Wenn Magen und Darm gereizt reagieren

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Wenn Magen und Darm
gereizt reagieren
Wie funktioniert die Verdauung?
Intakte Darmflora
Reizdarm – eine Modeerkrankung?
Verstopfung
Warum gibt es immer mehr Allergien?
Dauerbrenner Pilzinfektionen
Helicobacter pylori
Wenn Magen und Darm gereizt reagieren
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Darmbeschwerden treten in unseren Breiten so häufig auf, dass
sie bereits zu den Volkskrankheiten zählen. Ihre Ursachen sind
vielfältig. Nicht immer liegen besondere Befunde wie etwa organische
Veränderungen vor. Oft sind die Verdauungsprobleme schlichtweg
hausgemacht: Stress und Überforderung, falsches Essverhalten, ungesunde Ernährung und Bewegungsarmut schlagen irgendwann auf
Magen und Darm.
Verdauung –
wie funktioniert das eigentlich?
Die Verdauung beginnt bereits im Mund: Durch das Kauen wird die
Nahrung mechanisch zerkleinert. Intakte Zähne sind dafür eine wichtige Voraussetzung. Das in den Mundspeicheldrüsen gebildete Verdauungsenzym Amylase leitet die Verdauung von Zuckern (Kohlenhydraten) ein. Mucin macht die Nahrung gleitfähig. 1500 Milliliter Speichel
werden täglich produziert. Geschmacksknospen auf der Zunge unterscheiden süße, salzige, saure und bittere Nahrung. Je nach Zusammensetzung der Mahlzeit melden sie süß, salzig, sauer oder bitter über
vegetative Nervenbahnen an den Magen. Dort startet sofort die Produktion von Verdauungssäften, bevor die Speisen den Magen überhaupt erreicht haben. Durch den Schluckakt und die Muskulatur der
Speiseröhre wird die Nahrung in den Magen transportiert. Dort wird
sie mit Säure, Schleim und Pepsin vermischt. Dieser »Magensaft« tötet
u. a. Bakterien und leitet die Verdauung der einzelnen Nahrungsbestandteile ein. Alle 20 Sekunden treibt eine langsame Muskelwelle den
Magensaft Richtung Pylorus, den Magenausgang, auch Magenpförtner
genannt. Im Magen werden vor allem Eiweißverbindungen (Proteine)
gespalten. Die Magensäure greift zudem regulierend in den SäureBasen-Haushalt ein. Benötigt der Körper mehr vom Basenpuffer »Natriumbikarbonat«, wird mehr Salzsäure produziert und ausgeschüttet.
Diese wird im Zwölffingerdarm neutralisiert und als Kochsalz wieder
in den Kreislauf zurückgeführt. Parallel zur Salzsäurefreisetzung wird
Bikarbonat in den Kreislauf gegeben und zur Pufferung saurer Stoffwechselendprodukte – wie sie vor allem nach eiweißreichen Mahlzeiten auftreten – eingesetzt.
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Verdauung – wie funktioniert das eigentlich?
Der Darm besteht aus dem fünf bis sieben Meter langen Dünndarm
und dem ca. 1,5 Meter langen Dickdarm. Der Dünndarm besteht wiederum aus drei Teilen: Zwölffingerdarm (Duodenum), Leerdarm
(Jejunum) und Krummdarm (Ileum). Seine Struktur ist einzigartig:
Durch die Kerckring’schen Falten wird die Oberfläche verdreifacht,
durch die darauf sitzenden 30 Millionen Zotten verdreißigfacht und
durch eine Milliarde Mikrozotten verdreihundertfacht. Der Dickdarm
(Colon) besteht aus Wurmfortsatz (Appendix vermiformis), Blinddarm
(Caecum), aufsteigendem Dickdarm (Colon ascendens), Querdarm
(Colon transversum), absteigenden Dickdarm (Colon descendens) mit
»römischem S« (Sigma), Enddarm und Mastdarm (Rectum).
An der Schleimhaut des Magen-Darmtrakts entscheidet sich, welche
Nahrungsbestandteile für den Körper verwertet und welche als unverdauliche Stoffe oder Stoffwechselendprodukte ausgeschieden werden.
Wichtig für den ordnungsgemäßen Ablauf ist das Verdauungsmilieu,
das Enzyme, pH-Wert, Darmbakterien und Zustand der Schleimschicht prägen. Im Dünndarm wird der Speisebrei geknetet und vermischt. Dazu bewegt er diesen durch rhythmische Anspannung fort.
