Jahresbericht 2015

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ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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INHALT
Einleitung ................................................................................................................................................. 7
Aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik ... 8
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin ............................................................................................... 14
Das Regionale Psychiatrie-Budget – Aktuelles ...................................................................................... 18
Aktuelle Entwicklungen im Zentrum für Psychosoziale Medizin .......................................................... 21
Das therapeutische Angebot im Zentrum für Psychosoziale Medizin .................................................. 22
Die geschützte Station mit Offenen Türen ............................................................................................ 22
Systemische Therapie mit besonderer Berücksichtigung der Netzwerk-Arbeit ................................... 25
Home-Treatment ................................................................................................................................... 26
Das Konzept STEPS (Stationäre Therapie ersetzende Psychosomatik) ................................................. 28
Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters .......... 30
Suchttherapie ........................................................................................................................................ 32
Besondere Aspekte der Pflege in der Psychiatrie und Psychotherapie ................................................ 34
Besondere Therapieformen .................................................................................................................. 35
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums für Psychosoziale Medizin ....................................... 37
Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung ......................................................................................... 48
Publikationen und Vorträge .................................................................................................................. 52
Mitgliedschaften.................................................................................................................................... 54
Presse-Artikel (Auswahl) ....................................................................................................................... 56
Kooperierende Einrichtungen und Institutionen .................................................................................. 60
ANHANG ................................................................................................................................................ 61
Im vorliegenden Bericht wurde auf eine durchgehende Aufzählung beider Geschlechter (z.B. „die
Patientinnen und Patienten“) oder die Verbindung beider Geschlechter in einem Wort
(MitarbeiterInnen) zugunsten einer möglichst einfachen Lesart des Textes verzichtet. Auf eine
Schreibweise, in der nur die weiblichen Begriffe verwendet werden, wurde ebenfalls verzichtet.
Aus diesem Grunde soll an dieser Stelle betont werden, dass bei allgemeinen Personenbezügen
grundsätzlich beide Geschlechter gemeint sind.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
PSYCHISCHE GESUNDHEIT
GEHT UNS ALLE AN
(DGPPN)
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit legen wir den JAHRESBERICHT 2015 für das Zentrum für Psychosoziale Medizin des
Klinikums Itzehoe vor.
Wir freuen uns sehr über Ihr Interesse an unserer Klinik.
Das ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN des Klinikums Itzehoe ist zuständig für alle Menschen
mit psychischen Erkrankungen in allen Altersstufen, die im Kreis Steinburg Hilfe und
Versorgung in den Bereichen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin
benötigen.
Wir haben UMFASSENDE ANGEBOTE im Bereich der Prävention, der Diagnostik, der Behandlung
und der Rehabilitation.
Es ist uns ein ganz besonderes Anliegen, mit allen Menschen im Kreis Steinburg im Kontakt zu
bleiben und Informationen über unsere Arbeit zu geben. Menschen mit psychischen
Erkrankungen GEHÖREN ZU UNSERER GESELLSCHAFT. Wir verstehen uns als eine Klinik, die eng mit
allen vernetzt ist, die als Betroffene, Angehörige oder Helfende mit psychischen Erkrankungen
und deren Prävention und Behandlung befasst sind.
Mit ganz herzlichen Grüßen
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums für Psychosoziale Medizin
Professor Dr. med. Arno Deister
Chefarzt
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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■ Robert-Koch-Str. ■ Mecklenburger Weg ■ Beethovenstraße
■ Am Wall (Glückstadt) ■ Engelbrechtsche Wildnis ■
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Einleitung
D
ie Psychosoziale Medizin versteht sich als Integration der psychiatrischen,
psychotherapeutischen, psychosomatischen und sozialen Aspekte in der Diagnostik
und Therapie von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
INDIVIDUELLE THERAPEUTISCHE KONZEPTE FÜR MENSCHEN MIT PSYCHISCHEN ERKRANKUNGEN
Im Zentrum für Psychosoziale Medizin behandeln wir Menschen aus allen Altersstufen, die wegen
einer psychischen oder psychosomatischen Problematik oder Erkrankung (einschließlich
Abhängigkeitserkrankungen) therapeutische Hilfe benötigen. Wir unterstützen unsere Patienten
dabei kompetent und partnerschaftlich im Heilungsprozess.
DEN GANZEN MENSCHEN IM BLICK
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin bietet stationäre, tagesklinische und ambulante Behandlung
für alle Menschen mit psychischen Störungen an. Wir verfügen über alle diagnostischen und
therapeutischen Möglichkeiten aus dem Bereich der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik.
Für Kinder und Jugendliche haben wir ein umfassendes tagesklinisches Angebot. Mit
hochspezialisierten Behandlungsteams behandeln wir Menschen, die unter Depressionen oder
Angsterkrankungen, psychotischen Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen oder
Persönlichkeitsstörungen sowie unter psychischen Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters bzw.
des älteren Menschen leiden. Wir legen Wert darauf, dass sich die Behandlung bei uns eng an den
Bedürfnissen unserer Patientinnen und Patienten orientiert und den ganzen Menschen im Blick hat.
In akuten Krisensituationen bieten wir Schutz und intensive pflegerische und therapeutische
Betreuung.
UMFASSENDE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN IN ITZEHOE UND GLÜCKSTADT
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin ist in den Therapiebereichen Itzehoe und Glückstadt tätig.
Wir haben insgesamt bis zu 60 stationäre Behandlungsplätze (Betten) und bis zu 75 tagesklinische
Plätze. Für Kinder und Jugendliche bieten wir eine eigenständige tagesklinische Behandlung mit zwölf
Plätzen in Itzehoe an.
AMBULANTE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN
Die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung ist ein wesentlicher Bestandteil
in der gemeindepsychiatrischen Versorgungskette. Wir richten uns mit unserem
Behandlungsangebot insbesondere an Menschen mit schweren und chronischen Verläufen
psychischer Erkrankungen. Dies sind hauptsächlich Patienten, die auf Grund ihrer komplexen
Krankheitssymptomatik nach der stationären Behandlung durch das außerhalb des Klinikums
bestehende Versorgungsnetz nicht ausreichend erreicht werden können oder die zusätzlich zu
anderen Angeboten fachärztliche Hilfe benötigen.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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Aktuelle gesundheitspolitische
Entwicklungen der Psychiatrie,
Psychotherapie und
Psychosomatik
Prof. Dr. med. Arno Deister, Chefarzt
I
n den letzten Jahren wird zunehmend deutlicher, welche Bedeutung psychische Erkrankungen für
die davon betroffenen Menschen und
ihre Angehörigen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt haben.
Neuere Zahlen zur Entwicklung der Häufigkeit von psychischen Erkrankungen, insbesondere aber
auch über deren Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit und (Früh-)Berentungen sowie zu den Kosten, die
durch die Behandlung und die sozialen Folgen entstehen, zeigen, wie wichtig es ist, Maßnahmen zur
Vorbeugung von psychischen Erkrankungen zu entwickeln und diese frühzeitig zu erkennen und
umfassend zu behandeln.
Einige der wesentlichen Aspekte sollen in der Folge kurz dargestellt werden.
ERKRANKUNGSHÄUFIGKEITEN
Neueste Studien in Deutschland können zeigen, dass innerhalb von zwölf Monaten mehr als jeder
vierte Einwohner in Deutschland (27,7 % der Erwachsenen im Alter von 18-79 Jahren) an einer
psychischen Störung erkrankt1. Bezogen auf die Bevölkerung in Deutschland betrifft dies etwa 18
Millionen Menschen. Dabei sind Frauen mit einer Erkrankungshäufigkeit (innerhalb von zwölf
Monaten) von 33% häufiger betroffen als Männer mit 22%. Die häufigsten Erkrankungen bei Frauen
sind Angststörungen und depressive Erkrankungen, bei Männern stehen Abhängigkeitserkrankungen
im Vordergrund, gefolgt ebenfalls von Angststörungen. Etwa die Hälfte der Frauen und ein Drittel der
Männer leiden gleichzeitig unter mehr als einer psychischen Erkrankung. Menschen mit einem
niedrigen sozioökonomischen Status sind insgesamt häufiger betroffen als Menschen mit einem
höheren sozialen Status. Gleiches gilt für jüngere Menschen (18-34 Jahre). Keine nennenswerten
Unterschiede ergaben sich bezüglich eines Ost-West-Vergleiches oder der Frage, ob die Menschen
mehr in städtischen oder ländlichen Regionen leben. Die aktuellen Daten zeigen im Übrigen keine
wesentliche Veränderung der Erkrankungshäufigkeiten in den letzten Jahren, belegen jedoch einen
unterschiedlichen Umgang mit psychischen Erkrankungen. So fällt es vielen Menschen heute leichter,
wegen einer psychischen Erkrankung Hilfe zu suchen oder diese als Diagnose zuzulassen.
1
Jacobi F et al. (2014) psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener
in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). Nervenarzt Band 85; 77-87
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
Knapp 15% aller Arbeitsunfähigkeitstage gehen auf
psychische Störungen zurück
Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer
Störungen nach Diagnosen
Psychische Störungen haben mit durchschn. 40 Tagen
pro Fall die längste Arbeitsunfähigkeit
Zahl der AU-Tage mit der Diagnose „depressive
Episode“ nach Bundesländern
Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer
Störungen nach Landkreisen
Abbildungen aus: BKK Gesundheitsatlas 2015
Bezug: Versicherte der BKK (ohne Rentner)
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ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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SOZIALE BEDEUTUNG
Psychische Erkrankungen führen weiterhin zu umfangreichen Kosten, sowohl im direkten als auch im
indirekten Bereich. Etwa 11 % aller Kosten, die in Deutschland für die Diagnose, Behandlung und
Rehabilitation von Erkrankungen aufgewandt werden, entfallen auf psychische Erkrankungen. Dies ist
in der Summe ein Betrag von mehr als 30 Milliarden € pro Jahr in Deutschland. Damit lagen die
direkten Krankheitskosten nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und den Erkrankungen des
Verdauungssystems an dritter Stelle von allen Erkrankungen. Die höchsten Kosten entfallen dabei auf
organische psychische Störung (zum Beispiel demenzielle Erkrankungen), auf affektive Erkrankungen
(insbesondere depressive Störungen), auf psychotische Erkrankungen (zum Beispiel schizophrene
Störungen) und auf Abhängigkeits-Erkrankungen (insbesondere Abhängigkeit von Alkohol). Im
Zeitraum von 2002-2008 haben sich in Deutschland die Ausgaben für psychiatrische Erkrankungen
um 14% erhöht, während der Anstieg für alle Gesundheitsausgaben in diesem Zeitraum bei lediglich
etwa 8% lag2. Addiert man die direkten und die sogenannten indirekten Kosten für psychische
Erkrankungen (d.h. einschließlich der Kosten für Arbeitsunfähigkeit, erhöhte Morbidität und die
Inanspruchnahme sozialer Unterstützungssysteme), so erreicht man einen Betrag von fast 100
Milliarden € pro Jahr. Dies würde einem Anteil von 3,7 % am Bruttoinlandsprodukt entsprechen.
PATIENTENAUTONOMIE 3
Dem Umgang mit dem Recht des Menschen auf Selbstbestimmung und der
Selbstbestimmungsfähigkeit des Menschen auch in Phasen psychischer Erkrankungen
(Patientenautonomie) ist in den letzten Jahren eine stark zunehmende Bedeutung zugekommen4.
Persönliche Freiheit und Selbstbestimmung sind Grundwerte eines Menschen, die in der
Rechtsprechung oft höher bewertet werden als das Recht auf Gesundheit und die Behandlung im
Falle einer Erkrankung. Die Psychiatrie bewegt sich seit jeher in diesem Dilemma, nämlich zwischen
dem grundgesetzlich geschützten Recht des Betroffenen auf Autonomie und Selbstbestimmung
einerseits und dem Wissen um die möglichen schwerwiegenden Folgen ausschließlich
selbstbestimmten Handelns andererseits. Traditionell wurde der Psychiatrie von der Gesellschaft
neben der Funktion der ärztlichen Behandlung auch immer eine soziale Kontrollfunktion zugewiesen.
Es gibt deshalb in der Psychiatrie, aber auch in einem gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmen,
immer wieder Diskussionen, wie sehr bei einer akuten (psychischen) Erkrankung die persönliche
Autonomie und Freiheit eingeschränkt werden können und wie viel und welche Art von individuellem
Zwang nötig und zulässig ist. In den letzten Jahren ist die Psychiatrie von dem Grundsatz geleitet,
dass die Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sowohl vom Therapiesetting als
auch von den Behandlungsmaßnahmen her so wenig einschränkend wie möglich erfolgen soll. Eine
wesentliche Bedeutung hat dabei auch das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen“ der Vereinten Nationen (UN-Behindertenrechtskonvention), die in Deutschland
unmittelbar geltendes Recht ist.
2
Deister A, Wilms B (2014) Regionale Verantwortung übernehmen. Psychiatrie Verlag, Köln
Dieses Thema wird ausführlich im Beitrag über die Geschützte Station mit Offenen Türen dargestellt
4
Vgl. Memorandum „Patientenautonomie und nicht-freiwillige Behandlungsmaßnahmen“
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ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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ENTGELTSYSTEM FÜR DIE PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE
Seit dem Jahr 2009 wird intensiv über ein zukünftiges Entgeltsystem für die Bereiche der Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik diskutiert. Diese Fächer waren im Jahr 2003 aus dem damals
eingeführten pauschalierten Entgeltsystem für die somatischen Fächer (DRG-System) ausgenommen
worden, weil es sich gezeigt hatte, dass die in diesem System im Vordergrund stehende Orientierung
an der jeweiligen Diagnose für die Psychiatrie nicht geeignet erschien. Inzwischen gibt es jedoch
Ansätze, solche pauschalierenden Finanzierungssysteme auch bei Menschen mit psychischen
Erkrankungen anzuwenden (PEPP-System). Befürchtet wird allerdings, dass es dadurch zu
gravierenden falschen Anreizen für das Versorgungssystem kommt. Alternativ werden
Finanzierungsformen vorgeschlagen, die stärker den Bedürfnissen von Menschen mit psychischen
Erkrankungen gerecht werden können. Das im Zentrum für Psychosoziale Medizin bereits im Jahr
2003 eingeführte Regionale Psychiatrie-Budget wird dabei als eine zukunftsfähige alternative
Finanzierungsform eingeschätzt.
PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN AM ARBEITSPLATZ
Während die Zahl der Arbeitsunfälle aufgrund effektiver Arbeitsschutzgesetze in den letzten 50
Jahren um 75% zurückging und sich auch die Rentenzugänge aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit
seit 1993 um insgesamt 34% verringert haben, stieg der Anteil von Frühberentungen aufgrund
psychischer Erkrankungen im selben Zeitraum von 15% auf zuletzt 41%. Eine ähnliche Entwicklung ist
bei den krankheitsbedingten Fehlzeiten zu erkennen. Während die Anzahl an
Arbeitsunfähigkeitstagen zwischen 2000 und 2011 um insgesamt 12,2% zurückging, stiegen die AUTage aufgrund von psychischen Erkrankungen um 56% (AOK-Fehlzeiten-Report 2012).
Zusammenfassend kommt den psychischen Erkrankungen bei insgesamt sinkenden
krankheitsbedingten Fehlzeiten und Frühberentungen eine immer höhere Relevanz zu. Die
Beschäftigten im medizinischen Gesundheits- und Versorgungssystem sehen und spüren seit Jahren
die Folgen der Vernachlässigung dieses Themas. Belastete Arbeitnehmer werden ihren
Anforderungen nicht gerecht, fallen krankheitsbedingt aus und wenden sich wegen Schwierigkeiten
am Arbeitsplatz an das Gesundheitssystem. Erfolgt keine störungsspezifische Behandlung, so können
Burnout-Folgestörungen chronifizieren; Wiedereingliederungen sind langwierig und nicht immer
erfolgreich5
AMBULANTISIERUNG
Im Rahmen der Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung werden zunehmend mehr
therapeutische Möglichkeiten entwickelt, erprobt und umgesetzt, die eine stationäre Behandlung
ersetzen können. Dabei handelt es sich zum einen um eine intensive ambulante Behandlung im
Rahmen der Klinik, zum anderen auch um aufsuchende Behandlung im bestehenden sozialen Umfeld
der Patienten, also z.B. im häuslichen Bereich. Diese Behandlungsformen treten nicht an die Stelle
von Behandlungen in der Praxis von niedergelassenen Ärzten oder (psychologischen)
Psychotherapeuten, sondern sie treten an die Stelle einer stationären Behandlungsmaßnahme. In
zahlreichen Regionen – auch im Kreis Steinburg – konnte gezeigt werden, dass es gelingen kann,
dadurch die Zeit in stationärer Behandlung deutlich zu verkürzen.
5
DGPPN: Gemeinsam für psychische Gesundheit; Erwartungen der DGPPN an die Gesundheitspolitik
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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INTEGRATION DER ANGEBOTE
Es ist für Menschen mit psychischen Erkrankungen von ganz besonderer Bedeutung, dass alle
Angebote, die es in einer Region gibt, eng aufeinander bezogen, miteinander vernetzt und verzahnt
sind. Nur so kann zum einen für jeden Menschen, der Hilfe in diesen Bereichen braucht, ein ihm
entsprechendes therapeutisches oder rehabilitatives Angebot gemacht werden und zum anderen die
erforderliche Kontinuität der Behandlung über längere Zeit gewährleistet werden. Es ist dazu
erforderlich, dass die Strukturen der Finanzierung diese Vernetzung möglichst intensiv unterstützen
und fördern.
STIGMATISIERUNG
Menschen mit psychischen Erkrankungen sind weiterhin ausgeprägt von Stigmatisierung, teilweise
auch von Ausgrenzung und Diskriminierung, betroffen. Es ist deshalb sehr wichtig, über Ursachen,
Symptomatik und Folgen psychischer Störungen aufzuklären und deutlich zu machen, dass Menschen
mit psychischen Erkrankungen ein integrativer Teil unserer Gesellschaft sind. Der Tendenz zur
Stigmatisierung muss auf der gesellschaftlichen und auf der zwischenmenschlichen Ebene
entgegengewirkt werden.
BEDEUTUNG DER PRÄVENTION
Einhergehend mit der Häufigkeit und großen sozialen Bedeutung psychischer Erkrankungen
gewinnen auch Aspekte der Prävention eine immer größere Bedeutung. Psychotische Erkrankungen,
Depressionen, Verhaltenssüchte, Folgen von Traumatisierung oder Migration und Burnout-Probleme
sind Beispiele für Störungen, bei denen es sehr wichtig ist, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um
einer ernsten Erkrankung entgegenzuwirken. In der gesamten Medizin vollzieht sich eine
Akzentverschiebung von der Therapie zur Prävention: Frühzeitiges Erkennen und Intervenieren bei
Krankheit sowie veränderte Lebensstile tragen maßgeblich zu einem Gewinn an Lebensjahren bei. Im
Fachgebiet der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik gibt es inzwischen umfassende
Erkenntnisse dazu, welche Maßnahmen zur Früherkennung und Prävention psychischer Störungen
geeignet sind.
PSYCHOSOMATISCHE MEDIZIN
Die Entwicklung der Psychosomatischen Medizin begann in den 70er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts. Sie war auch eine Reaktion auf die als unzureichend empfundene Berücksichtigung der
Zusammenhänge zwischen somatischen und psychischen Erkrankungen und damit der Reduktion auf
eine rein somatische Betrachtung und Behandlung vieler Krankheitsbilder.
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Sichtweise und auch das Behandlungsspektrum in den
somatischen Fächern und der Psychiatrie deutlich verändert. Das wird u.a. daran deutlich, dass in der
Psychiatrie und der Psychosomatik in weiten Teilen ähnliche Krankheitsbilder behandelt werden und
die Psychiatrie Behandlungsverfahren anwendet, die noch vor Jahren der Psychosomatik
zugerechnet worden sind. Damit weisen die Fachgebiete der Psychiatrie einerseits und der
Psychosomatischen Medizin andererseits große inhaltliche Überschneidungen auf. Es ist in der Regel
weder möglich, das Krankheitsbild eines Patienten eindeutig einem der Fachgebiete zuzuordnen,
noch ist die Problemkonstellation im Verlauf der Erkrankung stabil. Die große Patientengruppe der
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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depressiven Störungen (ICD-10 F33 - Rezidivierende depressive Störung und ICD-10 F32 - Depressive
Episode) wird z.B. sowohl in der Psychiatrie wie auch in der Psychosomatik behandelt.
Beide Fachgebiete verbindet der Bezug auf das enge Zusammenspiel zwischen psychischen,
somatischen und sozialen Faktoren und die darauf aufbauenden therapeutischen Ansätze. Die
spezifische Kompetenz des Fachgebietes der Psychiatrie ist für die Behandlung von Menschen mit
schwereren psychischen Störungen unverzichtbar. Ebenso gibt es aber auch Patienten, für die die im
engeren Sinn psychosomatisch ausgerichteten Behandlungsansätze einen leichteren Zugang zur
Therapie bieten. Dieses betrifft besonders die therapeutischen Ansätze, wie z.B. Gruppen- und
Verhaltenstherapien6.
PSYCHIATRIE, PSYCHOTHERAPIE UND PSYCHOSOMATIK DES KINDES- UND JUGENDALTERS
Auch das Fachgebiet der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters
befindet sich aktuell in einer umfassenden Entwicklung. Es zeigt sich, dass insbesondere die
gemeindenahe Versorgung noch nicht so ausgestaltet ist, dass für alle Kinder und Jugendliche, die ein
entsprechendes Behandlungsangebot benötigen, kurzfristig Behandlungsmöglichkeiten in der Region
zur Verfügung stehen. Ein Ausbau der Strukturen und der Angebote wird insbesondere in SchleswigHolstein aktuell diskutiert. Eine besondere Bedeutung kommt dabei aktuell der tagesklinischen
Versorgung sowie den Angeboten in Institutsambulanzen zu.
