Die hier aufgeführten Leitlinien sind ein Leitfaden zur Standardisierung von diagnostischen und therapeutischen Prozeduren. Die Indikationsstellung und Durchführung sind in jedem Fall eine ärztliche Tätigkeit und unterliegen der individuellen Verantwortung, die klinikinternen Leitlinien sollen dabei eine Entscheidungshilfe geben. Bei Unklarheiten oder abweichenden Situationen ist Rücksprache mit einem Oberarzt oder dem Chefarzt zu halten! Prof. Dr. Dr. M .Löhnert Leitlinien zur Therapie des Rektumkarzinoms 1. Präoperative Diagnostik K LINIK FÜR A LLGEMEINCHIRURGIE UND K OLOPROKTOLOGIE K OMPETENZZENTRUM FÜR C OLOPROKTOLOGIE K OMPETENZZENTRUM FÜR C HIR . ENDOSKOPIE Chefarzt: Prof. Dr. h.c. (Tash PMI) Dr. med. Mathias Löhnert e-mail: [email protected] An der Rosenhöhe 27 33647 Bielefeld Telefon: 05 21.9 43 - 81 01 Telefax: 05 21.9 43 - 81 99 e-mail: [email protected] Sekretariat: Frau Schimmel: 0521 / 943-8101 1.1 Notwendige Diagnostik Anamnese: Kriterien (welche, wie lange): Gewichtsverlust Stenosesymptomatik Blutbeimengungen zum Stuhl Allgemeinbefinden Fremdkörpergefühl Inkontinenz Amsterdam- Kriterien zum Ausschluß eines HNPCC Klinische Untersuchung: Kriterien: palpabler Tumor Darmgeräusche Lebervergrößerung weitere Erkrankungen Starre Rektoskopie mit endorektaler Sonographie: Kriterien: Lokalisation des Tumors (Abstand zur Anocutangrenze und / oder zur Linea dentata, cave: Lokalisation der Linea dentata von Fall zu Fall sehr variabel! Der beste Bezugspunkt für die Höhenangabe stellt das orale Ende des Analkanals dar, das aber für den Unerfahrenen oft nur schwer erkennbar ist.) Bei tiefsitzenden Tumoren: Abstand zum M. Levator ani Sonographisches T- Stadium (uT) Sonographisches N- Stadium (uN) Coloskopie mit PE: Kriterien: Histologiegewinnung zur Diagnosesicherung Zweittumoren, Polypen, Entzündungen Sonographie des Abdomens: Kriterien: Leberfiliae Nierenaufstau Aszites Röntgenthorax in 2 Ebenen: Kriterien: Lungenfiliae cardiopulmonale Grunderkrankungen Tumormarker CEA Klinikum Bielefeld gem. GmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Amtsgericht Bielefeld HRB 35642 - Geschäftsführer: Michael Ackermann - Aufsichtsratsvorsitzender: Detlef Werner www.klinikumbielefeld.de 2 1.2 Ergänzende präoperative Untersuchungen: Sphinktermanometrie vor geplanten Pouch- analen Anstomosen oder unsicherer Kontinenzleistung Bei endosonographisch weit über die Darmwand hinauswachsendem Tumor im mittleren oder oberen Drittel oder V. a. Infiltration der ableiteneden Harnwege / sonographischem Nierenaufstau: i.v. Urogramm oder: CT- Abdomen mit i.v.- Kontrastmittelgabe Oberbauch-MRT bei V.a. Leberfiliae CT- Thorax bei V.a. Lungenfiliae Zystoskopie bei V.a. Blaseninfiltration Gynäkologisches Konsil bei V. a. Infiltration von Uterus und / oder Adnexen 2. Präoperative (neoadjuvante) Therapie Einschlußkriterien: Tumoroberrand < 16 cm Histologie: Adeno- Ca oder mucinöses Ca UT3/4Nx oder uTx, N pos R0- Resektion geplant Bei mäßigem bis schlechtem AZ Rücksprache mit Strahlentherapie vor Entscheidung über Vorgehen Zum Downstaging/ Downsizing bei fraglicher R0-Resektabilität Zum Downstaging/ Downsizing bei fraglichem Kontinenzerhalt Ausschlußkriterien: Drohender oder manifester Ileus / Subileus Vorbestrahlter Rezidivtumor alle M1 ; Ausnahme: zum gezielten Downstaging zur