Wellenförmige Anspannungen der Dünndarmlängsmuskulatur transportieren den Speisebrei pendelnd 1–2 cm/Minute weiter. Zeitweilig
auftretende große peristaltische Wellen sorgen für einen Vortrieb von
ca. 25 cm/Minute. Über die Darmzotten gelangen Nährstoffe in Blut
und Lymphe. Der Dünndarm enthält spezielle Rezeptoren für einzelne Stoffe, z. B. für Kalzium, Folsäure oder Vitamin C. Insbesondere
im Krummdarm (Ileum) befindet sich an der Darmwand mit den
Peyer’schen Plaques eine besonders dichte Ansammlung von Lymphfollikeln. Dieses darmassoziierte Immunsystem beherbergt rund 80
Prozent der für die Abwehrkräfte maßgeblichen Lymphstrukturen.
Der Dickdarm weist keine Zotten und Falten mehr auf, stattdessen besitzt er zahlreiche tiefe Lieberkühn’sche Krypten, etwa 0,2–0,4 mm tiefe
schlauchförmige, teilweise verzweigte Drüsen im Bereich der Schleimhaut, die nach dem Berliner Arzt Johann Nathanael Lieberkühn (1711–
1756) benannt wurden. Sie dienen der Oberflächenvergrößerung und
Sekretion sowie der Steuerung des Eisenhaushaltes im menschlichen
Körper durch regulatorische Proteine. Hauptaufgabe des Dickdarmes
ist der Entzug von Wasser und Mineralstoffen aus dem Kot.
Wenn Magen und Darm gereizt reagieren
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Wichtig:
Darmbakterien und intakte Darmflora
Schon nach dem Ersten Weltkrieg begann man, die Darmbakterien zu
erforschen. Früh erkannte man deren Bedeutung für die menschliche
Abwehr. Man nannte sie deshalb auch »Symbionten«, weil ihr Vorkommen für den Menschen nicht nur nützlich, sondern lebensnotwendig ist. Das wurde damals schon deutlich. Der Wissenschaftszweig
der Mikrobiologie machte seine ersten Schritte. Doch die Entdeckung
der Antibiotika durch Alexander Fleming 1928 und deren großflächiger Einsatz ab den 40er Jahren ließ diese Erkenntnisse wieder in
Vergessenheit geraten. Mit Hilfe der Antibiotika – so glaubte man –
erübrige sich jede weitere Erforschung einer alternativen Infektionsbekämpfung.
Mittlerweile ist eine Kehrtwendung erfolgt. Die Bakterien-Killer wirken oft nicht mehr so gut, die Keime sind »resistent« geworden. Was
viele vergessen: Antibiotika wirken nur bei bakteriellen Infekten,
bei den viel häufigeren Virusinfektionen macht ihre Gabe gar keinen
Sinn. Dann sind sie sogar kontraindiziert, also eigentlich verboten.
Heute weiß man: Wer oft und regelmäßig Antibiotika schluckt, schädigt sein Immunsystem und wird letztendlich sogar immer anfälliger.
Trotzdem erfolgen besonders in der Kinderheilkunde rund 50 Prozent
der Antibiotika-Verordnungen. Eine Karriere der Infektanfälligkeit
und womöglich auch als Allergiker ist damit schon vorprogrammiert.
Schuld daran sind aber nicht nur Kinderärzte, die »keinen Fehler«
machen wollen. Allzu oft fordern auch ungeduldige Eltern eine rasche
Bekämpfung, etwa von Fieber. Nicht bis in alle Ecken hat sich herumgesprochen, dass Fieber eine sinnvolle Heilreaktion ist und deshalb
nicht um jeden Preis sofort bekämpft werden sollte.
Durch Antibiotika oder andere Arzneien (z. B. Rheumamittel, Magensäureblocker, Kortison) geschädigte Darmbakterien begünstigen vor
allem den Eintritt von Viren und potenziellen Allergenen durch die
Darmwand.
Eine intakte Darmflora ist Voraussetzung für eine normale Darmfunktion als Stoffwechsel- und Immunorgan. Nach Schätzungen beherbergt der gesunde Mensch zehnmal mehr Darmbakterien als der
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Wichtig: Darmbakterien und intakte Darmflora
Gesamtorganismus überhaupt Zellen besitzt. Etwa ein Drittel des
Stuhls besteht aus Darmbakterien. Dies hat u. a. Bedeutung für die
Behandlung der Verstopfung. Neben der Abwehrfunktion unterstützen sie den Energiestoffwechsel der Darmschleimhaut und regen die
Muskelaktivität des Darmes an. Verstopfung kann daher auch in einem
Mangel an gesunden Darmkeimen seine Ursache haben. Gesunde
Darmbakterien unterstützen außerdem die Vitaminversorgung.