6
Psychosomatische Versorgung in Schleswig-Holstein. Konzept des Ministeriums für Soziales, Gesundheit,
Wissenschaft und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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Das Zentrum für Psychosoziale Medizin
► DAS ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN IM KLINIKUM ITZEHOE
D
as Klinikum Itzehoe ist ein kommunales Schwerpunktkrankenhaus in der Trägerstruktur eines
Zweckverbandes aus Kreis Steinburg und Stadt Itzehoe. Das Klinikum Itzehoe verfügt nach
Krankenhausplan Schleswig-Holstein aktuell 708 stationäre und teilstationäre
Behandlungsplätze in zehn Fachkliniken, mehrere klinikübergreifende Zentren und eine
Belegabteilung (HNO). Pro Jahr werden etwa 27.000 Patienten stationär bzw. teilstationär und mehr
als 30.000 Patienten ambulant behandelt. Mit etwa 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das
Klinikum der größte Arbeitgeber im Kreis Steinburg und mit etwa 150 Ausbildungsplätzen einer der
größten Ausbildungsträger. Das Klinikum Itzehoe ist Akademisches Lehrkrankenhaus der
Universitäten Kiel, Lübeck und Hamburg. Es ist Mitglied im 6K-Verbund kommunaler Kliniken in
Schleswig-Holstein. Das Klinikum verfügt über eine Schule für Gesundheits- und Krankenpflege sowie
einen ambulanten Pflegedienst mit ausgewiesener psychiatrischer Kompetenz.
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe (ZPM) hat die Pflicht- und
Regelversorgung für die Einwohner des Kreises Steinburg. Es wird stationäre, tagesklinische und
ambulante Behandlung angeboten. Zusätzlich stellt das ZPM die psychiatrische und
psychotherapeutische Versorgung der Bewohner des Psychiatrischen Centrums Glückstadt sicher.
Seit dem Jahr 2003 wird die Behandlung durch das Zentrum für Psychosoziale Medizin durch ein
Regionales Psychiatrie-Budget finanziert. Vertragspartner des Klinikums Itzehoe sind dabei alle
Krankenkassen in der Region. Das Budget gilt für alle Menschen, die im Zentrum für Psychosoziale
Medizin wegen einer psychischen Störung behandelt werden (mit Ausnahme von Kindern und
Jugendlichen und psychosomatisch-tagesklinischen Patienten).
► ORGANISATIONSSTRUKTUR
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin verfügt aktuell über bis zu 60 stationäre Behandlungsplätze
sowie bis zu 75 tagesklinische Behandlungsplätze in folgenden Therapiebereichen:
■ Behandlungsteam für Patienten in akuten Krisensituationen und Patienten mit
Abhängigkeitserkrankungen (einschl. der Patienten der früheren Station 63 in Glückstadt) (Station
39) mit 32 stationären Behandlungsplätzen
■ Behandlungsteam für Patienten mit affektiven Störungen (Station 29) mit bis zu 17 stationären
und bis zu 4 tagesklinischen Behandlungsplätzen
■ Behandlungsteam für Patienten mit psychotischen Erkrankungen (Station 32) mit bis zu 11
stationären und bis zu 10 tagesklinischen Behandlungsplätzen
■ Behandlungsteam der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Itzehoe (insbesondere
Patienten mit Persönlichkeitsstörungen) mit 20 Behandlungsplätzen
■ Behandlungsteam der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Glückstadt (Patienten mit
depressiven Erkrankungen und Abhängigkeitsstörungen) mit 14 Behandlungsplätzen
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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■ Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen von Bewohnern des Psychiatrischen
Centrums Glückstadt (230 Wohnplätze)
■ Behandlungsteam Home-Treatment
■ Behandlungsteam für nicht-stationäre psychosomatische Behandlung (Psychosomatische
Tagesklinik STEPS mit 15 Plätzen)
■ Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters mit
12 Behandlungsplätzen
■ Ambulante Behandlung in allen Behandlungsteams
■ Konsiliarärztliche Diagnostik und Behandlungen in allen Kliniken des Klinikums Itzehoe.
Struktur des Zentrums für Psychosoziale Medizin 2015
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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► PATIENTENSTRUKTUR
Durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums für Psychosoziale Medizin werden alle
Menschen behandelt, die im Kreis Steinburg an einer psychischen Störung leiden und für die
Krankenhausbehandlung erforderlich ist.
Im Jahr 2014 wurden insgesamt etwa 1.527 Menschen in etwa 2.000 Behandlungsepisoden
behandelt (einschließlich der Patientinnen und Patienten aus dem Psychiatrischen Centrum
Glückstadt). Im stationären Bereich betrug die Fallzahl (Behandlungsepisoden) 1.447, im
teilstationären Bereich 425. Im ambulanten Bereich betrug die Fallzahl (Quartale) 1.079.
Die Diagnosenverteilung (Menschen pro Jahr) ist (2014) wie folgt:
F0 (organische psychische Störungen)
F1 (Abhängigkeitserkrankungen)
F2 (schizophrene und schizoaffektive Störungen)
F3 (affektive Störungen)
F4 (neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
F6 (Persönlichkeitsstörungen)
F7 (Intelligenzminderung)
Andere Diagnosen
115
393
251
282
252
148
64
22
Diagnosen (Menschen pro Jahr)
sonstige
1%
F6
10%
F7
4%
F0
8%
F1
26%
F4
17%
F3
18%
F2
16%
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
► BEHANDLUNGSANGEBOT
Im ZPM werden in den verschiedenen Behandlungsteams aktuell u.a. folgende therapeutische
Angebote vorgehalten (Reihenfolge alphabetisch):
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Ambulante Weiterbehandlung bei besonderem Behandlungsbedarf
Behandlung in Krisensituationen
Behandlungskonferenz
Biologische Therapien / Psychopharmakotherapie
Computergesteuertes Kognitionstraining
Emotionales Wahrnehmungstraining
Ergotherapie
Genussgruppe
Geschichtsgruppe
Hometreatment
Interaktionelle Gruppe
Motivationsbehandlung bei Suchterkrankungen
Musiktherapie
Notfallbehandlung und Krisenintervention
(Ohr-)Akupunkturbehandlung bei Abhängigkeitserkrankungen
Progressive Muskelrelaxation
Psychoedukation
Psychosoziale Therapieangebote
Psychotherapeutische Behandlung einzeln und in der Gruppe
Qualifizierte Entgiftung für Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen
Skills-Training
Soziales Kompetenztraining
Sozialpädagogische Beratung
Systemische Therapieverfahren
Tanz- und Bewegungstherapie
Therapeutisches Klettern
Therapeutisches Reiten
Tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie
Verhaltenstherapie
Yoga und Qigong
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ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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Das Regionale Psychiatrie-Budget – Aktuelles
as Finanzierungs-und Entgeltsystem eines Regionalen Budgets wurde in Gesprächen mit den
Krankenkassen des Landes Schleswig-Holstein seit Ende 1999 entwickelt. Das Modellprojekt
befindet sich 2015 im 13. Jahr der Umsetzung Mit Beginn des Jahres 2013 wurde das Projekt in ein
Modellprojekt gemäß §64b SGB V umgewandelt. Dieser Vertrag läuft jetzt bis Ende 2020.
D
Der Vertrag über ein Regionales Psychiatrie-Budget zwischen dem Klinikum Itzehoe und allen
Krankenkassen bzw. Kassenverbänden in Schleswig-Holstein wurde im August 2003 unterschrieben
und trat rückwirkend zum Beginn des Jahres 2003 in Kraft. Er umfasst das gesamte Spektrum
psychiatrischer Diagnosen mit Ausnahme der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Vereinbart wurde ein
Gesamtbudget, das die im Jahr 2002 (letztes Jahr vor Beginn des Modellprojektes) vorhandenen
finanziellen Mittel für die vollstationäre, die teilstationäre und die (instituts-)ambulante Versorgung
der damals in der Region tätigen zwei Krankenhausträger zusammengefasst hat.
Ebenfalls auf der Basis der Situation im Jahr 2002 wurde die Behandlung von 1.349 Menschen pro
Jahr als Basis für die Realisierung des Budgets vereinbart. Für den Fall der Über- bzw.
Unterschreitung um jeweils mehr als 6% wurden erneute Verhandlungen über die Höhe des Budgets
vereinbart. Im Rahmen dieses Vertrags verpflichteten sich die Leistungserbringer, die psychiatrische
und psychotherapeutische Versorgung für alle Patienten der Region sicherzustellen, die durch einen
Vertragsarzt stationär eingewiesen beziehungsweise als Notfall aufgenommen werden oder die die
Voraussetzungen zur Behandlung in einer Institutsambulanz gemäß § 118 SGB V erfüllen. Die Kliniken
erhielten dafür die Möglichkeit, die Behandlungsmodalität, die Behandlungsdauer und den
Behandlungsort (vollstationär, teilstationär, stationsersetzend ambulant in der Klinik oder
Behandlung zu Hause) frei zu wählen.
Das Gesamtbudget wird fällig, wenn innerhalb eines Kalenderjahres eine zuvor festgelegte Zahl von
Menschen (Zahl der im Jahr 2002 behandelten Menschen mit einer Schwankungsbreite von ± 6%)
behandelt wird, unabhängig von der Art der Behandlung. Die Zahl der Behandlungsepisoden („Fälle“)
bzw. der Behandlungstage oder Behandlungskontakte spielt dabei keine Rolle mehr.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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In den bisher 13 Jahren des Modellprojektes wurde die Zahl der pro Jahr behandelten Patienten
stabil gehalten; dies bedeutet, dass insgesamt keine anderen Patienten behandelt wurden, sondern
dass unsere Patienten anders (also flexibler und individueller) behandelt werden konnten. Der
vereinbarte Korridor wurde also eingehalten und damit konnte auch die Budgethöhe stabil gehalten
werden.
Zahl der pro Jahr behandelten Menschen (im Rahmen des Regionalen Budgets; ohne Patienten des
PCG, ohne Kinder und STEPS)
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
20
In den Jahren seit Beginn des Modellprojekts hat sich die durchschnittliche Verweildauer im
stationären Bereich (stationäre Behandlungstage pro Jahr) mehr als halbiert. Während wir zu Beginn
der Modellperiode noch eine durchschnittliche Zahl von etwa 25 Tagen stationäre Behandlung pro
Patient und Jahr hatten, betrug dieser Wert 2014 nur noch zwölf Tage. Für die Patienten bedeutete
dies also eine massiv verkürzte Zeit im Krankenhaus. Bundesweit liegt dieser Wert übrigens weiterhin
bei mehr als 20 Tagen pro Jahr
In der Zeit des Modellprojektes hat sich auch die Art der Behandlung der Patienten massiv verändert.
Im Jahr 2014 wurde nur noch etwa die Hälfte der Patienten innerhalb eines Jahres nur stationär
behandelt, mehr als jeder fünfte Patient dagegen hatte nur eine ambulante Behandlung. Die übrigen
Patienten wurden in verschiedenen Behandlungssettings, also kombiniert stationär, tagesklinisch
oder ambulant, behandelt.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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Aktuelle Entwicklungen im Zentrum für
Psychosoziale Medizin
D
ie Entwicklung des Zentrums für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe seit Ende 2013
war gekennzeichnet zunächst durch den AUSZUG AUS DEM GEBÄUDE DER STADTKLINIK IN
GLÜCKSTADT und Integration der dortigen Behandlungskapazitäten in die Station 39 in Itzehoe.
Die Zahl der Betten wurde in diesem Zusammenhang von zwölf auf acht Betten reduziert. Im Rahmen
dieser Erweiterung konnte auch das inhaltliche Konzept ausgebaut und spezialisiert werden (siehe
Bericht weiter unten).
Im Zusammenhang damit haben wir uns entschlossen, die Station 39 zukünftig nicht mehr als
geschlossene Station zu führen, sondern sie umfassend zu öffnen. Die Führung der Station als
„GESCHÜTZTE STATION MIT OFFENEN TÜREN“ hat sich sehr bewährt und unseren Bemühungen um die
durchgehende Berücksichtigung der Autonomie von Menschen mit psychischen Erkrankungen
weiteren Auftrieb gegeben.
Im Juli 2014 wurde im Klosterforst in Itzehoe unsere PSYCHOSOMATISCHE TAGESKLINIK mit 15
Behandlungsplätzen eröffnet. Wir bezeichnen dieses Behandlungsangebot als „Stationäre Therapie
Ersetzende Psychosomatik (STEPS)“, da hier Patientinnen und Patienten intensiv behandelt werden
können, die bisher lediglich ein Angebot im stationären Bereich hatten. Gerade im Bereich der
psychosomatischen Erkrankungen ist es jedoch äußerst wichtig, die sozialen Bezüge möglichst zu
erhalten und für die Genesung zu nutzen. Auch zu diesem Thema gibt es weiter unten eine
umfassende Darstellung.
Unsere TAGESKLINIK FÜR PSYCHIATRIE, PSYCHOTHERAPIE UND PSYCHOSOMATIK DES KINDES-UND
JUGENDALTERS hat sich weiterhin sehr gut entwickelt. Es hat sich gezeigt, dass der Bedarf nach diesem
tagesklinischen Angebot sehr groß ist, sodass überlegt werden muss, die entsprechenden
Kapazitäten in den nächsten Jahren weiter auszubauen (s.u.).
Eine Besonderheit unserer Klinik ist der therapeutische Ansatz in der BEHANDLUNG UND
REHABILITATION VON MENSCHEN MIT PSYCHOTISCHEN ERKRANKUNGEN, also insbesondere schizophrenen
und schizoaffektiven Störungen. Hier setzen wir bereits seit längerem therapeutische Konzepte ein,
die ursprünglich aus dem skandinavischen Raum stammen. Hierdurch ist es möglich, die
Notwendigkeit zur stationären Behandlung weiter zu reduzieren und für die Patienten wesentliche
Verbesserungen in ihrer Teilhabe am sozialen Leben zu erreichen.
Besonders deutlich wird dieser Ansatz in der Einführung von „HOME-TREATMENT“, also der
Behandlung von Menschen mit ausgeprägten psychischen Erkrankungen im gewohnten häuslichen
Umfeld. Hier haben wir ein spezialisiertes Behandlungsteam aufgebaut, das im Jahr 2014 seine Arbeit
aufgenommen hat. Auch hierzu findet sich ein Beitrag in diesem Jahresbericht.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
22
Für das Jahr 2015 planen wir unter anderem den Aufbau eines Programmes zur sog. PEERUNTERSTÜTZUNG. Dabei geht es um die systematische Berücksichtigung der Erfahrungen von
Menschen, die selbst von einer psychischen Erkrankung betroffen waren oder sind und deren
Angehörigen(„Experten aus Erfahrung“).
Das therapeutische Angebot im Zentrum für
Psychosoziale Medizin
I
m Zentrum für psychosoziale Medizin wird ein vielfältiges Spektrum von therapeutischen
Maßnahmen angeboten. Im Folgenden sollen einige spezielle Aspekte näher dargestellt werden:
n
n
n
n
n
Die geschützte Station mit offenen Türen
Die systemische Therapie mit besonderer Berücksichtigung der Netzwerkarbeit
Home-Treatment
Das Konzept STEPS (Stationäre Therapie ersetzende Psychosomatik)
Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und
Jugendaltersjugendalters
n Pflege in der Psychiatrie und Psychotherapie
n Therapeutisches Klettern
n Suchttherapie
Die geschützte Station mit Offenen
Türen
Claudia Vallentin, Oberärztin und Leiterin Akutpsychiatrie
W
ie kein anderes Fach in der Medizin muss sich die Psychiatrie mit Fragen
der grundgesetzlich gesicherten Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen einerseits und dem Anspruch auf psychische und physische
Unversehrtheit andererseits auseinandersetzen. Hinzu kommt der gesellschaftliche Anspruch an die
Psychiatrie, eine gewisse soziale Kontrollfunktion einzunehmen.
Psychische Erkrankungen können zur Einschränkung der Einwilligungs- und Einsichtsfähigkeit führen
und dann eine Behandlung auch gegen den Willen des Betroffenen erforderlich machen. Während
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
23
auch für psychisch erkrankte Menschen das Recht auf Krankheit gilt, so hat auch jeder Mensch, der in
seiner Einwilligungsfähigkeit eingeschränkt ist, das Recht auf eine dem aktuellen wissenschaftlichen
Stand entsprechende Behandlung.
Die Diskussion über Patientenautonomie und nicht-freiwillige Behandlungsmaßnahmen wurde in der
Gesellschaft insbesondere in den letzten Jahren intensiv geführt. Es kam zu grundlegenden
Änderungen im Betreuungsgesetz sowie in den Ländergesetzen zur Unterbringung von Menschen mit
psychischen Erkrankungen. Hierbei wurde die Patientenautonomie erheblich gestärkt und die
Voraussetzungen der Behandlung gegen den Willen eines Menschen präzisiert und erhöht.
Auch im ZPM wurde dieses Thema intensiv diskutiert und hatte wesentlichen Einfluss auf
konzeptionelle Veränderungen der bis Ende 2013 überwiegend geschlossen geführten Akutstation.
Ein wichtiges weiteres Ziel der Umstrukturierung dieses Bereiches war die Reduktion von Aggression
auf der Station. Durch die internationale Literatur ist belegt, dass geschlossene Türen verbunden mit
einem „crowding“ die Gewaltbereitschaft unter Patienten und gegenüber Mitarbeitern signifikant
erhöhen. Offene Türen führen nach aktueller Datenlage nicht zu vermehrten Entweichungen, eher
das Gegenteil ist der Fall. Darüber hinaus sollte die Station eine bessere milieutherapeutische
Atmosphäre bekommen und durch die Erweiterung therapeutischer Angebote die frühzeitige,
umfassende Behandlung verbessern. Durch die Schließung unserer Station in der Stadtklinik in
Glückstadt Ende 2013 wurde zudem die Integration von 8 stationären Plätzen in Itzehoe erforderlich.
Verbunden war dies mit der Übernahme von Mitarbeitern aller Berufsgruppen.
Aufgrund der Überlegungen und der veränderten internen Situation kam es Anfang 2014 zu
umfangreichen konzeptionellen Veränderungen unseres Akutbereiches. Dieser Bereich war bis dahin
eine 24-Betten Station mit zwei Intensivzimmern mit je drei Plätzen. Behandelt wurden Patienten in
akuten Krisen, Patienten mit gerichtlichem Unterbringungsbeschluss und Patienten mit
Suchterkrankungen zur körperlichen Entgiftung sowie Patienten mit einem erhöhten Pflegebedarf.
Durch das Versetzen unserer Eingangstür erweiterten wir die Station um 4 Zimmer, die durch
entsprechende Möblierung insbesondere für Menschen geeignet sind, bei denen eine
milieutherapeutische Behandlung im Vordergrund steht, die einen erhöhten sozialen Klärungsbedarf
haben oder eine längere Zeit der Stabilisierung benötigen. Zudem wurde die bereits bestehende
Station im Sinne einer verbesserten Milieutherapie verändert, indem Gemeinschaftsräume und
Tresenbereich wohnlicher und „kommunikativer“ gestaltet wurden und ein zusätzlicher
Pflegestützpunkt geschaffen wurde.
Besondere Priorität hatte die Öffnung der bis dato überwiegend geschlossen geführten Station.
Durch eine durchgehende Besetzung unseres Tresenbereichs durch Mitarbeiter der Pflege ist es uns
gelungen, die Station von 8:00 - 20:00 Uhr offen zu führen. Die Schließung in den Nachtstunden
erfolgt lediglich aus organisatorischen Gründen. In besonderen Notfallsituationen ist die Schließung
eines Teils der Station möglich.
Durch die Veränderung der Patientenklientel war es uns möglich, unser therapeutisches Angebot
erheblich zu erweitern und so die Bedingungen einer früheren intensiven, den individuellen
Bedürfnissen des Patienten angepasste Behandlung zu schaffen. In täglichen Visiten und
regelmäßigen Einzelgesprächen wird anhand eines Wochenplanes gemeinsam mit dem Patienten die
Therapie gestaltet.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
24
Das therapeutische Angebot beinhaltet u.a.:
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Tägliche Stationsversammlungen
Tägliche Spaziergänge
Einzel- und Gruppenergotherapie
Koch- und Backgruppe
Genussgruppe
Gedächtnisgruppe
Geschichtsgruppe
Suchtinfo- und Rückfallprophylaxe-Gruppe
Externe Selbsthilfegruppen
Soziales Kompetenztraining
Ohrakupunktur
Progressive Muskelentspannung
Bewegungstherapie mit Yoga und Qigong
Therapeutisches Klettern
Ermöglicht wird dies durch ein multiprofessionelles Team aus Mitarbeitern der Gesundheits- und
Krankenpflege, Sozialpädagogen, Ärzten, Psychologen, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten.
Unsere Erfahrungen mit diesen Veränderungen sind durchweg positiv. Durch die Öffnung ist es zu
keiner Häufung von Entweichung von Station gekommen, vielmehr wird die Atmosphäre unter den
Patienten als entspannter erlebt, Aggressivität unter Patienten und gegenüber Mitarbeitern scheint
eher abgenommen zu haben. Von besonderer Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang auch die
Zunahme der Behandlungsakzeptanz, die nicht nur durch die geöffneten Türen, sondern wesentlich
auch durch das erweiterte Behandlungsangebot zugenommen hat.
Durch die gesamten konzeptionellen Veränderungen hat, so scheint es, ein wenig mehr „Normalität“
Einzug in den Stationsalltag gehalten. Dennoch erscheint uns diese positive Entwicklung erst der
Anfang zu sein auf dem Weg der Stärkung von Patientenautonomie und Reduktion nicht-freiwilliger
Behandlungsmaßnahmen. Hierzu bedarf es darüber hinaus weiterhin intensive Diskussionen über
den Bereich der Psychiatrie hinaus. Auch sind nicht nur Gesetzgeber und Gerichte gefragt, sondern
vielmehr wird es erforderlich sein, dass sich die Gesellschaft generell mit diesem Thema
auseinandersetzt. Denn: Jeder Mensch kann psychisch erkranken, jeder Mensch hat das Recht auf
Freiheit und Selbstbestimmung und jeder Mensch hat das Recht auf Behandlung.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
25
Systemische Therapie mit
besonderer Berücksichtigung der
Netzwerk-Arbeit
Dr. Rolf Michels, Leitender Oberarzt und Teamleiter Station 32
A
uch heute noch bleiben die Behandlungsergebnisse von Patienten mit psychotischen
Erkrankungen hinter den Erwartungen zurück.
Die Patienten kommen erst relativ spät in eine erste Behandlung, die dann zu häufig unter den
Bedingungen einer Zwangsunterbringung stattfindet.
Im weiteren Behandlungsverlauf kommt es oft zu Behandlungsabbrüchen und Rückfällen.
Entsprechend bleiben viele Patienten auch im längeren Verlauf nicht symptomfrei und in ihrer
beruflichen und sozialen Entfaltung eingeschränkt. Der Anteil der Patienten mit einer umfassenden
Genesung, die auch eine weitgehende soziale und berufliche Rehabilitation einschließt, bleibt
enttäuschend gering.
