Kapitel 1 Ösophaguskarzinom N. Hortling, G. Layer, P. Decker Inhalt . . . . 1 1 2 3 4 4 4 . . . . . . . . . . . . . . . . 4 5 1.1 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Klinische Symptomatologie . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Anforderungen an die Diagnostik . 1.4.1 Funktionelle Inoperabilität . 1.4.2 Lokale Inoperabilität . . . . . 1.4.3 Prognostische Inoperabilität . . . . . . . . 1.5 Radiologische Verfahren . . . . . . . . 1.5.1 Röntgenthorax in zwei Ebenen . 1.5.2 Ösophagusbreischluck in Monound Doppelkontrasttechnik . . . 1.5.3 Endoskopischer Ultraschall . . . 1.5.4 Computertomographie . . . . . . 1.5.5 Magnetresonanztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 7 10 11 1.6 Screening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Differenzialdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 12 1.8 Therapeutische Optionen . . 1.8.1 Strahlentherapie . . . 1.8.2 Chemotherapie . . . . 1.8.3 Chirurgische Therapie . . . . 12 13 13 13 1.9 Staging und Therapieplanung . . . . . . . . . . . . . 14 15 16 16 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10 Prognosefaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.11 Therapiemonitoring und Nachsorge . . . . . . . . . . 1.12 Kosten-Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.13 Wertigkeit der Verfahren und empfohlenes Vorgehen 1.1 Epidemiologie Das Ösophaguskarzinom steht bezüglich der Häufigkeit der Karzinome weltweit an neunter Stelle und stellt etwa 2% aller und ca. 5–7% der gastrointestinalen bösartigen Tumoren. Die Inzidenz des Ösophaguskarzinoms ist in den letzten 15 Jahren deutlich gestiegen, wobei dieser Anstieg vor allem das Adenokarzinom betrifft. Sie variiert erheblich nach Geschlecht, Alter, geographischer Lage sowie nach der ethnischen und sozialen Zugehörigkeit der Patienten. Die alterskorrigierte jährliche Inzidenz schwankt bei Männern zwischen weniger als 5 auf 100 000 Einwohner bei weißen Amerikanern und Werten zwischen 18,7–26,5/100 000 in einigen Gegenden Frankreichs. In Linxian in China und im kaspischen Teil des Iran liegt die Inzidenz bei Werten über 100 pro 100 000 Einwohner. Das Plattenepithelkarzinom kommt bei der schwarzen Bevölkerung etwa fünfmal häufiger vor als bei der weißen, das Adenokarzinom betrifft vor allem weiße Männer. Die Häufigkeit der Adenokarzinome ist in den letzten Jahrzehnten um etwa 10% jährlich gestiegen, seit Ende des 2. Weltkriegs also um insgesamt 350–800%. Dieser enorme Anstieg wird vor allem den zunehmend häufigen präkanzerösen Meta- und Dysplasien des distalen Ösophagus (Barrett-Dysplasie) zugeschrieben. Die Hauptursachen des Plattenepithelkarzinoms sind Alkohol- und Nikotinabusus. Zwischen der Häufigkeit des Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus und der Menge an konsumiertem Alkohol und Nikotin besteht ein linearer Zusammenhang. Weitere anerkannte Risikofaktoren für das Plattenepithelkarzinom sind Asbestexposition, regelmäßiger Konsum sehr heißer bzw. stark gewürzter Speisen und Getränke sowie, in Asien, häufiger Verzehr von Betelnüssen. Mit der darauf folgenden Ausbildung eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus sind die Achalasie, ösophageale Strikturen, das Plummer-Vinson-Syndrom (Mundrhagaden, Eisenmangelanämie, Nageldystrophie) sowie die Tylose (Hyperkeratose der Handinnenflächen und der Fußsohlen) assoziiert. Der Mangel an Proteinen, Karotin, Vitamin C und E oder Riboflavin spielt ebenfalls eine Rolle, führend ist aber vor allem – beim Adenokarzinom – die Refluxkrankheit mit intestinaler Metaplasie des distalen Ösophagus (Barrett-Ösophagus). Die Refluxkrankheit ihrerseits wird durch Überernährung und Adipositas begünstigt. 1.2 Pathologie Plattenepithel- und Adenokarzinome des Ösophagus stellen 95% aller ösophagealen Tumoren. Während früher die weit überwiegende Mehrheit der Ösophagus- 2 N. Hortling et al. karzinome Plattenepithelkarzinome waren, ist der Anteil der Adenokarzinome in den letzten zwei Jahrzehnten stetig gestiegen. Neuere Arbeiten gehen von einem Anteil von ca. 50% an Adenokarzinomen aus. Darüber hinaus gibt es neben dem malignen Melanom, dem Karzinoid und dem malignen Lymphom des Ösophagus weitere seltene Formen der epithelialen (adenosquamöses Karzinom, Mukoepidermoidkarzinom, adenoid-zystisches Karzinom, kleinzelliges Karzinom, undifferenziertes Karzinom, pseudosarkomatöses Karzinom) und nichtepithelialen (Leiomyosarkom, KaposiSarkom) ösophagealen malignen Tumoren. Das Plattenepithelkarzinom tritt als verhornender Typ in unterschiedlicher Ausdifferenzierung auf. Bereits makroskopisch lässt sich das Plattenepithelkarzinom oftmals vom Adenokarzinom unterscheiden: Während das Plattenepithelkarzinom mehr Wand infiltrierend wächst, häufig mit Ulzerationen und intratumoralen Nekrosen, stellt sich das Adenokarzinom meist als polypöser papillärer Tumor dar. Das Adenokarzinom führt im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom, welches früh zur Stenosierung neigt, erst spät zu einer klinisch relevanten Lumeneinengung. Entsprechend ist die Dysphagie hierbei meist ein Spätsymptom. Da ein Serosaüberzug beim Ösophagus fehlt, kommt es früh zu einer Infiltration in benachbarte Organe. Lokoregionale Lymphknotenmetastasen treten beim Adenokarzinom früher und häufiger auf als beim Plattenepithelkarzinom. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sind lediglich 15% der Ösophaguskarzinome auf die Mukosa beschränkt, während 85% bereits die Submukosa erreicht oder überschritten haben. Von diesen haben ca. 60% Lymphknotenmetastasen. Der frühere Begriff der Dysplasie ist heute obsolet – man spricht von einer „low-grade“ bzw. „high-grade“ intraepithelialen Neoplasie (IEN), einer präkanzerösen Läsion und damit von einer Vorstufe zum Ösophaguskarzinom. Histologisch ist die „high-grade“ IEN charakterisiert durch eine Architekturstörung der Krypten mit Ausknospungen und Verzweigungen („budding“ und „branching“), einen Verlust der Zellpolarität, eine Hyperchromasie der Kerne, vermehrte und ggf. atypische Mitosen, atypische Mitosen, prominente Nukleolen, eine fehlende Ausreifung nach luminal sowie vermehrt auftretende Mitosen und Zellkernvergrößerung mit vermehrter Chromatinbildung. Das Adenokarzinom befällt in der Regel das untere Ösophagusdrittel und entsteht vorwiegend auf dem Boden einer Barrett-Ösophagus als Folge eines chronischen gastroösophagealen Refluxes. Intraösophageale Schleimdrüsen, heterotope gastrische Mukosa sowie Zylinderepithelinseln, die aufgrund von embryonalen Hemmungsmissbildungen im gesamten Verlauf des Ösophagus auftreten können, stellen weitere Matrixformen für die Entwicklung eines Adenokarzinoms dar. Interessant ist, dass das Ösophaguskarzinom (insbesondere das Plattenepithelkarzinom) in ca. 10% der Fälle mit einem Zweitkarzinom, vor allem mit Pharynxtumoren, vergesellschaftet ist. Dabei spielen möglicherweise die gleichen zugrunde liegenden Noxen eine Schlüsselrolle. Die Metastasierung der Ösophaguskarzinome erfolgt zunächst lymphogen, zunächst in regionäre Lymphknoten entlang der Ösophaguswand, später – je nach Lokalisation des Tumors – in paraösophageale, zervikale, paratracheale, parabronchiale, hiläre, gastrale und zöliakale Lymphknotenstationen (Abb. 1.1). Die seltenere hämatogene Metastasierung erfolgt in der oberen Ösophagushälfte über venöse Abflussgebiete der V. azygos und der V. cava superior, sodass vorwiegend Lungenmetastasen resultieren, während Tumoren aus dem unteren Ösophagus hämatogen vorwiegend in die Leber metastasieren. 1.3 Klinische Symptomatologie Im Frühstadium des Ösophaguskarzinoms sind die Patienten meist beschwerdefrei. Das Auftreten von Symptomen, zumeist in Form einer Dysphagie, weist bereits auf einen obstruierenden Tumor hin. Plattenepithelkarzinome führen in der Regel früher zur Dysphagie als Adenokarzinome. Dabei besteht anfangs eine Passagestörung nur für feste Speisen, später infolge des Tumorwachstums auch für flüssige Kost. Ulzeröse Veränderungen sowie Tumorinvasion in das Mediastinum können zu einer Odynophagie (schmerzhaftes Schlucken) führen. Eine Regurgitation unverdauter Speisereste sowie eine Sialorrhö treten häufig als Folge einer Verengung des Lumens auf. Die Patienten verlieren Gewicht, da sie nicht mehr ausreichend essen können, aber auch im Rahmen einer Tumorkachexie. Eine neu aufgetretene Heiserkeit kann auf eine Beteiligung des N. laryngeus recurrens hinweisen und muss laryngoskopisch geklärt werden. Weitere, seltene Symptome des Ösophaguskarzinoms sind eine Hämatemesis (bei Tumorulzera oder bei einer ösophagoaortalen Fistel) oder häufiges Husten und rezidivierende Pneumonien durch Tumorinfiltration in die Bronchien, Lungenmetastasen oder Aspiration. Ösophagotracheale Fisteln werden in 5% der Fälle beobachtet. Kapitel 1 Ösophaguskarzinom Abb. 1.1. Ösophagus: Blutversorgung, Lymphabfluss und Ösophagusengen, Ansicht von vorn. (Aus Tillmann 2005) 1.4 Anforderungen an die Diagnostik Für die Therapieentscheidung bei einem Ösophaguskarzinom ist die Kenntnis der korrekten anatomischen Lage, der exakten Tumorausdehnung mit einer eventuellen Infiltration in Nachbarorgane sowie von Fernmetastasen notwendig. Wegen der Größe des Eingriffs muss – auch mit entsprechendem Aufwand – vor der Operation eines Ösophaguskarzinoms möglichst sichergestellt werden, dass der Patient tatsächlich operabel ist. Zu bedenken ist: l Es liegen bei Diagnosestellung häufig bereits ein fortgeschrittenes lokales Tumorstadium oder Fernmetastasen vor. l Die Prognose ist auch nach der operativen Therapie relativ ungünstig. l Die Operation ist ein Zweihöhleneingriff, ein großes Trauma mit einer Morbidität von ca. 30% und einer Letalität von 1,5–9%. l Die Patienten mit Plattenepithelkarzinomen haben aufgrund ihrer Lebensführung in den meisten Fällen eine Reihe von Begleiterkrankungen. l Subcarinale Ösophaguskarzinome sind leichter zu resezieren, aber in fast der Hälfte der Fälle sind zöliakale Lymphknoten befallen. Hoch sitzende bzw. zervikale Karzinome können operativ oft nur durch mu- 3 4 N. Hortling et al. tilierende Eingriffe behandelt werden, und die langfristige Prognose ist dennoch schlecht. auflösung und kann die Tumorinfiltration der einzelnen Wandschichten des Ösophagus unterscheiden. Während radiologisch die Ösophagusregionen nach physiologischen Engen anatomisch unterteilt werden, ist aus onkologischer Sicht eine Gliederung entsprechend der Höhe des Sitzes des Tumors in vier Regionen sinnvoll: l zervikaler Ösophagus: vom Krikoid bis zum Thoraxeingang (ca. 18 cm ab Zahnreihe), l oberer Ösophagus: Thoraxeingang bis Trachealbifurkation (ca. 18–24 cm ab Zahnreihe), l mittlerer Ösophagus: Carina bis Zwerchfell (ca. 24–32 cm ab Zahnreihe), l abdominaler Ösophagus: Zwerchfell bis ösophagogastraler Übergang (ca. 32–40 cm ab Zahnreihe). Naturgemäß ist der Ultraschall untersucherabhängig, und stenosierende Tumoren können mit dem Endosonographiegerät nicht passiert werden. Die Bronchoskopie ist bei Tumoren, die oberhalb der Trachealbifurkation lokalisiert sind, indiziert, um einen Tumoreinbruch in die Trachea auszuschließen. Als indirekte, unsichere Infiltrationszeichen gelten: fehlende Beweglichkeit der Pars membranacea beim Hustenstoß und die Einengung der Trachea durch die Vorwölbung der Pars membranacea. Ein großer Teil der Patienten (etwa 30%) ist bereits bei Diagnosestellung inoperabel. Gründe hierfür sind: l 1. funktionelle Inoperabilität, l 2. lokale Inoperabilität oder l 3. prognostische Inoperabilität. 