Bodenkunde Skript zur Vorlesung Bodenkunde von Prof. Dr. D. Burger Universität Karlsruhe IfGG Stand: 2005 Das vorliegende Skript behandelt speziell die Themen, die in der oben genannten Vorlesung von Prof. Burger behandelt werden. Es handelt sich keinesfalls um ein allgemein umfassendes Werk der Bodenkunde. Zur Vertiefung und zum weiterführenden Studium sei auf die Literaturliste im Anhang verwiesen. Ansonsten viel Erfolg beim Studium. Der Verfasser (Stand: 2005) Einleitung Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Definitionen Boden: • ist die hauchdünne Decke der Erdkruste auf der Menschen, Tiere und Pflanzen leben • ist ein Umwandlungsprodukt der Lithosphäre und organischer Stoffe • steht unter dem Einfluss von Atmosphäre, Relief, Organismen, Zeit und Menschen • bildet die Pedosphäre als Nahtstelle zwischen Atmosphäre und Lithosphäre • gibt als Naturkörper Zeugnis von abgelaufenen Prozessen • erfüllt verschiedene Funktionen im Soffkreislauf der Ökosystem 1.2 Bodengenese Der Boden ist eine Funktion von • Ausgangsgestein (G) • Klima (K) • Relief (R) • Organismen (O) • Zeit (Z) • Mensch (M) B = f (G, K, R, O, Z, M ) 1.3 Bodenfunktionen Der Boden erfüllt verschiedene Funktionen im Stoffkreislauf der Ökosysteme (s. auch Kapitel 3: Physikalische Prozesse) Abbildung 1: Position des Bodens im Stoffkreislauf der Ökosysteme 1.4 Der Gesteinskreislauf Durch Ablagerung, Transport, Abtrag und Verwitterung von Bestandteilen anderer Gesteine entstehen Sedimentgesteine. Metamorphite entstehen durch Umwandlung von Primärgesteinen, z.B. durch Aufschmelzen infolge von Absenkung. Abbildung 2: Kreislauf der Lithosphäre, Scheffer/Schachtschnabel Abb.2.1-1 1.5 Die Gesteinsarten Magmatische Gesteine: Aufsteigende Gesteinsschmelze (Magma) kühlt ab, Kristallisation der einzelnen Minerale setzt in Abhängigkeit der Temperatur ein. Die Abkühlungsgeschwindigkeit bestimmt dabei die Art der Gefügebildung. • Plutonite; grobkörniges, phaneritisches Gefüge entsteht durch langsames Auskühlen von in die Kruste indrudiertem Magma (z.B. Granit, Diorit, Gabbro) • Vulkanite; feinkörniges bis glasiges Gefüge entsteht durch schnelles oder schockartiges Auskühlen von oberflächlich ausgetretenem Magma (Ergußgestein) bzw. eruptiv herausgeschleudertem Magma (Eruptivgestein) (z.B. Rhyolit, Basalt, Obsidian) Sedimentgesteine: Bildung aus Verwitterungsprodukten älterer Gesteine und/oder durch biogen-chemische Ablagerung • Terrigene (klastische) Sedimente; Akkumulation und Verfestigung von Gesteinsbruchstücken und bei Verwitterung neu gebildeter Minerale. Je nach Korngröße werden Psephite, Psammite und Pelite unterschieden. (Konglomerate, Brekkzien, Sandsteine, Silt-/ Tonsteine) • Chemisch-biogene Sedimente; Ansammlung organogener Bestandteile, wie Muschelschalen, und/oder chemische Ausfällungen, wie Salze aus wässriger Lösung (z.B. Kalkstein, Evaporite) Metamorphe Gesteine: Umwandlung von magmatischen (Orthogesteine) oder metamorphen Ausgangsgesteinen (Paragesteine) durch sich ändernde physikalisch-chemische Zustandsbedingungen. Daraus folgen Änderungen im Gefüge und/oder Mineralbestand (z.B. Gneis, Schiefer). 