Erreichung lokaler Operabilität Bekannte Zweittumoren (außer. Basaliom, spinocelluläres Ca, Ca in situ der Cervix uteri) Schwangerschaft oder fehlende Kontrazeption Bei Frauen: Kinderwunsch Vorangegangene Therapie des Rektum- Ca mit Radiatio, Zytostase oder Immuntherapie Andere Kontraindikationen zur Radiatio 3. Spezielle präoperative Vorbereitung Kreuzblut abnehmen und 4 Erythrozytenkonzentrate bestellen Aufklärung mit Peri-Med-Aufklärungsbögen, neben den üblichen chirurgischen Komplikationen und den Ausführungen auf dem Peri-Med-Bogen muß zusätzlich über folgende spezifische Komplikationen aufgeklärt und die Aufklärung gesondert dokumentiert werden: Verletzung angrenzender Organe (Blase, Ureteren, Uterus, Vagina, Plexus praesacralis nervosus und venosus) Blasenentleerungsstörungen, Urininkontinenz Chronische Obstipation / Stuhlinkontinenz Anastomoseninsuffizienz / Anastomosenstenose Impotenz beim Männern, herabgesetztes Sexualempfinden bei Frauen Möglichkeit einer AP-Anlage, sowohl protektiv, wie auch zweizeitig im Rahmen der Therapie von Komplikationen Erneutes Auftreten der vorbestehenden Beschwerden ggf. synchrone Resektion von Fernmetastasen ggf. synchrone en-bloc-Resektion angrenzender Organe 3 Anzeichnen von mindestens zwei möglichst optimal gelegenen AP-Implantationsstellen mit wasserfestem Stift Darmentleerung wie zur Coloskopie mit Moviprep, cave: Bei Herzinsuffizienz oder Stenose gegebenenfalls auf Prepacol®, X-Prep® oder Schwenkeinläufe ausweichen (ggf. Rücksprache mit Operateur oder Endoskopie) 4. Operative Therapie Lagerung nach Lloyd-Davies oder Trendelenburg („Sigmalagerung“) Synchrone Colonadenome werden präoperativ coloskopisch entfernt Prinzipiell ist die OP nach entsprechender Aufklärung auch laparoskopisch assitiert möglich (Indikationsstellung durch CA Prof. Dr. Dr. Löhnert) Bei palliativer Zielsetzung ( nicht resektable Fernmetastasen, Ablehnung eines onkologisch radikalen Resektionsansatzes durch den Patienten, schlechter Allgemeinzustand): Nach Möglichkeit Entfernung des tumortragenden Darmabschnittes (gegebenenfalls als transanale Resektion) Bei Irresektabilität symptomatisches Vorgehen situationsadaptiert (z. B. doppelläufige AP- Anlage, Hartmann- Situation) Endoskopische Palliation (Lasertherapie, Stent- Einlage) palliative Radiochemotherapie, eventuell transanales Afterloading Bei kurativer Zielsetzung: Resektion des Rektums zusammen mit dem regionalen Lymphabflußgebiet (= Mesorektum) bei Tumoren des mittleren und unteren Drittels, gegebenenfalls als multiviscerale Resektion en bloc (Mitentfernung adhärenter Organe/ Organteile) Bei Tumoren des oberen Rektumdrittels Mesorektumresektion tubulär bis 5 cm distal des distalen Tumorrandes Synchrone Resektion abdomineller Fernmetastasen, soweit R0-resektabel 4.1 Tiefe anteriore (kontinenzerhaltende) Rektumresektion Bei Tumoren des oberen und mittleren Rektumdrittels Vollständige mesorektale Exzision bis zur Puborectalisschlinge (TME), bei Karzinomen des oberen Drittels nur bis zum Resektionsrand (mindestens 5 cm distal des aboralen Tumorrandes) Radikuläre Ligatur der A. mesenterica inf., daraus folgend Mobilisation der linken Flexur und Descendo- (oder gegebenenfalls Transverso-) Rektostomie. Alternativ Absetzen der A. mesenterica inf. direkt distal des Abganges der A. colica