1.4.1 Funktionelle Inoperabilität Begleiterkrankungen machen einen Zweihöhleneingriff unmöglich, da die Funktionsreserven des Patienten in dieser Situation nicht ausreichen. Da das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus oft durch Nikotin- und Alkoholabusus begünstigt wird, haben 50% der Erkrankten zugleich eine Lungenfunktionsminderung bei chronischer obstruktiver Lungenventilationsstörung, evtl. in Verbindung mit einem alkoholbedingten Leberschaden. Beide können einen großen operativen Eingriff unmöglich machen. Kardiale und nephrologische Funktionseinschränkungen kommen möglicherweise hinzu. 1.4.2 Lokale Inoperabilität Eine lokale Inoperabilität liegt im Stadium T4 (s. Abschn. 1.9) vor, wenn der Tumor die Trachea, die Hauptbronchien, die Aorta oder das Perikard infiltriert. Für die Einteilung des T-Stadiums stellt der endoluminale Ultraschall heute den Goldstandard dar. Er kann in über 85% das Tumorstadium korrekt vorhersagen, wobei lediglich die Unterscheidung zwischen einem T3-Stadium (Wandüberschreitung) und einem T4-Stadium (Infiltration von Nachbarorganen) mit Einschränkungen behaftet ist. Hierfür sind CT oder MRT besser geeignet. Im Vergleich zu allen anderen zur Verfügung stehenden Verfahren hat die Sonographie die höchste Orts- 1.4.3 Prognostische Inoperabilität Der Tumor ist zwar lokal und der Patient funktionell operabel, aber wegen einer bereits aufgetretenen Metastasierung verbietet sich eine Tumorresektion, vor allem in Anbetracht der Schwere des Eingriffs. Prognostisch inoperabel sind alle Patienten mit Fernmetastasen, hierzu gehören auch die zöliakalen Lymphknotenmetastasen. Es kommen Fernmetastasen in abnehmender Häufigkeit in Leber (32%), Lunge (21%), Knochen (8%), Netz (5%), Nebenniere (4%), Magen (4%), Herz (4%), Dünndarm (4%) vor. Die Detektion dieser Metastasen gelingt heute am besten mithilfe der Spiral-CT des Thorax und des Abdomens. 1.5 Radiologische Verfahren Den bildgebenden Verfahren kommt in der Primärdiagnostik, beim Staging, bei der Beurteilung der Operabilität sowie bei der Verlaufsbeurteilung des Ösophaguskarzinoms eine entscheidende Bedeutung zu. Hierzu stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Bildgebende Verfahren in der Diagnostik des Ösophaguskarzinoms l l l l l l Röntgen des Thorax in zwei Ebenen Ösophagusbreischluck Endoskopischer Ultraschall (EUS) Spiral-Computertomographie Magnetresonanztomographie Ultraschall des Abdomens Die Sonographie des Abdomens dient hier lediglich dem Nachweis bzw. dem Ausschluss von Lebermetastasen und Metastasen in Lymphknoten. Auf sie wird in Kapitel 1 Ösophaguskarzinom den entsprechenden Kapiteln (Kap. 5, dieser Band und Kap. 9, Band 1) näher eingegangen. 1.5.1 Röntgenthorax in zwei Ebenen Die konventionelle Übersichtsaufnahme des Thorax erfolgt im Rahmen des präoperativen Stagings und hat für die Primärdiagnostik des Ösophaguskarzinoms im Übrigen nur eine untergeordnete Bedeutung. Eine mediastinale Verbreiterung bzw. ein Verdichtungsbezirk im hinteren Mediastinum beim seitlichen Strahlengang, die entweder durch den Tumor selbst oder durch Lymphknotenmetastasen verursacht werden, sind Spätzeichen. Atelektasen oder Pneumonien (z. B. infolge Aspiration) sind mögliche Komplikationen, die im Röntgenthorax erkennbar sind. 1.5.2 Ösophagusbreischluck in Monound Doppelkontrasttechnik Die Kontrastmitteldarstellung des Ösophagus wird bei der Abklärung einer Dysphagie häufig als erste diagnostische Methode eingesetzt. Sie verifiziert das Passagehindernis, zeigt dessen Lokalisation und Länge und erleichtert die weitere Planung der Diagnostik, einschließlich der Endoskopie. Nach Möglichkeit sollte eine Darstellung in Doppelkontrasttechnik mit einem bariumsulfathaltigen Kontrastmittel und mit CO2-Gas bildendem Pulver als negatives Kontrastmittel angefertigt werden. Zur Hemmung der Ösophagusperistaltik und zur Darstellung der Ösophagusschleimhaut in Hypotonie kann N-Butylscopolamin (z. B. Buscopan®) intravenös, bei Kontraindikationen alternativ Glucagon i.v. verwendet werden. Hiermit lässt sich eine organische von einer funktionellen Stenose unterscheiden. Die Aufnahmen werden in mehreren Ebenen angefertigt, sodass der gesamte Ösophagus überlagerungsfrei dargestellt wird. Nur bei Verdacht auf eine Aspiration oder auf eine bestehende Fistel sowie bei postoperativen Kontrolluntersuchungen sollte die Untersuchung mit isoosmolarem, wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt werden (Gastrografin ist bei Aspirationsgefahr kontraindiziert). Die dabei mitgeschluckte Luft kann ebenfalls zu einem ausreichenden Doppelkontrast führen, sodass auch diskrete Befunde beurteilt werden können. Als typischer Befund ist im Frühstadium eines Ösophaguskarzinoms eine lokal begrenzte Unregelmäßigkeit des Schleimhautreliefs zu erkennen, oft mit einer Verdickung oder aber auch mit einem Abbruch der Längsfältelung. Abb. 1.2. Raumforderung im distalen Ösophagus, teils polypösvariköser Aspekt, andererseits an mehreren Stellen unterbrochene Schleimhautkontur. Diagnose: distales Ösophaguskarzinom. (Aus Hansmann u. Grenacher 2006, mit freundlicher Genehmigung) Das bariumhaltige Kontrastmittel haftet hier besser und führt oftmals zu einem kleinen Depot. Die Wandbeweglichkeit sowie die Peristaltik sind noch erhalten. Eine Lumeneinengung ist bereits ein Hinweis auf eine fortgeschrittene Tumorausdehnung auf submuköses und adventitielles Gewebe (Abb. 1.2). Nach der radiologischen Erscheinungsform unterscheidet man beim fortgeschrittenen Ösophaguskarzinom eine szirrhös-stenosierende (ca. 45%) von einer medullären, schüsselförmig exulzerierenden (ca. 20%) und einer polypös-papillären Form (35%), wobei die beiden ersten Formen meist einem Plattenepithelkarzinom entsprechen und letztere meist einem Adenokarzinom zuzuordnen ist. Unabhängig von der Wachstumsform führen fortgeschrittene Ösophaguskarzinome zu einer prästenotischen Dilatation, einer unregelmäßigen 5 6 N. Hortling