Hintergrundinformationen zur Radioaktivität

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Hintergrundinformationen zur Radioaktivität
24/10/2013, NAS
1. Begriff
Mit Radioaktivität wird die Eigenschaft instabiler Atomkerne, sich spontan in andere
Atomkerne umzuwandeln und dabei ionisierende Strahlung auszusenden, bezeichnet. Dieser
Umwandlungsprozess wird auch als radioaktiver Zerfall oder Kernzerfall bezeichnet. Atome
mit instabilen Kernen werden auch als Radionuklide bezeichnet.
2. Strahlungsquellen
Radionuklide entstehen natürlich und künstlich. Eine natürliche Strahlungsquellen ist die
kosmische Strahlung, welche vom Weltall auf die Erde gelangt. Eine weitere natürliche
Strahlungsquelle sind die natürlichen Radionuklide in den Böden und Gesteinen der Erdkruste
(terrestrische Strahlung). Aus dem Boden gelangen die natürlichen Radionuklide in Wasser,
Pflanzen und Tiere. Somit enthalten alle Nahrungsmittel geringe Konzentrationen natürlicher
Radionuklide, wobei Kalium-40 (40K) das häufigste radioaktive Element ist.
Zu den künstlichen Strahlungsquellen zählen z.B. Röntgenstrahlen in der Medizin,
elektromagnetische Strahlen, die Gewinnung und Verbrennung von Kohle oder das
Tabakrauchen. Ein weiterer Teil der künstlichen Strahlenexposition ist auf kerntechnische
Anlagen wie beispielsweise Kernkraftwerke zurückzuführen. Während die Strahlenbelastung
von Kernkraftwerken bei Normalbetrieb sehr gering ist, kann diese bei Unfällen stark
ansteigen. Auch der Einsatz von Uranmunition in Kriegsgebieten kann lokal zu hoher
Strahlenexposition führen.
2.1.
Reaktorunfälle
Von den beim Tschernobyl-Unfall freigesetzten radioaktiven Stoffen ist in vielen Ländern nur
noch das radioaktive Cäsiumisotop-137 (Cs-137) messbar. Am stärksten betroffen davon sind
die Gebiete der nördlichen Ukraine, Weissrussland und der Westen Russlands. In Europa
wurden die Radionuklide in drei Wolken verteilt. Die erste Wolke zog über Polen nach
Skandinavien, die zweite über die Slowakei, Tschechien und Österreich nach Deutschland, die
dritte erreichte Rumänien, Bulgarien, Griechenland und die Türkei. Je nach regionalen
Regenfällen wurde der Boden in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark kontaminiert.
Auch in Fukushima ist mit 36 PBq (= 36 x 1015 Bq) eine grosse Menge radioaktives Cs-137
ausgetreten (entspricht ca. 42 % der Menge von Tschernobyl). Davon sind schätzungsweise 79
% in den Nord-Pazifik gelangt, wo es aufgrund der grossen Wassermassen stark verdünnt
wurden, 19% trafen Japan und 2 % verteilte sich auf die anderen Kontinente (v.a. Amerika).
Neben dem Cs-137 traten auch grosse Mengen an radioaktivem Jod-131 aus. Dieses hat
jedoch im Vergleich zu Cs-137 eine sehr kurze Halbwertszeit (Die Halbwertszeit von Jod-131
beträgt 8 Tage, diejenige von Cs-137 ca. 30 Jahre). Aus diesem Grund befassen sich die
nachfolgenden Abschnitte lediglich mit Cäsium (Cs), v.a. Cs-137.
2.1.1. Cäsium im Boden
Frisch auf dem Boden abgelagerte Radionuklide werden durch Niederschläge in tiefere
Schichten gespült. In einem ungestörten Boden beträgt die Eindringtiefe einige Zentimeter. Wie
tief die Radioaktivität wandert hängt jedoch von der Bodenbeschaffenheit und den chemischphysikalischen Eigenschaften der Radionuklide ab. In mineralischen Böden sind die CäsiumIonen fest an Tonminerale gebunden, daher wandert Cs-137 in tonhaltigen Böden langsamer
als in tonarmen. In Böden mit hohem organischem Anteil wird Cs-137 durch mikrobiologische
Aktivität gebunden. Die Ionen werden hier v.a. durch das weit verbreitete Wurzelgeflecht der
Pilze gespeichert und transportiert. Im Allgemeinen wandern Radionuklide in Böden jedoch
sehr langsam.
Die Aufnahme von Cäsium in Pflanzen hängt von verschiedenen Faktoren wie
Bodenstruktur, Bodenporosität, pH-Wert, Bodenfeuchtigkeit und Aktivität der Mikroorganismen
ab.
In Waldböden befindet sich der gesamte Eintrag der radioaktiven Kontamination im
humosen Mineralboden, insbesondere in der oberen Humusauflage des Waldbodens. Diese ist
nährstoffarm und sauer, was Schadstoffen wie Cäsium eine hohe Mobilität verleiht, d.h. es
kann von Pflanzen relativ schnell aufgenommen werden. Zum anderen kommt es mit Ästen,
Nadel- und Laubfall immer wieder zu einer Neuzufuhr von Cäsium in die obere Bodenschicht,
wo es für die Wurzeln wieder gut verfügbar ist. Nadelbäume spielen aufgrund ihrer dichten
Oberfläche, die wie grossflächige Filter wirken und radioaktive Partikel aus der Atmosphäre
herausfiltern, dabei eine wichtige Rolle.
In Ackerböden fehlt die organische Auflageschicht des Waldes. Durch mechanische
Bearbeitung des Bodens wie Pflügen gelangt das dort deponierte Cäsiumisotop bis zu 70 cm
tief in die Erdschicht, wo es für Saatgut und die Wurzeln der Pflanzen kaum mehr verfügbar
ist. Zusätzlich führt der hohe Gehalt an Ton und Mineralstoffen in Ackerböden zu einer
zunehmenden Bindung des radioaktiven Cäsiums an Tonmineralien. Dadurch ist Cäsium in
Ackerböden für Pflanzen wenig verfügbar und es gelangt somit kaum in die Nahrung.
2.1.2. Cäsium in Nahrungsmitteln
Pflanzen und Lebensmittel, die viel Wasser speichern, wie beispielsweise Spinat, Salat, Pilze,
Fisch, Algen und Muscheln sind stärker durch die Einlagerung von radioaktivem Cäsium
belastet als andere. Ebenso nehmen flachwurzelnden Pflanzen wie z.B. Pilze, Moose, Gräser
und einigen Beerensträuchern vermehrt Cäsium auf. Auch Wildtiere sind teilweise noch
deutlich mit radioaktivem Cs-137 belastet.

