Rest-DNA | | | | | | |||| Food Safety in Lebensmitteln Eine Kontamination aus GVO im Fokus neuer Regulierungen Unser Autor: Philipp Hauri GeneScan [email protected] Biotechnologie im Lebens& Futtermittelbereich Wenn über gentechnisch veränderte Organismen (GVO) diskutiert wird, stehen meist gentechnisch veränderte Nutzpflanzen im Fokus der Aufmerksamkeit. GVO werden jedoch auch in der biologischen und medizinischen 8 04/12 � FOOD-Lab Forschung, der pharmazeutischen und der chemischen Industrie eingesetzt. Gentechnisch veränderte Organismen gibt es von Viren über Bakterien und Pilze bis hin zu Pflanzen und Tieren. Im Fall von Mikroorganismen spricht man auch von gentechnisch modifizierten Mikroorganismen (GMM). Gentechnik ist auch bei der Herstellung von Zusatzstoffen, Vitaminen und Enzymen für die Lebensmittel- und Futtermittelindustrie weit verbreitet. Bakterien und Pilze wie z. B. Hefen produzieren vielfach von Natur aus Substanzen wie Vitamine oder Aminosäuren, die in Lebens- und Futtermitteln Anwendung finden. Durch gentechnische Veränderung dieser Mikroorganismen kann die Ausbeute gesteigert werden, oder auch ein neues Produkt, z. B. ein Enzym, hergestellt werden. Die biotechnologische Erzeugung von Zusatzstoffen, Vitaminen und Enzymen in geschlossenen Fermentern durch GMM ist vielfach gängige Praxis. Vitamin C beispielsweise wurde chemisch hergestellt, bis Anfang der 1990er Jahre ein effizientes biosynthetisches Verfahren mittels GMM eingeführt wurde. Häufig verwendete Aminosäuren in Lebensmitteln sind Glutamat und Tryptophan. In Futtermitteln ist Lysin als Zusatz weit verbreitet. Auch hier ließ die effizientere Produktion durch GMM die chemische Synthese weitgehend verschwinden und führte zu einem Anstieg der Nachfrage um das 5-fache in den letzten 20 Jahren: Rund 1,5 Mio t Glutamat und 700.000 t Lysin wurden 2005 biotechnologisch hergestellt1, 2. Wichtige Enzyme aus GMM sind Amylasen, die Stärke spalten können und die chemische Hydrolyse von Stärke weitgehend verdrängt haben, sowie Transglutaminasen, die die Verbesserung der Textur in Milchprodukten, Backwaren und Fleisch ermöglichen. Regulierung von GMMProdukten in der EU Die EU hat vor knapp zehn Jahren mit der GVO-Verordnung (EG) 1829/2003 nicht nur gentechnisch veränderte Pflanzen in Lebens- und Futtermitteln reguliert, sondern alle GVO, die sich in Lebens- und Futtermitteln befinden. Die von der Verordnung betroffenen GVO sind zulassungspflichtig, unter anderem muss während des Zulassungsverfahrens eine Risikobewertung des GVO und der Produkte erfolgen. Die Verordnung (EG) 1829/2003 enthält in Abschnitt 16 folgende Einschränkung: „Diese Verordnung sollte Lebensmittel und Futtermittel abdecken, die „aus“ einem GVO, jedoch nicht solche, die „mit“ einem GVO hergestellt sind. Entscheidend dabei ist, ob das Lebensmittel oder Futtermittel einen aus dem genetisch veränderten Ausgangsmaterial hergestellten Stoff enthält. Technische Hilfsstoffe, die nur während der Herstellung des Lebensmittels oder Futtermittels verwendet werden, entsprechen nicht der Definition der Lebensmittel oder Futtermittel und fallen daher auch nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung. Ebenso fallen Lebensmittel und Futtermittel, die mithilfe eines genetisch veränderten technischen Hilfsstoffes hergestellt wurden, nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung.“ In der Praxis fallen aus GMM aufgereinigte und im Lebens- und Futter- mittelbereich verwendete Substanzen nicht unter diese Verordnung. Biotechnologisch hergestellte Enzyme, Aminosäuren, Vitamine und Aromen, die als Zusatzstoffe oder Nahrungsergänzungsmittel Verwendung finden, konnten DNA aus den GMM enthalten, darunter auch die gentechnische Veränderung, ohne dass der Nachweis dieser DNA in den Zulassungsverfahren klar geregelt wurde. Die EFSA (European Food Safety Authority = Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde) publizierte eine Richtlinie in 2006, die Vorgaben zur Risikoabschätzung von GMM und den aus GMM gewonnen Produkten zum Einsatz in Lebens- und Futtermitteln enthielt 3. Diese Richtlinie behandelt alle unter Verwendung von GMM hergestellten Lebens- und Futtermittel, auch wenn diese nicht durch die Verordnung (EG) 1829/2003 abgedeckt sind. Ein einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelenzyme, Lebensmittelzusatzstoffe und Aromen wurde mit der Verordnung (EG) 1331/2008 festgelegt, die Anfang 2009 in Kraft trat. Mit der Durchführungsverordnung (EG) 234/2011 wurde ab 11. September 2011 das entsprechende Zulassungsverfahren eingeführt. Für Produkte, die sich bereits in der EU auf dem Markt befinden, muss innerhalb von 2 Jahren eine Zulassung beantragt werden. Neue Produkte dürfen nur vermarktet werden, wenn diese von der EFSA zugelassen wurden. Die Richtlinien der EFSA adressieren neben der Toxikologie und dem allergenen Potential des Produkts auch das Risiko eines horizontalen Gentransfers von Rest-DNA auf den Konsumenten oder im Darm lebende Mikroorganismen 4. In diesem Kontext spielt die Rest-DNA Analytik eine entscheidende Rolle. Rest-DNA Analytik zur Zulassung Um die Anforderungen an ein wissenschaftliches Dossier für die Zulassung von durch GMM hergestellten Produkten zu präzisieren, hat die EFSA eine Richtlinie erarbeitet. Für alle Produkte, die aus GMM aufgereinigt werden und keine lebenden Mikroorganismen enthalten, muss gezeigt werden, dass die rekombinante DNA des GMM entfernt wurde. Die Richtlinie gibt auch die Anforderungen an die Methode und Validierung vor: • D ie gesamte im Produkt enthaltene DNA sollte extrahiert werden. Um die Effizienz der Lyse zu bestätigen, sollen intakte Zellen des GMM vor der Lyse in verschiedenen Konzentrationen als Positivkontrolle hinzugefügt werden. • D ie Bestimmung der Nachweisgrenze der Methode soll durch Zugabe von Kontroll-DNA zu der Probe vor der DNA Extraktion erfolgen. • Das Vorhandensein von DNA soll mittels Polymerase Kettenreaktion (Polymerase Chain Reaction = PCR) überprüft werden. 04/12 � FOOD-Lab 9 forderungen an die angewandte DNA Extraktionsmethode. Die Entwicklung und Validierung von Test-Systemen zur Rest-DNA Analytik, gemäß der gestellten Zulassungs-Anforderungen, verlangt daher umfassende Erfahrung in der DNA Extraktion sowie in der nachfolgenden PCR-Analytik. Zudem stellt die Durchführung dieser sensitiven Analytik spezielle Anforderungen an das Labor, wie zum Beispiel räumlich getrennte Bereiche (prä- und post-PCR), um Kreuzkontamination zu verhindern. Spezialisierte Dienstleister können durch ihre Erfahrung auf diesen Gebieten daher den Zulassungsprozess deutlich vereinfachen. Prinzipieller Ablauf einer PCR-Analyse mit zwei Zyklen Ausblick •D ie Wiederholbarkeit, die Effizienz und die Sensitivität der Detektionsmethode soll dokumentiert werden. • Positive und negative Kontrollen müssen vorhanden sein, um das Funktionieren der PCR und die Abwesenheit von Inhibition zu bestätigen. • Die Zielsequenz muss mindestens ein