et al. Abb. 1.3 a–d. Patientin mit Dysphagie bei distaler Ösophagusstenose, endoskopisch nicht passierbar. a, b Im Ösophagusbreischluck glatt berandete Stenose, wobei die Länge der Stenose gegen Achalasie spricht a b c d Abb. 1.3 c MRT (T1-gewichtete Gradientenechosequenz) nach Kontrastmittel axial; d T2-gewichtete koronare HASTE-Sequenz. Nachweis eines Tumors des distalen Ösophagus und der Kardia des Magens. Histologische Diagnose: Adenokarzinom. (Aus Hansmann u. Grenacher 2006, mit freundlicher Genehmigung) Wandkontur sowie einer Wandstarre infolge der Tumorinfiltration (Abb. 1.3 a–d u. 1.4 c). Für die Planung der Operation wichtig sind die Längsausdehnung des Tumors, die Lagebeziehung zu Nachbarorganen, der Stenosierungsgrad sowie die Höhe, wobei in Hinblick auf die Operabilität zwischen supra- und infracarinalen Tumoren unterschieden wird. Die Längsausdehnung wird in Zentimetern möglichst genau angegeben, und – auch zur Korrelation mit der Endoskopie – die Distanz des Tumors von der Zahnreihe abgeschätzt. Liegt der Tumor im Bereich des ösophagogastrischen Überganges, ist die anschließende Untersuchung des Magens obligat, um zwischen distalem Ösophaguskarzinom und einem Kardiakarzinom mit Übergreifen auf den Ösophagus unterscheiden zu können. Infiltrierend wachsende Tumoren des unteren Ösophagus können zu einer längerstreckigen Stenose mit Wandunregelmäßigkeiten führen, die nur schwer von chronisch-entzündlichen Veränderungen bei Refluxösophagitis zu unterscheiden sind. Kapitel 1 Ösophaguskarzinom a b Abb. 1.4 a–c. Kinematographie des Schluckakts bei Dysphagie, anamnestisch unauffälliger, kürzlich vorangegangener Breischluck. a Seitenbild: Engstellung des oberen Ösophagus; b, c Schrägprojektionen: hoch sitzendes Ösophaguskarzinom 1.5.3 Endoskopischer Ultraschall Mit Einführung der Endosonographie Anfang der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts ist es gelungen, die Infiltration des Ösophaguskarzinoms in die einzelnen Wandschichten präoperativ nichtinvasiv zu erfassen. Damit stellt sie das genaueste Verfahren dar, mit der die R0-Resektabilität beurteilt werden kann. Die Sensitivität für die Beurteilung der Infiltrationstiefe liegt bei 85% und für das Vorhandensein lokoregionärer Lymphknoten bei 78–85%. Entfernt gelegene Lymphknoten sowie die Leber können mit der Endosonographie nicht beurteilt werden. Für das T1- und T2-Stadium besteht die Gefahr der Überschätzung der Infiltrationstiefe aufgrund eines peritumoralen Ödems mit Schwellung auch der nicht infiltrierten Wandschichten sowie von fibrös-narbigen Gewebeveränderungen, wohingegen eine mikroskopische c mit Heranreichen an den Sphinkter und eindeutiger Schleimhautdestruktion. (Aus Hansmann u. Grenacher 2006, mit freundlicher Genehmigung) Tumorinfiltration in die Adventitia beim T3- und T4Stadium zur Unterschätzung führen kann. Für einen optimalen Untersuchungsablauf ist es notwendig, den Magen sowie den gesamten Ösophagus mit dem Endoskop bzw. dem Schallkopf zu passieren, um sowohl den Lokalbefund als auch die zöliakalen Lymphknoten sowie die Lymphknoten an der kleinen Magenkurvatur vollständig beurteilen zu können. Je nach verwendeter Größe des Instrumentariums kann die Tumorstenose in 15–30% der Untersuchungen unpassierbar sein. In einem Teil dieser Fälle kann sie durch eine Bougierung überwunden werden, die Indikation hierzu ist aber wegen des Perforationsrisikos sehr streng zu stellen. Ohnehin liegt in den meisten dieser Fälle ein T3- bzw. T4-Stadium vor, welches bereits aufgrund der Befunde der anderen Bildgebung offenkundig ist. Die Aussagekraft der Endosonographie nimmt in den Fällen deutlich ab, bei denen die Stenose endosko- 7 8 N. Hortling et al. c d a Abb. 1.5 c Axiales Bild kurz oberhalb der Trachealbifurkation; d axiales Bild knapp oberhalb des Zwerchfells. (Aus Hansmann u. Grenacher 2006, mit freundlicher Genehmigung) pisch nicht passierbar ist (Abb. 1.5 a–d). Indiziert ist dieses Verfahren immer dann, wenn ein genaues Staging mit Beurteilung der Infiltrationstiefe in die Wandschichten des Ösophagus bereits präoperativ erforderlich ist, also z. B. nicht bei klinisch bzw. metastasenbedingter Inoperabilität oder bei klarer Indikation zur primären Resektion, unabhängig vom T-Stadium. Stets, wenn eine präoperative (neoadjuvante) RadioChemo-Therapie erwogen wird, ist ein möglichst genaues T-Staging für die Indikationsstellung, für Verlaufskontrollen und als prognostischer Faktor wichtig. b Abb. 1.5 a–d. Langstreckige Raumforderung im oberen Ösophagus mit höhergradiger Stenose, Endosonographie nicht möglich. a Breischluck mit Höhenlokalisation und Ausdehnung der Stenose, CT zum Staging; b koronare Rekonstruktion Das Ösophaguskarzinom stellt sich endosonographisch als lokalisierte bzw. zirkuläre, meistens echoarme und inhomogene Wandverdickung dar. Durch die Wandinfiltration wird die ansonsten sichtbare Wandschichtung aufgehoben, was zu der folgenden endosonographischen Einteilung des T-Stadiums, die auch in Abb. 1.6, 1.7 und 1.8 veranschaulicht ist, führt: Kapitel 1 Ösophaguskarzinom Abb. 1.6. Endosonographie (kreisförmiger, axialer Schnitt bei einer rotierenden Sektorsonde) bei einem Patienten mit Ösophaguskarzinom im Stadium T1. Das Bild verdeutlicht zugleich die Abbildung der Wandschichten in der Endosonographie. 1 (echodichte Linie): Schleimhautoberfläche, Ankopplungsstelle des Ballons; 2 (echoarme Zone): Mukosa und Submukosa; 3 (echodichte Linie): Grenze zwischen Submukosa und Muskularis; 4 (echoarme Zone): Muskularis. 