Aussagenlogik

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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Organisatorisches
Vorlesungszeitraum: 5.10.2009 - 5.2.2010
Prüfung (Klausur): März 2010
Inhalt
• Aussagenlogik
• Mengen, Relationen, Funktionen
• Algebraische Strukturen
• Graphen
• Prädikatenlogik
1
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Literatur
• Haggarty: Diskrete Mathematik für Informatiker, Pearson Studies,
2004
• Steger: Diskrete Strukturen (Bd.1: Kombinatorik, Graphentheorie,
Algebra), Springer, Berlin 2001
• Struckmann, Wätjen: Mathematik für Informatiker, Spektrum, 2006
• Hachenberger: Mathematik für Informatiker, Pearson, 2008
• Schöning: Logik für Informatiker, Spektrum, 1995
• Heinemann, Weihrauch: Logik für Informatiker, Teubner,
Stuttgart 1992
• Kastens, Kleine Büning: Modellierung, Hanser, 2008
• Nehrlich: Diskrete Mathematik, Fachbuchverlag
• Siefkes: Formalisieren und Beweisen: Logik für Informatiker,
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Anmeldungen
• Anmeldung zu den Lehrveranstaltungen im studip
http://studip.uni-halle.de
• Modul-Anmeldung über CSS
http://www.informatik.uni-halle.de/studenteninfos/pruefungsamt/pruefungsanmeldung/
• Anmeldung zum Autotool
https://autotool.imn.htwk-leipzig.de/cgi-bin/Super.cgi
Informationen
http://www.informatik.uni-halle.de/∼winter/THEOaktuell.html
http://studip.uni-halle.de
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Zulassungsvoraussetzungen zur Prüfung (Klausur):
• 60 % der Punkte aus den Übungsaufgaben
• 60 % Autotool-Aufgaben
• 5 Kurzvorträge
Hinweise zu den Übungsaufgaben:
• Abgabe jeweils vor Beginn der Vorlesung
• Zusammenarbeit in Gruppen bis max. 3 Studentinnen bzw.
Studenten
• Abgabe der Lösungen gedruckt oder handschriftlich (nicht mit
Bleistift und nicht mit Rotstift)
• mehrere Blätter bitte zusammenklammern (tackern)
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
1
Aussagenlogik
1.1 Aussagen
Aussage = Behauptung
Beispiele:
• Es regnet.
• Die Straße ist naß.
• 15 ist eine Primzahl.
• 3<8
• x < 15 (hängt von x ab, keine Aussage)
• Ist x < 15? (keine Aussage)
• Es sei x < 15. (keine Aussage)
• Morgen wird es regnen.
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Wahrheitswerte 1 (wahr) oder 0 (falsch)
Jeder Aussage p kann ein Wahrheitswert W ( p) ∈ {0, 1} zugeordnet
werden.
Beispiele:
• W (Es regnet.) =? (je nach Lage der Dinge)
• W (Die Straße ist naß.) =?
• W (15 ist eine Primzahl.) = 0
• W (3 < 8) = 1
• W (Morgen wird es regnen.) =?
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
1.2 Junktoren
Junktor (mit zugeordneter Stelligkeit):
Symbol zur Verknüpfung von Aussagen
Bedeutung (Semantik) eines n-stelligen Junktors ∗ :
[∗] : {0, 1}n → {0, 1}
(n-stellige Funktion auf der Menge {0, 1})
0-stellige Junktoren: Wahrheitswertkonstanten
t mit [t] = 1
f mit [f] = 0
7
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
8
1-stellige Junktoren:
Negation ¬
¬(3 < 8)
• W (3 < 8) = 1
• W (¬(3 < 8)) = 0
¬ p ist genau dann wahr, wenn p falsch ist.
W ( p)
W (¬ p)
0
1
1
0
W (¬ p) = 1 − W ( p)
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
2-stellige Junktoren:
Konjunktion ∧
Es regnet und 15 ist eine Primzahl.
• W (15 ist eine Primzahl.) = 0
• W (Es regnet.) =?
• W (Es regnet und 15 ist eine Primzahl.) = 0
p ∧ q ist genau dann wahr, wenn beide Aussagen p und q wahr sind.