Schädigungen der Darmbakterien durch Arzneimittel, radioaktive
Strahlung, Röntgenstrahlen oder Fehlernährung (z. B. übermäßiger
Zuckerkonsum) führen nicht nur zu subjektiven Beeinträchtigungen
wie Blähungen und breiigem Stuhl. Sie beeinträchtigen Stoffwechselund Immunsystem. Ohne Aufbau eines gesunden Darmmilieus, in
dem sich die Darmflora entwickeln kann, ist es kaum möglich, Allergien und chronische Infektneigung wirklich auszuheilen.
Reizdarm – eine Modeerkrankung?
Peter O. verbringt seinen Urlaub in Nordafrika. Dort treten ohne besondere Vorankündigung nach einigen Tagen Übelkeit und Durchfall auf. Peter O. geht zu einem Arzt, der ihm ein Antibiotikum
verordnet und die Diagnose »Gastroenteritis« (Magen-Darm-Entzündung) stellt. Nach rund fünf Tagen hat sich die Symptomatik wieder
zurückgebildet.
»Nette« Urlaubsbekanntschaft:
Postinfektiöser Reizdarm
Mittlerweile sind sechs Monate vergangen. Obwohl keine massiven Beschwerden mehr bestehen, hat Peter O. immer noch das Gefühl, dass
die Urlaubs-Erkrankung nicht so richtig ausgeheilt ist. Er geht zum
Arzt, der verschiedene Blut- und Stuhluntersuchungen durchführt.
Sie alle bleiben »ohne Befund«. Offensichtlich leidet Peter O. an einem
postinfektiösen Reizdarm. Durch die Infektion – sie mag durch Viren
oder Bakterien ausgelöst worden sein – wurde offensichtlich eine langfristige Schädigung der natürlichen Darmbakterien eingeleitet.
In Zeiten des Massentourismus zeigt sich der postinfektiöse Reizdarm
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immer häufiger. Die klinische Medizin verordnet meist symptomatische Mittel, zum Beispiel gegen Blähungen. Eine Stuhluntersuchung
hinsichtlich des Zustands der natürlichen Darmflora erfolgt üblicherweise nicht. Doch Hilfe ist möglich. Führt man eine gezielte Stuhluntersuchung mit Bestimmung der Darmflora durch, finden sich oft erstaunliche Abweichungen: Die gesunde Darmflora ist degenerativ verändert
oder teilweise gar nicht mehr vorhanden. Besonders Milchsäurebakterien, Bifidokeime und Colibakterien sind oft reduziert. Unerwünschte
Keime dagegen, beispielsweise Proteus oder Klebsiellen haben sich vermehrt. Womöglich sind auch unerwünschte Hefepilze nachweisbar.
Unregelmäßiger Stuhl und Blähungen, manchmal sogar krampfartige
Beschwerden, sind dafür eine typische Symptomatik.
Reizdarmsymptome sind schillernd
Reizdarm kann sowohl mit Verstopfung als auch mit Durchfall einhergehen. Auch Schleimabgang kommt häufig vor. Die Symptomatik bessert sich oft nach Abgang von Stuhl und Winden. Zugegebenermaßen
sind die Beschwerden alle, wie man so sagt, »unspezifisch«. Sie könnten
genauso gut auf eine schwere entzündliche Darmerkrankung, im ungünstigen Fall sogar auf einen Darmkrebs hindeuten. Deswegen steht
zunächst eine eingehende Untersuchung, in der Regel durch den Facharzt für Magen-Darm-Krankheiten (Gastroenterologe) an. Meist wird
eine Magen- und Darmspiegelung durchgeführt. Ist eine gravierende
Ursache ausgeschlossen und auch sonst kein krankhafter Befund feststellbar, kann die Diagnose »Reizdarm« gestellt werden. Einige Fachleute bezeichnen den Reizdarm als ein rein psychosomatisches Phänomen, welches in den letzten Jahren und Jahrzehnten aufgetreten
sei, wobei »Stress« eine Hauptrolle spiele. Ganz so einfach ist es aber
nicht. Führt man nämlich feingewebliche Untersuchungen der Darmschleimhaut durch, finden sich häufig vermehrte Entzündungszellen.
Bei einer Spiegelung kann man so etwas noch nicht sehen.
Beim Reizdarm läuft die oben beschriebene Muskelwelle des Darmtrakts nicht harmonisch. Es kommt sogar zu gegenläufigen Muskelwellen, die Verkrampfungen und Schmerzen auslösen können. Die
kontinuierliche Muskeltätigkeit des Darms wiederum hängt von der
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Reizdarm – eine Modeerkrankung?
