1.2 Chemische Eigenschaften COO– H 3N + C COO– R = CH3 H H 3N + C R CH3 Grundstruktur einer Aminosäure Alanin H Abb. 4 b: Ableitung von Alanin aus der Grundstruktur der Aminosäuren medi-learn.de/6-bc2-4b­ Aber nicht nur durch Anhängen von unterschiedlichen Kohlenstoffresten gelangt man zu weiteren Aminosäuren. Die Aminosäure Serin enthält z. B. noch eine Hydroxylgruppe und kann vom Körper durch Übertragung einer Hydroxymethylgruppe (CH3OH) von Tetrahydrofolsäure (aus dem Vitamin B9-Komplex) auf Glycin ebenfalls synthetisiert werden. Auf ähnliche Weise kann der Körper fast alle Aminosäuren selbst aufbauen. Die acht Aminosäuren, bei denen das nicht gelingt, heißen essenzielle Aminosäuren. Sie müssen mit der Nahrung aufgenommen werden und werden auf S. 10 vorgestellt. Die 21 Aminosäuren, die man in der Sequenz von Proteinen findet, werden proteinogene Aminosäuren genannt. Sie werden meistens nicht mit ganzem Namen ausgeschrieben, sondern zur einfacheren Handhabung abgekürzt. Häufig sind dies die ersten drei Buchstaben der betreffenden Aminosäure: Glycin: Gly, Cystein: Cys, Glutamat: Glu, Glutamin: Gln, Aspartat: Asp, Asparagin: Asn, usw. 1.2 Chemische Eigenschaften Da Aminosäuren meist nicht nur aus Aminound Carboxylgruppen mit einem Kohlenstoffgerüst bestehen, beschäftigt sich dieses Kapitel mit allen funktionellen Gruppen, die in Aminosäuren zu finden sind. Außerdem wird hier besprochen, welche Auswirkungen diese Gruppen auf die Eigenschaften der jeweiligen Aminosäure, wie z. B. ihren isoelektrischen Punkt (s. 1.2.3, S. 6), haben. www.medi-learn.de 1.2.1 Funktionelle Gruppen Aminosäuren verfügen über unterschiedliche chemische Gruppen, die für ihre Funktion entscheidend sind. Unbedingt kennen solltest du die folgenden funktionellen Gruppen: –– Aminogruppe (NH2) –– Carboxylgruppe (COOH) –– Thiolgruppe (SH) –– Alkoholgruppe (Hydroxylgruppe = OH) –– Imidazolgruppe (heterozyklischer Ring, der Stickstoff enthält). 1 Amino- und Carboxylgruppe Diese beiden Gruppen sind vor allem deshalb wichtig, weil bei der Reaktion der Aminogruppe einer Aminosäure mit der Carboxylgruppe einer anderen Aminosäure die berühmte Peptidbindung entsteht (s. 2.1, S. 37). Diese Bindung ist die Grundlage für die Bildung von Proteinen und Peptiden während der Translation. Außerdem können Amino- und Carboxylgruppen in Abhängigkeit vom pH-Wert entweder Protonen aufnehmen (basische Eigenschaft von Aminosäuren im sauren pH-Bereich) oder Protonen abgeben (saure Eigenschaft von Aminosäuren im basischen pH-Bereich). Aminosäuren fungieren also auch als biologische Puffer (mehr dazu in Kapitel 1.2.3, S. 6). Thiolgruppe Die Thiolgruppe (SH-Gruppe) hat drei wichtige Funktionen: –– Bildung eines Redoxsystems –– Stabilisierung der Proteinkonformation –– Bildung von Thioestern. Für die Bildung eines Redoxsystems spielt die Thiolgruppe (Schwefelgruppe) der Aminosäuren Cystein und Methionin eine wichtige Rolle. Da SH-Gruppen sehr reaktionsfreudig sind, kann aus zwei SH-Gruppen durch Oxidation (Elektronenabgabe) leicht ein Disulfid gebildet werden (R-S–S-R). 3