W ( p ∧ q) = min(W ( p), W (q))
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
10
W ( p)
W (q)
W ( p ∧ q)
0
0
0
0
1
0
1
0
0
1
1
1
[∧] = min ist kommutativ und assoziativ:
W ( p ∧ q) = W (q ∧ p)
W (( p ∧ q) ∧ r ) = W ( p ∧ (q ∧ r ))
n
^
i =1
p i = p1 ∧ p2 ∧ · · · ∧ p n
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Disjunktion ∨ (inklusiv)
Es regnet oder 3 < 8.
• W (3 < 8)= 1
• W (Es regnet.)=?
• W (Es regnet oder 3 < 8.)= 1
p ∨ q ist genau dann wahr, wenn wenigstens eine der Aussagen p und
q wahr ist.
W ( p ∨ q) = max(W ( p), W (q))
11
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
12
W ( p)
W (q)
W ( p ∨ q)
0
0
0
0
1
1
1
0
1
1
1
1
[∨] = max ist kommutativ und assoziativ:
W ( p ∨ q) = W (q ∨ p)
W (( p ∨ q) ∨ r ) = W ( p ∨ (q ∨ r ))
n
_
i =1
p i = p1 ∨ p2 ∨ · · · ∨ p n
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
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Implikation →
Wenn es regnet, dann ist die Straße naß.
• W (Es regnet.) =?
• W (Die Straße ist naß.) =?
• W (Wenn es regnet, dann ist die Straße naß.) = 1
p → q ist genau dann wahr, wenn die Aussage p falsch oder die
Aussage q wahr ist.
W ( p)
W (q)
W ( p → q)
0
0
1
0
1
1
1
0
0
1
1
1
Grundlagen der Mathematik für Informatiker

 1 falls W ( p) ≤ W (q)
W ( p → q) =
 0 sonst
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
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Äquivalenz ↔
3 < 8 gilt genau dann, wenn 0 < 8 − 3 gilt.
• W (3 < 8) = 1
• W (0 < 8 − 3) = 1
• W (3 < 8 gilt genau dann, wenn 0 < 8 − 3 gilt.) = 1
p ↔ q ist genau dann wahr, wenn entweder beide Aussagen p und q
gelten oder beide nicht gelten.
W ( p)
W (q)
W ( p ↔ q)
0
0
1
0
1
0
1
0
0
1
1
1
Grundlagen der Mathematik für Informatiker

 1 falls W ( p) = W (q)
W ( p ↔ q) =
 0 sonst
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
1.3 Formeln (Syntax)
Junktoren , z.B. ∧, ∨, ¬, →, ↔, t, f
Aussagenvariablen (Atome), z.B. p, q, r, s, . . .
Definition 1.1 (induktiv) Die Menge AL( P) aller
(aussagenlogischen) Formeln mit Aussagenvariablen aus der Menge
P ist definiert durch:
1. Alle Aussagenvariablen p ∈ P sind Formeln. ( P ⊆ AL( P))
2. t und f sind Formeln.
3. Sind ∗ ein einstelliger Junktor und ϕ eine Formel,
dann ist auch ∗ ϕ eine Formel.
4. Sind ∗ ein zweistelliger Junktor und ϕ und ψ Formeln,
dann ist auch ϕ ∗ ψ eine Formel.
17
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
18
Beispiele
t ∧ (¬t)
¬¬¬ p
∧( p ∨ q)
¬( p → q)
(( p ∧ ¬q) → (¬r ∨ ( p ↔ q)))
Formel ohne Aussagenvariablen
Formel mit Aussagenvariable p
syntaktisch unkorrekt
Formel mit Aussagenvariablen p, q
Formel mit Aussagenvariablen p, q, r
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Teilformeln
Definition 1.2 (rekursiv) Eine Formel ψ heißt Teilformel der Formel
ϕ, falls
• ψ = ϕ oder
• ϕ = ¬ ϕ1 und ψ eine Teilformel von ϕ1 ist oder
• ϕ = ϕ1 ∗ ϕ2 mit ∗ ∈ {∧, ∨, →, ↔} und ψ eine Teilformel von ϕ1
oder ϕ2 ist.