Bereitstellung von Verdauungssäften ab. Hierbei spielen nicht nur der
Darm selbst, sondern auch Magen, Galle und Bauchspeicheldrüse eine
wichtige Rolle. Deren Verdauungssäfte wiederum können optimal nur
in einem ausgewogenen pH-Milieu arbeiten. Das Dünndarmmilieu
sollte leicht alkalisch sein, im Dickdarm sollten leicht saure Verhältnisse
mit einem pH-Wert zwischen 6,3 und 7 vorliegen. Ist diese Situation
nicht gegeben, kommt es zu Gärungs- oder Fäulnisprozessen. Das Beschwerdebild ist oft mit anderen funktionellen Störungen gekoppelt.
!
FUNKTIONELLE BESCHWERDEN
Als funktionell werden alle Beschwerden bezeichnet, bei denen der
Arzt nach eingehender Untersuchung keine organische Krankheit
feststellen kann. Es handelt sich also um eine so genannte Ausschlussdiagnose. Funktionelle Beschwerden dauern definitionsgemäß länger an als akute. Im Fall von Magen und Darm geht man
von mindestens zwölf Wochen Dauer oder immer wiederkehrenden
Beschwerden aus. Reizmagen und Reizdarm gehören zu den funktionellen Beschwerden.
Milchsuppe und Haferschleim sind out!
Es ist schon eigenartig in der modernen Medizin: Einerseits bestätigt
die Forschung den Zusammenhang zwischen Ernährung und zahlreichen Erkrankungsbildern – angefangen vom Herzinfarkt über
Schlaganfall bis hin zur Arthrose. Ausgerechnet für Erkrankungen,
die den Verdauungstrakt betreffen, also jenes Organsystem, das die
Nahrung zu verarbeiten hat, wird dies oft nicht so gesehen. »Essen Sie,
was Ihnen schmeckt!«, lautet deshalb eine lapidare Empfehlung, die
vor allem eines verrät: Unkenntnis. Ein Chefarzt einer Klinik verbreitet auch heute noch die Meinung, schon in der Vergangenheit hätten
sich Magen-Darm-Diäten »nicht bewährt«. Sicher, wenn man darunter Milchsüppchen oder Haferschleim versteht, mag dies richtig sein.
Doch die moderne Ernährungswissenschaft weiß mehr, auch über den
Reizdarm. Danach benötigt der Betroffene regelmäßige Mahlzeiten.
Für das Essen sollte ausreichend Zeit zur Verfügung stehen. Bei Stress
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sollten Sie also lieber einmal eine Mahlzeit ausfallen lassen, als in Hektik eine Portion Fastfood herunterzuwürgen. Dies knüpft an die Ordnungstherapie an, eine der tragenden Säulen der Naturheilkunde und
der hippokratischen Medizin im Altertum. Wer schlecht verträgliche
Nahrungsmittel meidet, kann in 50 Prozent aller Fälle mit Besserung
rechnen.
Und hier sind sie, die Beschwerdeauslöser, wie sie die Ernährungswissenschaft erkannt hat:
Milch, Pilze, Weizenerzeugnisse in 30–35 % der Fälle
Eier, Kaffee, Schokolade in 20–30 % der Fälle
Nüsse, Zitrusfrüchte, Tee, Hafererzeugnisse in 10–20 % der Fälle
Man sieht, es geht querbeet. Sowohl tierische als auch pflanzliche Stoffe
sind betroffen.
Achtung Nahrungsmittelintoleranz!
Nahrungsmittelunverträglichkeiten lassen sich häufig nicht mit den
herkömmlichen Allergietests ermitteln. Diese werden meist als PrickTest beim Allergologen durchgeführt. Der Betroffene hat trotz häufiger Normalbefunde das Gefühl, eine ganze Reihe von Lebensmitteln
nicht gut zu vertragen. Doch wenn es keine Allergie ist, was könnte
dann dahinter stecken?
