Dr. Reinhard Wichels: Traditionelle stationäre Versorgung – Ist die Luft raus? Trotz ständiger Produktivitätssteigerung ist kein Land in Sicht. So lautet die Einleitung zum Vortrag von Herrn Dr. Wichels beim 13. Symposium zum Gesundheitsmanagement. Produktivitätssteigerungen sind notwendig, da die Kosten seit Jahren schneller als das Budget steigen. Das Produktionsniveau deutscher Krankenhäuser ist vergleichsweise hoch, dennoch gibt es Raum für Verbesserungen. Einzelne machen dies vor und nutzen wichtige Handlungsfelder zur Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft. Bei der ambulanten Behandlung liegen die Kosten im Vergleich zu anderen Industrieländern über dem Median. Gegensätzlich dazu verhalten sich die Krankenhausausgaben. Mit den niedrigen stationären Kosten je Fall befindet sich Deutschland sogar auf einem der ersten Plätze der Rangfolge. Es zeichnet sich ein Trend ab, bei dem ein deutliches Wachstum der privaten Träger auf Kosten der öffentlichen Krankenhäuser zu beobachten ist. Erstere zeigen zwar eine deutlich höhere Produktivität. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen können aber auch öffentliche Konzerne positive Betriebsergebnisse erwirtschaften. Dazu sind nach Wichels folgende Handlungsfelder zur Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft zu berücksichtigen: Strukturveränderungen, Skaleneffekte, Versorgungsansatz, Kompetenzbündelung und Ausbildungskonzepte. Dr. Eva Müller-Dannecker: Existenzsicherung durch innovative Organisationsstrukturen Sehr offen sprach Frau Dr. Müller-Dannecker über die Entwicklung der Strukturen und Prozesse im eigenen Unternehmen Vivantes. Durch eine massive Überkapazität an Krankenhausbetten in Berlin 1990 wurden mit der Gründung der Netzwerk Gesundheit (NET- GE) die hohen Krankenhauskosten gesenkt. Mit der Vision, ein Netzwerk für Gesundheit zu schaffen, fand eine Vielzahl von Sanierungen statt. In der ersten Sanierungsphase wurden einzelne Bereiche zusammengeführt und für einen Strukturabbau gesorgt, indem Verweildauer und Bettenanzahl reduziert wurden. Durch Standardisierungen konnten Wartezeiten minimiert und durch den Einsatz von Versorgungspfaden eine Prozessoptimierung ermöglicht werden. Nach drohender Insolvenz im Jahr 2004 erfolgte die von externen Beratern unterstützte zweite Sanierungsphase mittels Tarifmaßnahmen, Erweiterung der Regionen und diverser Teilprojekte. In der dritten Sanierungsphase ab 2007 wurden mit neuer Geschäftsführung weitere Versorgungsnetze eingerichtet, Strukturen bereinigt und extrabudgetäre Erlöse ausgebaut. Peter Brückner-Bozetti: Herausforderungen eines erfolgreichen Personalmanagements zwischen Ärzte-/Pflegemangel und Tariflohnsteigerungen Laut Brückner-Bozetti lastet schon seit Jahren ein ökonomischer Druck auf Krankenhäusern. Die klassischen Antworten darauf lauteten und lauten: Privatisierung, Sanierung, Restrukturierung und Konzentration. Ein Personalmanagement gab es bislang vielfach höchstens als optimierungsorientierte Variante mit dem Fokus auf Kosten. Echte personalpolitische Ansätze sind dagegen eher selten vorzufinden. Die Gewinnung von Mitarbeitern wird durch den spürbaren Ärztemangel immer mehr zum Problem. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, von einer Funktionenorientierung zu einer Prozessoptimierung in der Organisation der Krankenhäuser überzugehen. Personalmanagement darf nicht mehr nur Personalverwaltung oder Erfüllungsgehilfe der Geschäftsführung sein, sondern muss eigene personalstrategische Impulse im Rahmen der strategischen Planung setzen. So gehört Personalmanagement laut Brückner-Bozetti auf die erste Managementebene. Von enormer Bedeutung seien darüber hinaus die Bereiche Personalund Organisationsentwicklung, Personalmarketing, flexible Organisationsformen und innovative Tarif- bzw. Entgeltkonzepte. Diskussionsrunde Im Mittelpunkt der Diskussionsrunde stand die Frage nach einem effizienten Personalmanagement. Diesbezüglich äußerte sich Herr Brückner-Bozetti positiv gegenüber einer klaren Führungsstrategie. Kritisch sieht er dagegen die in der Realität häufig vorzufindende