Kap3 S27-102 30.09.2003 13:43 Uhr Seite 77 Hepatitis/Reizdarmsyndrom ☞ Wenn ein Familienmitglied an Virus-A-Hepatitis erkrankt ist, achten Sie besonders auf Hygiene. Die Wäsche des Betroffenen sollte bei mindestens 60 Grad gewaschen, am besten ausgekocht werden. ☞ Vermeiden Sie aufgrund der Ansteckungsgefahr jeglichen Blutkontakt zu fremden Menschen. Im Verbandskasten im Auto sollten Sie jedenfalls immer Gummihandschuhe haben, um sich, wenn Sie Erste Hilfe leisten, schützen zu können. Reizdarmsyndrom Ungefähr ein Viertel aller Westeuropäer sind Schätzungen zufolge vom Reizdarmsyndrom (Expertenkürzel „RDS“) betroffen. Die Bezeichnung für diese Erkrankung hat sich in der Vergangenheit immer wieder geändert, vor allem deswegen, da die Ursachen lange unbekannt geblieben sind. Die Häufigkeit ist unter Frauen doppelt so hoch wie unter Männern, Die Beschwerden vor allem in der mittleren Altersgruppe. Die Krankheit ist vollDie Ärzte unterscheiden nach dem vorherrschenden kommen harmlos, kann aber die LeSymptombild zwischen bensqualität sehr stark einschränken. ● einem durchfallbetonten RDS mit mehr als drei Ein gut Teil der Patienten hat gleichStühlen täglich, zeitig Probleme mit einem Reiz● einem verstopfungsbetonten RDS mit weniger als magen (➜ Seite 40). drei Stühlen wöchentlich und ● einem schmerzbetonten RDS. Die Ursachen Festgestellt wurde bisher, dass bei Typisch sind jedenfalls Reizdarm-Patienten offenbar eine ge● Blähungen, störte Beweglichkeit des Darmes be● Bauchschmerzen, die nach der Stuhlentleerung und steht, sodass der verdaute Speisebrei nachts besser, in Stresssituationen schlimmer werden. entweder zu schnell oder zu langsam weiterbefördert wird. Überdies scheinen Menschen mit Reizdarmsymptomatik ein gesteigertes Schmerzempfinden im Darm zu haben, wodurch sie vorhandene Gase oder auch einen natürlichen Stuhldrang heftiger 77 Kap3 S27-102 30.09.2003 13:43 Uhr Seite 78 Die Krankheiten Bei seelischer Belastung wird die Krankheit schlimmer. spüren. Verantwortlich dafür sind Serotonine, hormonähnliche Substanzen, die sowohl im Darm als auch im Nervensystem vorkommen und als Botenstoffe unter anderem das Hungergefühl und die Stimmungslage regeln (➜ auch „Verdauung und Psyche“, Seite 116 f.). In diesem Zusammenhang vermuten die Experten auch eine Beteiligung der Psyche an der Entstehung der Krankheit, zumal die Beschwerden in seelisch belastenden Situationen schlimmer werden und ein Teil der Patienten gleichzeitig unter Depressionen und Angstzuständen leidet. Kritische Stimmen meinen sogar, es handle sich bei manchen Patienten eher um einen Grenzbereich der normalen Darmfunktion, der nur aufgrund höherer Ansprüche an das klaglose Funktionieren des Körpers oder als Folge einer fehlerhaften Ernährung oder einer Stressbelastung ein Gefühl des Krankseins auslöst. Bei manchen Patienten beginnen die Beschwerden nach einer akuten Magen-Darm-Entzündung, etwa nach einer Lebensmittelvergiftung. Das bedeutet, dass möglicherweise Entzündungsprozesse am Krankheitsgeschehen beteiligt sind. Keine ursächliche Rolle spielen die in der Vergangenheit beschuldigten „Darmpilze“ oder „Candida“. Das Reizdarmsyndrom beeinträchtigt die Lebenserwartung nicht. 