Pilze: Pilze haben ein weit verzweigtes, oberflächennahes Wurzelgeflecht, welches
Cäsium in hohem Mass aufnehmen und speichern kann. Die Kontamination von Pilzen ist
sowohl von der Cäsium-Konzentration in der Umgebung des Pilzgeflechts als auch vom
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speziellen Anreicherungsvermögen der jeweiligen Pilzart abhängig. Ein erhöhtes Risiko
wurde bei Maronenröhrlingen und Semmelstoppelpilz festgestellt. Hingegen nehmen
Schirmlinge und Champignons kaum Cäsium auf. Pfifferlinge und Steinpilz nehmen eine
mittlere Position ein.

Heidekrautgewächse: Heidekrautgewächse wie z.B. Heidel-, Preisel-, Moos- und
Rauschbeeren wachsen auf nährstoffarmen, sauren Böden. Da das Cäsium in diesen
Böden von den Pflanzen schnell aufgenommen werden kann, enthalten diese mehr Cäsium
als andere Beeren wie z.B. Himbeeren.

Wildtiere: Die Belastung in Wild (insbesondere Reh- und Schwarzwild) beruht
grösstenteils auf deren Ernährungsverhalten. Ein erhöhtes Risiko wurde bei
Wildschweinfleisch festgestellt, da Wildschweine unterirdisch wachsende und stark
kontaminierte Hirschtrüffel fressen.
2.1.3. Grenzwerte für Cäsium-Isotope in Lebensmitteln
Gemäss Fremd- und Inhaltsstoffverordnung (FIV, Stand Mai 2012) gelten für Cäsiumisotope
folgende Grenzwerte (Toleranzwerte in Klammern)
 Lebensmittel von geringer Bedeutung: 12500 (10) Bq/kg
 Speisepilze wildwachsend, Wildfleisch: 1250 (600) Bq/kg
 Wildbeeren: 1250 (100) Bq/kg
 Lebensmittel allgemein: 1250 (10) Bq/kg
 Flüssige Lebensmittel: 1000 (10) Bq/kg
 Säuglingsanfangs- und Folgenahrung: 400 (10) Bq/kg
In der
unten)