Organisation von erster und zweiter Führungsebene. Problematisch sei unter anderem, dass die zweite Ebene oft für ganze Kliniken zuständig ist und so keine Prioritäten setzen kann. Ein weiteres Problem sei der Ausstieg der Berater unmittelbar nach Abschluss von Umstrukturierungsphasen. Herr Brückner-Bozetti fordert eine Übergangsphase, in der die Unternehmen die neuen Strukturen selbstständig umsetzen, Berater aber bei Rückfragen nach wie vor zur Verfügung stehen. Zu einer kontroversen Diskussion führte schließlich die Wortmeldung eines Zuhörers, welche sich auf die Ursachen des Ärztemangels in Deutschland bezog. Kritisiert wurde, dass diese Ursachen oft zu vorschnell in der Unzufriedenheit der Berufsgruppe gesucht würden. Vielmehr handele es sich um ein weltweit identisches Problem, nämlich den zu geringen ärztlichen Nachwuchs. Daher sei es notwendig, bessere Perspektiven zu schaffen. Die sinkende Reputation des Berufes wurde in diesem Zusammenhang von einem Symposiumsteilnehmer unter anderem auf den steigenden Frauenanteil bezogen, welcher in der Regel zu einem Sinken der sozialen Wertigkeit eines Berufes führe. Frau Müller-Dannecker widersprach dem entschieden und begründete den akuten Ärztemangel mit einem Wandel der Wertigkeiten jüngerer Generationen. Freizeit werde immer wichtiger und auch das Familienleben dürfe nicht so stark wie früher durch Arbeitszeiten belastet werden. Weitere Diskussionspunkte waren die Aufgaben der Chefärzte, die immer mehr nicht nur ärztliche Tätigkeiten ausüben, sondern zudem noch Manager sein müssen. Herr Brückner-Bozetti unterstützt diese Entwicklung. Frau Müller-Dannecker hingegen sieht die Prozesssteuerung im Bereich der Pflege, welche unterstützend zu den Aufgaben der Chefärzte anzusehen sei. Sie kritisiert unterschiedliche Sichtweisen zwischen Verwaltung und Ärztlichem Personal. Edwin Beckert: Erfolgreiche Eingliederung kommunaler Häuser: Konsequenzen für Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen Für die erfolgreiche Integration kommunaler sind laut Herrn Beckert fünf Faktoren unerlässlich: 1.) Unternehmenskultur: Herr Beckert spricht von einer fraktalen Organisation. Selbständig agierende Unternehmenseinheiten zeichnen ein fraktales Krankenhaus unter anderem aus. 2.) Standortentwicklung und Kooperationen: Um die Standorte für die Einrichtungen der Grundversorgung garantieren zu können, entstehen Neubauten/Umbauten mit Kapazitätsanpassungen und Ablaufoptimierungen. Gleichzeitig wird auf eine Besserung der ambulanten Versorgung und auf eine medizinische Anbindung an größeren Standorten geachtet. 3.) Zentralisierung der Verwaltung und Versorgung 4.) Zentrenbildung: Aus Kosten- und Qualitätsgründen sowie zur Sicherung der Standorte und der Arbeitsplätze entstehen Zentren. 5.) Patientenorientierte Prozessoptimierung: Das Prozessmanagement, d.h. die Ausrichtung aller klinischen Abläufe an den Patientenbedürfnissen, vereint die Qualitätssteigerung bei gleichlaufender Kostenreduktion. Dr. Hans-Joachim Conrad: Delegation ärztlicher Tätigkeiten: Optionen und Konsequenzen für den medizinischen Dienst „Die Medizin wurde ökonomisiert“ lautete die Einleitung des Vortrags von Herrn Dr. Conrad. Die Anforderungen an das Krankenhausmanagement sind in den letzten Jahren stark gestiegen und steigen weiter. Entsprechend besteht Bedarf für leistungsfähige Steuerungsinstrumente zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit. Dabei entstehen laut Herrn Dr. Conrad betriebswirtschaftliche Herausforderungen, die insbesondere auf Effizienz und Effektivität der Tätigkeiten der Ärzteschaft und Prozessoptimierung abstellen. Delegation ärztlicher Tätigkeiten als eine Optimierungsmöglichkeit sieht vor, dass bei Übertragung auf nichtärztliche Gesundheitsberufe die Leistungsverantwortung beim Arzt verbleibt. Wesentliche Entlastungen erfahren die Ärzte aber auch durch technische Neuerungen, wie z.B. digitale Krankenakten, Spracherkennungssysteme zur Reduktion der Schreibarbeitsstellen etc. Herr Dr. Conrad hebt hervor, dass Behandlungsprozesse jedoch nur begrenzt technisierbar sind und in der Organisation nicht