78 Mögliche Folgen Aus dem Reizdarmsyndrom entwickeln sich keinerlei Komplikationen oder Folgeerkrankungen, und die Erkrankung verkürzt auch die Lebenserwartung nicht. Die Diagnose Ständige Probleme mit dem Stuhlgang (entweder zu häufig oder zu selten), Bauchschmerzen und Blähungen sollten, wenn sie den Betroffenen stören, zu einem Arztbesuch veranlassen. Nur anhand verschiedener Untersuchungen kann ausgeschlossen werden, dass eine organische Schädigung besteht. Es kann dem Arzt die Diagnose erleichtern, wenn in der Woche vor dem Arztbesuch ein Beschwerdetagebuch geführt wird, in dem die Ernährungs- und Stuhlgewohnheiten sowie Beschwerden und eventuelle Stresssituationen festgehalten werden. Kap3 S27-102 30.09.2003 13:43 Uhr Seite 79 Reizdarmsyndrom Neben der körperlichen geben Blut- sowie Stuhluntersuchungen Aufschluss über etwaige Infekte oder entzündliche Erkrankungen. Die Behandlung Basis der Behandlung ist das verständnisvolle ärztliche Gespräch. Bisher gibt es noch keine medikamentöse Therapie, die die Krankheit ursächlich heilen könnte, und auch keine Diät, die allen Patienten hilft. Deshalb zielt die Behandlung auf die Linderung der Beschwerden ab: Spasmolytika, muskelentspannende Mittel, bekämpfen schmerzhafte Bauchkrämpfe. Vor allem der Wirkstoff Mebeverin hat sich beim Reizdarmsyndrom bewährt. Stehen Durchfälle im Vordergrund, kann Loperamid helfen, eine Substanz mit morphinartiger Wirkung, die die Darmbewegungen verlangsamt. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen und Mundtrockenheit auftreten. Keine medikamentöse Therapie, nur Linderung der Beschwerden. Turbulenz im Darm Blähungen (wissenschaftlich: „Flatulenzen“) gehören zu den unangenehmen Begleiterscheinungen der Verdauung. Dabei sind sie ganz natürlich: Sie entstehen, wenn Speisereste, die zuvor im Magen und Dünndarm durch Säuren und Enzyme nicht verdaut wurden, schließlich von Bakterien zersetzt werden. Dabei bildet sich ein Gemisch von Gasen, die einerseits vom Dickdarm ins Blut über die Lunge, andererseits aus dem Darm entweichen. Das kann streng riechen und manchmal mit Bauchschmerzen verbunden sein. Ein halber Liter solcher Winde schlüpft im Durchschnitt pro Tag aus dem Darm. Diese Menge kann sich steigern, wenn die Nahrung ballaststoffreich ist, denn die Faserstoffe sind es in der Hauptsache, die zum Fressen für die Bakterien werden. Es gibt zahlreiche Medikamente auf dem Markt, die windstillend wirken sollen, vor allem so genannte Entschäumer wie die Wirkstoffe Dimeticon und Simethicon. Sie müssen vorbeugend schon zu oder nach den Mahlzeiten und in ausreichend hoher Dosierung genommen werden. Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind nicht bekannt. Ob eine Medikamente zur Eindämmung der Winde. 79 Kap3 S27-102 30.09.2003 13:43 Uhr Seite 80 Die Krankheiten Dauermedikation sinnvoll ist, kann nicht gesagt werden. Von der zusätzlichen Einnahme von Bauchspeicheldrüsenenzymen haben die meisten Experten in der Vergangenheit nichts gehalten, nach neuesten Erkenntnissen ist eine Wirkung nicht auszuschließen. Keinen Hinweis gibt es darauf, dass Bakterienpräparate hilfreich sind. Kümmel, Fenchel und Anis helfen gegen Blähungen. Übungen zur Stressbekämpfung. 