeleitung nicht viel aus, da sich die Temperaturen an den Startpunkten der Teilchen wegen der kleinen mittleren freien Weglänge kaum unterscheiden. Es entsteht jedoch durch die unterschiedlichen Stromdichten von rechts und links ein Teilchenstrom durch die Beobachtungsflä- - 50 che. Gl. (7.3.13) sagt einen Teilchenstrom zur wärmeren Seite hin voraus. Dies würde dazu führen, dass der Druck auf der wärmeren Seite so lange ansteigt, bis die Teilchenströme wieder gleich sind. Unter Berücksichtigung des dann variablen Drucks findet man an Stelle von Gl. (7.3.13) (7.3.14) Das würde bedeuten, dass in einem Gas mit 200 K auf der einen Seite und 400 K auf der anderen Seite sich Drücke von z. B. 1 bar und 1,414 bar aufbauen würden. Natürlich würde dieser Druckunterschied durch eine Gasströmung zunichte gemacht. Das Gedankenexperiment zeigt jedoch, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Der Fehler liegt in der Benutzung der MGV, die für Systeme mit Gradienten in der Temperatur nur noch eine Näherung darstellt. Die korrekte Berechnung hätte mit der bereits erwähnten Boltzmann-Gleichung durchgeführt werden müssen, die diesen Effekt auch nicht voraussagt. Schließlich sollen die drei berechneten Transportkoeffizienten noch einmal zum Vergleich zusammengestellt werden. Prozess transportierte Größe TransportKoeffizient Vorfaktor nach der korrekten Theorie Diffusion Teilchen 0,599 Viskosität Impuls 0,499 Wärmeleitung Innere Energie 1,26 Man erkennt in den Gleichungen für die Transportkoeffizienten die zu transportierenden Größen wieder. Bei der Diffusion (Teilchenfluss) ist die Geschwindigkeit die wichtige Größe, beim Impuls muss noch mit der Dichte multipliziert werden und bei der Wärmeleitfähigkeit mit der spezifischen Wärme. Die Theorie liefert auch Zusammenhänge zwischen den Koeffizienten, z. B. (7.3.15) die & wenn man noch die besseren Vorfaktoren berücksichtigt & sehr gut stimmen, da sich einige Fehler der Modelle herausheben. Gl. (7.3.15) erlaubt, die relativ schwer zugänglichen Diffusionskoeffizienten aus den einfacher erhältlichen und meistens tabellierten Viskositätskoeffizienten zu berechnen.