5 (echodichte Linie): äußere Begrenzung der Muskularis. Dieser Tumor führt lediglich zu einer Auftreibung des Mukosa-Submukosa-Komplexes, die Grenze zur Muskularis wird nicht überschritten und die Grenzlinie (kurze Pfeile) ist erhalten. (Abb. 1.6 bis 1.8 von L. Grenacher, Heidelberg, mit freundlicher Genehmigung) Abb. 1.8. Endosonographie bei einem Ösophaguskarzinom im Stadium T3 oder T4. Die Grenze zwischen Submukosa und Muskularis sowie die äußere Begrenzung der Muskularis sind durchbrochen und der Tumor (Pfeile) wölbt sich exzentrisch über die Organkontur hinaus vor. Für die Unterscheidung zwischen einem Stadium T3 (Wandüberschreitung) und T4 (zusätzliche Infiltration von Nachbarorganen) ist die Endosonographie wegen der geringen Eindringtiefe nur mit Einschränkungen geeignet T1 T2 T3 T4 Wandverdickung der Mukosa und Submukosa ohne Beteiligung der Muscularis propria (Abb. 1.6) Tumorinfiltration in die Muskelschicht, wobei die Grenzen der Wandschichten aufgehoben sind. Die äußere Organgrenze ist jedoch noch glatt begrenzt und nicht unterbrochen (Abb. 1.7) Tumorinfiltration in die Adventitia mit Unregelmäßigkeit der äußeren Wandschicht und tumorbedingten Ausläufern in die Peripherie (Abb. 1.8) Tumorinfiltration in paraösophageales Fettgewebe bzw. in benachbarte Organe Sowohl hinsichtlich des T-Stagings als auch des NStagings ist die Endosonographie der Computertomographie klar überlegen, sodass sie ausschlaggebend für das Therapiekonzept ist. Abb. 1.7. Endosonographie bei einem Ösophaguskarzinom im Stadium T2. Die Grenze zwischen Submukosa und Muskularis ist durchbrochen (Pfeile). Die äußere Begrenzung ist erhalten und der Tumor führt zu keiner Deformierung der äußeren Organkontur Auch im Rahmen der Nachsorge stellt die Endosonographie einen wichtigen Bestandteil der bildgebenden Diagnostik dar, aber die Beurteilung wird durch postoperatives Narbengewebe und Veränderungen durch Chemo- und Strahlentherapie erheblich erschwert. Die Unterscheidung zwischen therapiebedingten Veränderungen und einem Tumorrezidiv ist – wie in vielen Regionen – außerordentlich schwierig und die Diagnose eines Rezidivs sollte nicht unkritisch auf Befunden einer einzelnen Bildgebungsmodalität fußen. Dies gilt auch für die Endosonographie. 9 10 N. Hortling et al. Bewährt hat sich die Endosonographie aber, um den Erfolg oder Misserfolg einer neoadjuvanten ChemoRadio-Therapie anhand der Ab- bzw. Zunahme der ösophagealen Wanddicke zu dokumentieren. 1.5.4 Computertomographie Die CT in Spiraltechnik hat eine zentrale Rolle in der Diagnostik, beim Staging und in der Nachsorge des Ösophaguskarzinoms. Im Vergleich zur Endosonographie ist es zwar nicht möglich, die einzelnen Wandschichten zu differenzieren und damit das T-Stadium festzulegen, die schnelle Bildakquisition mit Ausnutzung eines Kontrastmittelbolus führt aber zu einer optimalen Darstellung der Lagebeziehung des Ösophagus und des Tumors zu benachbarten Organen (Abb. 1.9). Darüber hinaus ist auch eine Tumorinfiltration in benachbarte Organe in den meisten Fällen bei optimierter Untersuchungstechnik erkennbar. Die Untersuchungstechnik hat sich im Laufe der Weiterentwicklung zu den neuen schnellen Spiralscannern erheblich verändert. Mit modernen Mehrdetektorsystemen sollte die Schichtdicke nicht mehr als 5 mm betragen. Die Untersuchung selbst sollte wie eine konventionelle Thorax-CT in zwei Phasen mit Kontrastierung der Pulmonalarterien und der Aorta erfolgen. Abb. 1.9. Computertomographie des Thorax nach oraler und intravenöser Kontrastmittelgabe. Tief sitzendes Karzinom des Ösophagus: exzentrische Wandverdickung (Pfeile), nach außen hin glatte Begrenzung, somit kein Nachweis einer Wandüberschreitung Wichtig ist, dass bei der CT sowohl die obere Thoraxapertur einschließlich der supraklavikulären Lymphknoten und kaudalen Halsregion als auch der Oberbauch erfasst werden. In Anbetracht des hohen Metastasierungspotenzials ist es sinnvoll, wenn zusätzlich eine Spirale in portalvenöser Phase gefahren wird (von der Leber bis zum Beckenkamm), um sowohl Lebermetastasen als auch einen Befall retroperitonealer Lymphknoten erkennen zu können. Das Ösophaguskarzinom stellt sich als partielle oder die gesamte Zirkumferenz betreffende Wandverdickung dar, wobei eine Wanddicke bis 5 mm als normal angesehen wird (Abb. 1.9). Eine Infiltration in das Tracheobronchialsystem kann dann angenommen werden, wenn es bei einer Bildakquisition in Inspiration zu einer tumorbedingten Vorwölbung in das Lumen oder zu einer Verlagerung von Trachea oder Bronchien kommt (Abb. 1.10). Lediglich im Bereich des zervikalen Ösophagus wird die Beurteilung dadurch erschwert, dass hier die Tracheahinterwand bereits physiologischerweise vorgewölbt sein kann. Eine Infiltration in die Aortenwand ist selten. Hier wird das Ausmaß der Aorta-Tumor-Kontaktfläche sowie die Obliteration des periaortalen Fettgewebes über einem Viertel der aortalen Zirkumferenz als Infiltrationszeichen angesehen. Die Treffsicherheit liegt hier bei 85–95%. Abb. 1.10. Computertomographie des Thorax nach intravenöser Kontrastmittelinjektion. Ösophaguskarzinom (Pfeile) auf mittlerer Höhe. Man beachte das Vorwachsen nach infracarinal und die unregelmäßige Einengung des Lumens des linken Hauptbronchus, vermutlich als Ausdruck einer direkten Infiltration (Stadium T4). Dies ist ein inoperabler Befund Neben der ösophagealen Raumforderung können auch mediastinale vergrößerte Lymphknoten erkannt werden. Die Sensitivität und Spezifität für Lymphknotenmetastasen sind hier allerdings im grenzwertigen Größenbereich von unter 1 cm gering, da diese Lymphknoten bereits nicht erkennbare Mikrometastasen beinhalten und auch reaktive Lymphknoten durchaus mehr als 1 cm messen können. Kapitel 1 Ösophaguskarzinom Ein Durchmesser eines Lymphknotens von über 1 cm in der kurzen Achse sowie eine kugelige Form werden als Kriterien des metastatischen Befalls empfohlen, wobei hier Treffsicherheiten von 65–91% angegeben werden. Hinzu kommen Nekrosen und regressive Veränderungen (z. B. Verkalkungen) als morphologische Hinweise auf Malignität (Abb. 1.11). Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch eine lymphatische Drainage in die zölia- Abb. 1.13. Computertomographie des Abdomens nach intravenöser Kontrastmittelinjektion bei einem Patienten mit Ösophaguskarzinom auf mittlerer Höhe. Große, retrokaval gelegene Lymphknotenmetastase (große Pfeile). Man beachte die Anhebung und schlitzförmige Kompression der V. cava inferior (kurze Pfeile). Nebenbefund: Nierenparenchymschaden kalen und retroperitonealen Lymphknoten besteht (Abb. 1.12) und diese teilweise beachtlich groß werden können (Abb. 1.13). Hauptaufgabe der Computertomographie ist es, begleitende intrathorakale und intraabdominale Komplikationen, hämatogene Fern- sowie Knochenmetastasen zu erkennen. Abb. 1.11. Computertomographie des Thorax nach intravenöser Kontrastmittelinjektion bei einem Patienten mit einem Ösophaguskarzinom auf Höhe der Carina. Vergrößerter Lymphknoten rechts paratracheal (Pfeile) mit zentraler Verkalkung Unbestritten stellt die CT das sensitivste Verfahren zur Darstellung intrapulmonaler Rundherde und damit zur Entdeckung von Lungenmetastasen dar. Bei kleineren einzelnen Herden ist eine artdiagnostische Zuordnung allerdings nicht immer möglich. Verlaufskontrollen können Klärung bringen, kommen präoperativ aber meist nicht infrage. Perioperative Komplikationen in Form von Pneumonien, Atelektasen und Pleuraergüssen lassen sich ebenfalls in Ergänzung zur Röntgenthoraxaufnahme computertomographisch abklären. Die Spiral-CT ist auch geeignet, Lebermetastasen nachzuweisen, allerdings muss hierfür neben der CT des Thorax, deren Zeitpunkt auf den „KontrastmittelPeak“ in Pulmonalarterie und Aortenbogen abgestimmt ist, eine zusätzliche Spirale zum Zeitpunkt der portalen Kontrastmittelanflutung aufgenommen werden. 1.5.5 Magnetresonanztomographie Abb. 1.12. Computertomographie des Oberbauchs nach intravenöser Kontrastmittelinjektion und oraler Kontrastierung bei einem Patienten mit distalem Ösophaguskarzinom. Suspekt vergrößerter Lymphknoten an der kleinen Magenkurvatur (Pfeile) Ein großer Vorteil der Magnetresonanztomographie gegenüber den anderen bildgebenden Verfahren ist ihre Fähigkeit, den untersuchten Bereich in allen drei Ebenen darzustellen – ein Vorsprung, den die CT seit Einführung der Mehrzeilentechnik weitgehend wettgemacht 11 12 N. Hortling et al. hat. Besonders für die präoperative Diagnostik des Ösophaguskarzinoms kann dieses von Bedeutung sein, wenn die Infiltration bzw. Verlagerung von Nachbarorganen beurteilt werden soll. Intramurale Tumoren weisen gegenüber der gesunden Ösophagusschleimhaut keinen wesentlichen Signalunterschied auf, sodass sie nicht entdeckt werden. Zusätzlich führen Bewegungsund Pulsationsartefakte zu einer nicht ausreichenden Bildschärfe, um die Infiltrationstiefe zu erkennen. Zur Darstellung der Lagebeziehung eines fortgeschrittenen Ösophaguskarzinoms zur Aorta, zur Wirbelsäule, zum linken Vorhof sowie zum subcarinalen Bindegewebe ist sie jedoch sehr gut geeignet (Abb. 1.3). Inwiefern moderne schnelle MR-Techniken in Kombination mit Atem- und Pulstriggerung zu einer Verbesserung der Aussagekraft der MRT führen, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig beurteilt werden. Ein obligater Einsatz der MRT wird derzeit von uns nicht empfohlen. 1.6 Screening Da der Speiseröhrenkrebs in Europa immer noch selten ist, steht ein generelles Screening mithilfe der Endoskopie, gemessen an Aufwand und möglichem Erfolg, derzeit nicht zur Debatte. Lediglich in einzelnen Regionen Chinas, in denen ein weit höheres Erkrankungsrisiko mit einer höheren Inzidenz für das Ösophaguskarzinom vorliegt, haben Massenuntersuchungen an beschwerdefreien Personen mit Bürstenabstrich und zytologischen Verfahren zu einer früheren Detektion präkanzeröse Läsionen geführt. Auch für Patienten mit Refluxkrankheit gibt es Empfehlungen (z. B. von der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten) für regelmäßige Endoskopien, zur Erkennung und Behandlung von Erosionen und zur Früherkennung eines Barrett-Karzinoms. 1.7 Differenzialdiagnosen Prinzipiell sollten sowohl alle stenosierenden Prozesse des Ösophagus als auch alle Erkrankungen mit einer Schleimhautunregelmäßigkeit differenzialdiagnostisch abgeklärt werden. In der Praxis lassen sich jedoch meistens bereits durch die Anamnese die entscheidenden Hinweise erfragen. Die häufigste klinisch relevante Differenzialdiagnose, die immer histologisch verifiziert werden muss, ist die Refluxösophagitis des unteren Ösophagusdrittels. Abb. 1.14. Polypöse, glatt berandete Raumforderung in der Mitte des Ösophagus, nicht unterbrochene Schleimhaut. Radiologischer Befund: benigner Tumor. Histologische Diagnose: Leiomyom. (Aus Hansmann u. Grenacher 2006, mit freundlicher Genehmigung) In Einzelfällen führt hier weder der endoskopische noch der sonographische noch der radiologische Befund zu einer eindeutigen Diagnose. Auch eine sichere pathologische Zuordnung zwischen einem oberflächlichen, nur die Schleimhaut betreffenden Tumor und einer intraepithelialen Neoplasie kann schwierig sein. Weitere Differenzialdiagnosen, die meistens bereits in der Bildgebung vom Ösophaguskarzinom unterschieden werden können, sind ätiologisch uneinheitliche Formen der Ösophagitis, die Achalasie, die Sklerodermie des Ösophagus, krikopharyngeale Dysfunktionen, Membranstenosen sowie benigne Tumoren (Abb. 1.14). 