Beim Pricktest, dem auch heute noch gängigen Hauttest, werden der
Allergieauslösung verdächtigte Substanzen in die obere Hautschicht
eingeritzt. Nach 48 Stunden wird das Ergebnis abgelesen. Eine Rötung
allein ist noch kein Beweis für eine allergische Reaktion. Es müssen
sich Erhabenheiten, sog. Quaddeln mit »Füßchen« ausbilden und diese
wiederum müssen eine bestimmte Größe erreichen. Dann kann von
einem positiven Testergebnis gesprochen werden. Dieser Allergietest
untersucht auf allergische Reaktionen vom Soforttyp. Sie äußern sich
meist durch Juckreiz, Atemnot, Quaddeln im Hautbereich – auch als
Nesselsucht bezeichnet. In der Realität gibt es aber offenbar eine viel
größere Variante möglicher allergischer Reaktionsmuster. Verzögerte
Allergien vom Typ IgG4 lösen nach Kontakt mit dem Allergen oft zu21
Reizdarm – eine Modeerkrankung?
nächst überhaupt keine Reaktionen aus. Erst nach sechs bis 48 Stunden
kann eine solche eintreten. Diese Reaktion ist aber meist anders als bei
Reaktionen vom Soforttyp: Nicht Juckreiz und Luftnot sind typisch, es
können alle möglichen Symptome von Blutdruckschwankungen über
Stuhlveränderungen bis zu depressiven Verstimmungen auftreten.
Wegen der zeitlichen Verzögerung lässt sich oft zum tatsächlichen
Auslöser keine genaue Beziehung mehr herstellen. Glücklicherweise
kann man auch diese verzögerten Allergien heute mit modernen Testmethoden (z. B. AllergoScreen basic oder ImmundPro) untersuchen
lassen.
Fruktoseintoleranz – fast schon bei jedem Dritten
»5 am Tag« lautet eine durchaus gut gemeinte Ernährungskampagne,
die das Bundesgesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vor einigen Jahren startete. Die Aktion empfiehlt, jeder Mensch solle fünfmal am Tag Obst
und Gemüse essen. Allerdings: Immer mehr Menschen vertragen dies
nicht. Doch wie können im Prinzip gesunde Nahrungsmittel Beschwerden auslösen oder ist das alles nur Einbildung? Die Antwort:
Sehr viele Menschen haben eine Überempfindlichkeit auf Fruchtzucker erworben! Besonders Reizdarmpatienten zeigen oft Unverträglichkeiten gegenüber Fruchtzucker (Fruktose) und Sorbit, einen Zuckerersatzstoff. Auch Xylit, der gern in Kaugummis als Zuckerersatz
Verwendung findet, kann Intoleranzen erzeugen. Sie äußern sich
durch Blähungen und dünnen Stuhl. Fruchtzucker befindet sich natürlicherweise in süßem Obst. Zunehmend wird er auch zahlreichen
Fertignahrungsmitteln, insbesondere Konfitüren, Getränken und Süßigkeiten beigefügt. Die Inhaltsstoffe müssen nach Mengenanteilen
nacheinander aufgelistet werden. Die am häufigsten vorkommende
Substanz wird zuerst genannt, dann die zweithäufigste usw. Dabei
greifen die Hersteller auf einen Trick zurück: Um die oft enormen Zuckermengen in Fertignahrungsmitteln wie Softdrinks und süßen Brotaufstrichen zu verschleiern, wird »Zucker« einfach in die verschiedenen Zuckerarten aufgeteilt. Dann erscheinen sie in der Auflistung
der Inhaltsstoffe nicht an vorderster Stelle und der Konsument vermutet, das Nahrungsmittel könne folglich gar nicht »so schlecht« sein.
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Fruchtzucker ist auch Bestandteil im normalen Haushaltszucker. Die
Saccharose – wie der Haushaltzucker in der Fachsprache heißt – enthält je ein Molekül Fruchtzucker und Traubenzucker. So gesehen werden wir also ständig mit Fruchtzucker aus unterschiedlichsten Quellen
bombardiert. Irgendwann schaffen es die Verdauungssäfte nicht mehr,
diese Fruchtzuckermengen zu verarbeiten. Es kommt zu Überempfindlichkeitsreaktionen, die sich vor allem durch Blähungen und
durchfallartige Symptome äußern.
Schon ein Testessen gibt erste Hinweise auf eine Fruchtzuckerunverträglichkeit. Essen Sie zwei Birnen mit Schale oder 14 Pflaumen
hintereinander weg. Treten dann Blähungen und in der Folge Stuhlveränderungen auf, legt dies den Verdacht auf eine Fruchtzuckerintoleranz nahe. Weiteren Aufschluss liefern Laboruntersuchungen.
Dafür stehen ein spezieller Atemtest und eine Stuhluntersuchung,
welche die Fruchtzuckerspaltungsaktivität der Verdauungsenzyme
untersucht, zu Verfügung. Findet sich ein positiver Befund, muss
die Aufnahme von Fruchtzucker zwar eingeschränkt, aber in der Regel nicht ganz auf null zurückgefahren werden. Denn »Intoleranz«
bedeutet nicht »Allergie«. Das heißt, bestimmte Mengen, oft bis zu
10 g pro Tag werden vom Organismus durchaus noch toleriert. Erst,
wenn diese Schwelle überschritten wird, treten entsprechende Reaktionen auf.