Auf der Suche nach Antworten auf diese Herausforderungen orientiert sich das „Team für die
Behandlung von Menschen mit psychotischen Erkrankungen“ schon seit einigen Jahren an
Behandlungsansätzen aus dem skandinavischen Raum, die unter den Begriffen „bedürfnisangepasste
Behandlung“ und „offener Dialog“ bekannt geworden sind. Wesentliche Aspekte, die diese Ansätze
kennzeichnen, sind u.a. eine schnelle Verfügbarkeit von Hilfen in Krisensituationen, Integration von
ambulanten und stationären Hilfen durch sektorenübergreifende Behandlungsteams,
personenzentrierte statt institutionszentrierte Angebote, konsequentes Einbeziehen der sozialen
Umgebung (Familie, professionelle und nicht professionelle Netzwerke), behutsamer Umgang mit
Neuroleptika-Therapie.
Von 2010 -2013 absolvierten ca. 30 Mitarbeiter aller Berufsgruppen des ZPM ein Curriculum zu
Systemischer Netzwerkarbeit, das insbesondere auch Grundlagen des offenen Dialoges und der
bedürfnisangepassten Behandlung vermittelte. Die Schulung umfasste 13 zweitägige Workshops und
wurde von den meisten Teilnehmern mit einem Fortbildungszertifikat abgeschlossen. Damit waren
die Grundlagen für die Einführung in die therapeutische Praxis gelegt und Netzwerkgespräche mit
den Familien der Patienten sowie anderen Bezugspersonen gehören inzwischen regelhaft zu der
Behandlung und bilden zusammen mit den Behandlungskonferenzen ein Kernelement des
Behandlungskonzeptes.
Um die Behandlungsqualität hoch zu halten und neue Mitarbeiter an die Behandlungsansätze
heranzuführen, haben wir eine Reihe von Maßnahmen ergriffen:
■ Zentrale Themen der systemischen Netzwerktherapie werden in den abteilungsinternen
Fortbildungen fortlaufend wieder vorgestellt, aufgefrischt und vertieft.
■ Im Jahr 2014 ist es uns gelungen, Herrn Dr. Werner Schütze, ehemaliger Chefarzt der Klinik für
Psychiatrie in Nauen, für regelmäßige halbtägige Fortbildungsseminare zu gewinnen.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
26
■ In den Jahren 2016/2017 ist ein weiteres Curriculum in systemischer Netzwerkarbeit für
Mitarbeiter geplant.
■ Mitglieder des Teams engagieren sich in überregionalen Netzwerken und Fortbildungsseminaren.
So wurde 2013 das bundesweite Treffen des Netzwerkes Home-Treatment vom ZPM gemeinsam
mit zwei gemeindepsychiatrischen Trägern aus Hamburg und Schleswig-Holstein organisiert und
ausgerichtet.
Seit der räumlichen Umgestaltung 2011/12 verfügt das Team neben 13 stationären
Behandlungsplätzen auch über bis zu 10 tagesklinische Plätze. Darüber hinaus werden ca. 70
Patienten längerfristig ambulant betreut. Eine weitere Vernetzung in den ambulanten Bereich
ergeben sich dadurch, dass der Teamleiter auch im MVZ am Prinzesshofpark als niedergelassener
Psychiater und Psychotherapeut tätig ist. Durch die beschriebenen Veränderungen sind die Grenzen
zwischen den Behandlungssektoren in den vergangenen Jahren immer durchlässiger geworden und
feste Behandlungsstrukturen lösen sich zugunsten individueller, den Bedürfnissen des einzelnen
Patienten angepasster Behandlungssettings auf. So gibt es nicht wenige Patienten, die statt an 5
Behandlungstagen in der Tagesklinik nur an 4, 3, 2 oder auch nur einem teilnehmen. Die restliche Zeit
nutzen sie, um außerhalb der Tagesklinik Kontakte zu pflegen und anderen Verpflichtungen
nachzugehen. Einige unserer Patienten sind krankheitsbedingt auch noch nicht in der Lage, ein
vollständiges Therapieprogramm zu absolvieren. Durch die Anpassung der „Behandlungsdosis“ an die
individuellen Bedürfnisse und an die Belastbarkeit gelingt es uns inzwischen, eine ganze Reihe von
Patienten in Behandlungsprozessen zu halten, die im Rahmen des herkömmlichen sektorisierten
Behandlungssystems aus diesem herausgefallen wären. Dies ist umso wichtiger, da immer deutlicher
wird, wie wichtig es für die Prognose psychotischer Erkrankungen ist, den Focus nicht nur auf
einzelne Behandlungsepisoden zu legen sondern auf längere Zeitabschnitte .
Home-Treatment
Dr. Rolf Michels, Leitender Oberarzt und Teamleiter Station 32
I
m Oktober 2014 hat das multiprofessionell zusammengesetzte Team „Home-Treatment“ seine
Arbeit aufgenommen.
Seelische Erkrankungen gehen neben psychischen Problemen wie Ängsten, Depressionen,
Wahnvorstellungen auch regelhaft einher mit Beeinträchtigungen von Beziehungen, z.B. im Beruf, in
Familie oder Partnerschaft. Psychiatrische Behandlung muss deshalb ebenso auf die
Normalisierung/Heilung dieser Beziehungen hinarbeiten wie auf die Linderung der psychischen
Probleme. Das Lebensumfeld der Patienten ist dabei sowohl der Ort, an dem Probleme entstehen,
als auch die Quelle von Unterstützung und Lösungen.
Um diese Aufgabe bewältigen zu können ist es wichtig, dass Mitarbeiter vieler Berufsgruppen in
einem multiprofessionellen Team zusammenarbeiten. Diese Art intensiver multiprofessioneller
Zusammenarbeit ist Grundlage und wesentliches Merkmal der Behandlung in psychiatrischpsychotherapeutischen Kliniken. Eine Klinik kann darüber hinaus vorübergehend einen Schutzraum
bieten vor besonders belastenden Lebensumständen oder Schutz, wenn eine ernsthafte Gefährdung
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
27
vorliegt. Nicht immer ist das Krankenhaus aber der richtige Ort für die Behandlung: Nicht wenige
Patienten lehnen die Aufnahme in die Klinik ab, manchmal sind kleine Kinder zu versorgen und nicht
zuletzt bleibt das Krankenhaus ein künstliches Umfeld, dass den Betroffenen noch weiter von seinem
Lebensumfeld entfremden und dadurch den Genesungsprozess behindern kann.
Vielleicht lassen sich aber die Vorteile einer intensiven multiprofessionellen Behandlung, wie sie eine
Klinik bieten kann, auch in dem gewohnten Lebensumfeld realisieren? Die Behandlung schwerer
psychischer Krisen im häuslichen Umfeld durch mobile Kriseninterventionsteams wird in der
wissenschaftlichen Literatur als „Home-Treatment“ bezeichnet und in der Tat konnte in
Untersuchungen in Skandinavien und angloamerikanischen Ländern gezeigt werden, dass eine solche
Behandlungsform erfolgreich ist und Aufnahmen in der Klinik vermieden werden können.
In Deutschland sind solche Ansätze wegen der strengen Trennung von ambulanter und
Krankenhausbehandlung und auch durch die Trennung von unterschiedlichen ambulanten Therapien
nicht möglich gewesen.
Erst in den letzten Jahren gibt es die Möglichkeit, im Rahmen von Modellprojekten integrative
Behandlungsansätze umzusetzen. Das ZPM betreibt mit dem Regionalen Psychiatrie-Budget (RPB)
seit inzwischen mehr als 10 Jahren erfolgreich ein Modellprojekt. Dies hat in den letzten Jahren einen
erheblichen Ausbau von teilstationärer und ambulanter Behandlung ermöglicht. Als weiteren Schritt
haben wir jetzt begonnen, ein Team für eine aufsuchende Krisenbehandlung zuhause i.S. von „HomeTreatment“ aufzubauen. Eine besondere Zielgruppe sind junge Patienten mit psychotischen
Erkrankungen, die durch die bisherigen stationären und ambulanten Behandlungen oft nur schlecht
erreicht werden. Das Team besteht bisher aus einer Ärztin, einer Sozialpädagogin und Pflegekräften
und kann bei Bedarf durch weitere Mitarbeiter verstärkt werden kann. Die neue Behandlungsform
stellt viele neue Herausforderungen. Das Verlassen der Klinik und das Eintauchen in die Lebenswelt
der Betroffenen sind ungewohnt und verändert die Beziehung von Behandlern und Patient
/Betroffenen/Klient. Schließlich soll ja nicht einfach das Krankenhaus ins Wohnzimmer gebracht,
sondern eine ganz neue Behandlungsform/-kultur entwickelt werden. Eine große Hilfe ist uns dabei
die Orientierung an dem finnischen Modell der bedürfnisangepassten Behandlung und des Offenen
Dialoges.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
28
Das Konzept STEPS (Stationäre
Therapie ersetzende Psychosomatik)
Dr. phil. Thomas Wolf, Leitender Psychologe und Psychologische Leitung
von STEPS
I
m Juli 2014 haben wir in der Beethovenstraße 2 im Itzehoer Stadtteil
Klosterforst eine Psychosomatische Tagesklinik mit 15 Behandlungs-plätzen eröffnet. Im Rahmen
eines völlig neuen Konzeptes können wir dort bis zu 32 Patientinnen und Patienten mit
psychosomatischen Krankheitsbildern parallel behandeln.
Körper und Seele - nur gemeinsam stark
Es ist für viele Menschen leicht nachvollziehbar, dass körperliche Erkrankungen psychische Probleme
bedingen können. So mag sich beispielsweise jemand wegen verminderter Leistungsfähigkeit
aufgrund einer Herzerkrankung und daraus resultierender Arbeitsunfähigkeit schämen. Nicht jedem
ist bekannt, dass diese Wirkung auch andersherum gilt: Psychische Probleme können für körperliche
Erkrankungen ursächlich oder förderlich sein. Häufig ist dieser Seele-Körper-Zusammenhang nicht
offensichtlich, so dass solche Erkrankungen jahrelang unerkannt bleiben und die Symptome trotz
körperlicher Behandlung nicht abklingen. Leicht nachzuvollziehen ist die belastende Wirkung von
äußerem Stress auf den Organismus wie z.B. Lärm, Strahlung, Rauchen oder übermäßiger
Alkoholkonsum. Aber auch innere Stressoren, wie z.B. Leistungs- und Beziehungsziele, Einstellungen,
Erwartungen, Lebensregeln oder Normen, die durch soziale Lernprozesse erworben werden, können
den Organismus belasten oder langfristig sogar schädigen. Wer sich - berechtigt oder unberechtigt ständig über sich und/oder das äußere Umfeld ärgert, überall Gefahren wittert und/oder sich ständig
im beruflichen oder auch privaten Bereich hohen Leistungszielen stellt, um sicher, beliebt oder etwas
wert zu sein, riskiert durch anhaltende Ausschüttung von Stresshormonen langfristig
Organschädigungen.
Wegen anhaltenden Kontrollverlusts oder andauernder Erfolglosigkeit bei der Verfolgung ihrer
Leistungs- und/oder Beziehungsziele erleben Betroffene häufig ausgeprägte emotionale Turbulenzen
wie z.B. Angst, Scham, Ärger und/oder Niedergeschlagenheit sowie deren physiologische
Begleiterscheinungen, welche sich zu manifesten psychischen Störungen entwickeln können und
schließlich behandlungsbedürftig werden. Innere seelische Stressoren, die vielleicht bereits in früher
Jugend durch entsprechende Erfahrungen entwickelt oder vom sozialen Umfeld übernommen
wurden, liegen häufig im Verborgenen. Meistens sind diese seelischen Stressoren den Betroffenen
gar nicht bewusst.
Anders als bei ausschließlich körperlichen Erkrankungen, bei denen die Einnahme von Medikamenten
ausreichend sein mag (z.B. ein Antibiotikum bei einer Entzündung), ist bei der Behandlung der oben
genannten psychischen Störungen die aktive Mitarbeit der Patienten im Behandlungsprozess
unerlässlich, da auch noch so geschulte Therapeuten Erinnerungen, Einstellungen, Wertmaßstäbe,
Motive, Befürchtungen und Gefühle von außen nicht erkennen können. Ein wesentlicher Aspekt der
Behandlung in der Psychosomatischen Tagesklinik stellt zunächst die Identifikation innerer und
äußerer Stressoren dar. Nach Identifikation der Stressoren folgt im therapeutischen Prozess die
Veränderung der Stressoren. Unterstützt durch die Therapeuten erlernen und üben Patienten neue
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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Denk- und Verhaltensweisen, die in der alltäglichen Auseinandersetzung mit sich, den eigenen
Lebens-zielen und dem sozialen Umfeld stressreduzierend und damit heilend wirken.
Die Behandlungsdauer ist individuell verschieden und auf maximal 12 Wochen begrenzt. Die
Intensität der Therapie wird den jeweiligen therapeutischen Notwendigkeiten angepasst. In STEPS
werden therapeutische Module angeboten, wobei ein Modul einen Vormittag oder Nachmittag
umfasst (jeweils drei bis vier Stunden). STEPS bietet die Behandlung in vier, sechs oder neun
Modulen an. In diesen drei Angebotsvarianten können jeweils bis zu 8 Patienten behandelt werden,
d.h. pro Woche können in STEPS bis zu 24 Patienten behandelt werden. Die therapeutischen Inhalte
werden in Einzel- und Gruppengesprächen bearbeitet.
In STEPS werden folgende Syndrome behandelt:
■ Depressionen
■ Burnout-Syndrome
■ Angststörungen
■ Zwangsstörungen
■ Anpassungsstörungen
■ Somatisierungsstörungen
■ Somatoforme Störungen
■ Anhaltende somatoforme Schmerzstörungen
■ Essstörungen
■ Persönlichkeitsstörungen
■ Psychische Belastungen in Folge von somatischen Erkrankungen
Folgende therapeutische Angebote werden in den STEPS-Gruppen vorgehalten:
■ Kognitive Verhaltenstherapie
■ Verhaltenstherapie
■ Einzelgespräche
■ Gruppengespräche
■ Netzwerkgespräche
■ Psychoedukation
■ Musiktherapie
■ Ergotherapie
■ Achtsamkeit
■ Entspannungstherapie
■ Bewegungstherapie
■ Therapeutisches Reiten
■ Therapeutisches Klettern
■ Sozialpädagogische Beratung
■ Pharmakotherapie
Das multiprofessionelle STEPS-Team setzt sich aus Therapeuten folgender Professionen zusammen:
■
■
■
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■
■
■
Diplom-Psychologen
Ärzte
Gesundheits- und Krankenpflege
Musiktherapeutin
Ergotherapeutin
Sozialpädagogin
Physiotherapeuten
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
30
Tagesklinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik
des Kindes- und Jugendalters
Dr. med. Andrea Lau, Leitende Ärztin der Tagesklinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters
I
n unserer Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und
Jugendalters werden Kinder behandelt, die in der Mehrzahl zwischen 5 und 17 Jahren alt sind. Bei
diesen Patienten sehen wir gehäuft Reifungsdefizite in der emotionalen und sozialen Entwicklung.
Die vorrangigen Entwicklungsaufgaben dieser Altersspanne liegen neben bestimmten Fertigkeiten
des Selbstsystems, d. h. u. a. Entwicklung der Selbstwirksamkeit, des Selbstwertes, der
Selbstidentität, der Selbsterkenntnis bzw. des Selbstbewusstseins, des affektiven und
sensomotorischen Selbsterlebens und der problemlösenden Informationsverarbeitung in der
Entwicklung sozialer Kompetenzen. Letztgenannte Entwicklungsaufgabe beinhaltet das Erlernen von
u. a. Impulskontrolle und einfachen moralischen Unterscheidungen sowie die
Geschlechtsrollenidentifikation, die Beziehung zu Gleichaltrigen, das Spiel in Gruppen und die
Aufnahme von Freundschaften.
Insbesondere die therapeutische Arbeit am Ziel „soziale Kompetenzentwicklung“ lässt sich
handlungsorientiert eher durch ein Gruppensetting leisten als durch einzeltherapeutische
Interventionen. Daher erhalten unsere Patienten neben Einzelpsychotherapie intensive Maßnahmen
der Gruppenpsychotherapie. Im vergangenen Jahr haben wir unser Gruppentherapieangebot neu
gefasst. Nicht mehr jeder Patient nimmt an allen Gruppentherapieangeboten teil, sondern es erfolgt
eine individualisierte Zuordnung zu bestimmten Gruppentherapieangeboten, die überwiegend
blockweise angeboten werden.
In unserem multiprofessionellen Team sind sowohl Kollegen mit psychodynamischer als auch mit
verhaltenstherapeutischer bzw. systemischer Ausbildung vertreten, sodass die Ausrichtung dieser
unterschiedlichen psychotherapeutischen Verfahren in die Entwicklung des neuen
Gruppentherapiekonzepts Eingang fand. Im aktuellen Konzept zur Gruppentherapie findet sich nun
sowohl der verhaltenstherapeutische Aspekt der Behandlung von Symptomen als auch die Grundlage
psychodynamisch fundierter Interventionen mit Berücksichtigung des inneren Konfliktes, der der
gezeigten Symptomatik zugrunde liegt. Darüber hinaus flossen Überlegungen aus dem Bereich der
Psychomotorik und der Pädagogik mit ein.
Grundlage der Gruppenpsychotherapie ist, dass es praktisch automatisch zur Aktualisierung der
problemrelevanten Schemata kommt. Für Kinder und Jugendliche ist das Zurechtkommen in Gruppen
Gleichaltriger wesentlich für eine positive emotionale Entwicklung. Gruppen bieten ein Übungsfeld
und die Chance, neue Verhaltensweisen im geschützten Rahmen auszuprobieren. Die anderen
Gruppenmitglieder sind Modell für ein alternatives Verhalten. Somit bedeutet die Gruppe auch
immer eine geringere Abhängigkeit vom Therapeuten. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der
Behandlung von zwischenmenschlichen Problemen.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
31
Ziel der Gruppenpsychotherapie ist, das Kind darin zu unterstützen, seine eigenen Bedürfnisse und
Gefühle zu entdecken und Wege zu einer selbstständigen Problemlösung zu finden. Im Einzelnen
erfolgt dies durch Förderung pro-sozialer Verhaltensweisen, durch Selbstwertstabilisierung, durch
eine realistischere Selbstwahrnehmung nach kritischer und einfühlsamer Bewertung der
Gruppenmitglieder untereinander und durch den Erwerb von Strategien zur Bedürfnisbefriedigung
und Bewältigung bestimmter Probleme. Gefördert werden zudem Fähigkeiten zur
Selbstdurchsetzung und Kompromissbildung sowie zur Annäherung und Abgrenzung von anderen
Menschen.
Verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Gruppen entsprechen eher Trainingsprogrammen mit den
Zielen der Schaffung motorischer Ruhe und Entspannung, differenzierterer Wahrnehmung,
angemessener Selbstbehauptung, Kooperation und Hilfeleistung, Selbstkontrolle und
Einfühlungsvermögen. Die Kinder sollen lernen, Gefühle zu zeigen, eigene Ansprüche durchzusetzen
bzw. Ansprüche anderer zu erkennen, Kritik anzunehmen, sich angemessen selbst zu behaupten,
Gefühle sowie Kritik angemessen zu äußern.
Alle unsere Patienten nehmen weiterhin einmal wöchentlich an der Kinderkonferenz teil. In der
Kinderkonferenz berichten die Kinder zunächst über ihre Stimmung bezogen auf den Verlauf der
vergangenen Woche mit Hilfe von Smileys, auf denen unterschiedliche Befindlichkeiten dargestellt
sind. Dann wird ausführlicher ein von den Kindern vorgeschlagenes, vorab bekannt gemachtes
Thema erörtert. Darüber hinaus werden neu aufgenommene Patienten begrüßt und in Kürze zur
Entlassung anstehende Patienten verabschiedet. Weiterhin erhält jedes Kind ein Lob von einem
Erwachsenen und es besteht auch die Möglichkeit, dass die Kinder sich untereinander loben. Die
Lobe werden auf kleine Zettel in Form einer bedruckten Schatzkiste geschrieben, dann vorgelesen
und beklatscht, und am Ende der Kinderkonferenz füllt jedes Kind seine Lobe in seine eigene kleine
Schatzkiste, die es bei Entlassung mit nach Hause nehmen kann.
Über die Kinderkonferenz hinaus, an der alle Patienten teilnehmen, gibt es an jedem Nachmittag
einen Block von Gruppentherapieangeboten. Jedes Kind hat an jedem Nachmittag eine
Gruppentherapie. Es nimmt ca. 6 x an einem Angebot teil und kann dann in eine andere
Gruppentherapie wechseln.
Angebote sind zum einen eine Entspannungsgruppe mit Elementen aus dem Autogenen Training, der
Hypnotherapie und der Progressiven Muskelrelaxation. Daneben gibt es ein soziales
Kompetenztraining speziell für Patienten am Beginn ihrer Therapie mit noch sehr großen Problemen,
sich in die Gruppe der Gleichaltrigen zu integrieren.
Da in unserer Klinik ein Schwerpunkt auf der tiergestützten Therapie liegt, bieten wir eine HundeSpieltherapie ebenso an wie therapeutisches Reiten in der Kleingruppe.
In der Ergotherapiegruppe werden durch den Einsatz von kreativen und handwerklichen Techniken
die Fähigkeiten der Patienten im geistigen und emotionalen Bereich gefördert. Mögliche
Therapieziele können die Verbesserung der Konzentration und der Phantasieentwicklung sowie die
Steigerung des Selbstwertgefühles sein.
An kreativ ausgerichteten Gruppentherapien bieten wir eine Musiktherapie- sowie
Theatertherapiegruppe an. Insbesondere die Musiktherapie ist mittlerweile eine erprobte
Therapiemethode und Wissenschaftsdisziplin, die in enger interdisziplinärer Wechselwirkung
insbesondere zwischen Medizin, Psychologie, Pädagogik und Musikwissenschaft steht. Bei gezieltem
Einsatz von Musik und/oder musikalischen Elementen im Rahmen der therapeutischen Beziehung zu
den Patienten dient die Gruppe dem Ziel der Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung
psychischer Gesundheit, der Entwicklungskorrektur und Entwicklungsförderung. Das spielerische
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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Vorgehen in der Kindermusiktherapie vermittelt Freude und Lebendigkeit und erleichtert so den
therapeutischen Zugang zu Emotionen.
In der Theatertherapiegruppe steht das Probehandeln in kleinen Theaterstücken oder Rollenspielen
im Vordergrund, um korrigierende emotionale Erfahrungen zu machen. Die Gruppen werden i. d. R.
geleitet von einem Kinderpsychotherapeuten/in zusammen mit einem musikpädagogisch,
theaterpädagogisch oder reitpädagogisch versierten Kollegen/in, ggf. unterstützt durch Mitarbeiter
des Pflege- und Erziehungsdienstes.