1.8 Therapeutische Optionen Je nach Ausgangsbefund unterscheidet man zwischen einer kurativen und einer palliativen therapeutischen Zielsetzung. Unter kurativer Zielsetzung wird die vollständige Heilung, d. h. das Erreichen eines dauerhaften tumorfrei- Kapitel 1 Ösophaguskarzinom en Zustandes angestrebt. Hierzu führt eine operative R0-Resektion mit partieller oder vollständiger Ösophagusresektion. Die Resektabilität stellt sich oft erst intraoperativ heraus. Bei primärer (aufgrund der präoperativen Diagnostik offenkundiger) Inoperabilität wird eine neoadjuvante Radio-Chemo-Therapie zur Tumorverkleinerung durchgeführt. Liegt bereits eine Infiltration in benachbarte Organe vor, sollte die Indikation zur palliativen Radio-ChemoTherapie gestellt werden. Hierbei wird eine Gesamtstrahlendosis von 60–63 Gy simultan mit einer Zytostatikakombination von z. B. 5-Fluorouracil und Cisplatin appliziert. Als palliative Verfahren haben sich die endoskopische Tumorbougierung oder die endoskopische Laserbehandlung mit anschließender perkutaner und intrakavitärer Strahlenbehandlung als Therapiemaßnahmen der Wahl für stenosierende Karzinome bewährt. Darüber hinaus kommen den Tumor überbrückende ösophageale Stents bzw. transkutan platzierte Magensonden – perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) oder radiologische Gastrostomie – infrage. Ist der Tumor endoskopisch nicht passierbar, ist nur eine transkutane radiologische Enterostomie möglich. Zur reinen Tumorverkleinerung als symptomatische Behandlung stellt die intraluminale Afterloadingbestrahlung eine wenig belastende Methode dar; die Schluckbeschwerden bessern sich meist rasch. Aufgrund der unterschiedlichen potenziellen Ausbreitungswege des Karzinoms in den verschiedenen Ösophagusabschnitten sowie aufgrund operationstechnischer Unterschiede differieren die therapeutischen Optionen für operable Ösophaguskarzinome je nach Lage des Tumors. Für das therapeutische Vorgehen wird zwischen supra- und infrabifurkalen sowie zwischen auf die Ösophaguswand begrenzte und lokal fortgeschrittenen Karzinomen unterschieden. einer vorangehenden PEG-Anlage notwendig. Erfolgt nur eine Strahlenbehandlung, beträgt die Fünfjahresüberlebensrate ca. 9%; Heilungen sind letztlich nur in Einzelfällen möglich. Neben der bereits erwähnten Kombinationsbehandlung in Form der Radio-ChemoTherapie wird auch die Kombination von perkutaner Bestrahlung mit intrakavitärem Boost praktiziert, wobei in der Regel mit 40 Gy perkutan und mit 2-mal 5 Gy intrakavitär bestrahlt wird. Eine Verbesserung der Prognose durch eine präoperative Strahlentherapie allein ist bisher nicht nachgewiesen. Auch eine postoperative Bestrahlung bei R0-Resektion wird derzeit nicht empfohlen. Bei R1- und R2-resezierten Tumorpatienten muss bei postoperativer Bestrahlung die begrenzte Strahlentoleranz des postoperativen Situs mit Magenhochzug oder Koloninterponat berücksichtigt werden. 1.8.2 Chemotherapie Obwohl das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus prinzipiell chemosensibel ist und bei Kombinationstherapien Ansprechraten von 20–60% beschrieben werden, kann die Chemotherapie allein das Ösophaguskarzinom nicht heilen. Gängige Behandlungsschemata sind Kombinationen von Cisplatin, Vindesin und Bleomycin oder Cisplatin und 5-Fluorouracil. Bei multimodalen Therapien mit Kombinationen von Chemotherapie, Operation und Radiotherapie werden Chemo- und Strahlentherapie in erster Linie neoadjuvant, d. h. vor der Resektion, eingesetzt. Der Nutzen der Chemotherapie kann derzeit noch nicht sicher beurteilt werden. 1.8.3 Chirurgische Therapie Suprakarinales Ösophaguskarzinom 1.8.1 Strahlentherapie Die Strahlentherapie des Ösophaguskarzinoms kann in der Mehrzahl der Fälle den Tumor verkleinern oder – zumindest makroskopisch – eliminieren und damit sowohl die Dysphagie als auch die Schmerzen lindern. Als alleinige palliative Therapiemaßnahme kommt die Strahlentherapie in der Regel nicht infrage, da ein ausreichender Größenrückgang erst nach mehreren Wochen eintritt. Daher ist stets die Kombination der Strahlentherapie mit endoskopischer Lasertherapie oder mit Bei T1- und T2-Tumoren ist die subtotale Ösophagusresektion mit zervikaler, abdominaler und mediastinaler Lymphadenektomie indiziert (3-Feld-Dissektion). Im Falle eines Organ überschreitenden Wachstums ist eine präoperative Radio-Chemo-Therapie zur Tumorverkleinerung sinnvoll, dabei muss aber von einem erhöhten operativen Risiko ausgegangen werden. Eine Tumorinfiltration in die Trachea, in die zervikale Nerven-Gefäß-Scheide, in die prävertebrale Faszie bzw. in die paraösophagealen Weichteile gilt als nicht resektabel. 13 14 N. Hortling et al. Thorakales Ösophaguskarzinom Bei allen operablen Patienten mit einem örtlich begrenzten Tumor stellt die Ösophagusresektion die Standardbehandlung dar. Auch Patienten mit lokoregionären Lymphknotenmetastasen werden, sofern der klinische Allgemeinzustand es erlaubt, operiert. Die Mortalitätsrate liegt bei etwa 5–10%. Die häufigsten postoperativen Komplikationen sind Anastomosenleckage und bronchopulmonale Infektionen. Die Fünfjahresüberlebensrate für alle operierten Fälle beträgt unabhängig von der Histologie etwa 24%, im Falle einer R0-Resektion liegt sie bei etwa 40%. Die Rate an R0-Resektionen ist bei subkarinalen Ösophaguskarzinomen höher als bei suprakarinalen. Zervikales Ösophaguskarzinom Beim hoch sitzenden, zervikalen Ösophaguskarzinom ist eine Ösophagolaryngektomie prinzipiell möglich. Dieser äußerst mutilierende Eingriff ist wegen der schlechten Langzeitergebnisse nur selten indiziert und einer primären Radiotherapie nach unserer Kenntnis nicht sicher überlegen. 