EU und der Schweiz gelten für Importe aus Drittstaaten mit Ausnahme von Japan (siehe
folgende Grenzwerte für Cs-137 (Stand 09/2011):
Säuglingsnahrung und Milchprodukte: 370 Bq/kg
Andere Lebensmittel: 600 Bq/kg
Beim Import von frischen, getrockneten und tiefgefrorenen Wildpilzen ab 10 kg Eigenmasse
aus Osteuropa besteht eine Analysepflicht (Liste der Länder mit Analysepflicht siehe Anhang 1
des Informationsschreibens Nr. 128 vom 15. Januar 2007 des Bundesamtes für Gesundheit
BAG).
Die Schweiz importiert nur sehr wenige Produkte aus Japan. Japanische Exporteuer müssen
gemäss der Verordnung des BAG über die Einfuhr von Lebensmitteln mit Ursprung oder
Herkunft Japan vom 18. Januar 2012 müssen alle Sendungen aus Japan eine „Erklärung“
aufweisen, welche von der zuständigen japanische Behörde unterzeichnet ist und bescheinigt,
aus welcher Präfektur das Produkt stammt. Zusätzlich muss den Lebensmitteln aus Gebieten mit
erheblicher radioaktiver Belastung ein Zertifikat mit Untersuchungsergebnissen zu Cäsium
beigelegt werden. Bei der Einfuhr von japanischen Lebensmitteln werden ausserdem
Stichproben gemacht.
Für Importe aus Japan gelten folgende Werte (Stand 09/2011):
 Säuglingsnahrung und Milchprodukte: 200 Bq/kg
 Andere Lebensmittel: 500 Bq/kg
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2.2.
Uranmunition
Uranmunition oder DU-Munition (vom engl.: depleted uranium) ist Munition, deren Projektile
abgereichertes Uran enthalten. Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt der Herstellung von
Brennstäben für Kernkraftwerke bzw. der Herstellung von hochangereichertem Uran für
Atombomben. Uranmunition wird seit Mitte 1970er Jahre zur Bekämpfung gepanzerter
Fahrzeuge eingesetzt. Uranmunition wurde überwiegend in indisch-pakistanischen
Grenzkonflikten, in Tschetschenien, während der sowjetischen Intervention in Afghanistan, im
Bosnien-, Kosovo-, Irak- und dem Zweiten Golfkrieg eingesetzt. Beim Aufprall eines DUGeschosses auf ein hartes Ziel kommt es zu einer Selbstentzündung und infolge der hohen
Temperaturen zur Bildung grosser Mengen von Aerosol aus Uranoxid-Partikeln, die aufgrund
ihrer geringen Grösse sehr lange in der Luft verblieben können und dadurch zu einer
langanhaltenden Kontamination der Umwelt führen. Geschosse auf Ziele wie z.B. Boden,
erzeugen keine erhebliche Staubkontamination
2.2.1.Abgereichertes Uran im Boden
Uranmunition, die im Boden lagert, wird relativ schnell zersetzt. Abhängig von den
chemischen physikalischen Eigenschaften der Böden und Gesteine können die
Uranverbindungen unterschiedlich schnell ins Grundwasser oder Pflanzen gelangen. Studien
haben jedoch gezeigt, dass die Bioakkumulation von Uran in Pflanzen und Tieren gering ist.
2.2.2. Abgereichertes Uran in Nahrungsmitteln
Uran kommt im Boden, in der Luft, im Wasser und besonders konzentriert in uranhaltigem
Gestein vor. Uran ist ein radioaktives Schwermetall. Natürlich vorkommendes Uran strahlt im
Vergleich zur allgemeinen Strahlenbelastung relativ wenig und stellt bei intakter Haut keine
Gefahr bei einer Strahlenbelastung von aussen dar. Wird Uran eingenommen (z.B. über
Wasser, Nahrung, Atmung), ist es gesundheitsschädigend. Dies gilt sowohl für die
chemotoxische als auch die radiotoxische Wirkung.
Abgereichertes Uran hat im Vergleich zu natürlichem Uran ein geringeres radiotoxisches
Potential. Die grösste Expositionsgefahr bei uranhaltiger Munition besteht, wenn die
unmittelbar beim Aufprall und er Verbrennung der Munition freiwerdenden Uranpartikel
eingeatmet werden. Die Aufnahme von abgereichertem Uran durch Nahrungsmittel wird nicht
als erhebliche Expositionsquelle eingestuft (WHO, UNEP). Da die kontaminierten Gebiete
ausserdem lokal sehr beschränkt sind, werden die Nahrungsmittel als Kontaminationsquelle als
vernachlässigbar angeschaut. Eine im Südirak durchgeführte Studie zeigt, dass obwohl
Bodenproben zweier landwirtschaftlicher Betriebe mit abgereichertem Uran kontaminiert
waren, kein abgereichertes Uran in den Früchten, der Milch und dem Fleisch dieser Betriebe
nachgewiesen wurde (Al-Kinani, 2006). Auch eine im Kosovo und Bosnien-Herzegowina
durchgeführte Studie zeigte, dass die Uranium Konzentration in den meisten Umwelt- und
Lebensmittelproben vergleichbar mit der in anderen europäischen Regionen gemessenen UranKonzentration (Carvahlo and Oliveira, 2010). Einige dieser Proben zeigten jedoch ein
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verändertes Uran Isotopen Verhältnis was auf eine Kontamination durch abgereichertes Uran
zurückzuführen sein könnte.
Gemäss der offiziellen EU Webseite ergab ein Monitoring von Boden, Trinkwasser und Biota,
dass die Kontamination durch abgereichertes Uran in Kriegszonen nicht weit verbreitet und
generell gering ist, mit Ausnahme von Gebieten in unmittelbarer Nähe von zerstörten
Fahrzeugen und Geschossen. Aus diesem Grund wird das Risiko für terrestrische und
aquatische Ökosysteme als sehr gering eingeschätzt.
2.2.3 Grenzwerte für Uran in Lebensmitteln
Gemäss Fremd- und Inhaltsstoffverordnung (FIV, Stand Mai 2012) gelten für Radionuklide der
Uranreihe folgende Grenzwerte (Toleranzwerte in Klammern)
 Lebensmittel allgemein 50 (-) Bq/kg