80 Um Blähungen einzudämmen, hilft das Würzen der Speisen mit Kümmel oder auch Kümmel-, Fenchel- und Anistee. Kamillentee wirkt insgesamt krampflösend. Welche Speisen bei Ihnen zu Blähungen führen, können Sie am besten selbst feststellen. Meist sind es Zwiebeln und Hülsenfrüchte, Kohl und Vollkornprodukte. Manche Menschen vertragen Äpfel schlecht, andere frische Backwaren. Ballaststoffreiche Nahrungsmittel aus Angst vor Blähungen ganz aus dem Speiseplan zu streichen, ist sicher nicht das Wahre: Verstopfung könnte die Folge sein. Das können Sie selbst tun ☞ Eine wichtige Maßnahme der Selbsthilfe ist, sich etwaiger seelischer Probleme bewusst zu werden und sie nicht länger wegzuschieben. Der Kontakt zu anderen Betroffenen in Selbsthilfeorganisationen (➜ Adressen, Seite 122) oder ein klärendes Gespräch mit einem Psychotherapeuten kann hilfreich sein. ☞ Lernen Sie, mit Stress umzugehen. Das mag einfach klingen und ist es mit den entsprechenden Hilfsmitteln auch: ob Atemtechnik, autogenes Training, progressive Muskelentspannung – jeder kann nur für sich selbst herausfinden, was ihm am besten hilft (➜ auch „Verdauung und Psyche“, Seite 116 ff.). ☞ Gegen Bauchkrämpfe finden viele Menschen eine Wärmflasche angenehm. Nehmen Sie nicht zu heißes Wasser, und füllen Sie die Flasche auch nur zur Hälfte an, damit sie nicht zu schwer wird. ☞ Trinken Sie viel: zwei Liter täglich, am besten Wasser oder ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees. Die Flüssigkeit beschleunigt die Darmpassage. ☞ Obwohl Weizenkleie für gewöhnlich gegen Verstopfung gut hilft, kann sie bei Menschen mit Reizdarmsyndrom Blähungen verschlimmern. Kap3 S27-102 30.09.2003 13:43 Uhr Seite 81 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Zwei Krankheitsbilder sind es, die als chronisch-entzündliche Darmerkrankungen bezeichnet werden: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Beide sind nicht sehr häufig und treten in Schüben auf, die unbehandelt wochenlang anhalten können. Dazwischen ist der Patient manchmal monate- oder sogar jahrelang beschwerdefrei. Die Beschwerden Die Ursachen Noch sind die Ursachen der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen nicht restlos ergründet. Außer genetischen Einflüssen und Umweltfaktoren werden in Fachkreisen auch Bakterien oder bestimmte Essgewohnheiten erörtert, etwa eine sehr zuckerreiche Kost oder aber zu viele Fette. Als ziemlich gesichert gilt, dass die Entzündungen durch überschießende Reaktionen von körpereigenen Abwehrzellen auf bestimmte natürlich im Darm vorkommende Bakterien hervorgerufen werden. Die Ärzte sprechen in diesem Zusammenhang von einer Autoimmunkrankheit – das Abwehrsystem schießt sozusagen mit Kanonen auf Spatzen und schädigt damit den Darm. Morbus Crohn ● Blut im Stuhl, ● heftige Bauchschmerzen, Koliken (meist im rechten Unterbauch), ● wässriger Durchfall, ● Fieber, ● Augenentzündungen, ● Gelenkschmerzen, ● Geschwüre an der Haut, besonders an den Beinen. Colitis ulcerosa ● blutiger und schleimiger Durchfall, ● heftige Bauchschmerzen vor und nach dem Stuhlgang (meist im Anal- und Beckenbodenbereich), ● fleckförmige Hautrötungen, ● Gelenksbeschwerden, ● Augenentzündungen, ● Appetitlosigkeit, ● Gewichtsverlust. Während die Entzündung bei Colitis ulcerosa vom Mastdarm ausgehend unterschiedlich lange Strecken des Dickdarmes befällt, wobei sie immer auf die Schleimhaut beschränkt ist, sind die Entzündungsstellen bei Morbus Crohn herdförmig begrenzt 81