Milchzuckerintoleranz
Milchzuckerintoleranzen testet man in der Regel durch einen Atemgastest (bei entsprechenden Labors erhältlich). Wird eine Milchzuckerintoleranz nachgewiesen, sind Milchprodukte aller Art weitgehend zu
meiden. In manchen Gegenden Asiens leiden übrigens fast 100 Prozent
der Bevölkerung an einer Milchzuckerintoleranz. Sie ist genetisch bedingt, also angeboren. Auch bei uns werden – erworbene – Milchzuckerunverträglichkeiten immer häufiger. Man schätzt, dass schon
bis zu 30 Prozent der Menschen darunter leiden. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, heißt dies: Die entsprechenden Nahrungsmittel sollten weitgehend gemieden werden. Geringe Mengen werden
jedoch in der Regel toleriert. Erst, wenn ein gewisser Schwellenwert
überschritten ist, treten typische Symptome auf.
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Reizdarm – eine Modeerkrankung?
Glutenunverträglichkeit und »echte« Zöliakie
Die klassische Lehrbucherkrankung einer Glutenunverträglichkeit
heißt Zöliakie bzw. »einheimische Sprue«. Betroffene leiden dauernd
an Durchfall. Gesichert wird die Diagnose durch eine Darmspiegelung,
bei der eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm entnommen wird. Dabei
findet sich typischerweise ein Abbau der Darmzotten, so dass eine normale Darmfunktion gar nicht mehr möglich ist. Die Therapie ist klar:
lebenslange streng glutenfreie Kost.
Der Nachweis einer (latenten) Glutenunverträglichkeit bedeutet: Umstieg auf überwiegend glutenfreie Getreidesorten. Im Mittelpunkt der
Ernährungsumstellung steht zunächst das Getreide. Gluten steckt als
Klebereiweiß vor allem in unseren einheimischen Getreidesorten. Es
gibt dem Brot die notwendige Festigkeit. Glutenfreie Getreidesorten
sind: Hirse, Reis, Mais, Amaranth, Quinoa, Buchweizen. Sie können
unbesorgt gegessen werden.
!
ACHTUNG: FERTIGNAHRUNGSMITTEL
Gluten wird wegen seiner guten Bindeeigenschaften für Wasser und
Aromastoffe in zahlreichen Fertignahrungsmitteln eingesetzt. Und
dies bedeutet mehr als nur glutenhaltige Brotsorten zu meiden: Alle
Nahrungsmittel mit dem Aufdruck »Stärke« (beispielsweise Puddings, Joghurts) enthalten Glutenanteile und sind deshalb vom
Speisezettel zu streichen.
Man muss es sogar umgekehrt formulieren: Der Zöliakie-Patient
darf nur diejenigen Fertignahrungsmittel zu sich nehmen, die ausdrücklich als »glutenfrei« deklariert sind.
Glutenunverträglichkeit geht oft mit einem Laktasemangel einher.
Das ist das Enzym, welches den Milchzucker verdaut. Betroffene sollten deshalb vor allem in der Anfangsphase auch milchzuckerhaltige
Speisen meiden! Sicher glutenfrei sind neben den oben genannten
Getreidesorten Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Milch- und Milchprodukte,
Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Ei, Butter, Öl, Margarine (nach R. Kruse,
c/o Labor GanzImmun).
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Problemfall Brot
Ernährungstechnisch bereitet der Verzicht auf Brot einige Probleme.
Alternative glutenfreie Brotsorten aus Hirse oder Kastanienmehl gibt
es zwar, sind aber von der Konsistenz und auch geschmacklich gewöhnungsbedürftig. Reiswaffeln, eine typische Kost für Menschen, die an
echter Zöliakie leiden, erinnern an Wärmedämmplatten aus Styropor,
sicherlich auch nicht das geschmackliche Nonplusultra. Allerdings:
Das Umsteigen auf glutenfreie Getreidesorten im Rahmen eines Müslis oder als schmackhafte Beilage zu einem Hauptgericht (gebackene
Hirse, Quinoa) ist nicht nur Ersatz. Hirse, Amaranth, Quinoa sind
hochwertige Nahrungsmittel mit reichlich wertvollem Silizium (für
Haut, Haare und Nägel) und Zink.