Über diese Angebote hinaus besteht zur Bewegungsförderung eine Schwimmgruppe. Eine weitere
Gruppe mit mehr pädagogischem Schwerpunkt trifft sich zum Lesen und Vorlesen.
Milieutherapeutisch ausgerichtet sind unsere Koch- und Backgruppen. Eine Gärtnergruppe
bewirtschaftet im Sommer angelegte Beete auf unserem Außengelände und soll die Patienten im
Winter an hauswirtschaftliche Tätigkeiten heranführen. Ein Nachmittag in der Woche ist für die
Eltern- und Eltern-Kind-Gruppen reserviert. In der Elterngruppe erhalten die Eltern die Möglichkeit,
sich einmal untereinander ohne ihre Kinder auszutauschen und eigene Bedürfnisse zu artikulieren.
Aus einem solchen Bedürfnis heraus entstand aktuell die sog. „Eltern-Coaching“-Gruppe mit dem
Ziel, als Eltern den Kindern gegenüber angemessen Präsenz zu zeigen und Kraft und Autorität zu
haben, ohne zu Gewalt greifen zu müssen.
Im Rahmen der Eltern-Kind-Gruppe verleben die Familien einen Nachmittag im Monat zusammen in
der Tagesklinik, spielen, basteln, bearbeiten ein gemeinsames Thema oder feiern miteinander.
Wichtig ist uns dabei, dass Stunden guten Miteinanders miteinander verlebt werden und alle sich
besser kennenlernen.
Zum Abschluss der Woche nehmen alle Patienten an der Zielegruppe teil. Dort wird besprochen, ob
das Kind sein jeweiliges Wochentherapieziel erreicht hat. Dann wird nach Erreichen des
Wochenzieles ein neues Ziel für die kommende Woche erarbeitet. Zur positiven Bestärkung fahren
die Patienten auf ihrer Therapiereise mit ihrem eigenen kleinen Boot auf einer Tafel, die eine
Flusslandschaft darstellt (von der Stör bis in die Elbe) ein Stück weiter der Entlassung zu.
Suchttherapie
Reiner Ortlieb, Ltd. Dipl. Soz.-päd., Sozialtherapeut(GVS)
I
m Zentrum für Psychosoziale Medizin behandeln wir Menschen mit
unterschiedlichen Substanzabhängigkeiten. Die Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit bilden die
größte Gruppe.
Leitliniengerecht bieten wir in der Klinik eine sogenannte Qualifizierte Entgiftung, deren
unterschiedlichen Elemente abhängig von den Erfordernissen des Einzelfalls stationär, ganztägig
ambulant (tagesklinisch) oder nur ambulant angeboten werden.
In vielen Fällen erfolgt eine Aufnahme auf unserer Akutstation. Hier behandeln wir in den ersten
Tagen das häufig auftretende Entzugssyndrom medikamentös und unterstützend mit
Ohrakupunktur, machen eine differenzierte somatische, psychiatrische und psychosoziale Diagnostik,
aus der sich dann gemeinsam mit dem Patienten die weitere Behandlungs-planung entwickelt.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
33
Bereits mit Abklingen des Entzugssyndroms fördern wir in Gruppen- und Einzeltherapien die
Auseinandersetzung mit der Suchterkrankung, verstärken die Behandlungsmotivation und zeigen
mögliche Wege zu den unterschiedlichen suchttherapeutischen Angeboten auf. Kontakt zu
verschiedenen Selbsthilfegruppen im Rahmen von Informationsabenden ist dabei ein wichtiges
Element.
In enger Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen erfolgt bereits in der Klinik oft die
nahtlose Vermittlung in weiterführende Angebote des sogenannten Suchthilfesystems.
Alkohol- und/oder medikamentenabhängige Menschen, die eine primär psycho-therapeutisch
ausgerichtete Suchttherapie anstreben, haben die Möglichkeit, mit Abklingen eines körperlichen
Entzugssyndroms die qualifizierte Entgiftung im tagesklinischen Setting fortzusetzen. Sie können hier
alltagsnah das Halten der Abstinenz und das Umsetzen von ersten Handlungsschritten erproben. Das
psychotherapeutisch ausgerichtete Milieu der Tagesklinik und die Interaktion mit primär nicht
suchtkranken Menschen, die ebenfalls in der Tagesklinik in Glückstadt behandelt werden, regen an,
sich bereits hier verstärkt mit dem eigenen psychodynamischen Hintergrund der Suchterkrankung
auseinanderzusetzen. Auch hier dienen gruppen- und einzeltherapeutische Behandlungsangebote
einer differenzierten Reflexion der Erkrankung und Therapiemotivierung. Das tagesklinische Angebot
wird gern auch von Menschen mit einer Suchterkrankung genutzt, die bereits zuhause „entzogen“
haben oder Entzugserscheinungen nicht kennen und somit direkt dort aufgenommen werden
können.
Wichtige Elemente der Qualifizierten Entgiftung, die in allen Settings in unterschiedlicher Ausprägung
angeboten werden, sind die sogenannten indikativen Angebote, wie Ergotherapie, Tanz- und
Musiktherapie, Progressive Muskelrelaxation, Soziales Kompetenztraining, Genussgruppe,
Ohrakupunktur und Rückfallvermeidungstraining. Die Verbesserung von Handlungskompetenz und
Binnenwahrnehmung, aber auch der Abbau von Hemmungen gegenüber weiterführenden Therapien
sind hierbei wichtige Ziele.
Ausgehend von dem Ansatz, das suchtkranke Menschen häufig in ihrer Fähigkeit, Beziehungen zu
knüpfen und zu halten gestört sind, durchzieht die Qualifizierte Entgiftung der Gedanke einer
Suchtbehandlung, die Kontinuität und möglichst wenig Beziehungsabbrüche bietet. Über unsere
Institutsambulanz hat der suchtkranke Mensch die Möglichkeit, Kontakt zu seinem Therapeuten bis
zum Beginn einer weiterführenden Therapie zu halten.
Ein wichtiger Schritt ist darüber hinaus die Entwicklung einer Kooperation mit der
Suchtberatungsstelle der Diakonie Rantzau/Münsterdorf, die es Patienten seit dem Sommer 2007
ermöglicht, in unseren Räumlichkeiten in Itzehoe und Glückstadt übergangslos an einer ambulanten
Entwöhnungstherapie als rehabilitativem Angebot des Rentenversicherungsträgers teilzunehmen.
Zur weiteren Verbesserung dieses Angebotes wird aktuell die Zulassung des Zentrums für
Psychosoziale Medizin im Rahmen eines Therapieverbundes angestrebt.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
34
Besondere Aspekte der Pflege in der
Psychiatrie und Psychotherapie
Hauke Sievers, Bereichsleitung Pflege
G
rundstein der psychiatrischen Krankenpflege ist die
Beziehungsarbeit zwischen Patient/in und Pflegekraft. Wir
arbeiten nach dem Konzept der „Bedürfnisangepassten Therapie“
(Need Adapted Treatment). Im Rahmen der „Bezugspflege“ sind wir
in unterschiedlichen, multiprofessionellen Behandlungsteams tätig.
Als verantwortliche Bezugspflegekraft besprechen wir, zusammen mit dem/der Patienten/in und den
Therapeuten, die einzelnen Therapiebausteine und erstellen einen individuellen Therapieplan. Dieser
orientiert sich an den Ressourcen des/der Patienten/in. Ziel ist, die Eigenständigkeit/
Selbstverantwortung zu fördern, um die Intensität der psychiatrischen Krankenpflege zu reduzieren.
Durch Empathie und Wertschätzung schaffen wir ein therapeutisches Milieu, in dem sich die
Patienten/innen geschützt und angenommen fühlen.
Nicht allein der „Patient mit seinen Symptomen“ steht im Mittelpunkt unserer Betrachtung, sondern
sein gesamtes Lebensumfeld. Von Beginn an werden die „Sozialen Netzwerke“ der Patienten/innen
mit einbezogen. Dieses basiert auf einer systemisch orientierten Grundhaltung. Die
Bezugspflegekraft ist Ansprechpartner für Kurzkontakte und Krisengespräche. Darüber hinaus nimmt
sie an Behandlungskonferenzen, Netzwerkgesprächen und co-therapeutisch an verschiedenen
Behandlungsangeboten teil. Hierzu zählen u.a.: Einzel/Familiengespräche,
Gruppen/Einzelpsychotherapie, Ergo/Musiktherapie, Stresstoleranztraining, therapeutisches Reiten
und Achtsamkeitsübungen.
Zu den Inhalten der psychiatrischen Krankenpflege gehören weiterhin eigenverantwortlich
durchgeführte Maßnahmen wie z.B. Akupunktur nach dem NADA-Protokoll, Progressive
Muskelentspannung n. Jacobsen, Aromatherapie, Presseschau, Geschichtsgruppe, Therapeutisches
Klettern, Kognitives Training, Psychoedukation, Soziales Kompetenztraining, Außenaktivitäten und
die Betreuung von Ambulanzpatienten.
Ein neuer Inhalt ist das „Hometreatment“ (die Behandlung zu Hause) und „Systemische
Netzwerkgespräche“ (Moderation und Reflektion). Unterstützt wird unsere Arbeit durch regelmäßige
Teambesprechungen, Supervisionen, Fort- und Weiterbildungen.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
35
Das Psychiatrische Centrum
Glückstadt
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe stellt im
Psychiatrischen Centrum Glückstadt (PCG) die psychiatrischpsychotherapeutische Behandlung der dortigen Bewohner sicher.
Träger und Betreiber des PCG ist die Vitanas Unternehmensgesellschaft
in Berlin. Angeboten werden Leistungen der stationären Pflege und der Wiedereingliederung von
Menschen mit psychischen Erkrankungen. Im Bereich der Eingliederungshilfe umfasst das Angebot
zehn Wohngruppen sowie teilstationäre Wohnungen mit 110 Plätzen. Darüber hinaus bietet das
Centrum im Bereich der stationären Pflege insgesamt weitere 109 Plätze. Centrumsleiter ist
Wolfgang Ahrens.
Bereits seit mehr als 30 Jahren gibt es eine enge Kooperation zwischen dem Psychiatrischen Centrum
Glückstadt und dem Klinikum Itzehoe. Seit Anfang 2014 ist die Tätigkeit für das PCG in Form einer
Ambulanz im dortigen Gebäude organisiert. Ärztlich ist dort Dr. Gerhard Lammers als Mitarbeiter des
Zentrums für Psychosoziale Medizin tätig. Er kann aufgrund seiner Tätigkeit dort auch langfristig
stabile Kontakte zu den Bewohnerinnen und Bewohnern halten. Unterstützt wird er von einer
Mitarbeiterin aus dem Bereich der Pflege, Frau Claudia Gercken. Diese Organisationsform hat sich
sehr bewährt und die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgungssituation in dieser Einrichtung
deutlich verbessert.
Besondere Therapieformen
► THERAPEUTISCHES KLETTERN
B
eim Klettern können Grenzen erkannt werden, Klettern
bedeutet für viele Menschen eine Grenzerfahrung. Das
„Therapeutische Klettern“ kann zu einer Stärkung des
Vertrauens in die eigenen körperlichen und seelischen Kräfte
beitragen sowie den Anstoß geben, die eigenen Grenzen zu
erweitern. Ferner ist Klettern ein geeignetes Mittel, Angst zu
erleben und zu bewältigen.
Therapeutische Ziele und Effekte, welche durch das Klettern
hervorgerufen werden können und sollen, sind:
■ Motivation (hohes Aufforderungspotential)
■ Steigert das Selbstwirksamkeitsgefühl, Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl
■ Garantierte Erfolgserlebnisse durch gut dosierte Kletteranforderungen
■ Kritikfähigkeit (Regel annehmen und umsetzen)
■ Gedanken ordnen (Fokus auf ein bestimmtes Tun)
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
36
■ Grenzerfahrung physisch und psychisch
■
■
■
■
■
■
■
Glücksgefühl, Ausschüttung körpereigener Endorphine
Verbesserung der Stimmung
Förderung von Konzentration und Aufmerksamkeit
Förderung von Beweglichkeit und Körperwahrnehmung
Sensibilisierung für Körperempfinden
Krankheit tritt für eine gewisse Zeit in den Hintergrund (Kopf frei)
Abschalten von Alltagsstress/-problemen, Reduzierung von Stress-Symptomen und körperlichen
Spannungen
■ Erzeugen von sozial verträglichem Schmerz, sich selber spüren
■ Risikomanagement: Verantwortlicher Umgang mit Gefahr
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beziehungsentwicklung. Das intensive Miteinander fördert eine
positive Beziehungsentwicklung. Durch das gemeinsame Tun wird Vertrauen, Nähe und Akzeptanz
geschaffen. Diese positive Beziehung findet sich aber ebenso in der weiteren Behandlung wieder. Die
Interaktion in der Klettergruppe fördert psychosoziale Kompetenzen. Es ist auch gewollt, dass das
Therapeutische Klettern im Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins (DAV) in Hamburg
stattfindet. Hier sind die „Patienten/innen“, wie alle Besucher dort „Kletterer“. Links der
Kindergeburtstag, rechts der Profikletterer.
Das Therapeutische Klettern ist eine ärztlich verordnete Therapieform und somit versicherungs- und
haftungsrechtlich abgesichert. Eine entsprechende Bescheinigung von Seiten der Klinik liegt im DAVZentrum Hamburg vor. Die Gruppengröße liegt zwischen 10 bis 13 Teilnehmer pro Veranstaltung.
Begleitet wird sie von 3 bis 4 Mitarbeitern mit entsprechender Qualifikation. Durchgeführt wird das
Therapeutische Klettern im DAV-Kletterzentrum Hamburg, jeden ersten und dritten Dienstag im
Monat in der Zeit von 13:30 bis 18:00 Uhr. Der Transfer von und nach Itzehoe erfolgt mit einem
Kleinbus.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
37
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Zentrums für Psychosoziale Medizin
► CHEFARZT
Prof. Dr. med.
Arno Deister
Chefarzt
■
■
■
■
Arzt für Neurologie und Psychiatrie
Arzt für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie
Arzt für Psychiatrie und
Psychotherapie
Schwerpunkt Forensische
Psychiatrie
► LEITENDE MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER
■ Dr. Rolf Michels
■ Katja Bussolini
Leitender Oberarzt
Stellvertreter des
Chefarztes
■
Oberärztin
■
■
■
■ Andrea Geisler
Oberärztin
■ Olaf Jönsson
Leitender
Ergotherapeut
■ Gertrud Junk-Richter
■ Dr. med.
Andrea Lau
Arzt für Psychiatrie und
Psychotherapie
Schwerpunkt Forensische
Psychiatrie
Ärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie
Ärztin für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie
■
Ärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie
Oberärztin
■
Ärztin für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie
Leitende Ärztin der
Tagesklinik für
Psychiatrie,
Psychotherapie und
Psychosomatik des
Kindes- und
Jugendalters
■
Ärztin für Kinder- und
Jugendpsychiatrie
Ärztin für Kinder- und
Jugendmedizin
■
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
38
■ Rainer Ortlieb
Leitender Sozialpädagoge
■
■
Dipl.-Sozialpädagoge
Sozialtherapeut (GVS)
■ Dr. med.
Ingo Rühmann
Oberarzt
■
■
Arzt für Psychiatrie
Arzt für Neurologie
■ Hauke Sievers
Bereichsleitung
Gesundheits- und
Krankenpflege
■
■
■
Gesundheit- und Krankenpfleger
Fachpfleger Psychiatrie
Praxisanleiter für
Gesundheitsberufe
■ Claudia Vallentin
Oberärztin
■
Ärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie
■
■
Diplom-Psychologe
Psychologischer Psychotherapeut
(Verhaltenstherapie)
Leiterin Akutpsychiatrie
■ Dipl.-Psych. Dr. phil.
Thomas Wolf
Leitender Psychologe
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
► ÄRZTE UND PSYCHOLOGEN
■
Eleni Asanoglu
Psychologin in Ausbildung
■
Rieke Barthel
Dipl.-Psychologin
■
Dr. med. Alexander Benthien
Assistenzarzt
■
Helen Lohmüller
Psychologin in Ausbildung
■
Jan Diedrich
Assistenzarzt
■
Izabela Figura
Assistenzärztin, Ärztin für Neurologie
■
Janina Fischer
Dipl.-Psychologin
■
Elizaveta Götz
Assistenzärztin
■
Stephan Gemp
Psychologe in Ausbildung
■
Jana Gliege
Psychologin in Ausbildung
■
Christa Große-Schawe
Psychologin in Ausbildung
■
Gero von Hehl
Psychologischer Psychotherapeut
■
Valeska Hug
Dipl.-Psychologin
■
Lucia Hundt
Psychologin in Ausbildung
■
Dr. med. Martina Jässing-Wolgast
Ärztin
■
Juliane von Jordan
Dipl.-Psychologin
■
Leonie Kampe
Dipl.-Psychologin
■
Tews Kleinwort
Psychologischer Psychotherapeut
■
Ruth Kohlhas
Dipl.-Psychologin
■
Charlotte Kramer
Psychologin in Ausbildung
■
Nicole Laaser
Assistenzärztin (z.Zt. Klinik für Neurologie)
■
Charlotte Kramer
Psychologin in Ausbildung
■
Heike Lahmann-Lammert
Psychologin in Ausbildung, Musiktherapeutin
■
Dr. med. Gerhard Lammers
Assistenzarzt, Ambulanz des PCG
■
Elizabeth Lafrentz
Psychologin in Ausbildung
■
Anke Langefeld
Dipl.-Psychologin
■
Sanna List
Psychologische Psychotherapeutin
■
Carolin Möbius
Dipl.-Psychologin
39
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
■
Birgit Molitor
Assistenzärztin
■
Masoumeh Nazaktabar
Assistenzärztin
■
Dr. med. Cornelia Niedenzu
Assistenzärztin
■
Veronika Rodakova
Assistenzärztin
■
Antje Rosien
Dipl.-Psychologin
■
Dr. med. Andreas Sachs
Arzt für Kinder- und Jugendmedizin
Neuropädiater
■
Ulrike Schiller
Assistenzärztin
■
Olaf Thaysen
Assistenzarzt
■
Claudia Vollmers
Ärztin in Weiterbildung
■
Ellen Weinreich
Dipl.-Psychologin
■
Lena Wiedemann
Psychologische Psychotherapeutin
(Elternzeit)
40
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
► SPEZIALTHERAPEUTEN
Antje Dieckmann
Musiktherapeutin
Birgit Gehm-Forster Tanz- und Bewegungstherapeutin
Kristina Greve
Ergotherapeutin
Barbara Hertam
Dipl.-Sozialpädagogin (KJP)
Simone Jessen
Dipl.-Sozialpädagogin
Kerstin Janik
Dipl.-Sozialpädagogin
Silvia Heuer
Ergotherapeutin
Dorothea Käding
Musiktherapeutin
Tanja Kielhorn
Ergotherapeutin
Michael Kropius
Ergotherapeut
Heike Kukowski
Dipl.-Sozialpädagogin
Maria Lederhofer
Musiktherapeutin
Tanja Manthey
Dipl.-Sozialpädagogin
Inga Maybaum
Ergotherapeutin
Simone Peters
Dipl.-Sozialpädagogin
Naemie Puls
Tanz- und Bewegungstherapeutin
Maren Reichardt
Ergotherapeutin
Kerstin Rickert
Dipl.-Sozialpädagogin
Martina Stührk
Dipl.-Sozialpädagogin
Aloysia Treus
Sonderpädagogin (KJP)
Grit Uhlig
Sonderpädagogin (KJP)
41
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
42
► PFLEGEDIENST
Name
Berufsbezeichnung
Zusatzqualifikationen
Leitung
Sievers, Hauke
Fachkrankenpfleger für
Psychiatrie
Fachkraft für Leitungsaufgaben in der
Pflege
Fachkraft f.
Leitungsaufgaben i. d.