Beispiele:
• ϕ = ¬ p ∧ (t ∨ p)
Teilformeln: ¬ p ∧ (t ∨ p), ¬ p, p, t ∨ p, t
• ϕ = p Atom
hat genau eine Teilformel: p
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Aussagenlogische Interpretationen
(Belegungen der Aussagenvariablen mit Wahrheitswerten)
Interpretation (für ϕ ∈ AL( P)) Zuordnung W : P → {0, 1}.
Menge aller Interpretationen für Formeln ϕ ∈ AL( P)
W ( P) = {W : P → {0, 1}} = 2P
Wahrheitswerte für Formeln
Erweiterung der Interpretation W : P → {0, 1} zu einer Funktion
W : AL( P) → {0, 1}
Der Wert W ( ϕ) der Formel ϕ in der Interpretation W wird induktiv mit
den Wahrheitswertfunktionen der Junktoren aus den Werten der
Teilformeln von ϕ bestimmt:
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
21
• für ϕ = p ∈ P: W ( ϕ) = W ( p)
• W (¬ψ) = [¬]W (ψ) = 1 − W (ψ)
• W (ψ1 ∧ ψ2 ) = W (ψ1 )[∧]W (ψ2 ) = min W (ψ1 ), W (ψ2 )
• W (ψ1 ∨ ψ2 ) = W (ψ1 )[∨]W (ψ2 ) = max W (ψ1 ), W (ψ2 )
• ...
Beispiel: ϕ = (( p ∧ ¬q) → (¬r ∨ ( p ↔ q)))
für W ( p) = 0, W (q) = 1, W (r ) = 0 ist
W ( ϕ) = 1
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
22
Wahrheitswerttabellen
Untersuchung der Werte einer Formel ϕ ∈ AL( P) in allen möglichen
Interpretationen W ∈ W ( P)
Zeilen
–
Interpretationen
Spalten
–
Teilformeln
W ( p1 )
0
· · · W ( pn ) W (ψ) für Teilformeln ψ von ϕ W ( ϕ)
···
0
..
.
1
···
···
..
.
1
···
Wertetabelle einer n-stelligen Booleschen Funktion
f ϕ : {0, 1}n → {0, 1}
Beispiel: ϕ = ϕ( a, b, c) = ( a → ((¬b → c) ∧ a))
f ϕ (0, 0, 0) = 1, f ϕ (1, 0, 0) = 0, ...
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
23
Modelle
Definition 1.3 Jede aussagenlogische Interpretation W mit W ( ϕ) = 1
heißt Modell (oder erfüllende Belegung der Aussagenvariablen) für ϕ.
Menge aller Modelle von ϕ ∈ AL( P):
Mod ( ϕ) = {W : P → {0, 1} | W ( ϕ) = 1}
Für alle Formeln ϕ, ψ ∈ AL( P) gilt
Mod (¬ ϕ) = W ( P) \ Mod ( ϕ)
(1)
Mod ( ϕ ∨ ψ) = Mod( ϕ) ∪ Mod (ψ)
(2)
Mod ( ϕ ∧ ψ) = Mod( ϕ) ∩ Mod (ψ)
(3)
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Erfüllbarkeit und Allgemeingültigkeit
Definition 1.4 Eine Formel ϕ ∈ AL( P) heißt
erfüllbar , wenn sie ein Modell hat
(Mod ( ϕ) 6= ∅)
Beispiel: ¬ p → p
unerfüllbar (Kontradiktion), wenn sie kein Modell hat
(Mod ( ϕ) = ∅,
für jede Interpretation W gilt W ( ϕ) = 0),
Beispiel: p ∧ ¬ p
allgemeingltig (Tautologie), wenn jede Belegung ein Modell für
ϕ ∈ AL( P) ist
(Mod ( ϕ) = W ( P),
für jede Interpretation W gilt W ( ϕ) = 1).