1.6 Minerale Minerale sind natürliche anorganische kristalline Festkörper, deren chemische Bausteine in regelmäßigen Gittern angeordnet sind. Kleinste diagnostische Einheit bildet die Elementarzelle. Die Hauptkomponenten der häufigsten Minerale sind: Al3+ , Fe2+ , Fe3+ , Ca2+ , Mg2+ , Na+ , K+ , H+ . Sauerstoff nimmt 47 Massenprozent und 88 Volumenprozent der Erdkruste ein. Die häufigste Verbindung bildet Si-O in Silikaten. Aufgrund der Häufigkeit von Silicium und Sauerstoff in der Erdkruste bildet die Gruppe der Silikate die wichtigsten Primärminerale an der Erdoberfläche. Die chemische Grundeinheit bildet der Abbildung 3: Der Siliziumtetraeder, Bahlburg/Breitkreuz 1998, S.22 SiO4 -Tertaeder, die Verknüpfung erfolgt über Sauerstoff-Atome. In Gesteinen haben Minerale unterschiedliche Ausprägungen. Idiomorphe Minerale haben eine ideale Kristallform entsprechend des inneren atomaren Aufbaus (z.B. Pyrit, FeS2 ). Xenomorphe Minerale sind unregelmäßig ausgebildet durch Behinderung während des Wachstums. Abbildung 4: Ausprägung von Mineralien in Gesteinen A: Magmatite (gut ausgebildete Mineralien) B: Sedimentgesteine (gerundete Mineralien) C: Metamorphite (unter Druck eingeregelte Mineralien) Mitchell 1978 (Bd.2), S.18 2 Verwitterung Verwitterung bedeutet die Veränderung der Gesteine und Minerale durch Kontakt mit Atmosphäre, Hydrosphäre und/oder Biosphäre. Sie ist ein Teilprozess der Bodenbildung (Pedogenese)und lässt sich in chemische, physikalische und biologische Prozesse unterteilen. Die Gesteinszerkleinerung durch endogene und exogene Kräfte ist keine Verwitterung! 2.1 Physikalische Verwitterung Die physikalische Verwitterung dominiert in Gebieten mit wenig Wasser, wenig Vegetation und/oder ausgeprägten Temperaturschwankungen. Dies sind z.B. Regionen mit Permafrost, Tundra, Wüsten und Hochgebirgen. Tiefengesteine (grobkörnig, z.B. Granit) sind anfälliger für physikalische Verwitterung als Ergussgesteine. Die physikalische Verwitterung kann Gestein bis zur Korngröße Schluff zerkleinern. 2.1.1 Frostsprengung Gesteinszertrümmerung erfolgt durch die Volumenzunahme von Kluftwasser beim Übergang von Wasser zu Eis. Dies kann bei Temperaturen bis -22 ◦ C erfolgen. Es werden Drücke bis 220 MPa erreicht. Die Vorraussetzung für Frostsprengung ist klüftiges Gestein. Intensivste Frostsprengung findet in tropischen Hochgebirgen statt. Große Temperaturschwankungen führen hier zu täglichem Auftauen und Gefrieren (vgl. Permafrostgebiete). 2.1.2 Temperatursprengung Gesteinszertrümmerung erfolgt durch den Einfluss starker Temperaturschwankungen in hohen Temperaturbereichen, v.a. in Wärmewüsten. Faktoren, welche bei der Temperatursprengung eine Rolle spielen sind - Häufigkeit und Amplitude der Temperaturänderung - Mineralgröße und Mineralfarbe - Kristallsymmetrie - Gesteinsgröße - Rauhigkeit der Oberfläche - Exposition Die Ausdehnung von 20◦ C auf 50◦ C ist je nach Gestein unterschiedlich: - Granit Sandstein Basalt Kalkstein > > > > 0,6 mm 0,6 mm 0,25 mm 0,2 mm Die Wärmeleitung beträgt ca. 3 cm / h. Man unterscheidet zwei Mechanismen der Temperatursprengung: • Insolation: Verschiedene Ausdehnungskoeffizienten der einzelnen Minerale führen zur Gefügetrennung. Das feinkörnige Material, das erzeugt wird, nennt man Grus. Da große Mineralkörner mit unterschiedlichen Farben (z.B. Quarz und Biotit im Granit) die Grusbildung begünstigen, findet Insolation vorwiegend in Tiefengesteinen statt. • Desquamation: Ausdehnung von Gesteinen durch Erwärmung bzw. Schrumpfung durch Abkühlung führt zum schalenartigen abplatzen einzelner Schichten. Desquamation findet in Böden bis 50 cm Tiefe statt und erzeugt Druckunterschiede bis zu 50 MPa, infolgedessen erhebliche Druck- und Zugspannungen entstehen. 