Flüssige Lebensmittel: 10 (-) Bq/kg
Säuglingsanfangs- und Folgenahrung: 10 (-) Bq/kg
Meerestiere: 150 (-) Bq/kg
3. Quellen












Umweltinstitut München e.V.:
http://umweltinstitut.org/radioaktivitat/allgemeines/belastung-des-waldbodens-478.html
Bundesamt für Strahlenschutz :
http://www.bfs.de/de/ion/nahrungsmittel/pilze_wildbret.html
Tschernobyl-Verordnung (VO 733/2008): http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:201:0001:0007:DE:PDF
http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20110668/index.html
Martin Volkmer (2007). Radioaktivität und Strahlenschutz. Köln, ISBN 9783926956453
http://www.iaea.org/newscenter/features/du/du_qaa.shtml#q14
Radomir Kovačević (1999). Folgen der Kontamination mit abgereichertem Uran für die
Bevölkerung im Südosten Serbiens infolge der NATO-Aggression gegen Jugoslawien im
Jahre 1999.
Schmid, E. und Wirz, Ch. (2000). Depleted Uranium. Hintergrundinformation zu einem
aktuellen Thema. Spiez, 2000.
Bleise, A., Danesi, P.R., Burkart (2003). Properties, use and health effects of depleted
uranium (DU): a general overview. Journal of Environmental Radioactivity (64), 93-112.
http://ec.europa.eu/health/scientific_committees/opinions_layman/depleteduranium/en/index.htm
Al-Kinani, A.T., Al-Saidi, A.S., Al-Anni, S. (2006). Investigation of depleted uranium
contamination in south west of Iraq. International Journal of Radiation Research, 3 (3),
109-115.
Carvahlo, F.P., and Oliveira, J.M. (2010). Uranium isotopes in the Balkan’s environment
and foods following the use of depleted uranium in the war. Environment International, 36
(4), 352-360
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