selten durch Interessen(gruppen) beeinflusst werden. Zum wirtschaftlichen Überleben sind zielführende Strategien, motivierende MitarbeiterInnen, eine effiziente Organisation, Patientenzugewandtheit und hinreichende bauliche Gegebenheiten unabdingbar. Da sich die Krankenhausleitung bezüglich der Delegation an der strategischen Zielsetzung und den als zielführend erkannten Organisationsstrukturen orientieren sollte, werden die Optionen und Konsequenzen des medizinischen Diensts von Krankenhaus zu Krankenhaus variieren. Prof. Dr. Oliver Rentzsch: „Kompetenter Kunde“: Einbindung des Patienten in den Behandlungsprozess mittels moderner IT-Lösungen 40 Prozent der deutschen Patienten informieren sich aktuell über das Internet über ihre Krankheiten – Tendenz steigend. Dies müsse laut Prof. Rentzsch ein Ansporn für Kliniken sein, diese Chance zu nutzen und über eine geeignete Struktur des eigenen Internetauftritts Patienten an sich zu binden. Die Webseiten von Kliniken würden immer professioneller und v.a. die zentralen Themen ständig patientenorientierter. So ist es etwa auf einer von Rentzsch vorgestellten Seite für Patienten möglich, sich über Krankheiten über das Anklicken eines Körperteils eines Menschen darüber zu informieren. Internetbasierte Interaktion mittels Fachportalen und Gesundheitsforen seien ein ebenfalls geeignetes Mittel, mit Patienten in Kontakt zu treten und an sich zu binden bzw. neu zu gewinnen. Jörg Manthey: Strategische Neuorientierung der Krankenkassen – Konsequenzen für den stationären Sektor Bedingt durch eine Vielzahl gesetzlicher Veränderungen werden auch bei den Kassen vermehrt strategische Neuorientierungen notwendig. Die TK versucht, als Dienstleister im Gesundheitswesen das „Richtige richtig“ zu machen und sich umzustrukturieren. Hochwertige Versorgung, besondere Beratungs- und Servicefunktion als auch Solidarität stehen im Mittelpunkt. Monetäre Mittel müssen an richtiger Stelle wirtschaftlich eingesetzt werden, um gezielt die besten Leistungen einzukaufen, wodurch eine Messung der Qualität der Leistung im stationären Bereich nötig wird. So hat die TK ein Modell für die Psychiatrie geschaffen, welches von der Financial Times als ein innovatives Gesundheitsmodell ausgezeichnet wurde. Kollektivverträge führen zu Strukturproblemen in der Patientenversorgung und sollten somit von einem selektiven Vertragssystem abgelöst werden. Dementsprechend müssen die stationären Akteure sich spezialisieren, bewusst für eine Ausrichtung entscheiden, Zukunftsvisionen formulieren und die Investitionsfähigkeit sicherstellen. Dr. Christoph Hoppenheit: Flexibilisierung des Personaleinsatzes als innovative Lösungsstrategie Herr Dr. Hoppenheit weist in seinem Vortrag auf die Ressourcenknappheit hin, die schon seit langem auch die Gesundheitswirtschaft beschäftigt. Langfristig gesehen muss die Gesundheitswirtschaft mit immer weniger Ärzten und Pflegekräften auskommen. Am Beispiel des UK Münster zeigte er auf, wie diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen ist. Als schneller und wirksamer Lösungsweg bietet sich eine Organisationsveränderung an. Langjährig eingefahrene Abläufe der Organisation können z.B. durch Gründung einer Tochtergesellschaft und Übertragung der Aufgabenstellung an diese positiv beeinflusst werden. So geschaffene neue Strukturen ermöglichen schnelle und in dieser Form mitbestimmungsfreie Flexibilisierungen bei der Organisation der Arbeitsabläufe. Darüber hinaus verdeutlicht Herr Dr. Hoppenheit, dass sich die Einführung von Arbeitszeitkonten anbietet, welche Überstunden ansammeln, um vor Erreichen der Altersgrenze aus dem aktiven Dienst ausscheiden zu können. Ein weiterer wichtiger Baustein im klinischen Bereich ist laut Herrn Dr. Hoppenheit die Flexibilisierung des Personaleinsatzes für das OP-Management. Die Basis zur optimalen Auslastung und der damit verbundenen Effizienzsteigerung bietet ein einheitliches OP-Management, mit dessen Hilfe sich Leerkapazitäten vermeiden lassen. Ein entscheidendes Thema für die Gesundheitswirtschaft, insbesondere aber für die Kliniken wird der steigende Frauenanteil sowie