funktionales Gen enthalten. Weil DNA-Abbau sequenzabhängig sein kann, sollten alle funktionalen Gene, wenn sie bedenklich sind, z. B. Antibiotikaresistenz-Gene, Virulenzgene, Gene, die toxische Komponenten kodieren, spezifisch getestet werden. In dieser Richtlinie der EFSA wird die PCR als Methode für die Rest-DNA Analytik rekombinanter DNA genannt. Unter PCR versteht man ein molekularbiologisches Verfahren, mit dem bestimmte Abschnitte eines DNA-Moleküls selektiv und in mehreren Zyklen multipliziert werden. Während jedes Reaktionszyklus findet eine Verdoppelung dieser Sequenzabschnitte statt, was zu einer exponentiellen Vermehrung führt. Bei der real-time PCR wird Die spezifische Regulierung von Substanzen aus GMM wird auch außerhalb der EU vervollständigt. Eine Orientierung an schon vorhandenen Regulierungen wird erwartet. Die US Food and Drug Administration (FDA) verlangt das Testen auf Rest-DNA, wenn Antibiotikaresistenzgene und andere potentiell gefährliche Sequenzen im GMM vorhanden sind 5. Die WHO (World Health Organisation) und FAO (Food and Agriculture Organisation) haben noch keine Empfehlungen in den Codex Alimentarius eingearbeitet, die sich auf aus GMM aufgereinigte Produkte beziehen. Empfehlungen zu Enzymen und anderen Stoffen sind in Arbeit 6, 7. In der EU wurde die Zulassung auch für Produkte präzisiert, die durch GMM hergestellt werden. Für diese Produkte sind nun Zulassungsverfahren etabliert. Die EFSA erwartet in den nächsten zwei Jahren hunderte von wissenschaftlichen Dossiers aus dem Bereich der Lebensmittelenzyme, -zusatzstoffe und -aromen. die Vervielfältigung der Sequenzabschnitte mittels Fluoreszenzmessung nach jedem Verdopplungszyklus in Echtzeit bestimmt, daher auch „realtime“ PCR. Da die Fluoreszenz proportional zur Menge der Sequenzabschnitte zunimmt, kann durch Vergleich der Fluoreszenzkurven einer unbekannten Probe mit den Fluoreszenzkurven einer Standardreihe die ursprüngliche Anzahl an Sequenzabschnitten quantitativ bestimmt werden. Da die Richtlinie der EFSA einen spezifischen Nachweis der rekombinanten DNA verlangt, ist die Entwicklung von leistungsfähigen PCR Methoden zur Rest-DNA Analytik notwendig. An erster Stelle der Rest-DNA Analytik, der PCR vorangestellt, steht die Extraktion der DNA aus der Probe. Bei der DNA-Extraktion ist nicht nur die Extraktionseffizienz wichtig, sondern auch die Abwesenheit von sogenannten PCR Inhibitoren, also Stoffe welche die folgende PCR stören. Dies stellt vor allem bei komplexen Probentypen, wie formulierten Endprodukten, hohe An- Leuchtenberger, 2005, Appl Microbiol Biotechnol Biotechnological production of amino acids and derivatives:current status and prospects 2 BMBF, 2008, Weiße Biotechnologie 3 EFSA, 2006, guidance document of the scientific panel on genetically modified organisms for the risk assessment of genetically modified microorganisms and their derived products intended for food and feed use 4 EFSA Journal 2011;9(6):2193, Guidance on the risk assessment of genetically modified microorganisms and their products intended for food and feed use 5 FDA, 2010, Guidance for Industry: Enzyme Preparations: Recommendations for Submission of Chemical and Technological Data for Food Additive Petitions and GRAS Notices 6 WHO, 2005, Modern food biotechnology, human health and development: an evidence-based study 7 Joint FAO/WHO Expert Consultation, 2001, Safety assessment of foods derived from genetically modified microorganisms 1 10 04/12 � FOOD-Lab