1.9 Staging und Therapieplanung Die Grundlage des Stagings beim Ösophaguskarzinom stellt das von der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) sowie vom American Joint Committee on Cancer (AJCC) etablierte TNM-System dar, welches die Tumorgröße (T), regionale Lymphknotenmetastasen (N) und Fernmetastasen (M) beurteilt (Tabellen 1.1, 1.2, 1.3 und Abb. 1.15, 1.16, 1.17). Auf dieser Tumorklassifikation beruht die klinische Stadieneinteilung, wie sie in Tabelle 1.4 dargestellt ist. Die entscheidenden Aussagen zum Stadium beziehen sich dabei auf folgende Kriterien: l Tumorgröße und Lokalisation sowie Lagebeziehung zu Nachbarstrukturen: Hierzu gehört auch die Angabe des Abstandes von der Zahnreihe bzw. vom Ösophagussphinkter. Die notwendigen Untersuchungen sind Ösophagusbreischluck, Endoskopie sowie HNO-ärztliche Untersuchung beim zervikalen Ösophaguskarzinom. l Tiefe der Wandinfiltration bzw. Befall von Nachbarorganen: Hierzu werden Spiral-CT, Endosonographie und Tracheobronchoskopie durchgeführt. Zervikale Ösophaguskarzinome können in den Schildknorpel, in den N. laryngeus recurrens, in die Schilddrüse, in die Trachea, in die prävertebrale Faszie sowie in die zervikale Nerven-Gefäß-Scheide infiltrieren. l Nachweis regionaler Lymphknotenmetastasen: Die notwendigen Untersuchung werden mit SpiralCT und Endosonographie vorgenommen. Abb. 1.15. TNM-Klassifikation des Ösophaguskarzinom, Stadium T1 und T2. (Aus Wittekind et al. 2005) Kapitel 1 Ösophaguskarzinom Tabelle 1.2. Klinische Klassifikation der regionären Lymphknoten. (Aus Wittekind et al. 2005) NX N0 N1 Die regionalen Lymphknoten können nicht beurteilt werden Kein Nachweis regionaler Lymphknotenmetastasen Nachweis regionaler Lymphknotenmetastasen Tabelle 1.3. Klinische Klassifikation der Fernmetastasen. (Aus Wittekind et al. 2005) Abb. 1.16. TNM-Klassifikation des Ösophaguskarzinom, Stadium T3. (Aus Wittekind et al. 2005) MX M0 M1 Fernmetastasen können nicht untersucht werden Kein Nachweis von Fernmetastasen Nachweis von Fernmetastasen Tabelle 1.4. Klinische Stadieneinteilung des Ösophaguskarzinoms Stadium 0 Stadium I Stadium IIA Stadium IIB Stadium III Stadium IV Tis T1 T2 T3 T1 T2 T3 T4 Alle T N0 N0 N0 N0 N1 N1 N1 Alle N Alle N M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M0 M1 1.10 Prognosefaktoren Abb. 1.17. TNM-Klassifikation des Ösophaguskarzinom, Stadium T4. (Aus Wittekind et al. 2005) Tabelle 1.1. Klinische Klassifikation des Primärtumors. (Aus Wittekind et al. 2005) TX T0 Tis T1 T2 T3 T4 Der Lokalbefund kann nicht untersucht werden Kein Nachweis des Primärtumors Carcinoma in situ Der Tumor infiltriert die Lamina propria oder Submukosa Der Tumor infiltriert die Muscularis propria Der Tumor infiltriert die Adventitia Der Tumor infiltriert benachbarte Strukturen Die wichtigsten präoperativen Prognosefaktoren des Ösophaguskarzinoms sind die Tumorgröße und das Vorliegen von Lymphknoten- oder Fernmetastasen zum Zeitpunkt der Diagnose. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen dem T-Stadium und der Sterblichkeit. Von den Tumoren mit einem maximalen Durchmesser von unter 5 cm sind 25% auf die Ösophaguswand beschränkt, 45% haben bereits benachbarte Organe infiltriert, 50% weisen Lymphknoten- und 20% Fernmetastasen auf. Nur 10% der Tumoren mit einer Größe von über 5 cm sind auf die Ösophaguswand beschränkt; 50% infiltrieren Nachbarstrukturen, 60% weisen Lymphknotenmetastasen und 45% bereits Fernmetastasen auf. Der entscheidende Prognosefaktor nach durchgeführter Ösophagusresektion ist die Radikalität. l Vorhandensein von Fernmetastasen: Hierzu erfolgen eine Spiral-CT der Lunge und ggf. der Oberbauchorgane, evtl. auch die kontrastverstärkte Sonographie. Die Fünfjahresüberlebensrate für R0-Resezierte, also für Patienten, bei denen die Resektionsränder sicher tumorfrei waren, beträgt ca. 15–40%, wohingegen nur noch 15 16 N. Hortling et al.: Kapitel 1 Ösophaguskarzinom 5–15% der R1-resezierten Patienten (chirurgisch vermeintlich radikal reseziert, aber Resektionsränder histologisch befallen) fünf Jahre überleben. Für R2-Resezierte (intraoperativ erkennbar zurückgebliebene Tumoranteile) beträgt die Fünfjahres-Überlebensrate 0%. Der histologische Subtyp sowie der Differenzierungsgrad spielen für die Prognose des Ösophaguskarzinoms keine wesentliche Rolle. 1.11 Therapiemonitoring und Nachsorge Unmittelbar postoperativ, nach Mobilisation des Patienten (in der Regel am 10. Tag), werden die Suffizienz der Anastomose und die freie Passage mit einem Ösophagusbreischluck mit wasserlöslichem Kontrastmittel überprüft (bei Aspirationsgefahr isoosmolare Kontrastmittel statt Gastrografin verwenden!). Ein Ödem mit Stenosierung und Passagestörung sowie eine Undichtigkeit der Anastomose sind die häufigsten postoperativen lokalen Komplikationen. Erst wenn ein postoperativ regelrechter Schluckvorgang radiologisch dokumentiert ist, kann auf orale Nahrungszufuhr umgestellt werden. Rezidive und Fernmetastasen sind beim Ösophaguskarzinom häufig. Ob aufwändige Nachsorgeuntersuchungen mit Endoskopie und Röntgenuntersuchungen sinnvoll sind, muss diskutiert werden, denn oft sind die Möglichkeiten zur Behandlung eines Rezidivs sehr begrenzt. In jedem Fall sollte der Patient regelmäßig, d. h. zunächst alle 2–4 Monate, gesehen, nach Appetit und Schluckbeschwerden befragt und körperlich untersucht werden – besonders mit Blick auf seinen Ernährungszustand. 1.12 Kosten-Nutzen-Analyse Am teuersten – und für den Patienten deletär – ist die abgebrochene Resektion („explorativer Zweihöhleneingriff“). Darum ist schlicht der Aufwand im oben beschriebenen Umfang nicht vermeidbar, will man klären, ob der Patient wirklich operabel ist. Dass Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden sind, mag trivial klingen. Leider ist zum einen der Informationsfluss zwischen beteiligten Ärzten oft nicht gut und die Qualität mitgebrachter Aufnahmen nicht ausreichend, um über die Operabilität entscheiden zu können. 1.13 Wertigkeit der Verfahren und empfohlenes Vorgehen Ausgehend vom Hauptsymptom des Ösophaguskarzinoms, einer Dysphagie bzw. einer ösophagealen Passagestörung, stehen Ösophagusbreischluck und Endoskopie mit Biopsieentnahme an erster Stelle. Bei histologisch positivem Befund folgen zur Indikation und ggf. Planung der Operation der Röntgenthorax, die Spiral-CT des Thorax und des Abdomens sowie der endoskopische Ultraschall. http://www.springer.com/978-3-540-29318-7