2.1.3 Salzsprengung Vor allem in ariden Gebieten mit hohen Verdunstungsraten (Randwüsten), fallen Salze (Kristallwachstum) aus salzhaltigen Kluftwässern aus. Sie erzeugen kantigen Grobschutt und führen zur Absprengung von Schalen, Körnern und zur Zerteilung von Schichtsilikaten. Die Faktoren, die bei der Salzsprengung eine Rolle spielen sind: - Der Wechsel von Austrocknung und Befeuchtung (Tau, Regen) - Körnung und Klüftung des Gesteins Folgende Einzelprozesse finden statt: - Thermische Expansion - Hydratation CaSO4 (Anhydrit) + 2H2 O −→ CaSO4 (Gips) ∗ 2H2 O - Volumenzunahme von bis zu 60% - Druckzunahme bis 110 MPa - Kristallwachstum KAl(SO4 )2 ∗ 12H2 O 2.1.4 (Alaun) Wurzelsprengung Die Gesteinssprengung erfolgt durch Pflanzenwurzelwachstum. Dabei entstehen Drücke von 1-1,5 MPa. Da die Sprengung durch Pflanzen erfolgt, wird sie manchmal auch als biogene Verwitterung bezeichnet. 2.2 Chemische Verwitterung Das wichtigste Medium jeglicher chemischer Verwitterung ist das Wasser. Die Ursache dafür liegt in der Eigendissoziation der Wassermoleküle. Durch Neubildung von Sekundärstrukturen“ wird die Korngröße Ton“ er” ” zeugt. Die chemische Verwitterung silikatischer Minerale und die Bereitstellung der Verwitterungsprodukte ist die Vorraussetzung für die Genese von Tonmineralen. Im Vergleich mit anderen Mineralen scheinen die Silikate zu den beständigsten und stabilsten Strukturen zu gehören. Dies hängt mit der hohen Stabilität der Si-O-Si-Bindungen und der schlechten Mobilisierbarkeit des Siliziums zusammen. Es ergibt sich folgende Stabilitätsreihe: Chloride > Sulfate > Carbonate > Silikate Da die Minerale unterschiedliche Stabilitäten gegenüber der chemischen Verwitterung aufweisen, kommt es zum sequentiellen Ablauf der Bodenbildung: 1. Salzauswaschung 2. Entkalkung 3. Silicatverwitterung (Verbraunung) Chemische Reaktionen werden gesteuert durch: • Mineraloberflächen - spezfische Oberfläche - physikalische Verwitterung • Temperatur - Je höher die Temperatur, desto mehr chemische Verwitterung; Ausnahme: Carbonate! - Bildung von Ionen • Verhinderung des Reaktionsgleichgewichts durch die Entfernung der Ionen aus der Bodenlösung durch - Auswaschung durch Massenfluss, Diffusion - Entzug durch Pflanzen - Mineralneubildung (= Fällung) von Oxiden, Silicaten, Carbonaten und Sulfaten Die Einzelprozesse sind Hydratisierung, Hydrolyse und Protolyse und Oxidation. 2.2.1 Hydratisierung (Lösungsverwitterung) Aufgrund ihres Dipolcharakters lagern sich H2 O-Moleküle an Ionen an. Dabei wird Hydratisierungsenergie frei. Die H2 O-Moleküle dringen in das Kristallgitter ein, bilden Ionen mit Hydrathüllen und lösen Ionen aus dem Kristallgitter. Besonders in den Tropen liegt starke Lösungsverwitterung vor. Die wichtigsten Vorgänge sind die Karbonatauflösung durch Kohlensäure und die Pufferung. • Karbonatauflösung durch Kohlensäure Schon Niederschlagwasser enthält CO2 . Im Boden erhöht das Bodenleben, (Edaphon, Wurzelatmung), den CO2 -Gehalt in der Bodenlösung, sodass besonders auch unter Bodenbedeckung die Auflösung von Kalkstein (Verkarstung) voranschreitet. H2 CO3 −→ H + + HCO3− −→ Ca2+ +2HCO3− −→ Ca(HCO3 )2 CO2 (g) + H2 O −→ CaCO3 +H + +HCO3− Die CaCO3 -Löslichkeit steigt mit dem CO2 -Partialdruck an. Dieser ist im Ah hoch und nimmt zur Tiefe hin ab. Ausserdem steigt die CaCO3 Löslichkeit bei gleichem CO2 -Partialdruck mit abnehmender Temperatur. Die Karbonatfällung erfolgt danach also bei Temperaturanstieg oder bei Abnahme des pCO2 . Es bilden sich ein Anreicherungshorizont, CaCO3 -Krusten oder -Konkretionen, oder als sogenannte Lößkindeln. • Neutralisation von Säuren durch CaCO3 (Pufferung) – Säurebildung (z.B.): N - Eiweiß −→ N H4 −→ HN O3 −→ H + N O3− – Neutralisation von H + N O3 : CaCO3 + 2H + N O3 −→ Ca2+ + 2N O3− + H2 CO3 – Neutralisation von H2 CO3 : H2 CO3 −→ H2 O + CO2 H2 CO3 −→ Ca(HCO3 )2 (Temperatur, pCO2 ) oder • Wirkung von Säuren auf Silikate: −→ CaAl2 Si2 O8 + H2 CO3 (Anorthit) CaCO3 + H2 CO3 H2 Al2 Si2 O8 + 6H2 O (Gibbsit) 2.2.2 −→ CaCO3 + H2 Al2 Si2 O8 Ca(HCO3 )2 −→ 2Al(OH)3 + 2H4 SiO4 (Kieselsäure) Hydrolyse und Protolyse • Hydrolyse Hydrolyse bezeichnet die Auflösung durch Reaktion der Minerale bzw. deren Ionen mit dissoziierten H2 O-Molekülen (bei der Hydratisierung lagern sich die H2 O-Moleküle nur an). Bei der Silikatverwitterung lagern sich die OH − - und die H + -Ionen an die O-Brücken zwischen den Metallen und Si an. Diese werden dadurch aufgebrochen. Beispiele für Hydrolysereaktionen: Feldspat: −Si−O−Al− + H + OH − −→ −Si−O−H + H −O−Al + K + Orthoklas: 1. KAlSi3 O8 + H + OH − −→ HAlSi3 O8 + K + + OH − (fest) (Lösung) ⇒ pH-Anstieg 2. 2HAlSi3 O8 + 9H2 O −→ Al2 Si2 O5 (OH)4 + 4H4 SiO4 (Kaolinit) (Kieselsäure) ⇒ Desilifizierung 3. Al2 Si2 O5 + 5H2 O −→ 2Al(OH)3 + 2H4 SiO4 (Gibbsit) (Kieselsäure) • Protolyse Protolyse ist die Umbildung oder Auflösung der Minerale durch Säureangriff, also H+ - Ionen. Die Herkunft der H+ - Ionen ist vielseitig. - Atmung von Wurzeln, Mikroorganismen - Eintrag aus der Atmosphäre durch CO2 CO2 (g) + H2 O −→ H2 CO3 −→ H + + HCO3− - Immissionen −→ SO2 −→ H2 SO3 −→ H2 SO4 −→ 2H + + SO42− - Oxidationsprozesse, z.B durch S im Eiweiß oder Dünger −→ H2 SO4 −→ 2H + + SO42− N H4 −Dünger −→ HN O3 −→ H + + N O3− - Wurzelausscheidungen Ca2+ - Aufnahme −→ 2H + - Abgabe N H4+ - Aufnahme −→ H + - Abgabe - Humifizierung Bildung org. Säuren −→ −COO− + H + 2.2.3 Oxidation In Anwesenheit von O2 erfolgt die chemische und mikrobielle Oxidation von F e2+ , M n2+ und/oder S unter Bildung von - F e3+ −, M n3+ −, M n4+ -Oxiden und -Hydroxiden, bzw. - SO4 -haltigen Verbindungen Beispiele: - Oxidation eines Augits: 4CaF eSi2 O6 + O2 + 4H2 CO3 + 6H2 O −→ 4CaCO3 + 4F eOOH + 8H2 SiO3 - Oxidation des Pyrit: 4F eS2 + 15O2 + 10H2 O −→ 4F eOOH + 8H2 SO4 2.3 Steuernde Größen zur Verwitterungsresistenz von Gesteinen - Kluftdichte - Spaltbarkeit, Schichtung und Schieferung: je vollkommener, desto leichter verwitterbar - Wasserlöslichkeit: je höher, desto leichter verwitterbar - Chloride > Sulfate > Carbonate > primäre Silikate > Sulfide, Oxide - Isomorpher Ersatz: je mehr Si durch Al ersetzt ist, desto instabiler ist das - Mineral/Gestein, da Al größer ist als Si und daher schlechter in die Tetraederlücken passt. - Gehalt oxidierbarer Metallionen (Fe2+ , Mn2+ ): je höher, desto instabiler. FeS2 ist z.B. sehr instabil, obwohl sehr schwer löslich. - Kristallstrukturell: xenomorph ist instabiler als idiomorph (Basalte sind zwar flachgründig verwittert, dafür aber intensiv chemisch verändert. Granite sind tiefgründig verwittert, dafür sind die Primärminerale aber weitgehend erhalten). Der Verwitterungsgrad ist anhand von Leitmineralen erfassbar (Stabilitätsreihe): - schwach: Gips, Calcit, Olivin - mäßig: Biotit, Illit, Smectit - stark: Chlorit, Kaolinit - sehr stark: Gibbsit, Hämatit, Goethit, Anatas (TiO2 ) Der Zusammenhang von Verwitterung und Klima wird in folgendem Schaubild dargestellt: Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Verwitterung und Klima