sinistra und Lymphdissektion entlang der A. mesenterica inf. bis zur Aorta. Absetzen der V. mesenterica inf. am Pankreasunterrand. Aboraler Sicherheitsabstand vom Tumor am frischen, nicht gespannten Präparat mindestens 2 cm Bei Anastomosen unterhalb 8 cm ab Anocutangrenze (in der Regel 4 - 5 cm ab Linea dentata) erfolgt die Anlage eines J- Colon- Pouches oder eines Coloplasty- Pouches. Möglichst Schonung der autonomen Nerven des kleinen Beckens. Bei unsicher erscheinender Anastomose (Durchblutungssituation, Spannung, ev. durchzuführende adjuvante Radiochemotherapie) Anlage eines protektiven AP‘s 4.2 Intersphinktere (peranale) Rektumresektion Bei Tumoren des unteren Rektumdrittels, bei denen die Anastomose nicht per StaplerAnastomose erstellbar erscheint. Die Anastomosierung erfolgt mittels coloanaler- J- Pouch- Rekonstruktion. 4 Vollständige mesorektale Exzision bis zur Puborectalisschlinge Radikuläre Ligatur der A. mesenterica inf., daraus folgend Mobilisation der linken Flexur und Descendo- (oder gegebenenfalls Transverso-) Proktostomie. Alternativ Absetzen der A. mesenterica inf. direkt distal des Abganges der A. colica sinistra und Lymphdissektion entlang der A. mesenterica inf. bis zur Aorta. Absetzen der V. mesenterica inf. am Pankreasunterrand. Aboraler Sicherheitsabstand vom Tumor am frischen, nicht gespannten Präparat mindestens 2 cm, intraoperative Bestätigung des tumorfreien distalen Resektionsrandes durch Schnellschnittuntersuchung Möglichst Schonung der autonomen Nerven des kleinen Beckens. Anlage eines doppelläufigen protektiven AP´s 4.3 Rektumamputation nach Miles Bei Tumoren des distalen Rektumdrittels mit Sphinkterinfiltration, Abstand des distalen Tumorrandes zum Sphinkter < 2 cm nach Mobilisation des Rektums und Patienten mit höher gelegenen Tumoren aber manometrisch verifizierter Kontinenzstörung Vollständige mesorektale Exzision bis zur Puborectalisschlinge Radikuläre Ligatur der A. mesenterica inf., daraus folgend Mobilisation der linken Flexur und Descendo- (oder gegebenenfalls Transverso-) Proktostomie. Alternativ Absetzen der A. mesenterica inf. direkt distal des Abganges der A. colica sinistra und Lymphdissektion entlang der A. mesenterica inf. bis zur Aorta. Absetzen der V. mesenterica inf. am Pankreasunterrand. Möglichst Schonung der autonomen Nerven des kleinen Beckens. Möglichst Auffüllung der Höhle des kleinen Beckens durch eine Netzplombe, alternativ: Verschluß des Beckenperitoneums in Beckeneintrittsebene. 4.4 Lokale transanale Tumorvollwandresektion Bei „low- risk- Karzinomen“: uT1 N0 M0 G 1-2 am pathologischen Resektat keine Gefäß- oder Lymphgefäßinvasion histologisch bestätigte vollständige Tumorentfernung 4.4.1 Transanale Vollwandresektion nach Parks Bei Tumoren von der Linea dentata bis maximal 8 cm Tiefe 4.4.2 Transanale endoskopisch- mikrochirurgische Vollwandresektion (TEM nach Bueß) Bei Tumoren bis maximal 14 cm nach Rücksprache mit Prof. Dr. Dr. Löhnert 4.5 Synchrone intraabdominelle Fernmetastasen Erscheint intraoperativ eine R0 - Resektion möglich, werden Metastasen synchron reseziert Bei fraglicher Operabilität zunächst adjuvante Chemotherapie, Reevaluation der Operabilität nach Downstaging 4.6 Lokal fortgeschrittene Karzinome Ist lokal keine R0 - Resektion (auch nicht durch multiviscerale Resektion) erreichbar, so empfiehlt sich die Einlage von Afterloadingsonden in das Tumorbett, um eine postoperative Brachytherapie durchführen zu können. 