Pflege
FWB Psych. Praxisanleiter für
Gesundheitsberufe, Systemische
Netzwerktherapie
Ausbildung "Klettern mit Gruppen an
künstlichen Kletterwänden",
Kalkstein, Ingo
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Fortbildung Stationsleitung,
Stellvertretende Leitung für Station 29, 32,
PTK 32 und PTK Itzehoe/Psychosomatik
Jendruck,
Christine
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Aromatherapeutin, Stellvertretende
Leitung für die Station 39, PTK Glückstadt,
TK-KJP
Familiale Pflege
Station 29
Bobrowski, Doris
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Gone, Karin
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Guhr, Peggy
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Horz, Angelika
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Ohlsen-Tabiou,
Elke
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Reinl, Marion
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Rodewald, Petra
Pflegehelferin
Systemische Netzwerktherapie
Systemische Netzwerktherapie
Systemische Netzwerktherapie
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
Schuldt, Tanja
43
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
PTK Psychosomatik STEPS
Bergner, Stefanie
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Pieper, HeinzMartin
Gesundheits- und
Krankenpfleger
KUGA-Multiplikatorin
Station 32
Ahting, Benny
Fachkrankenpfleger für
Psychiatrie
FWB Psychiatrie, Systemische
Netzwerktherapie, Praxisanleiter für
Gesundheitsberufe
Albrecht, Marion
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Lehrerin für Krankenpflegeberufe und WB
Pflegedienstleitung
Breiling, Carol
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Engels, Silke
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Jodlowski, Jana
Fachkrankenschwester
für Psychiatrie
Kröger, Silke
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Laskowsky,
Ivonne
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Sibrasse, Birgit
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Stark, Sandra
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Wagner, Petra
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Weber, Katherina
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Systemische Netzwerktherapie
Systemische Netzwerktherapie
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
44
Psychiatrische Tagesklinik Station 32
Alter, Karin
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Kulow, Martina
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Systemische Netzwerktherapie
Scheele, Joachim
Fachkrankenpfleger für
Psychiatrie
FWB Psychiatrie, Systemische
Netzwerktherapie
Tepker, Monika
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Systemische Netzwerktherapie
Tagesklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie Itzehoe
Bedi, Angelika
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Jönsson, Angelika
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Rogat, Marianne
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Station 39
Aude, Dirk
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Praxisanleiter für Gesundheitsberufe,
Akupunktur n. d. NADA-Protokoll
Clasen, Bärbel
Fachkrankenschwester für
Psychiatrie
FWB Psychiatrie Akupunktur n. d. NADAProtokoll
Claußen, Mariena
Krankenpflegehelferin
Defli, Makbule
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Duitsmann,
Cynthia
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Dworzanski,Ewa
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Eggers, Peter
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Therapeutisches Klettern
Engels, Thomas
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Praxisanleiter, Akupunktur NADA, KUGAMultiplikator Therapeutisches Klettern
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
Fedorov,
Alexander
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Gees, Susanne
Kinderkrankenschwester
Itzenga, Susanne
Fachkrankenschwester für
Psychiatrie
FWB Psychiatrie Systemische
Netzwerktherapie
Klein, Dieter
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Systemische Netzwerktherapie
Koch, Kevin
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Lindenhofer,
Sabine
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Maljavin, Irina
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Niendorf, Regina
Altenpflegerin
Ohm, Signe
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Petereit, Ida
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Pommerening,
Nancy
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Praxisanleiterin für Gesudheitsberufe
Ruhser, Bettina
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
PMR, KUGA-Multiplikatorin
Schumacher,
Kirsten
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Sievertsen, Jens
Gesundheits- und
Krankenpfleger
Voß, Mariana
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Zöllner, Andrea
Altenpflegerin
Therapeutisches Klettern
Akupunktur n. d. NADA-Protokoll
PMR, Therapeutisches Klettern
Akupunktur n. d. NADA-Protokoll
Familiale Pflege
Akupunktur n. d. NADA-Protokoll,
Systemische Netzwerktherapie,
Therapeutisches Klettern
45
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
Tagesklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie Glückstadt
Dorlöchter Ertelt,
Ina
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Akupunktur n. d. NADA-Protokoll
Nicolai, Corinna
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Akupunktur n. d. NADA-Protokoll
Wodnick, Christa
Fachkrankenschwester für
Psychiatrie
FWB Psychiatrie, Akupunktur n. d. NADAProtokoll, Systemische Netzwerktherapie
Freudenberg,
Janina
MFA
Institutsambulanz PCG
Gercken, Claudia
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Weiterbildung Stationsleitung
Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik des Kindes- und
Jugendalters
Hansen, Gesine
Erzieherin
Jessen, Ralf
Erzieher
Lechtaler, Tatjana
Gesundheits- und
Krankenpflegerin
Mertens, Dörte
Kinderkrankenschwester
Teggatz, Wiebke
Kinderkrankenschwester
Study Nurse
46
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015 Administration Sabine Alexandre‐Brust Vorzimmer Chefarzt Astrid Gehrt Vorzimmer Chefarzt (bis 30.06.2015) Katrin Collenburg Sekretariat Ute Limberts Sekretariat Tagesklinik Therapiebereich Itzehoe Maike Franck Sekretariat TK KJP Janina Freudenberg Sekretariat Tagesklinik Glückstadt Hans‐Jürgen Forster Case Manager Projektassistent Regionales Budget Projektmanagement Andrea Mangelsen Sekretariat / Codierung 47
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
48
Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung
► WEITERBILDUNG ZUR ÄRZTIN/ARZT FÜR PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE
Das Gebiet Psychiatrie und Psychotherapie umfasst die Vorbeugung, Erkennung und somatotherapeutische, psychotherapeutische sowie sozial-psychiatrische Behandlung und Rehabilitation
von psychischen Erkrankungen und psychischen Störungen im Zusammenhang mit körperlichen
Erkrankungen und toxischen Schädigungen unter Berücksichtigung ihrer psychosozialen Anteile,
psychosomatischen Bezüge und forensischen Aspekte. Ziel der Weiterbildung im Gebiet Psychiatrie
und Psychotherapie ist die Erlangung der Facharztkompetenz nach Ableistung der vorgeschriebenen
Weiterbildungszeit und Weiterbildungsinhalte.
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin verfügt über folgende Weiterbildungsberechtigungen:
■ Psychiatrie und Psychotherapie (volle Weiterbildungszeit; 48 Monate)
■ Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (18 Monate)
Die Klinik für Neurologie des Klinikums Itzehoe verfügt über die volle Weiterbildungsberechtigung für
das Gebiet Neurologie.
Im Zentrum für psychosoziale Medizin ist eine Weiterbildung mit den Grundorientierungen
„Verhaltenstherapie“ und „tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie“ möglich.
Die Weiterbildung im Zentrum für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe erfolgt im Rahmen
eines regulären tariflichen Angestelltenverhältnisses als Ärztin/Arzt in Weiterbildung. Die Dauer des
Vertrages beträgt in der Regel die Länge der Weiterbildungszeit plus einem Jahr. Die Vergütung
erfolgt gemäß dem jeweils gültigen Tarifvertrag für Ärzte und Ärztinnen zwischen dem Klinikum
Itzehoe und dem Marburger Bund. Teilzeittätigkeit ist möglich. Die Weiterbildungszeiten verlängern
sich entsprechend anteilig.
Die Weiterbildung erfolgt unter der Leitung und Verantwortung der zur Weiterbildung befugten
Ärztinnen und Ärzte. Die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums für Psychosoziale
Medizin besitzen eine gemeinschaftliche Weiterbildungsbefugnis im Gebiet “Psychiatrie und
Psychotherapie“.
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin ist Teil des Weiterbildungsverbundes Schleswig-Holstein,
Region Südwest. Dazu gehören neben dem Klinikum Itzehoe die Kliniken für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik in Elmshorn, Heide, Neumünster und Rickling. Dieser
Weiterbildungsverbund ist durch die Ärztekammer Schleswig-Holstein anerkannt. Es erfolgt dort
gemeinsamer theoretischer Unterricht an den unterschiedlichen Standorten (vier Unterrichtsstunden
pro Monat). Außerdem gibt es die Möglichkeit zur Supervision und Selbsterfahrung im
Weiterbildungsverbund.
Die Vermittlung von Weiterbildungsinhalten erfolgt regelmäßig im Rahmen der oberärztlich
geleiteten Visiten und Besprechungen des jeweiligen Behandlungsteams bzw. im Rahmen von
Behandlungskonferenzen. Folgende regelmäßige Weiterbildungsveranstaltungen werden im Zentrum
für Psychosoziale Medizin durchgeführt:
■ Weiterbildungsseminar zu unterschiedlichen allgemeinen und spezifischen Inhalten der
Weiterbildungsordnung (60 Min. pro Woche)
■ Psychiatrisches Fallseminar (60 Min. alle 2 Wochen)
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
49
■ Veranstaltungen mit externen Referenten zu unterschiedlichen wissenschaftlichen Themen (3-4
mal pro Jahr)
Folgende regelmäßige Weiterbildungsveranstaltungen werden im Rahmen des
Weiterbildungsverbundes Schleswig-Holstein durchgeführt:
■ Weiterbildungsseminar zu unterschiedlichen allgemeinen und spezifischen Inhalten der
Weiterbildungsordnung (180 Min. pro Monat; jeweils 1. Mittwoch im Monat)
In allen Behandlungsteams erfolgt neben der oberärztlichen Supervision eine regelmäßige (14-tägige
bzw. 4-wöchige) externe Team-Supervision.
Für die im Rahmen der Weiterbildung im Klinikum Itzehoe absolvierten Weiterbildungs-Anteile
entstehen keine Kosten. Für die außerhalb im Rahmen der Bestimmungen der
Weiterbildungsordnung absolvierten Weiterbildungs-Anteile erfolgen gegebenenfalls eine
Freistellung sowie eine Übernahme der Teilnahmegebühren.
Mentorenprogramm
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin nimmt am Mentorenprogramm des Klinikums Itzehoe teil.
Jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter in Weiterbildung wird für die gesamte Zeit der
Weiterbildung eine Mentorin bzw. ein Mentor zugeordnet. Die Mentoren sind nicht nur für die
Einhaltung des Curriculums sowie die inhaltliche Absicherung zuständig, sondern fungieren auch als
Ansprechpartner in allen beruflichen und gern auch außerberuflichen Bereichen. So werden die
nächsten Weiterbildungsschritte auf dem Weg zur zeitgerechten Facharztkompetenz definiert und
bereits vereinbarte Ziele abgefragt. Zusätzlich wird zum Beispiel die mögliche Teilnahme an
Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen geplant. Ganz wesentlich ist jedoch die Entdeckung
und Förderung individueller Interessen und Schwerpunkte der Mentees. Regelmäßig veranstaltete
Mentorenkonferenzen stellen den Informationsfluss sicher und führen zu gegebenenfalls
erforderlichen Anpassungsprozessen.
KUGA-Ausbildung
Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Weiterbildung wird im Zentrum für Psychosoziale
Medizin ein KUGA-Training angeboten. KUGA steht für den kontrollierten Umgang mit
Gewalt und Aggression in psychiatrischen Kliniken. Es ist ein konsequentes
Trainingsprogramm, das sanften Selbstschutz bietet und gleichzeitig auch die Würde der
betreuten Personen achtet. Es werden theoretische und praktische Fähigkeiten vermittelt,
die
■ sichereres Auftreten der Mitarbeiter ermöglichen,
■ den Rahmen für eine wirksamere Deeskalation von Krisensituationen schaffen sowie
■ zu einem effektiveren Selbstschutz der Mitarbeiter führen,
■ als auch die Unversehrtheit und Würde des Gegenübers wahren.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
50
JÄHRLICHE MITARBEITERGESPRÄCHE
Mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zentrums für Psychosoziale Medizin führen wir
jährliche Mitarbeitergespräche, die dokumentiert werden. Dabei werden insbesondere auch
individuelle Entwicklungsziele (innerhalb und außerhalb der Weiterbildung) besprochen und
vereinbart. Den Mitarbeitergesprächen liegt ein strukturierter Fragenkatalog zu Grunde.
SYSTEMISCHE AUS- UND WEITERBILDUNG
Wir bieten innerhalb des Zentrums für Psychosoziale Medizin und in Zusammenarbeit mit externen
Ausbildern regelmäßige kostenfreie Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung in Systemischer
Therapie an.
FORTBILDUNGSMASSNAHMEN
Gefördert durch den Europäischen Sozialfond bieten wir Rahmen des 6K-Verbundes auch für
Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zusätzliche Fortbildungsangebote an. Dabei geht es vor allem
um die Förderung und den Ausbau der persönlichen Fähigkeiten, der Führungskompetenzen, der
kommunikativen Kompetenzen und der methodischen Kompetenzen.
INTENSIVKURSE FÜR PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE
Der Chefarzt des Zentrums für Psychosoziale Medizin organisiert in Zusammenarbeit mit der
Akademie für Medizinische Fort- und Weiterbildung der Ärztekammer Schleswig-Holstein jährlich
einen 5-tägigen Intensivkurs „Psychiatrie und Psychotherapie“, der sich an Ärztinnen und Ärzte in der
Weiterbildung im Gebiet „Psychiatrie und Psychotherapie“ (speziell zur Vorbereitung auf die
Facharztprüfung) richtet. Der Chefarzt des Zentrums ist auch beteiligt an dem Intensivkurs der
Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, der
dreimal pro Jahr für jeweils 5 Tage in Berlin stattfindet.
Weitere Informationen folgende Adressen:
http://www.klinikum-itzehoe.de/kliniken/zentrum-fuer-psychosoziale-medizin/informationen-zuraus-und-weiterbildung.html
http://www.klinikum-itzehoe.de/karriere.html
► WEITERBILDUNG ZUR PSYCHOLOGISCHEN PSYCHOTHERAPEUTEN/ZUM PSYCHOLOGISCHEN
PSYCHOTHERAPEUTEN
Im Zentrum für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe können Sie als Diplom-Psychologin oder
Diplom-Psychologe die volle Zeit im Rahmen der Ausbildung zur/m psychologischen
Psychotherapeutin/psychologischen Psychotherapeuten absolvieren (1.200 Stunden und 600
Stunden). Wir bieten dazu insgesamt sechs Stellen an. Die Ausbildung erfolgt vorwiegend
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
51
verhaltenstherapeutisch. Die Tätigkeit als Psychologin/Psychologe in Ausbildung im Zentrum für
Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe wird vergütet.
Seit dem März 2015 arbeiten wir in einer engen Kooperation mit dem Ausbildungsinstitut
„Verhaltenstherapie Falkenried Aus-und Weiterbildung Schleswig-Holstein“ (VTFAW), das im
Klinikum Itzehoe angesiedelt ist.
Weitere Informationen unter: http://www.vtfaw-sh.de/home/
► KINDERBETREUUNG
Auf dem Gelände des Klinikums gibt es einen Kindergarten, der von der Montessori-Initiative
betrieben wird. Das Montessori-Kinderhaus am Klinikum Itzehoe hat rd. 90 Plätze für Kinder im Alter
von 0 – 14 Jahren, die in sieben Gruppen betreut werden. 30 Plätze sind für die Kinder der
Beschäftigten des Zweckverbands sowie seiner Tochtergesellschaften reserviert. Die weiteren Plätze
stehen allen Itzehoer Bürgern offen. Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Freitag von 5.30 bis
20.00 Uhr. Eine Betreuung an Wochenenden sowie außerhalb der Öffnungszeiten wird bei
entsprechender Nachfrage ebenfalls angeboten.
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
52
Publikationen und Vorträge
► PUBLIKATIONEN (SEIT 2011)
■ Heinrich S, Deister A, Birker T et al. (2011) Accuracy of selfreports of mental-health care utilzation and calculated
costs compared to hospital records. Psychiatry Res 185;
261-268
■ Deister A (2011) Vom Fall zum Menschen. Erfahrungen aus
einem Regionalen Psychiatrie-Budget. Das
Gesundheitswesen 73: 63-66
■ Deister A (2011) Pauschalierung als Basis für die
Finanzierung psychiatrischer und psychotherapeutischer
Versorgung. Zur Diskussion über ein neues Entgeltsystem
in Deutschland. PSY&PSY Bulletin 11: 5-6
■ Deister A, Heinze M, Kieser C, Wilms B (2011)
Zukunftsfähiges Entgeltsystem für Psychiatrie und
Psychotherapie. Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 64 (3)
64-69
■ Wilms B, Becker T, Lambert M, Deister A (2012) Modelle
für eine zukunftsfähige psychiatrische Versorgung. Die
Psychiatrie 9: 4-13
■ Kunze H, Schepker R, Malzahn J, Beine KH, Deister A, Heinz
A, Wöhrmann S (2012) Gutes muss nicht teurer sein. f&w 2/2012
■ Kunze H., Deister A, Schepker R, Beine K. (2012) Weg zur Weiterentwicklung der
Krankenhausbehandlung frei. Psychosoziale Umschau 2012, 31-32
■ Deister A (2012) Ab jetzt wird alles besser? Auswirkungen des neuen Psychiatrieentgeltgesetzes.
G+G Wissenschaft 12:16-23
■ Deister A, Heinze M, Kieser C, Munk I, Wilms B (2012) Regionale Verantwortung. Basis für ein
zukunftsfähiges Entgeltsystem für die Psychiatrie und Psychotherapie. Kerbe 4, 41-44
■ Deister A, Stab M (2013) Finanzierungsmodelle. In: Rössler, W., Kahwohl, W. (Hrsg) Soziale
Psychiatrie. Das Handbuch für die soziale Praxis. Kohlhammer, Stuttgart
■ Deister A (2013) Individuelle Klasse. F & w 4/2013
■ Deister A (2014) DSM-5 – Die Klassifikation von Krankheitszuständen. Notwendig oder gefährlich?
Psychotherapie im Dialog 2; 90-92
■ Wolff-Menzler C, Maier B, Junne F, Löhr M, Große C, Falkai P, Pollmächer T, Salize HJ, Nitschke R,
Hauth I, Deister A, Godemann F (2014) Versorgungungsindikatoren in der Psychiatrie und
Psychosomatik (VIPP) – Ein Datenbank-Projekt. Fortschr Neurol Psychiatr 82:394-400
■ Deister A, Wilms B (2014) Regionale Verantwortung übernehmen. Modellprojekte nach §64b SGB
V. Psychiatrie-Verlag, Köln
■ Deister A, Wilms B (2015) Neue Behandlungsstrukturen in der Psychiatrie – Chance für eine
zukunftsfähige Versorgung. Psychiat Prax 42:8-10
■ Deister A (2015) Erlösqualität optimieren. f&w 42015
■ Klimke A, Godemann F, Hauth I, Deister A (2015) Strukturqualität in Psychiatrie und
Psychotherapie. Nervenarzt 86:525-533
■ Deister A (2015) Ohne Schuld handelt. In: U. Lüke/G. Souvignier (Hg.), Schuld - überholte
Kategorie oder menschliches Existential? Interdisziplinäre Annäherungen. Herder, Köln
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
53
■ Heinze M, Deister A (2015) Modellvorhaben nach § 64b SGB V – Ziele, Nutzen und Umsetzung. In:
Maier B, Heitmann C, Rutz S, Wolff-Menzler, C (Hrsg.) Psych-Entgeltsystem: Entwicklungen,
Erfahrungen und Best Practice. medhochzwei, Heidelberg
■ Deister A (2015) Psychotische Störungen: Aspekte zur Diagnostik Psychotherapie im Dialog (im
Druck)
► VORTRÄGE ZU GESUNDHEITSPOLITISCHEN THEMEN (2013 – MAI 2015)
■ Gangbare Wege – Umsetzung des Regionalbudgets in Itzehoe. 5. Fachtagung, Forum
Gesundheitswirtschaft, Berlin, 22.02.2013
■ Modellprojekte - Die Haltung der Krankenkassen. ackpa-Kommende-Tagung, Kassel, 11.03.2013
■ Modellprojekte in Psychiatrie und Psychotherapie. Nationales DRG-Forum, Berlin, 14.03.2013
■ Der aktuelle Stand der Modellprojekte. Bundesdirektorenkonferenz Psychiatrie. Zwiefalten,
19.04.2013
■ Stationsersetzende Psychosomatische Behandlung. Sozialministerium Schleswig-Holstein, Kiel
24.04.2013
■ Vom Fall zum Menschen. Erfahrungen aus einem Regionalen Budget. LWL-Klinikum Paderborn,
12.06.2013
■ Die Zukunft der Tagesklinik. Tagesklinik Bad Homburg. 26.06.2013
■ Vom Fall zum Menschen – Erfahrungen aus einem Regionalen Budget. Zentralinstitut für Seelische
Gesundheit. 11.07.2013
■ Wo stehen wir aktuell? Workshop Netzwerk “Anreiz- und Steuerungssysteme für eine moderne
psychiatrische Versorgung”. Berlin, 09.10.2013
■ Regionales Psychiatrie-Budget. Symposium “Versorgung psychisch kranker Menschen –
multiprofessionell, vernetzt, lebensweltorientiert!” Berlin, 16.10.2013
■ Aktueller Stand der Modellprojekte. DGPPN-Kongress 2013, Berlin, 28.11.2013
■ Think Tank. Zur Zukunft der psychosozialen Versorgung. Einführung. DGPPN-Kongress 2013,
Berlin, 28.11.2013
■ Modellprojekte nach §64b in Schleswig-Holstein. Workshop der Aktion Psychisch Kranke. Berlin,
14.02.2014
■ Modellprojekte nach 64b – Aktuelle politische Situation. 6. Psychiatrietagung Forum
Gesundheitswirtschaft. Berlin, 21.02.2014
■ Vom Fall zum Menschen. Fachgruppe Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik der HeliosKliniken. Berlin 25.03.2014
■ Vom Fall zum Menschen. Psychiatrische Klinik Gütersloh. Gütersloh 14.05.2014
■ Konzepte der psychiatrischen Versorgung. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, RuhrUniversität Bochum. Bochum 02.07.2014
■ Vom Fall zum Menschen - Erfahrungen über ein Jahrzehnt mit einem Regionalen Budget. TU
Nürnberg, Itzehoe 14.10.2014
■ Der Think Tank der DGPPN – Einführung in das Thema. DGPPN-Kongress 2014, Berlin 26.11.2014
■ Krisenmanagement in der Psychiatrie. Bewältigung von Krisensituationen – Möglichkeiten eines
regionalen Netzwerks. DGPPN-Kongress 2014, Berlin 28.11.2014
■ Vom Fall zum Menschen - Ein Regionales Budget für die Psychiatrie. Augsburger Perspektiven,
Augsburg, 04.12.2014
■ Modellprojekte in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung nach §64b SGB V.
14. Nationales DRG-Forum, Berlin 20.03.2015
■ Psychiatrische Kliniken in der regionalen Pflichtversorgung - Selbstverpflichtung und Kooperation
aus Verantwortung. Tagung Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, Erkner 16.04.2015
■ Neue Versorgungsformen. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Universitätsklinikum Gießen
und Marburg. Marburg, 26.05.2015
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
54
■ Die Zukunft psychiatrischer Versorgungssysteme. Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie der Universitätsmedizin Rostock. Rostock, 21.07.2015
Mitgliedschaften
Das Zentrum für Psychosoziale Medizin ist vertreten in folgenden Arbeitskreisen bzw. Vereinigungen:
 Neurozentrum des 6K-Verbundes
 Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie
an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ackpa)
 Arbeitskreis der Leitenden Ärztinnen und Ärzte von psychiatrischen und
psychotherapeutischen Kliniken in Schleswig-Holstein
 Gemeindepsychiatrischer Verbund Kreis Steinburg
Prof. Dr. Arno Deister ist Mitglied in folgenden Verbänden:
 President Elect der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN; Berlin) (Präsident 2017/2018)
 Mitglied im Vorstand des Arbeitskreises der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für
Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ackpa)
 Mitglied im Arbeitskreis Gemeindenahe Psychiatrie des Kreises Steinburg
 Mitglied im Arbeitskreis der Leitenden Ärztinnen und Ärzte von psychiatrischen und
psychotherapeutischen Kliniken in Schleswig-Holstein
 Mitglied in der Aktion Psychisch Kranke (Bonn)
 Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (DGBS)
 Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS)
Dr. Rolf Michels ist Mitglied in folgenden Verbänden:
 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und
Nervenheilkunde (DGPPN; Berlin)
 Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie (DGGPP)
 Dachverband Deutschsprachiger Psychosenpsychotherapie (DDPP)
 Netzwerk Home-Treatment
Claudia Vallentin ist Mitglied in folgenden Verbänden:
 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und
Nervenheilkunde (DGPPN; Berlin)
 Netzwerk Ex-In
 Netzwerk Home-Treatment
Dr. Andrea Lau ist Mitglied in folgenden Verbänden:
 Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
 Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie
 Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
 Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
 Arbeitsgemeinschaft christlicher Mediziner
Rainer Ortlieb ist Mitglied im
 Arbeitskreis Sucht des Gemeindepsychiatrischen Verbundes Kreis Steinburg
55
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
Presse-Artikel (Auswahl)
56
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
57
Norddeutsche Rundschau, 7. Januar 2015
Sinnvolle Hilfe bei psychischen Leiden
Chefarzt Arno Deister vom Zentrum für Psychosoziale Medizin über das Itzehoer Modell der
Finanzierung und Wünsche für die Zukunft
Welche Krankheiten haben am meisten Einfluss auf die Gesellschaft?