die Fokussierung der Familienplanung bei den Ärzten sein. Dies erfordert laut Hoppenheit ein gänzliches Umdenken. Die exakte Planung der Abläufe bei Einhaltung des Arbeitszeitendes ist, wie auch die Einrichtung von Kinderkrippen und –tagesstätten unumgänglich. Abschließend stellt Hoppenheit die Idee „rent a doc“ vor, also Zeitarbeit im ärztlichen Aufgabenbereich. Dr. Carsten Pohlmann: Kommunikation und Wissensmanagement im Asklepios Future Hospital Herr Dr. Pohlmann stellt das Asklepios Future Hospital Programm vor, dessen vorrangiges Ziel die Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung darstellt. Durch einen mit WLAN ausgestatteten Gebäudekomplex sei ständige Kommunikation sowie ein gutes Wissensmanagement möglich. Der Einsatz von Tablet PCs bei der Visite ermögliche einen zeitnahen Online-Zugriff auf Patientendaten und beschleunige das Entlassungsmanagement sowie die Verfügbarkeit von Befunden. Dashboards in der Notaufnahme zeigen einen nach Priorität der Versorgung gekennzeichneten, stets aktuellen Bettenbelegungsplan an. Durch ein Wissensmanagement in Form von digitalen Bibliotheken mit Zugriff auf Fachjournals können sich Ärzte stets auf den aktuellen medizinischen Stand bringen. Zudem sei es externen Ärzten möglich, durch eine Live-Schaltung in Bild und Sprache Rat von Experten aus der Klinik Barmbek einzuholen. Die Erfahrung, so Pohlmann, habe gezeigt, dass durch den gezielten Einsatz von Kommunikation und Wissensmanagement eine Qualitätssteigerung der Patientenversorgung in Kliniken möglich ist. Claudia Chmella / Dr. Hajo Reißmann: Bedeutung von Produktstammdaten in der Wertschöpfungskette Frau Chmella verdeutlichte die enorme Bedeutung der Produktstammdaten. Eine Herausforderung sieht sie jedoch darin, dieses Thema in das Bewusstsein der Marktakteure zu rücken. Ein Argument für eine gut gepflegte Stammdatenbank sei der schnellere und effizientere Datenaustausch zwischen Kunden und Zulieferern. Nutzen alle Akteure identische Artikelinformationen und Datenbanken, so können Transaktionen vollständig elektronisch abgewickelt und somit kosten- und zeiteffizienter vollzogen werden. Für die Kundenseite bedeutet ein elektronisches Datenverarbeitungssystem weniger Papier und eine höhere Datentransparenz. Herr Dr. Reißmann berichtete anschließend von einem Projekt im medizinischen Kontext, dessen ursprüngliche Motivation ein besseres Controlling in Verbindung mit medizinischer Plausibilität war. Die Frage sei nun, wie die Erfassung der Daten hier handhabbar ist. Denn der behandelnde Arzt benötigt schnell sämtliche Informationen über den Patienten, über die Mitarbeiter, die Geräte und alle Materialien. Als Lösung schlägt Herr Dr. Reißmann eine Art Materialsteckbrief vor. Prof. Heinz Lohmann: Innovative Lösungen – Anforderungen an die Gesundheitspolitik Herr Prof. Lohmann fordert in seinem Vortrag aufgrund der steigenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen innovative Lösungen in der Gesundheitspolitik. Das Ziel müsse eine ganzheitliche, organisierte und strukturierte Medizin – kurz gesagt eine Markenmedizin – sein. Eine realistische Vision für das Jahr 2020 sei ein Zusammenwachsen von ambulanten und stationären Leistungserbringern und somit ein Angebot von Gesundheitsdienstleistungen aus einer Hand. Lohmann unterstreicht dabei, dass es nicht um Outsourcing gehe, sondern um das Zusammenarbeiten von Anbietern mit ähnlichen Zielen. Dies sei die Innovation in den kommenden 10 bis 15 Jahren. Die Rahmenbedingungen im Gesundheitsbereich müssen seiner Ansicht nach mit dem Ziel der De- bzw. Umregulierung neu strukturiert werden. Die von ihm geforderte vermehrte Arbeitsteilung erfordere die Aufhebung berufsrechtlicher Regelungen. Dies veranschaulicht er am Beispiel der gesetzlichen Schweigepflicht und kritisiert zudem, dass die Kooperation von Industrie- und Serviceunternehmen mit Medizinanbietern durch die fehlende Vorsteuerabzugsfähigkeit der Gesundheits-Dienstleister massiv behindert werde. Die Aufgabe des Staates in der Gesundheitspolitik sei allein die Regelung des Patientenschutzes und die Gestaltung der Marktordnung.