4.7 Karzinome auf dem Boden einer Colitis ulcerosa, einer familiären Polyposis coli Proktocolektomie mit ileoanaler Pouchanastomose (mit oder ohne protektivem Ileum- AP) 4.8 HNPCC- Karzinome (Sofern präoperativ bekannt) subtotale Colektomie mit Ileoproktostomie, alternativ Proktocolektomie mit ileoanaler Anastomose 5 5. Adjuvante Therapie Bei Stadium II und III- Tumoren wird eine adjuvante Chemotherapie empfohlen. Soweit keine präoperative Bestrahlung durchgeführt wurde, ist eine Radiochemotherapie indiziert. Bei Einwilligung des Pat. erfolgt (gegebenenfalls in gleicher Sitzung wie die Primärtumorresektion) die Einlage eines zentralvenösen Portsystems zur Chemotherapie. 6. Nachsorge Die Nachsorge hat folgende Ziele: Erfassung und frühzeitge Therapie von Lokalrezidiven und Fernmetastasen Erkennung und Behandlung operations- oder strahlenbedingter Komplikationen Qualitätskontrolle Zur Zeit durchgeführtes Nachsorgeschema: 3 6 9 12 15 18 21 24 30 36 48 60 Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. Mon. klin. Unters. x x x x x x x x CEA /Ca x x x x x x x x 19-9 endor. x x x x x x x x x Sonogr. Coloskopie (x) x x x x x Sono Abd. x x x x x x Rö- Thorax x x x x x x Von diesem Schema kann und soll bei Beschwerden und / oder Rezidivverdacht abgegangen werden und fallorientiert weitere Diagnostik eingeleitet werden Eine Coloskopie 6 Monate nach Operation ist nur indiziert, wenn präoperativ keine komplette Coloskopie durchführbar war (z.B. stenosierender Tumor) 6 7. Anhang 6.1 Hereditäres nicht- Polypenassoziiertes Colorektales Carcinom (HNPCC) Amsterdam- Kriterien: Drei oder mehr Verwandte mit histologisch gesichertem Colonkarzinom Davon mindestens ein erstgradig Verwandter Colorektale Karzinome in mindestens zwei Generationen Ein Betroffener jünger als 50 Jahre 6.2 UICC-Stadieneinteilung des Rektumkarzinoms Aus: UICC- TNM-Klassifikation maligner Tumoren, 5. Auflage, Springer 1997 T x 0 is 1 2 3 4 N M x 0 1 2 x 0 1 Stadium 0 Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IV Primärtumor kann nicht beurteilt werden Kein Anhalt für Primärtumor Carcinoma in situ: Liegt vor, wenn Tumorzellen innerhalb der Basalmembran der Drüsen (intraepithelial) oder in der Lamina propria (intramukös) nachweisbar sind, ohne dass eine Ausbreitung durch die M. mucosae in die Submucosa feststellbar ist. Tumor infiltriert die Submucosa Tumor infiltriert die M. propria Tumor infiltriert durch die M. propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes perikolisches oder perirektales (Fett-)Gewebe Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen (schließt auch die Infiltration anderer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die Serosa ein) und / oder perforiert das viszerale Peritoneum. Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden Keine regionären Lymphknotenmetastasen Metastasen in 1-3 regionären Lymphknoten Metastasen in 4 oder mehr regionären Lymphknoten Fernmetastasen können nicht beurteilt werden Keine Fernmetastasen Fernmetastasen vorhanden Tis T1 T2 T3 T4 Jedes T Jedes T Jedes T N0 N0 N0 N0 M0 N1 N2 Jedes N M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1 Dukes A Dukes B Dukes C