Latente Unverträglichkeiten
Neben der echten Zöliakie diagnostizieren Mediziner heute immer
häufiger eine latente Unverträglichkeit. Die Betroffenen zeigen nicht
das typische Lehrbuchbild der Zöliakie mit Durchfall und zerstörten
Darmzotten. Gleichwohl reagieren sie offenbar überempfindlich auf
Gluten. Sowohl körperliche als auch psychische Symptome können
auftreten oder sich verschlimmern. Bei entsprechendem Verdacht
können Auslassversuch oder der Nachweis von Antikörpern im Stuhl
(Antigliadin-Antikörper, Antitransglutaminace-Antikörper) die Diagnose erhärten. Pseudoallergien können ähnlich wie eine echte Allergie mit Quaddeln, Jucken, Migräne, Herzrhythmusstörungen, Muskelschmerzen, ständigem Nasenlaufen, verschiedenen Magen-DarmBeschwerden, rheumatischen Beschwerden und Asthma einhergehen.
Ein typisches Beispiel für eine Pseudoallergie ist die Histamin-Unverträglichkeit. Histamin ist ein Gewebshormon. Es wirkt entzündungsfördernd. Es erweitert Blutgefäße, so dass bestimmte weiße Blutkörperchen verstärkt in das Gewebe eindringen können. Bei allergischen
Reaktionen wirkt Histamin verstärkend. Deswegen stellen »Antihistaminika« eine wichtige (symptomatische) Behandlungsmöglichkeit bei
allergischen Symptomen wie Heuschnupfen dar. Histamin wirkt auch
auf innere Organe. Es verkrampft die Gebärmutter und die Bronchien.
Asthma kann die Folge sein. Histamin wird nicht nur durch bestimmte
Prozesse im Organismus freigesetzt, sondern steckt auch natürlicher25
Reizdarm – eine Modeerkrankung?
weise in Nahrungsmitteln. Typische Beispiele histaminreicher Nahrungsmittel: Camembert, Rotwein, Sauerkraut, Spinat, Räucherfisch,
Schweinefleisch. Es handelt sich also teilweise um Lebensmittel, die
wir als »gesund« einstufen würden. Bei entsprechendem Verdacht auf
Histamin-Unverträglichkeit gilt es jedoch, sie zu meiden, am besten
gleich für mehrere Wochen. Danach kann ein Provokationstest durchgeführt werden: Das oder die fraglichen Nahrungsmittel werden wieder zugeführt. Anhand der Reaktion kann der Verdacht auf eine Histaminreaktion entkräftet oder bestätigt werden. Es besteht überdies die
Möglichkeit, einen Bluttest oder speziellen Urintest durchzuführen.
Warum gibt es immer mehr Allergien?
Doch mit dem Nachweis von Intoleranzen und Pseudoallergien ist
eine entscheidende Frage noch nicht beantwortet: Warum antwortet
der Organismus überhaupt mit einer Allergie? Weshalb reagieren immer mehr Menschen selbst auf natürliche Nahrungsmittel wie Früchte
oder Nüsse? Warum bekommen in den letzten Jahren Erwachsene, die
in Kindheit und Jugend nie damit zu tun hatten, Heuschnupfen? Sie
ahnen es bereits. Das menschliche Fass ist voll und läuft über. Stoffwechsel und Immunsystem sind überlastet. Die unterschiedlichsten
Faktoren tragen hierzu bei. Was kann man tun? Die Meidung eines
Allergie auslösenden Stoffes ist sicher sinnvoll. Aber was, wenn ein
Mensch auf Dutzende von Nahrungsmitteln gleichzeitig reagiert? Sie
alle zu meiden, ist kaum möglich. Besser und ursächlicher ist eine andere Strategie: Ziel muss die Verminderung des »Allergendrucks« insgesamt sein. Hinzukommen muss die Aktivierung und gezielte Stärkung der Ausscheidungsorgane. Dann wird eine ursächliche Behandlung auch bei Allergien möglich.
Wichtig: die gesunde
»Polizeikette« aus Bakterien
An erster Stelle therapeutischer Möglichkeiten steht das Heilfasten.
Kein Verfahren reduziert Allergene nachhaltiger und wirkt damit
stärker »antiallergisch«. Bei Kindern ist es zwar kontraindiziert. Bei
Wenn Magen und Darm gereizt reagieren
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Jugendlichen aber kann es durchaus einige Tage, vielleicht eine Woche,
durchgeführt werden. Für den Erfolg entscheidend ist immer die
Langfriststrategie. Schauen wir uns in diesem Zusammenhang noch
einmal die Schleimhautbarriere an: Der gesamte Schleimhautbereich
vom Mund über Nasennebenhöhlen und Bronchialtrakt bis hin zum
After stellt ein zusammenhängendes Schleimhautgebiet dar. Diese
Schleimhaut ist mit Trillionen von Bakterien besiedelt, deren Aufgabe
es u. a. ist, die Produktion von Abwehreiweißen in die Wege zu leiten.