Die Weltgesundheitsorganisation hat es untersucht. Ergebnis: Unter den ersten Zehn weltweit sind
allein sechs psychische Erkrankungen. Um sie zu behandeln, steht für Professor Dr. Arno Deister der
richtige Weg fest: Regionale Verantwortung übernehmen. So lautet der Titel eines Buches, das der
Chefarzt des Zentrums für Psychosoziale Medizin am Klinikum Itzehoe mit seiner Kollegin Dr. Bettina
Wilms vom Südharz-Klinikum Nordhausen veröffentlicht hat. Auf 280 Seiten geht es viel um
Rahmenbedingungen und Finanzierung – doch dahinter, so Deister, stehe der Wunsch, Menschen in
einer Region ein integriertes Behandlungssystem anbieten zu können. Wie das gehen kann, wird im
Kreis Steinburg seit zwölf Jahren gezeigt in einer bundesweiten Vorreiterrolle. Über die Erfahrungen
und seine Sicht auf die Zukunft der Psychiatrie spricht der Chefarzt im Interview.
Herr Deister, in Ihrem Buch fordern Sie und Ihre Kollegin nicht mehr Geld für die medizinische
Versorgung. Ungewöhnlich – was ist der Grund?
Deister: Es ist wirklich ungewöhnlich aus meiner Sicht. Wir sind der Meinung, dass es eigentlich gar
nicht darum geht, dass wir zu wenig Geld im System der Versorgung haben in der Psychiatrie. Das
Problem liegt sehr viel mehr darin, dass wir dieses Geld nicht sinnvoll genug einsetzen. Unser System
fällt so sehr in verschiedene Teile auseinander, ist so fragmentiert, dass wir in der Behandlung viel zu
viele Brüche haben. Das ist erst einmal schlecht für den Patienten, weil er häufig mit seiner
Behandlung wieder von vorn anfangen muss. Zum anderen kostet es einfach zu viel Geld, was nicht
dafür da ist, Gesundheit zu schaffen.
Hier läuft es seit 2003 anders mit dem Regionalen Budget. Wie funktioniert das und wie sind die
Erfahrungen?
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
58
Es versucht, diese Unterteilung in verschiedene Bereiche möglichst aufzuheben. Konkret gesagt:
Wenn ein Patient früher stationär im Krankenhaus war und dies nicht mehr brauchte, ging er in eine
andere Form der Behandlung über – neues System, neue Behandlung, neue Kosten. Wir führen diese
verschiedenen Teile zusammen. Das heißt: Wir sind zuständig für einen Patienten, auch wenn er
nicht mehr die stationäre Behandlung braucht. Er bleibt dadurch sehr viel kürzer bei uns, in den zwölf
Jahren hat sich die durchschnittliche Verweildauer halbiert. Und er kann, wenn er das Stationäre
nicht mehr braucht, von uns für eine gewisse Zeit tagesklinisch oder ambulant weiter behandelt
werden. Danach geht er in der Regel wieder zum niedergelassenen Arzt, der noch nicht zu diesem
System gehört. Aber was das Krankenhaus macht, wird über ein Gesamtbudget finanziert. Anders
ausgedrückt: Es wird die Versorgung mehr in einer Hand zusammengeführt, was Kosten spart und für
den Patienten sinnvoll ist.
Gibt es für dieses sinnvolle Belege?
Es hat sich für die Patienten gezeigt, es gibt aber auch eine wissenschaftliche Begleitforschung. Diese
konnte zeigen, dass die Patienten sehr viel kürzer im Krankenhaus sind und dass auf der anderen
Seite sie sehr viel besser im sozialen Umfeld integriert sind. Das ist etwas, was bei den meisten
psychischen Erkrankungen extrem wichtig ist, weil sie nie nur ein Problem des Menschen sind, der
betroffen ist, sondern immer auch seines sozialen Umfeldes. Hat sich diese Ansicht in der Psychiatrie
bereits durchgesetzt? Nein, es ist noch nicht herrschende Meinung. Es gibt aber einige Hinweise, dass
sich dieses Denken zunehmend durchsetzt. Sonst springen wir auch einfach zu kurz. Die Ideen gibt es
schon sehr lange, es geht in die richtige Richtung. Für mich gilt der Satz: Psychiatrie ist eine soziale
Psychiatrie, oder sie ist keine Psychiatrie.
Zur Umsetzung, das stellen Sie im Buch oft fest, braucht es ein regionales Netzwerk. Gibt es dieses
hier – oder wo hat das Netz Löcher?
Es gibt im Kreis Steinburg insgesamt seit langem ein sehr gutes Netzwerk. Viele Einrichtungen im
Kreis machen ganz unterschiedliche Angebote an die Patienten. Es gibt eine sehr gute Vernetzung
untereinander. Aber: Diese Vernetzung bildet sich in den Finanzierungs- und Kostenstrukturen noch
nicht wirklich ab. Es wäre wichtig, das zusammenzuführen und sie damit auf noch stabilere Füße zu
stellen. Sodass zum Beispiel auch die Leistungen der niedergelassenen Ärzte oder der Brücke SH über
dieses Budget finanziert würden? Perspektivisch sollte das so sein. Im Moment ist es nicht so. Im
Moment deckt das Regionale Budget nur Krankenhausleistungen ab, wobei das auch heißen kann,
dass ein Patient ambulant im Krankenhaus und durch das Krankenhaus behandelt wird. Das Ziel ist
aber ganz klar die Integration der niedergelassenen Ärzte und aller anderen Leistungen, die es gibt.
Aber das ist ein Fernziel, wofür noch viel gearbeitet werden muss. Auch Überzeugungsarbeit? Diese
Arbeit ist Überzeugungsarbeit. Das ist natürlich etwas, wo wir sehr viel miteinander reden müssen.
Die Regelung, die wir seit zwölf Jahren haben, ist seit langem auf vielen Ebenen besprochen. Wir sind
allen anderen im Kreis sehr dankbar, dass sie sich dieser Diskussion stellen. Letztlich wird es nicht so
sein, dass das Krankenhaus zentral ist, sondern es wird etwas sein müssen, was das gesamte System
miteinander umsetzt. Das ist natürlich Kommunikation pur.
Ist das Regionale Budget auf andere Bereiche der Medizin übertragbar?
Nicht einfach so. Es gibt aber Bereiche in der somatischen Medizin, wo es gehen könnte: Immer
dann, wenn es um den ganzen Menschen geht. Ein Beispiel ist die Geriatrie. Aber da gibt es auch
bundesweit noch keine konkreten Ansätze. In den meisten anderen Fächern muss es eine andere
Denkweise geben, weil das Problem ein temporäres ist. Wenn jemand eine Blinddarmentzündung
hat, ist damit ganz anders umzugehen, als wenn jemand eine Erkrankung hat, die ihn einen Großteil
seines Lebens begleiten wird. Bei körperlichen Erkrankungen ist auch der soziale Bezug längst nicht
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
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so groß. Diesen Bezug verdeutlicht die von Ihnen geleitete Klinik mit dem Namen Zentrum für
Psychosoziale Medizin. Diese hatte stets eine geschlossene Abteilung. Nun steht die Tür offen, der
Tresen am Eingang ist permanent besetzt.
Warum diese Änderung?
Es gibt internationale Erfahrungen und umfassende Literatur, die uns gesagt haben, dass das Klima
auf der Station weniger aggressiv wird, je mehr wir dem Patienten vermitteln, dass wir ihn hier nicht
einsperren, sondern dass wir ihn schützen. Wir sind keine Einrichtung, wo es primär um Sicherheit
geht, sondern es geht um Therapie und um Schutz. Das kann man besser mit offenen Türen.
Natürlich haben wir die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Patienten nicht sich selbst oder andere
gefährden. Offene Türen heißt: Wir sprechen mit den Patienten, wenn sie gehen wollen, und
versuchen sie zu überzeugen. Das Ergebnis: Die offene Tür führt nicht dazu, dass sich mehr
Menschen der Behandlung entziehen, als wenn die Tür geschlossen ist. Dieses Vorgehen ist dem
Bedürfnis des Patienten viel angemessener. Seine Autonomie und seine Selbstbestimmungsfähigkeit
sind uns in den vergangenen Jahren viel wichtiger geworden. Wir gehen mit den Patienten viel, viel
mehr auf Augenhöhe um.
Und der dazu passende Neubau soll möglichst im Hackstruck entstehen?
Es wird noch relativ lange dauern. Aber die Idee ist, dass wir das, was wir im Moment inhaltlich
machen, auch in einem Gebäude abbilden. Wenn wir die Chance haben, wollen wir die Grenzen
zwischen ambulanter, tagesklinischer und stationärer Versorgung weiter auflösen. Ein neues
Gebäude – und es gibt bereits konkrete Pläne dafür – soll keine klassischen Stationen mehr haben. Es
soll Bereiche haben für die Behandlung für alle Patienten, für Wohnen für die, die das brauchen, und
es soll Bereiche geben, wo Menschen den ganzen Tag sein können. Aber alle werden im gleichen
Bereich behandelt, die Unterschiede werden fließend.
Der Bedarf ist also vorhanden?
Der Bedarf hat zugenommen und wird weiter zunehmen. Das liegt nicht in erster Linie daran, dass
psychische Erkrankungen zunehmen, sondern dass wir zum Glück anders umgehen mit Menschen,
die eine psychische Erkrankung haben, und dass die Menschen selbst anders mit sich umgehen. Sie
sind zum Glück heute eher bereit, Hilfe zu suchen. Trotzdem tun es lange noch nicht alle. Bei einem
Krankheitsbild wie der schweren depressiven Erkrankung wissen wir, dass weniger als 20 Prozent der
Menschen so behandelt werden, wie man sie behandeln könnte. Das liegt auch daran, dass es
Menschen schwer fällt, ihre eigenen Probleme als Ausdruck einer Erkrankung anzusehen. Uns ist es
sehr wichtig, ein Bewusstsein zu schaffen in der Öffentlichkeit, dass es möglich ist, darüber zu
sprechen, wenn man eine psychische Erkrankung bekommt. Es ist etwas sehr Zentrales, dass man
nicht gezwungen ist, psychische Probleme zu verstecken, vor sich und vor anderen.
Die Vereinbarung zum Regionalen Budget läuft bis Ende 2020. Wie sollte die Situation im Kreis dann
sein?
Es sollte etwas ganz Normales sein, wegen Problemen im psychischen Bereich Hilfe zu suchen. Alle
Angebote, die dann zur Verfügung stehen, sollten dann miteinander vernetzt sein. Dies sollte sich in
der Form der Finanzierung abbilden. Das ist aber ein großer Wunsch.
Interview: Lars Peter Ehrich
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
60
Kooperierende Einrichtungen und
Institutionen
Das Zentrum für psychosoziale Medizin kooperiert eng mit einer Vielzahl von Einrichtungen aus den
verschiedenen Bereichen. Dazu gehören insbesondere:
■ Kliniken und Zentren des Klinikums Itzehoe
■ Mitglieder des Gemeindepsychiatrischen Verbundes im Kreis Steinburg
■ Versorgungs-und Hilfeeinrichtungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen im Kreis
Steinburg
■ Einrichtungen von Lehre und Forschung
■ Berufsverbände
ZENTRUM FÜR PSYCHOSOZIALE MEDIZIN DES KLINIKUMS ITZEHOE – JAHRESBERICHT 2015
61
ANHANG
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
(DGPPN) hat im Jahr 2014 eine umfangreiche Stellungnahme zu den ethischen Aspekten in diesen
Fächern abgegeben. Diese soll aufgrund ihrer auch für uns besonderen Bedeutung an dieser Stelle in
vollem Umfang zitiert werden.
Achtung der Selbstbestimmung und Anwendung von Zwang
bei der Behandlung von psychisch erkrankten Menschen
Eine ethische Stellungnahme der DGPPN 1
1. Einleitung
Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht: Jeder Mensch hat das Recht, über seine Lebensführung und
damit auch über Maßnahmen, die seine Gesundheit betreffen, selbst zu bestimmen. Die selbstbestimmte Entscheidung des Patienten ist dementsprechend eine Grundvoraussetzung für eine gute
medizinische Behandlung.
In Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik stellen sich hierbei tiefgreifende Fragen, denn
psychische Erkrankungen können in Einzelfällen die Selbstbestimmungsfähigkeit des Patienten einschränken. Dabei gilt grundsätzlich: Allein aus dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung folgt
nicht, dass ein Patient nicht selbstbestimmt entscheiden kann und darf. Bei einem kleinen Teil von
psychisch schwer erkrankten Patienten kann diese Fähigkeit jedoch zeitweilig oder langfristig eingeschränkt bzw. aufgehoben sein.
In einem solchen Falle bedarf es einer erweiterten ethischen Orientierung für gutes ärztliches Handeln. Wenn der schwer kranke und selbstbestimmungsunfähige Patient sich selbst oder Dritte erheblich gefährdet und in dieser Situation medizinische Maßnahmen ablehnt, geraten der Psychiater und
alle Beteiligten in eine schwierige ethische Dilemmasituation: Welche ethischen Kriterien müssen hier
beachtet und wie sollen diese ethisch abgewogen werden? Dabei befindet sich der Psychiater in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Respekt vor dem Patientenwillen einerseits, dem gesundheitlichen Wohl des Kranken und der Verpflichtung zur Fürsorge gegenüber selbstbestimmungsunfähigen, hilflosen und hilfebedürftigen Menschen andererseits sowie den Interessen von Angehörigen,
Institutionen und Gesellschaft.
Das Handeln des Psychiaters muss sich am rechtlichen Rahmen orientieren und diesen im Einzelfall ethisch angemessen gestalten und umsetzen. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes sowie durch die Reform des Betreuungsgesetzes sind in jüngster Zeit die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt worden.
Die vorliegende ethische Stellungnahme der DGPPN möchte hierzu aus psychiatrischpsychotherapeutischer Perspektive einen Beitrag leisten. Aus ärztlicher Perspektive wird zu den Bereichen Patientenselbstbestimmung, Selbstbestimmungsfähigkeit und psychische Erkrankung ebenso
Stellung genommen wie zur UN-Behindertenrechtskonvention und zu Fragen der Zwangsmaßnahmen
und Zwangsbehandlungen. Schließlich werden Empfehlungen für die Praxis formuliert, mit denen
Zwangsmaßnahmen reduziert und, falls erforderlich, professionell und möglichst human durchgeführt werden können. Dabei wendet sich die DGPPN sowohl an die im Bereich der Psychiatrie tätigen
Gesundheitsberufe und Patientenvertretungen als auch an die Verantwortlichen in Gesundheitspolitik,
Medien und Gesellschaft.
Die Autoren der Task Force „Ethik in Psychiatrie und Psychotherapie“ der DGPPN: Dr. med. Utako Birgit Barnikol (Köln), Prof. Dr. med. Asmus Finzen (Berlin), Dr. med. Jakov Gather M.A. (Bochum), Dipl. Psych. Gabriel Gerlinger M.A. (DGPPN-Geschäftsstelle), PD Dr. med. Annemarie Heberlein (Hannover), Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz (Berlin), Prof. Dr. med. Hanfried Helmchen (Berlin), Prof. Dr. med. Klaus Lieb (Mainz), Prof. Dr. med.
Wolfgang Maier (Bonn), Prof. Dr. med. Jürgen L. Müller (Göttingen), Dr. phil. Sabine Müller (Berlin), Prof. Dr.
med. Thomas Pollmächer (Ingolstadt), Prof. Dr. med. Henning Saß (Aachen), Prof. Dr. phil. Thomas Schramme
(Hamburg), Prof. Dr. med. Michael Seidel (Bielefeld), Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann (Bochum) (federführend), Prof. Dr. med. Dr. phil. Henrik Walter (Berlin).
1
2
2. Patientenselbstbestimmung, Selbstbestimmungsfähigkeit und psychische Erkrankung
Patientenselbstbestimmung
Die Selbstbestimmung von Patienten hat im 20. Jahrhundert im Zuge allgemeiner gesellschaftlicher
Entwicklungen mit Stärkung der persönlichen Freiheitsrechte und eines gewachsenen Patientenselbstbewusstseins sowie in Reaktion auf gravierendes ärztliches Fehlverhalten in der medizinischen
Forschung in der modernen Medizin einen hohen ethischen und rechtlichen Stellenwert erlangt. In
Deutschland spielten bei dieser historischen Entwicklung nicht zuletzt die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus eine entscheidende Rolle, an denen auch viele Psychiater beteiligt waren.
Der hohe Stellenwert der Patientenselbstbestimmung hat für den Arzt und alle anderen an der Behandlung von Patienten beteiligten Professionen ethische, rechtliche und berufspraktische Konsequenzen. Während der Arzt in früheren Zeiten häufig ohne Mitsprache des Patienten Entscheidungen
zu dessen gesundheitlichem „Wohl“ getroffen hat und die ärztliche Grundhaltung durch einen fürsorglichen Paternalismus gekennzeichnet war, ist das Arzt-Patienten-Verhältnis heutzutage vom Ideal
der partizipativen Entscheidungsfindung („shared decision making“) geprägt.
Das Prinzip der Selbstbestimmung findet in gesundheitlichen Angelegenheiten seinen Ausdruck im
Respekt vor der selbstbestimmten Entscheidung des Patienten nach Aufklärung durch den Arzt („informed consent“). Die freie und informierte Einwilligung ist daher die notwendige Voraussetzung für
jede diagnostische und therapeutische Maßnahme.
Voraussetzungen für einen gültigen „informed consent“ sind neben der Informationsvermittlung
die freie Entscheidung (d. h. Patienten dürfen nicht von anderen zu einer Entscheidung gedrängt oder
gezwungen werden) und das Vorliegen von Selbstbestimmungsfähigkeit. Selbstbestimmungsfähigkeit
lässt sich mit dem rechtlichen Begriff der Einwilligungsfähigkeit gleichsetzen. Im Folgenden wird jedoch der Begriff der Selbstbestimmungsfähigkeit verwendet, da dieser nicht nur die Fähigkeit zur
Einwilligung („consent“), sondern auch zur Ablehnung („dissent“) berücksichtigt. In der Praxis hat die
Frage der Selbstbestimmungsfähigkeit des Patienten große Bedeutung, wenn ein Patient in eine vom
Arzt empfohlene Maßnahme nicht einwilligt, sondern diese selbstbestimmt entgegen seinem (vermeintlichen) gesundheitlichen Wohl ablehnt.
Um im klinischen Alltag das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung respektieren zu können,
muss der Arzt die Kriterien der Selbstbestimmungsfähigkeit kennen. Dies ist nicht zuletzt deshalb
wichtig, weil der Respekt vor der Selbstbestimmung eines Menschen auch darin zum Ausdruck
kommt, dass man ihn vor ungewollten Folgen durch nicht-selbstbestimmte Entscheidungen schützt.
Dieser Aspekt ist in der Psychiatrie von besonderer Bedeutung, weil akute oder chronische psychische
Erkrankungen sowie angeborene oder erworbene kognitive Beeinträchtigungen die Fähigkeit eines
Menschen zur Selbstbestimmung einschränken oder aufheben können. Beispielsweise können halluzinierte Befehle zur Selbsttötung die Selbstbestimmungsfähigkeit ebenso aufheben wie das aufgrund
einer schweren Demenz fehlende Verständnis eines Patienten für den lebensrettenden Charakter eines
medizinischen Eingriffes (z. B. einer Operation).
Willensäußerungen, bei denen die Kriterien der Selbstbestimmungsfähigkeit nicht erfüllt sind,
werden im Recht häufig als „natürlicher Wille“ bezeichnet. Dieser kann verbal oder non-verbal, etwa
durch abwehrende Handbewegungen, Ausspucken von Tabletten etc., zum Ausdruck gebracht werden. In der Psychiatrie kommt es häufig zu ethischen Konfliktsituationen, wenn der vom Patienten
geäußerte „natürliche Wille“ mit dem ärztlichen Auftrag, zum gesundheitlichen Wohl des Patienten zu
handeln, im Widerspruch steht. Dem Konzept der Selbstbestimmungsfähigkeit kommt daher unter
ethischen und klinischen Gesichtspunkten ein zentraler Stellenwert zu.
3
Das normative Konzept der Selbstbestimmungsfähigkeit
Die Selbstbestimmungsfähigkeit stellt ein normatives Konzept dar, das in Ethik und Recht entwickelt
wurde. Dieses Konzept ist in der internationalen klinisch-ethischen Literatur breit akzeptiert. Selbstbestimmungsfähigkeit konkretisiert sich im rechtlichen Begriff der Einwilligungsfähigkeit.
Trotz einiger konzeptioneller Überschneidungen darf die Selbstbestimmungsfähigkeit nicht mit
den rechtlichen Begriffen der Geschäftsfähigkeit, Testierfähigkeit oder Schuldfähigkeit gleichgesetzt
werden, da diese zum Teil andere und höhere Anforderungen an die betroffenen Personen stellen. Für
den klinischen Alltag folgt daraus, dass auch Patienten, die nicht geschäftsfähig sind, sehr wohl zu
selbstbestimmten Entscheidungen im Hinblick auf konkrete medizinische Maßnahmen in der Lage
sein können. Auch das Bestehen einer gesetzlichen Betreuung schließt die Selbstbestimmungsfähigkeit nicht aus.
Das Konzept der Selbstbestimmungsfähigkeit dient dem Schutz von Personen, die aufgrund des
Fehlens bestimmter Fähigkeiten nicht in der Lage sind, Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen und
deswegen besonders gefährdet sind, hierbei zu ihrem eigenen Nachteil zu handeln, z. B. indem sie
medizinische Behandlungen ablehnen, die eine erhebliche Gefahr für Gesundheit oder Leben abwenden können, oder medizinischen Behandlungen zustimmen, deren Tragweite sie nicht erkennen können.
Eine Person ist bezüglich einer konkreten medizinischen Maßnahme selbstbestimmungsfähig,
wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung folgende Kriterien erfüllt sind:
•
Informationsverständnis: Sie muss durch verständliche und ausreichende Aufklärung ein eigenes Verständnis davon entwickeln, worüber sie zu entscheiden hat und worin die Risiken und
der potenzielle Nutzen der Entscheidung bestehen.