Beispiel: p ∨ ¬ p
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
25
Modelle von Formelmengen
Definition 1.5 Menge aller Modelle einer Menge Φ ⊆ AL( P) von
Formeln:
Mod (Φ) =
\
Mod ( ϕ)
ϕ∈Φ
(Eine Interpretation W : P → {0, 1} ist ein Modell für eine Menge
Φ ⊆ AL( P) von Formeln, wenn W Modell für jede Formel ϕ ∈ Φ ist.)
Jede Interpretation ist ein Modell für die Formelmenge ∅.
Beispiel: Mod({ p, p → q}) = {W } mit W ( p) = W (q) = 1.
Lemma 1.1 Für alle Formelmengen Φ, Ψ ⊆ AL( P) gilt:
Aus Φ ⊆ Ψ folgt Mod(Φ) ⊇ Mod(Ψ).
Zusammenhang allgemeingültig – unerfüllbar
Satz 1.2 Eine Formel ϕ ∈ AL( P) ist genau dann allgemeingültig,
wenn die Formel ¬ ϕ unerfüllbar ist.
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
1.4 Semantische Äquivalenz
Definition 1.6 Zwei Formeln ϕ und ψ mit Mod( ϕ) = Mod(ψ)
heißen semantisch äquivalent (Schreibweise: ϕ ≡ ψ).
Nachweis z.B. durch Wahrheitswerttabellen
Beispiele: •
ϕ→ψ
≡ ¬ϕ ∨ ψ
•
ϕ∨ψ
≡ ¬ϕ → ψ
•
ϕ∧ψ
≡ ¬( ϕ → ¬ψ)
•
ϕ↔ψ
≡ ( ϕ → ψ) ∧ (ψ → ϕ)
Äquivalente Formeln haben dieselbe Wahrheitswertfunktion
(Semantik).
(Das Symbol ≡ ist kein Junktor (Syntax), sondern ein Symbol für eine
Relation zwischen Formeln (Semantik)).
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
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Wichtige Äquivalenzen
• ϕ ∨ ϕ ≡ ϕ,
ϕ ∧ ϕ ≡ ϕ (Idempotenz)
• ϕ ∨ ψ ≡ ψ ∨ ϕ,
ϕ ∧ ψ ≡ ψ ∧ ϕ (Kommutativität)
• ϕ ∨ (ψ ∨ η ) ≡ ( ϕ ∨ ψ) ∨ η
ϕ ∧ (ψ ∧ η ) ≡ ( ϕ ∧ ψ) ∧ η (Assoziativität)
• ϕ ∧ (ψ ∨ η ) ≡ ( ϕ ∧ ψ) ∨ ( ϕ ∧ η )
ϕ ∨ (ψ ∧ η ) ≡ ( ϕ ∨ ψ) ∧ ( ϕ ∨ η ) (Distributivität)
• ¬¬ ϕ ≡ ϕ (Doppelnegation)
• ¬( ϕ ∨ ψ) ≡ ¬ ϕ ∧ ¬ψ, ¬( ϕ ∧ ψ) ≡ ¬ ϕ ∨ ¬ψ
(DeMorgansche Regeln)
• ϕ ∨ ψ ≡ ¬(¬ ϕ ∧ ¬ψ),
(Dualität von ∧ und ∨)
ϕ ∧ ψ ≡ ¬(¬ ϕ ∨ ¬ψ)
• ϕ → ψ ≡ ¬ψ → ¬ ϕ (Kontraposition)
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Beweismethoden
• Direkter Beweis (Modus Ponens):
( ϕ ∧ ( ϕ → ψ) → ψ) ist eine Tautologie.
Ist ϕ wahr und zeigt man, dass ϕ → ψ wahr ist, so ist auch ψ
wahr.
• Kontraposition:
(¬ψ → ¬ ϕ) ↔ ( ϕ → ψ) ist eine Tautologie.
Kann man ausgehend von ¬ψ auf ¬ ϕ schließen, so ist damit
gezeigt, dass ψ aus ϕ folgt.
• Widerspruchsbeweis:
(( ϕ ∧ ¬ψ) → f) ↔ ( ϕ → ψ) ist eine Tautologie.