Diese gesunden Bakterien muss man sich wie eine Art Polizeikette
vorstellen. Sie schützt davor, dass unerwünschte Eindringlinge in den
Organismus gelangen. Wird diese Polizeikette durch Fehlernährung,
Antibiotika, Stress und Genussmittel in Mitleidenschaft gezogen, können mehr und mehr Allergene in den Organismus eindringen. Stoffwechsel und Immunsystem können der Allergene nicht mehr Herr
werden und reagieren über. Das nennt man »Allergie«.
Biologische Impfung
Ursächliche Aufgabe einer antiallergischen Therapie ist es deshalb immer, die erwähnte Polizeikette wiederherzustellen. Dazu gehört eine
möglichst vollwertige, frischkostbetonte Ernährung, die gleichzeitig
aber auch bekömmlich sein sollte. Gleichzeitig müssen die Milieuverhältnisse im Darm optimiert werden. Ein zu saurer Darm sollte alkalisiert werden, ein zu alkalischer und damit fäulnisbetonter Darm leicht
angesäuert werden. Dann können gesunde Darmbakterien zugeführt
werden: Bifidokeime sind vor allem für das Milieu des Dickdarmes
wichtig, Milchsäurebakterien vor allem für den Dünndarm. Enterokokken und Colibakterien stärken die Immunabwehr.
Die Wirkung zugeführter Darmbakterien erfolgt anders, als man es
sich laienhaft vorstellt. Eine Kapsel des Präparates Mutaflor® beispielsweise enthält Milliarden von Colibakterien. Die Wirkung entsteht
nicht über die bloße Ansiedlung dieser Colibakterien an der Darmwand. Der entscheidende Wirkeffekt der Gabe gesunder Darmbakterien besteht in einer Art biologischen Impfung: Die vorhandenen
Darmbakterien müssen sich mit den zugeführten neuen Darmbakterien auseinandersetzen. Dabei werden Stoffe gebildet, die das Darm27
Warum gibt es immer mehr Allergien?
immunsystem stärken und aktivieren, gleichzeitig Nahrungsbausteine
für gesunde Darmwandzellen geliefert. Tatsächlich stellt diese auch als
»Immunmodulation« bezeichnete Therapie eine wichtige Säule für die
erfolgreiche Behandlung jedweder Allergien dar. Leider hat sich das
noch nicht herumgesprochen.
Weitere Hilfen
Besteht eine Allergie schon länger und ist sie sehr intensiv, kann man
meist von einem weiteren Aspekt ausgehen: Die Betroffenen werden
»dünnschalig«, und dies in einem durchaus übertragenen Sinn. Eine
psychovegetative Stabilisierung ist deshalb von Bedeutung. Bei Kindern helfen oft homöopathische Mittel wie Zincum valerianicum D3/
D4 oder Chamomilla D6. Und besonders bei Kindern empfiehlt sich
auch eine Variante der Eigenbluttherapie: die Eigenblutimmunisierung nach Imhäuser. Zu diesem Zweck wird aus einem Blutstropfen
eine homöopathische Verdünnungsreihe hergestellt und diese dann in
Tropfenform eingenommen. Der Blutstropfen enthält dabei ein bestimmtes Spektrum von Antikörpern, deren Verabreichung die Körperimmunität ausbalancieren hilft.
Dringend zu empfehlen ist die Ausschaltung von Stressoren jeglicher
Art. Elektrosmog spielt dabei eine Rolle und kann deshalb das Immunsystem unmittelbar beeinträchtigen. Der gefährlichste Elektrosmog befindet sich in unserer Wohnung: An erster Stelle sind moderne
Schnurlostelefone vom Typ DECT zu nennen. Das Kürzel steht für
»digital european cordless telephone«. Die Basisstation sendet ständig elektromagnetische Wechselfelder und zwar auch dann, wenn Sie
nicht telefonieren. Diese Wechselfelder sind so stark, dass sie selbst
Mauerwerk durchdringen können. Sollten Sie also ein solches Schnurlostelefon im Hause haben (gemeint ist nicht ein Handy, sondern ein
Schnurlostelefon im Festnetzbetrieb), empfielt es sich, dies unbedingt
stillzulegen – und wenn es unbedingt schnurlos sein muss – durch den
älteren analogen Typ CT1 plus ersetzen. Auch diese Geräte sind noch
im Handel erhältlich, mitunter aber in veraltetem Design. Sie entwickeln kritische gepulste elektromagnetische Felder nur während des
Telefonates.
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