•
Urteilsvermögen: Sie muss die erhaltenen Informationen mit ihrer Lebenssituation, mit ihren
persönlichen Werthaltungen und Interessen in Verbindung bringen sowie diese gewichten und
bewerten können. Die Folgen und Alternativen der Entscheidung müssen im Zusammenhang
mit der eigenen Lebenssituation beurteilt werden können.
•
Einsichtsfähigkeit: Sie muss erkennen können, dass ihre physische oder psychische Gesundheit
eingeschränkt ist und dass Möglichkeiten zur Behandlung oder Linderung ihrer gesundheitlichen Problematik bestehen und ihr angeboten werden (sog. Krankheits- und Behandlungseinsicht).
•
Ausdrucksfähigkeit der Entscheidung: Sie muss die Fähigkeit besitzen, im Lichte der bestehenden Alternativen eine Entscheidung zu treffen und diese verbal oder non-verbal zum Ausdruck
zu bringen.
Alle diese Fähigkeiten sind graduell ausgeprägt. Psychische Erkrankungen oder kognitive Beeinträchtigungen können die Komponenten der Selbstbestimmungsfähigkeit in verschiedener Weise
beeinflussen. Kognitive Defizite im Rahmen einer beginnenden Demenzerkrankung können beispielweise mehr oder weniger stark das Informationsverständnis oder das Urteilsvermögen beeinträchtigen. Wahnvorstellungen bei Patienten mit einer akuten Psychose führen hingegen häufig dazu, dass
die Einsichtsfähigkeit vermindert oder sogar aufgehoben ist. Die Fähigkeit, eine Entscheidung zu treffen und zum Ausdruck zu bringen, kann durch eine hochgradige Ambivalenz bei einer schweren Depression eingeschränkt sein.
Die Erfahrungen aus der Begegnung mit psychisch kranken Menschen verdeutlichen, dass in alle
menschlichen Entscheidungen nicht allein rationale Erwägungen, sondern in hohem Maße auch emotionale, situative und interpersonelle Faktoren einfließen. Damit ist nicht die Rationalität von Begrün-
4
dungen entscheidend, sondern es müssen auch unvernünftig erscheinende Entscheidungen eines
selbstbestimmungsfähigen Patienten respektiert werden. Weiterhin ist zu bedenken, dass alle genannten Einschränkungen im zeitlichen Verlauf mehr oder weniger stark fluktuieren können.
In einer konkreten medizinischen Entscheidungssituation muss die Selbstbestimmungsfähigkeit
jedoch kategorial eingestuft werden (d. h. die Selbstbestimmungsfähigkeit ist entweder vorhanden
oder nicht vorhanden), da nur so entschieden werden kann, ob der Patient in dieser Situation selbst zu
einer Einwilligung oder Ablehnung einer medizinischen Maßnahme in der Lage ist.
Selbstbestimmungsfähigkeit und psychische Erkrankung
Bei der Diskussion um die Selbstbestimmungsfähigkeit muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass einer Person die Fähigkeit zur selbstbestimmten Entscheidungsfindung nicht allein deswegen fehlt, weil eine psychische Erkrankung (z. B. Schizophrenie, Depression) oder eine kognitive Beeinträchtigung (z. B. Demenz) vorliegt. Die Selbstbestimmungsfähigkeit kann auch nicht allein deshalb
verneint werden, weil sich ein Patient selbst nicht für krank hält, obwohl eine psychiatrische Erkrankung gemäß der in Deutschland verbindlichen Diagnosemerkmale (ICD-10) diagnostiziert wurde.
Ebenso wenig kann die Selbstbestimmungsfähigkeit allein deshalb verneint werden, weil die Person
eine empfohlene oder indizierte Therapie ablehnt. Die Ablehnung einer bestimmten Diagnose oder
Therapieoption kann auch zu respektierende persönliche Gründe aufgrund biografischer Erfahrungen
und individueller Werthaltungen haben. Der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist zudem
darin zuzustimmen, dass das Vorliegen einer Behinderung alleine die Selbstbestimmungsfähigkeit
nicht ausschließt.
Die genannten Kriterien der Selbstbestimmungsfähigkeit sind daher in jedem Einzelfall sorgfältig
zu überprüfen. Selbstbestimmungs(un)fähigkeit wird dabei immer in Bezug auf eine konkrete medizinische Entscheidungssituation beurteilt. Ein Patient kann z. B. bezüglich einfacher Maßnahmen wie
einer Blutabnahme selbstbestimmungsfähig sein, obwohl er nicht in der Lage ist, wirksam in eine
komplexe Behandlungsstrategie (z. B. einen operativen Eingriff) einzuwilligen. Willensäußerungen
oder andere intentionale Bekundungen bei fehlender Selbstbestimmungsfähigkeit werden im Betreuungsrecht als „natürlicher Wille“ bezeichnet. Darunter fallen verbale wie nicht-verbale Äußerungen (z.
B. gezielt abwehrende Gesten und Handlungen).
Anwendungsprobleme
Die Bedeutung der Selbstbestimmungsfähigkeit in der Medizin ist nicht zuletzt durch höchstrichterliche Entscheidungen aufgewertet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat vom Vorhandensein oder
Fehlen der Selbstbestimmungsfähigkeit abhängig gemacht, ob bei einer Person Maßnahmen oder
Behandlungen zur Abwehr erheblichen gesundheitlichen Schadens gegen ihren „natürlichen Willen“
grundsätzlich durchgeführt werden dürfen.
In der Praxis hat der behandelnde Arzt die Aufgabe, die Selbstbestimmungsfähigkeit im Einzelfall
unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien der Selbstbestimmungsfähigkeit festzustellen
und zu dokumentieren. Da psychische Erkrankungen und kognitive Beeinträchtigungen in der Praxis
eine häufige Ursache für die Selbstbestimmungsunfähigkeit von Patienten sind und da Psychiater
auch in anderen medizinischen Fachgebieten (z. B. in der Neurologie, Intensivmedizin, Geriatrie oder
Chirurgie) zur Abklärung der Selbstbestimmungsfähigkeit konsiliarisch einbezogen werden, haben in
der Psychiatrie eine klare Konzeption und eine professionelle kompetente Feststellung der Selbstbestimmungsfähigkeit von Patienten eine besondere Relevanz und hohe praktische Bedeutung.
Die Anwendung der Kriterien der Selbstbestimmungsfähigkeit auf konkrete Einzelfälle kann in der
Praxis z. B. aufgrund starker Fluktuationen des psychischen Zustands und Ambivalenzen in der Wil-
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lensbildung des Patienten schwierig sein. Eine einmalige Beurteilung der Selbstbestimmungsfähigkeit
ist daher nicht immer ausreichend, da es insbesondere bei Intoxikationen oder organisch bedingten
psychischen Störungen zum zeitlich begrenzten Verlust der Selbstbestimmungsfähigkeit kommen
kann. Es ist daher eine zentrale Aufgabe von Ärzten und anderen an der Behandlung von Patienten
beteiligten Therapeuten, alle geeigneten medizinischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Selbstbestimmungsfähigkeit des Betroffenen zu fördern bzw. wiederherzustellen. Es ist gut belegt, dass in
manchen Situationen Selbstbestimmungsfähigkeit, z. B. durch Unterstützung von krankheitsbedingt
beeinträchtigten kognitiven Funktionen (z. B. durch möglichst einfache, bebilderte Darbietung und
übersichtliche Organisation der entscheidungsrelevanten Information) wiederhergestellt werden kann.
Solche Unterstützungen sollten, wenn sie möglich sind, eingesetzt werden. Durch bessere Kommunikation können etwaige Zwangsmaßnahmen abgewendet werden.
Des Weiteren ist zu beachten, dass die Frage, ob ein Patient selbstbestimmungsfähig ist oder nicht,
häufig in klinischen Konfliktsituationen aufkommt, z. B. wenn ein Patient eine das Überleben sichernde Therapie ablehnt und seine Fähigkeiten im Hinblick auf eine selbstbestimmte Entscheidung zwar
deutlich eingeschränkt, jedoch nicht gänzlich aufgehoben sind. In einem solchen Fall empfiehlt sich
die Hinzuziehung eines unabhängigen, an der Behandlung des jeweiligen Patienten nicht beteiligten
Arztes, der die Selbstbestimmungsfähigkeit nach den oben genannten Kriterien professionell beurteilt
und dokumentiert. Ein solches Vorgehen kann zur Qualitätssicherung in der klinischen Praxis beitragen und verhindern helfen, dass sich Interessenskonflikte aufseiten des behandelnden Arztes für den
Patienten nachteilig auswirken.
Aufgrund der hohen ethischen, rechtlichen und klinischen Bedeutung der Feststellung der Selbstbestimmungsfähigkeit eines Patienten besteht an diesem Punkt weiterer Diskussions- und Forschungsbedarf. Damit aktuelle Forschungsergebnisse in der Praxis auch umgesetzt werden, sollten das
Konzept der Selbstbestimmungsfähigkeit sowie die Methoden zu ihrer Feststellung fester Bestandteil
der fachärztlichen Weiterbildung sowie Inhalt der Fortbildung aller Gesundheitsberufe sein.
Selbstbestimmungsfähigkeit und UN-Behindertenrechtskonvention
Für Menschen, die an einer chronischen psychischen Krankheit leiden bzw. die seelisch behindert
sind, gilt das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention/UN-BRK) aus dem Jahr 2006. Die UN-BRK konkretisiert die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 und weiterer Menschenrechtspakte für Menschen mit Behinderungen. In Artikel 12 der UN-BRK heißt es, dass Menschen mit
Behinderungen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt anerkannt zu werden, und in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit besitzen. Hieraus resultiert
der Rechtsanspruch auf die erforderliche Unterstützung bei der gleichberechtigten Ausübung ihrer
Rechts- und Handlungsfähigkeit.
Das weiter oben ausgeführte fähigkeitsbasierte Konzept von Selbstbestimmung wurde u. a. mit
dem Argument kritisiert, es sei nicht mit der UN-BRK vereinbar. Tatsächlich wird das Konzept der
Selbstbestimmungsfähigkeit in der UN-BRK jedoch weder verwendet noch abgelehnt.
Grundsätzlich betont die UN-BRK das Recht auf Selbstbestimmung, sie behauptet jedoch nicht,
dass Selbstbestimmungsfähigkeit in der Praxis jederzeit vorliegen würde. Vielmehr fordert sie ausdrücklich, die Entscheidungsfindung von Menschen mit behinderungsbedingten Einschränkungen zu
unterstützen, statt deren Entscheidungen zu ersetzen. Die Konvention fordert geeignete Maßnahmen,
um Menschen mit Behinderungen Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie zur Ausübung
ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen. Bei diesen Maßnahmen sind die
Rechte, der Wille und die Präferenzen der Betroffenen zu achten. Die Maßnahmen sollen wirksam vor
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missbräuchlicher Einflussnahme gesichert werden; sie sollen verhältnismäßig, individuell zugeschnitten und von möglichst kurzer Dauer sein; sie sollen regelmäßig durch eine unabhängige, unparteiische
Behörde überprüft werden. Aus den Ausführungen in Art. 12 Abs. 4 der UN-BRK ist ersichtlich, dass
ihren Autoren bewusst war, dass es gute Gründe für Einschränkungen von bestimmten Rechten geben
kann, die jedoch gegen Missbrauch und Willkür abzusichern sind. Das deutsche Betreuungsrecht basiert auf den gleichen Grundsätzen.
Die UN-BRK verbietet es – wie auch andere Menschenrechtsdokumente – nicht grundsätzlich,
Menschen mit Behinderungen die Freiheit zu entziehen. Sie verbietet jedoch, die Freiheit willkürlich,
rechtswidrig oder nur aufgrund einer Behinderung zu entziehen (Art. 14). Somit verbietet die UN-BRK
insbesondere keine Unterbringungen aufgrund von Fremd- oder Selbstgefährdung. Selbstverständlich
sind bei solchen Unterbringungen auf gesetzlicher Grundlage stets die oben genannten Unterstützungen zu leisten.
Bezüglich der Gesundheitsversorgung gibt die UN-BRK vor, dass Menschen mit Behinderungen eine Versorgung von gleicher Qualität wie andere Menschen erhalten sollen und zusätzlich jene Leistungen, die sie wegen ihrer Behinderung benötigen. Dazu muss eine freie Einwilligung nach vorheriger Aufklärung (Art. 25) vorliegen. Die UN-BRK führt nichts dazu aus, wie vorzugehen ist, wenn eine
freie Einwilligung nicht möglich ist, weil der Betroffene aus welchen Gründen auch immer nicht in der
Lage ist einzuwilligen. Entscheidend ist vielmehr, dass der Wille und die Rechte von Menschen mit
Behinderungen genauso zu respektieren sind wie der Wille und die Rechte aller anderen Menschen.
In Fällen, in denen eine Therapie auf die Wiederherstellung einer gegebenenfalls eingeschränkten
Selbstbestimmungsfähigkeit zielt, kann sie in der Sache eine Unterstützung zur Wiedererlangung
bzw. bei der Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit gemäß Art. 12 Abs. 3 UN-BRK sein.
Aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt in Deutschland das Prinzip der fähigkeitsbasierten Selbstbestimmungsfähigkeit. Im Fall fehlender oder eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit
sind nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung in engen gesetzlichen Grenzen gegebenenfalls
Maßnahmen gegen den „natürlichen Willen“ der Betroffenen möglich, insbesondere wenn sie dem
Ziel dienen, Selbstbestimmungsfähigkeit wiederherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht sieht
keine Unvereinbarkeit seiner Position mit der UN-BRK, da es in seiner Rechtsprechung zur Zwangsbehandlung sowohl auf die UN-BRK Bezug genommen als auch die Selbstbestimmungsunfähigkeit zum
entscheidenden Kriterium der Zulässigkeit von Zwangsbehandlungen gemacht hat.
3. Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlung: Eine ethische Perspektive
Unter Zwangsmaßnahmen werden rechtlich a) Unterbringungen psychisch Kranker gegen deren erklärten Willen in Krankenhäusern und b) unterbringungsähnliche Maßnahmen (wie Fixierungen und
Isolierungen) gegen den erklärten Willen verstanden. Ärztliche Zwangsmaßnahmen sind diagnostische und therapeutische Interventionen gegen den erklärten Willen.
In der klinischen Praxis kommt es immer wieder vor, dass sich Patienten selbstbestimmt gegen eine medizinische Behandlung entscheiden, die aus ärztlicher Sicht indiziert und unter Umständen
dringend notwendig ist, um schwerwiegende gesundheitliche Schäden zu verhindern. Der Arzt hat in
solchen Fällen die Pflicht, den Patienten umfassend über den Nutzen und die Risiken der Behandlung
und die Konsequenzen einer Ablehnung aufzuklären. Bleibt der Patient jedoch bei seiner ablehnenden
Haltung, ist sein selbstbestimmter Wille von ärztlicher Seite zu respektieren, selbst wenn der Patient
dadurch seine Gesundheit oder gar sein Leben gefährdet. Zwangsmaßnahmen oder -behandlungen
gegen den selbstbestimmten Willen eines Patienten sind ethisch nicht zu rechtfertigen. Analoges gilt
für die Einweisung in Kliniken bzw. Unterbringung, die dem Zweck der Behandlung und/oder der
Gefahrenabwehr dient.
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Ebenso wenig sind Maßnahmen gegen den Willen von selbstbestimmungsunfähigen Patienten zu
rechtfertigen, die aus medizinischer Perspektive zwar indiziert sind, die aber im Fall der Ablehnung
der Therapie weder für den Betroffenen noch für andere eine erhebliche gesundheitliche Gefahr bedeuten würde. Anstelle von Zwang ist in solchen Fällen ein an den Bedürfnissen und der Lebensrealität der Betroffenen orientiertes Behandlungs- und Unterstützungsangebot vor Ort zu fordern. Im Hinblick auf die hierfür erforderlichen sozialpsychiatrischen Versorgungsstrukturen sind aus ethischer
Perspektive Änderungen in der gesundheits- und forschungspolitischen Prioritätensetzung erforderlich, um Zwangsmaßnahmen zu verringern. Es gilt, ein gemeindebasiertes psychiatrisches Hilfesystem
aufzubauen, das mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet ist und sich am Willen der betroffenen
Menschen orientiert.
Anders ist die Situation einzuschätzen, in der ein Patient krankheits- bzw. behinderungsbedingt
nicht selbstbestimmt entscheiden kann und eine Behandlung zurückweist, die aus medizinischer Perspektive notwendig ist, um schwere Gesundheitsschäden zu verhindern oder gar lebensbedrohliche
Zustände abzuwenden (z. B. im Fall einer schweren kognitiven Beeinträchtigung infolge von Demenz
oder angeborener geistiger Behinderung). Dies stellt Ärzte (u. a. in der Psychiatrie, aber auch in anderen Bereichen wie der Chirurgie, der Geriatrie oder der Notfallmedizin) vor das grundlegende Problem, ob und wann eine Maßnahme oder Behandlung gegen den nicht-selbstbestimmten Willen des
Patienten – d. h. eine Zwangsmaßnahme oder Zwangsbehandlung – ethisch zu rechtfertigen ist. In
der Praxis können diese Abwägungen sehr schwierig sein, so z. B. bei der Frage, wie schwerwiegend
und wie wahrscheinlich Konsequenzen der Nichtbehandlung tatsächlich sein müssen, um eine Maßnahme gegen den „natürlichen“ Willen, d. h. eine aktuelle ablehnende Willensäußerung des Patienten,
durchsetzen zu dürfen.
Ethische Begründung
Begründung von Zwangsmaßnahmen
Zwangsmaßnahmen (z. B. die Beschränkung der Bewegungsfreiheit durch Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus, ebenso wie Fixierungen bzw. Isolierungen) und Zwangsbehandlungen
(z. B. eine medikamentöse Behandlung gegen den Willen des Patienten) sind nur dann ethisch vertretbar, wenn selbstbestimmungsunfähige Personen ihre eigene Gesundheit und ihr Leben (Selbstgefährdung) oder die Gesundheit und das Leben anderer Personen (Fremdgefährdung) konkret und erheblich gefährden und dies durch keine anderen Maßnahmen – wie insbesondere durch ernsthafte Versuche, den Patienten von der Gefährlichkeit seines Verhaltens und seiner Behandlungsbedürftigkeit zu
überzeugen – abgewendet werden kann. In der Praxis gefährden sich psychisch Kranke, die Dritte
bedrohen, häufig auch selbst.
Typische Beispiele für die Anwendung von Zwang bei selbstbestimmungsunfähigen Patienten in
der Psychiatrie sind:
(I)
Selbstgefährdung: Unterbringung auf einer psychiatrischen Akutstation zur Verhinderung einer
drohenden Selbsttötung bei akuter Suizidalität; medikamentöse Behandlung eines schizophrenen Wahns mit selbstzerstörerischen Inhalten (z. B. der Überzeugung, fliegen zu können); intravenöse Flüssigkeitszufuhr bei verwirrten und exsikkierten Demenzkranken, die das Trinken
verweigern; Gabe lebenswichtiger Medikamente (z. B. Insulin) bei depressivem Negativismus
und gleichzeitigem Diabetes mellitus; Unterbringung und medikamentöse Behandlung bei einem lebensbedrohlichen Alkoholentzugsdelir.
(II)
Fremdgefährdung: Unterbringung und medikamentöse Behandlung bei Fremdaggressivität im
Rahmen eines psychotischen oder drogenbedingten Erregungszustands. Hierbei wird durch
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adäquate antipsychotische Medikation die dem Erregungszustand zugrunde liegende psychische Erkrankung behandelt.
Ethisch werden Zwangsmaßnahmen und -behandlungen in solchen Fällen dadurch begründet, dass
die psychische Krankheit die Selbstbestimmungsfähigkeit des Kranken so stark beeinträchtigt, dass
dieser die Folgen seines Handelns nicht übersehen kann und durch die Ablehnung einer Behandlung
sein gesundheitliches Wohl und Leben erheblich bedroht, obwohl er dies im Zustand der Selbstbestimmungsfähigkeit nicht gewollt hätte. Die Behandlung gegen den nicht-selbstbestimmten Willen soll
daher den Patienten einerseits vor ungewollten und gravierenden Gesundheitsschädigungen schützen
und andererseits – sofern möglich – seine Selbstbestimmungsfähigkeit wiederherstellen. Vor diesem
Hintergrund machen klinisch tätige Psychiater häufig die Erfahrung, dass Patienten im Nachhinein
dankbar sind, gegen ihren nicht-selbstbestimmten Willen behandelt worden zu sein.
Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass es Patienten gibt, die auch im Nachhinein mit einer
gegen ihren nicht-selbstbestimmten Willen erfolgten Behandlung nicht einverstanden sind, weil sie
diese als wenig hilfreich oder gar als traumatisierend oder erniedrigend erlebt haben. Die Folge ist
nicht selten ein Vertrauensverlust in der Arzt-Patienten-Beziehung, durch den sich manche Patienten
für eine gewisse Zeit oder gar dauerhaft vom psychiatrischen Hilfesystem abwenden. Viel stärker als
bislang sollten klinisch tätige Psychiater daher neben den hinlänglich bekannten körperlichen Gefahren von Zwangsmaßnahmen (z. B. Verletzungen oder Todesfälle im Rahmen von mechanischen Fixierungen) potenzielle negative psychische Folgen in die Nutzen-Risiko-Bewertung und ihre Entscheidung
für oder gegen derartige Maßnahmen einbeziehen.
Es gilt auch zu beachten, dass selbst wenn eine Zwangsmaßnahme (z. B. eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) als medizinisch indiziert und ethisch gerechtfertigt angesehen
wird (z. B. im Rahmen einer schweren depressiven Episode mit Selbstbestimmungsunfähigkeit und
akuter Suizidalität), nicht automatisch auf die Legitimität einer Zwangsbehandlung (in diesem Fall z.
B. einer antidepressiven Psychopharmakotherapie) geschlossen werden darf. Selbstbestimmungsfähigkeit und das Recht, Unvernünftiges zu wollen, schließen sich nicht aus. Die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) hat in ihrer Stellungnahme zu Recht auf diesen Punkt hingewiesen. Selbstbestimmungsfähige Patienten haben auch ein „Recht auf Krankheit“ und können auf
dieser Grundlage eine nach den Regeln ärztlicher Kunst indizierte Behandlung ablehnen.