Unter der Voraussetzung ϕ nehmen wir an, ψ gelte nicht und
führen dies zu einer falschen Aussage (also zu einem
Widerspruch).
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Umformen von Formeln
Satz 1.3 (Ersetzbarkeitstheorem) Für drei Formeln
ϕ, ψ, η ∈ AL( P), wobei ψ ≡ η und ψ eine Teilformel von ϕ ist, gilt:
ϕ ≡ ϕ′ , wobei ϕ′ entsteht, wenn in ϕ ein Vorkommen von ψ durch η
ersetzt wird.
Beweis: Induktion über die Struktur von ϕ
Formeln können also durch Ersetzung äquivalenter Teilformeln in
semantisch äquivalente Formeln umgeformt werden.
(Änderung der Syntax bei unveränderter Semantik)
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Eingeschränkte Junktorenmengen
Lemma 1.4 Jede aussagenlogische Formel läßt sich in eine
äquivalente Formel umformen, die nur Junktoren aus den folgenden
Mengen enthalten:
1. {¬, ∨, ∧}
2. {¬, ∨}
3. {¬, ∧}
4. {¬, →}
5. {f, →}
{∨, ∧} und {∨, ∧, →} genügen nicht.
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
31
1.5 Normalformen
Literal Atom oder negiertes Atom
Definition 1.7
NNF Formeln, in denen das Negationssymbol ¬ höchstens auf Atome
angewendet wird, heißen in Negations-Normalform.
CNF Formeln der Form
Vn
i =1
Wm j
j=1 li,j
mit Literalen li,j
heißen in konjunktiver Normalform.
DNF Formeln der Form
Wn
i =1
Vm j
j=1 li,j
mit Literalen li,j
heißen in disjunktiver Normalform.
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Satz über Normalformen
Satz 1.5 Zu jeder Formel ϕ ∈ AL( P) existieren
• eine äquivalente Formel ϕ1 ∈ AL( P) in NNF,
• eine äquivalente Formel ϕ2 ∈ AL( P) in CNF und
• eine äquivalente Formel ϕ3 ∈ AL( P) in DNF.
Beweisidee:
→, ↔, t, f durch Formeln mit {∨, ∧, ¬} ersetzen
1. NNF durch (mehrmalige) Anwendung der deMorganschen Regeln
2. CNF und DNF durch (mehrmalige) Anwendung der
Distributivgesetze auf die NNF
CNF und DNF einer Formel ϕ lassen sich auch aus der
Wahrheitswerttabelle der Formel ϕ ablesen.
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
1.6 Semantisches Folgern
Definition 1.8 Eine Formel ψ ∈ AL( P) heißt Folgerung aus der
Menge Φ ⊆ AL( P) von Formeln (Φ |= ψ), falls Mod (Φ) ⊆ Mod(ψ)
gilt.
Beispiele:
• { p, p → q} |= q
• { p, ¬(q ∧ p)} |= ¬q
• { p} |= q → p
• ∅ |= p ∨ ¬ p
Spezialfälle der Notation:
für Φ = { ϕ}: ϕ |= ψ (statt { ϕ} |= ψ)
für Φ = ∅ :
|= ψ (statt ∅ |= ψ)
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
34
Sätze über das Folgern
Satz 1.6 Für endliche Formelmengen Φ = { ϕ1 , . . . , ϕn } gilt
Φ |= ψ genau dann, wenn
n
^
ϕi |= ψ
i =1
Satz 1.7 |= ϕ gilt genau dann, wenn ϕ allgemeingültig ist.
Satz 1.8 Zwei Formeln ϕ und ψ sind genau dann äquivalent,
wenn ϕ |= ψ und ψ |= ϕ gelten.
Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Zusammenhänge Junktoren – semantische Beziehungen
Satz 1.9 ϕ |= ψ gilt genau dann,
wenn die Formel ϕ → ψ allgemeingültig ist.
Folgerung 1.10 ϕ ≡ ψ gilt genau dann,
wenn die Formel ϕ ↔ ψ allgemeingültig ist.
1.7 Syntaktisches Ableiten
Folgerungsrelation |= ⊆ 2AL( P) × AL( P)
Φ |= ψ gilt genau dann, wenn Mod (Φ) ⊆ Mod (ψ)
Definition über die Semantik von Φ und ψ
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Ableiten:
Syntaktische Umformungen der Formeln nach bestimmten Regeln
(Kalkül)
ohne direkte Benutzung der Semantik der Formeln
Ableitungsrelation ⊢ ⊆ 2AL( P) × AL( P)
Φ ⊢ ψ gilt genau dann, falls ψ aus Φ ableitbar
(nach bestimmten Regeln syntaktisch umformbar) ist.
(ohne direkten Zugriff auf die Semantik der Formeln)
Ziel: Ableitungsrelation ⊢ mit
Φ ⊢ ψ gilt genau dann, wenn Φ |= ψ
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
1.8 Kalküle
Regeln zur formalen Beschreibung zulässiger syntaktischer
Umformungsschritte
Definition 1.9 Ein Kalkül besteht aus einer Menge von Axiomen
(Formeln) und einer Menge von Regeln, mit deren Hilfe aus den
Axiomen und einer Eingabemenge weitere Formeln gebildet werden
können.
Wir geben einen Kalkül K für die Aussagenlogik an. Mit K können alle
Folgerungen aus einer Formelmenge gewonnen werden.
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Definition 1.10 Kalkül K besteht aus der Axiomenmenge AX :
1. ϕ → (ψ → ϕ)
2. ( ϕ → (ψ → χ)) → (( ϕ → ψ) → ( ϕ → χ))
3. (¬ ϕ → ¬ψ) → (ψ → ϕ)
4. ϕ ∧ ψ → ϕ,
ϕ∧ψ → ψ
5. (χ → ϕ) → ((χ → ψ) → (χ → ϕ ∧ ψ))
6. ϕ → ϕ ∨ ψ,
ψ → ϕ∨ψ
7. ( ϕ → χ) → ((ψ → χ) → ( ϕ ∨ ψ → χ))
und der Regel R:
• { ϕ, ϕ → ψ} ⊢K ψ (Modus Ponens)
Axiome 1. - 7. sind allgemeingültig.
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Definition 1.11 Eine Formel ψ ist im Kalkül K aus einer
Formelmenge Φ herleitbar (Φ ⊢K ψ), wenn eine der folgenden
Bedingungen erfüllt ist:
• ψ ist ein Axiom
• ψ ist eine Formel aus Φ
• ψ kann in endlich vielen Schritten aus Axiomen oder Formeln aus
Φ hergeleitet werden. Ein Schritt beinhaltet die Anwendung der
Regel aus R auf bereits hergeleitete Formeln.
In K aus Φ ableitbare Formeln ψ heißen in K aus Φ beweisbar.
(Φ ⊢K ψ)
In K aus ∅ ableitbare Formeln heißen in K beweisbar. (⊢K ψ)
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Satz 1.11 Korrektheit und Vollständigkeit von K
Es seien Φ eine Formelmenge und ψ eine Formel.
Dann gilt Φ ⊢K ψ genau dann, wenn Φ |= ψ.
Bemerkung:
K ist korrekt, d.h. jede aus einer Formelmenge Φ herleitbare Formel
ψ ist eine Folgerung aus Φ.
K ist vollständig, d.h. jede Folgerung ψ aus einer Formelmenge Φ
kann mithilfe von K aus Φ hergeleitet werden.
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Grundlagen der Mathematik für Informatiker
Beispiel:
Herleitung von ψ = p → ( p ∨ q) ∧ ( p ∨ ¬q) in K :
(a) p → p ∨ q
(Axiom 6.)
(b) p → p ∨ ¬q
(Axiom 6.)
(c) ( p → p ∨ q) → (( p → p ∨ ¬q) → ( p → ( p ∨ q) ∧ ( p ∨ ¬q)))
(Axiom 5.)
(d) ( p → p ∨ ¬q) → ( p → ( p ∨ q) ∧ ( p ∨ ¬q))
(Modus Ponens auf (a), (c))
(e) p → ( p ∨ q) ∧ ( p ∨ ¬q)
(Modus Ponens auf (b), (d))
41
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