Beurteilung von Nichtbehandlung bei Fremdgefährdung und von Fixierung/Isolation
Kritisch ist jedoch das Argument zu beurteilen, nach dem eine Fremdgefährdung durch aggressives
Verhalten aufgrund einer psychischen Erkrankung allein schon durch freiheitsentziehende und sichernde Maßnahmen abgewendet werden kann. Die Nichtbehandlung der die Fremdgefährdung bedingenden psychischen Störung bei einem zwangsweise untergebrachten und zum Schutz von Mitpatienten und Krankenhauspersonal mechanisch fixierten Patienten ist unter ethischen Gesichtspunkten
nicht vertretbar, da dem Patienten die Chance vorenthalten wird, seinen Krankheitszustand (und damit auch die Fremdgefährdung) schnell zu überwinden. Darüber hinaus gehen krankheitsbedingte
Fremdgefährdungen zumeist auch mit erheblichen Gefahren der Selbstschädigung einher. Eine Fixierung eines hochgradig agitierten, häufig psychotischen oder intoxikierten Patienten ohne gleichzeitige
Gabe beruhigender oder antipsychotisch wirksamer Medikamente ist aus psychiatrischer Sicht nicht
zu verantworten, da sie mit einer erhöhten Verletzungsgefahr einhergeht und zu erheblichen psychischen Belastungen führen kann. Ohne eine medikamentöse Therapie wird eine mechanische Fixierung
in vielen Fällen zudem zeitlich unverhältnismäßig ausgedehnt werden müssen. Aus ethischer Perspektive ist daher sehr fraglich, ob hier mit dem Ziel des erweiterten Schutzes des Patienten nicht de facto
eine für den Kranken und alle übrigen Beteiligten inhumanere Situationen befördert wird.
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Aus psychiatrischer Sicht kann die unterschiedliche normative Bewertung von Zwangsfixierung
und Zwangsmedikation in solchen Fällen daher nicht überzeugen. Denn der Perspektive eines besseren Schutzes des Patienten gegenüber Eingriffen in die körperliche Integrität durch Dritte steht die
Gefährdung des Kranken durch die psychische Erkrankung selbst gegenüber. Während das Recht
primär den Fokus auf den Schutz von Personen gegenüber Eingriffen von außen in den Vordergrund
stellt, steht bei der psychiatrischen Beurteilung die Bedrohung des Patienten durch die psychische
Erkrankung im Fokus. Diese gefährdet seine freie Entfaltung „von innen“ heraus und erfordert medizinische Hilfe „von außen“. Diese unterschiedlichen Perspektiven von Recht und Psychiatrie führen zu
unterschiedlichen normativen Bewertungen dieser schwierigen Situationen. Aus ethischer Perspektive
bedarf es aber einer Berücksichtigung beider Aspekte, also sowohl des Schutzes des Kranken gegenüber Eingriffen von außen als auch des Verständnisses der massiven Bedrohung des Patienten durch
die psychische Krankheit selbst. Diese unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und Bewertungen
zwischen Recht und Medizin bedürfen eines interprofessionellen Dialogs in der Praxis und interdisziplinärer wissenschaftlicher Diskussion.
Das subjektive Erleben von Patienten, die Zwangsmaßnahmen erleiden müssen, ist mehrfach systematisch untersucht worden. Dabei ergab sich, dass zwangsweise physikalische Freiheitseinschränkungen (über die Unterbringung hinaus) deutlich demütigender und leidvoller erlebt werden, als geeignete medikamentöse Zwangsbehandlungen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten daher
Fixierungen und Isolierungen ebenso wie medikamentöse Zwangsbehandlungen nur in engen Grenzen
erlauben. Ziel muss dabei sein, diese Zwangsmaßnahmen – soweit irgend möglich – zu vermeiden
und durch unterstützende Maßnahmen (die ggf. einen höheren Aufwand erfordern) zu ersetzen.
Problematisch sind die rechtlichen Regelungen in vielen Landespsychiatriegesetzen, welche die
meist als entwürdigend und als besonders einschneidend erlebten mechanischen Fixierungen und
Isolierungen (Zwangsmaßnahmen) allein durch die gerichtlich verfügte Unterbringung im Bedarfsfall
rechtlich ermöglichen. Der rechtliche Schwellenwert für Fixierungen liegt in den gegenwärtig gültigen
Psychiatrie-Krankengesetzen also sehr niedrig. In Anbetracht der Schwere dieses Eingriffs ist eine
zusätzlich zur Unterbringung erforderliche rechtliche Genehmigung für Fixierungen und Isolierungen
– nach Feststellung eines nicht anders zu begegnenden Bedarfs – geboten.
Die Doppelrolle der Psychiatrie und die Verpflichtung von Gesellschaft und Politik
Aus psychiatrischer Perspektive ist außerdem einer gesellschaftlichen Haltung nachdrücklich entgegenzutreten, als „lästig“ oder „störend“ empfundene Menschen unter dem Vorwand einer angeblichen
„Fremdgefährdung“ gegen ihren Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Auch
in Fällen minder schwerer krankheitsbedingter fremdgefährdender Verhaltensweisen (etwa wiederholte kleinere Sachbeschädigungen, verbalaggressives Verhalten gegenüber anderen, Betätigung von
Feueralarm, Spucken, Werfen von Gegenständen in Richtung anderer Menschen) sind eine psychiatrische Unterbringung und Behandlung gegen den Willen der betroffenen Kranken aus psychiatrischer
Perspektive ethisch nicht gerechtfertigt. Noch bedenklicher sind die Regelungen in Landespsychiatriegesetzen zu Zwangsunterbringungen im Fall von erhaltener Selbstbestimmungsfähigkeit des Patienten.
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Zwangsmaßnahmen und -behandlungen um gravierende
Grundrechtseingriffe handelt, ist eine fachliche und gesellschaftliche Diskussion über die zukünftige
Ausgestaltung der ordnungspolitischen Funktion der Psychiatrie dringend notwendig, die auch die
Frage miteinbezieht, welchen Grad von Belästigung die Gesellschaft zu akzeptieren bereit ist und wie
die unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteure ihre Haltung ethisch begründen. Der Psychiater und
Psychotherapeut ist als Arzt primär dem Schutz und der Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten verpflichtet. Die ihm ordnungspolitisch zugewiesene zusätzliche Rolle (Doppelrolle) in der Kon-
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trolle sozialen Verhaltens führt häufig in unauflösbare Rollenkonflikte. Der Gesetzgeber muss dafür
Sorge tragen, dass solche Rollenkonflikte, soweit irgend möglich, im Interesse der Patienten vermieden werden.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass nur in Ausnahmefällen die Anwendung von Zwang bei psychisch kranken Menschen unter streng definierten Voraussetzungen gerechtfertigt ist. Dies sollte allen
im psychiatrischen Versorgungssystem tätigen Personen bewusst sein und gegenüber Dritten (z. B.
Angehörigen, ärztlichen Kollegen aus anderen Disziplinen, der Polizei) klar und deutlich vertreten
werden. In bestimmten Fällen kann es jedoch ethisch gerechtfertigt und geboten sein, Maßnahmen
oder Behandlungen gegen den nicht-selbstbestimmten Willen von Patienten durchzuführen, um
schwere Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Betroffenen abzuwenden. Angesichts der
aber auch in solchen Fällen vorhandenen und zum Teil erheblichen physischen und psychischen Belastungen für den Patienten sind mit Nachdruck Maßnahmen zu fordern, die den Einsatz von Zwang in
der Psychiatrie auf ein Minimalmaß reduzieren. In dieser Hinsicht besteht in psychiatrischen Kliniken
an vielen Stellen erheblicher Verbesserungsbedarf. Der Gesellschaft und Politik obliegt es, zur Wahrung der Menschenrechte psychisch Kranker hierfür die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen
(wie auch von der ZEKO 2013 gefordert). Die folgenden Empfehlungen für die klinische Praxis sollen
einen Beitrag dazu leisten, dass in Zukunft so häufig wie möglich auf die Ausübung von Zwang verzichtet werden kann.
4. Empfehlungen für die klinische Praxis
Ärztliche Vertrauensbildung bei selbstbestimmungsunfähigen Patienten
Sowohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch die neuen Regelungen im Betreuungsrecht fordern, dass die behandelnden Ärzte durch vertrauensbildende Maßnahmen ohne
Zeitdruck versuchen, von gesprächsfähigen Patienten, die vorgeschlagene medizinischen Maßnahmen
ablehnen, dennoch eine Zustimmung zu erhalten. Damit betont das Recht den hohen Stellenwert des
Ausschöpfens aller möglichen kommunikativen und vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Arzt
und Patient, um Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. Diese Intention ist ethisch hochrangig.
Auf der anderen Seite bleibt es weitgehend im Unklaren, was in der Praxis im Gespräch zwischen
Arzt und selbstbestimmungsunfähigen Patienten genau geschehen soll. Der Fokus eines solchen ArztPatient-Gespräches kann nicht primär auf einer rationalen Information und Argumentation liegen, da
ein selbstbestimmungsunfähiger Patient diese aufgrund seiner psychischen Erkrankung nur sehr eingeschränkt für seine Willensbildung nutzen kann. Seine Ablehnung beruht auf einer natürlichen,
krankheitsbedingt aber veränderten Willensäußerung, die durch Zuwendung, Zeitinvestition, Wertschätzung und Vertrauensbildung überwunden werden soll. Doch diese Interaktion ist nur schwer von
Manipulation, Täuschung und fragwürdiger Überredung transparent abgrenzbar. Die Grenzen zwischen einem ethisch zu rechtfertigenden Überzeugungsversuch, Überredung und einer abzulehnenden
Manipulation sind unscharf. In diesem Graubereich besteht eine neue Missbrauchsgefahr. Daher ist es
für die klinische Praxis wichtig, dass Psychiatrie und Psychotherapie diesen vom Recht vorgegeben
Rahmen verantwortlich ausfüllt und professionell gestaltet. Hierbei können z. B. Best-PracticeBeispiele, Fallsammlungen, Kommunikationshilfen und Fortbildungsmodule für die ärztliche Weiterund Fortbildung helfen. Darüber hinaus können Maßnahmen wie offene Stationstüren und weitergehende Kompromisse und Absprachen bezüglich der Stationsregeln vertrauensbildend wirken. BestPractice-Leitlinien liegen hierzu noch nicht vor und müssen noch entwickelt werden. Schließlich ist es
erforderlich, in der psychiatrischen Wissenschaft Kriterien zu entwickeln, nach denen die o. g. Bemü-
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hungen professionell als gescheitert anzusehen sind und ethisch verantwortbare Zwangsmaßnahmen
mit gerichtlicher Genehmigung durchgeführt werden können.
Diese Grenzziehung wird in der psychiatrischen Praxis hohe praktische Bedeutung haben, denn Situationen, in denen eine Zwangsbehandlung erwogen wird, entstehen stets im ethischen Spannungsfeld zwischen dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit und der
ärztlichen Verpflichtung zum professionellen Handeln zum gesundheitlichen Wohl sowie zur Wiederherstellung der Selbstbestimmungsfähigkeit des Kranken. Dabei sind bisher die Anforderungen an die
natürliche Willensbildung und die Kriterien zur Überwindung dieser natürlichen Willensäußerung
mittels Zwang zum gesundheitlichen Wohl des Patienten weitgehend ungeklärt. Hier besteht sowohl
theoretischer als auch praktischer Forschungsbedarf. Weiterhin wird es für die praktische Durchführung von hoher Bedeutung sein, inwieweit diese ärztlichen Gespräche mit dem Patienten ohne Zeitdruck im Krankenhausalltag zu realisieren und zu finanzieren sind. Hierbei fällt auf, dass die gestiegenen rechtlichen Anforderungen im Betreuungsrecht (BGB) zeitgleich zu gestiegenen Kosteneffizienzanforderungen im Rahmen des neuen pauschalierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) im Rahmen des Sozialrechts stehen. Wenn die Spannung zwischen Anforderungen
des BGB und unzureichender Ausstattung durch das Sozialrecht weiter zunehmen, wird die Gesetzgebung unglaubwürdig und die im Gesundheitswesen Tätigen kommen in eine ethisch nicht zu verantwortende Konfliktsituation.
Verbesserungen auf struktureller Ebene
Von herausragender Bedeutung für eine gute klinische Praxis im Umgang mit Zwangsmaßnahmen
und -behandlungen ist die strukturierte Schulung aller an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen
hinsichtlich der medizinischen, ethischen und rechtlichen Grundlagen. Aus ethischer Sicht geht es
dabei nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern um die Schaffung und Schärfung moralischer Urteilskraft, die gerade auch die Probleme und Widersprüche in diesem Feld zu sehen und aufzugreifen vermag. Eine solche Art der Weiterbildung existiert vereinzelt, weder ist sie aber in der aktuellen Musterweiterbildungsordnung für das Fach Psychiatrie und Psychotherapie verankert, noch
existieren entsprechende strukturierte Angebote z. B. seitens der Fachgesellschaft. Diesbezüglich besteht erheblicher Handlungsbedarf.
In den Behandlungsabläufen und in ihrer personellen, sachlichen und räumlichen Ausgestaltung
muss die Vermeidung von Zwangsmaßnahmen oberste Priorität haben, gefolgt von ihrer möglichst
schonenden, minimal invasiven und minimal traumatisierenden Durchführung, wenn sie sich als nicht
vermeidbar erweisen.
Organisatorische und räumliche Maßnahmen können wirkungsvoll Zwangsmaßnahmen reduzieren. Maßnahmen der Deeskalation in Krisensituationen wie die Zurverfügungstellung von Raum und
Zeit, Bewegungsmöglichkeiten (z. B. durch Gartennutzung, Kickerspiel, die Möglichkeit, eine Zigarette
zur Beruhigung zu rauchen) sind ebenso wie die Zurverfügungstellung von Möglichkeiten des Aggressionsabbaus konkrete, in der Praxis bewährte Maßnahmen. Hilfreich können auch die insbesondere im
englischsprachigen Raum erprobten Haltetechniken sein, um Zwangsfixierungen oder räumliche Separation zu reduzieren, auch wenn diese in Deutschland keine Tradition haben und wegen des körperlichen Kontaktes möglicherweise als übergriffig beurteilt werden könnten. Die Qualität und Quantität
des Personals sowie die Anordnung obligatorischer, aber unvermeidlich kostenintensiver 1:1 Betreuungen können nicht nur die Häufigkeit von Zwangsmaßnahmen, sondern auch die verursachten Belastungen für die Patienten bei einer notwendigen Fixierung reduzieren. Hinzu kommt, dass die durch
personalintensive Betreuung mögliche Öffnung vormals geschlossener Stationen vertrauensbildend
wirken und Zwangsmaßnahmen und Entweichungen signifikant senken kann. Die wenigen Studiener-
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gebnisse, die zur Frage einer wirksamen Reduktion von Zwangsbehandlungen im klinischen Setting
vorliegen, weisen darauf hin, dass eine Reduktion von Zwangsbehandlungen durch kommunikative
Professionalität des Personals, aber insbesondere auch durch strukturelle, also eine angemessene
räumliche und personelle Ausstattung der Kliniken, zu erreichen ist. Hier wäre auf politischer Ebene
die angemessene Finanzierung der psychiatrischen Versorgung sicherzustellen, sodass die normativen
Forderungen an eine dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten entsprechende Behandlung im Rahmen der strukturellen Ausstattung der Behandlungseinrichtung umgesetzt werden können.
An die Aus-, Weiter- und Fortbildung einschließlich regelmäßiger Supervision und Prozessreflexion
von Mitarbeitern, die unvermeidliche Zwangsmaßnahmen durchführen, sind sehr hohe Ansprüche zu
stellen, damit stets nur die am wenigsten invasiven und traumatisierenden Maßnahmen ergriffen und
diese nur möglichst kurz fortgeführt werden. Standard muss die Nachbesprechung solcher Maßnahmen mit dem Patienten, im Team und gegebenenfalls mit weiteren mittelbar Betroffenen sein sowie
die Verankerung des Umgang mit Zwangsmaßnahmen bzw. -handlungen in den Weiterbildungsprogrammen.
Klinische Ethikberatung
Schließlich hat die gelebte Behandlungskultur mit der Notwendigkeit des Erklärens, Begründens und
Vertretens von Zwangsmaßnahmen gegenüber den betroffenen Patienten und ihren Angehörigen
sowie im Behandlungsteam eine wesentliche Auswirkung auf deren Reduktion. Eine besondere Ausgestaltung einer solchen veränderten Behandlungskultur stellt die klinische Ethikberatung dar. Erste
Erfahrungen bei der Einbeziehung von klinischer Ethikberatung in Situationen, in denen eine Zwangsbehandlung erwogen wurde, zeigen, dass klinische Ethikberatung durch das gemeinsame Gespräch
und die dadurch zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung gegenüber dem Patienten erreichen kann,
dass dieser danach eine medizinisch indizierte Maßnahme oft nicht mehr ablehnt und Zwangsmaßnahmen vermieden werden können. Den Behandlern bietet die klinische Ethikberatung durch die Einbeziehung und Moderation einer in ethischen Entscheidungsprozessen geschulten, nicht an der Behandlung des jeweiligen Patienten beteiligten Person die Möglichkeit, ihr eigenes Handeln zu reflektieren und schließlich eine ethisch begründete Entscheidung zu treffen. Solche Beratungen in schwierigen Entscheidungssituationen tragen zur Best-Practice-Schulung bei.
Darüber hinaus können klinische Ethikkomitees durch Fortbildungsveranstaltungen positiv auf die
Behandlungskultur einwirken und die Mitarbeiterschaft für ethische Aspekte im klinischen Alltag und
im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen sensibilisieren. Durch die Entwicklung ethischer Leitlinien können sie außerdem dazu beitragen, klinische Entscheidungsprozesse zu strukturieren und ethische Standards zu sichern. Auf dieser Basis sollte auch mit Betroffenenverbänden und der Öffentlichkeit der Dialog gesucht werden.
Vorausverfügungen
Der gestiegene ethische und rechtliche Stellenwert der Patientenselbstbestimmung in der modernen
Medizin hat zur Entwicklung von Vorausverfügungen geführt, mit deren Hilfe Patienten die Möglichkeit haben, im Voraus Entscheidungen für den Fall zu treffen, dass sie krankheitsbedingt eines Tages
ihre Selbstbestimmungsfähigkeit verlieren. Neben Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen
gehören Patientenverfügungen zu den gesetzlich verankerten Instrumenten. In der klinischen Praxis
haben sich auch Behandlungsvereinbarungen zwischen dem Patienten und der Behandlungseinrichtung/dem Behandler als Instrument der vorausverfügten Selbstbestimmung bewährt.
Patientenverfügungen haben auch bei psychischen Erkrankungen rechtsverbindlichen Charakter,
sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (u. a. schriftliche Form, gegebene Selbstbestim-
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mungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Abfassung). Ihre Rechtsverbindlichkeit schützt Patienten davor,
dass ihre Behandlungswünsche übergangen werden, verdeutlicht aber auch die hohe Verantwortung,
die Patienten für die eigene Gesundheit und den eigenen Behandlungsverlauf haben. Im klinischen
Alltag können dadurch ethische Konfliktsituationen entstehen, z. B. wenn Patienten in einer Patientenverfügung eine potenziell wirksame Therapie ablehnen (etwa eine antipsychotische Medikation bei
einer akuten Psychose) und dadurch die Wiederherstellung ihrer Selbstbestimmungsfähigkeit und die
Behandlung von krankheitsbedingter Eigen- oder Fremdgefährdung erschwert oder verhindert wird.
Das therapeutische Team befindet sich dabei nicht selten in einer ethischen Dilemmasituation, weil es
einerseits die Patientenverfügung und damit die Selbstbestimmung des Patienten respektieren, aber
andererseits negative Krankheitsverläufe akzeptieren muss, die zum Teil im krassen Widerspruch zum
gesundheitlichen Wohl des Patienten und dem ärztlichen Ethos stehen. An diesem Punkt ist eine intensive gemeinsame Diskussion von Professionellen, Betroffenen und Angehörigen erforderlich, um
Patientenverfügungen in Zukunft stärker als bislang als Instrumente zur Förderung von Selbstbestimmung und Wohl der Patienten einsetzen zu können.
Neben den gesetzlich verankerten Patientenverfügungen sind Vorausverfügungen entwickelt worden, die stärker den dialogischen Prozess zwischen Behandlern und Patienten betonen. Sowohl Behandlungsvereinbarungen („joint crisis plans“) als auch das Konzept der gesundheitlichen Vorausplanung („advance care planning“) beruhen auf einem strukturierten und professionellen Gesprächsprozess. Sie stärken auf diese Weise sowohl das Vertrauen zwischen Therapeuten und Patienten als auch
die partizipative Entscheidungsfindung. Dank ihrer lokalen bzw. regionalen Implementierung stellen
sie in psychiatrischen Krisensituationen (in denen Zwangsmaßnahmen erforderlich werden könnten)
den unterschiedlichen Akteuren des psychiatrischen Hilfesystems wichtige Informationen über die
vom Patienten gewünschten Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung und geben im Idealfall auch
Auskunft darüber, welche Maßnahmen in vergleichbaren früheren Situationen hilfreich waren.
Im Hinblick auf das Ziel, Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie so weit wie möglich zu reduzieren,
sollten Vorausverfügungen in ihren verschiedenen Ausgestaltungen stärker als bislang zum Gegenstand von Fort- und Weiterbildungsangeboten gemacht werden. Dabei sollten ethische und rechtliche
Kenntnisse vermittelt und anhand von konkreten klinischen Fällen diskutiert werden, um Unsicherheiten und Vorbehalten unter praktisch tätigen Psychiatern zu begegnen. Psychiatrie und Medizinethik
sollten die Implementierung von Vorausverfügungen im Rahmen von Forschungsprojekten begleiten,
damit Anwendungsschwierigkeiten im klinischen Alltag erkannt und die tatsächlichen Auswirkungen
der entsprechenden Instrumente auf den Behandlungsverlauf und die Häufigkeit und die Dauer von
Zwangsmaßnahmen erfasst werden können.
5. Ausblick
Der Respekt vor der Selbstbestimmung des Patienten und das Handeln zum gesundheitlichen Wohl
des Kranken stellen grundlegende ethische Prinzipien in der Psychiatrie und Psychotherapie dar. In
einer kleinen Gruppe von psychisch schwer erkrankten Patienten kann jedoch die Situation auftreten,
dass selbstbestimmungsunfähige Patienten sich und Dritte in einem Ausmaß gefährden, dass zu ihrem gesundheitlichen Wohl Zwangsmaßnahmen erforderlich sind. In der konkreten Situation muss
individuell auf der Grundlage von medizinischen, ethischen und rechtlichen Kenntnissen das Vorgehen festgelegt und begründet werden. In der Praxis handelt es sich dabei häufig um ethische Dilemmasituationen, in denen kein ideales Vorgehen zu erreichen ist. Besonders die zwangsweise Behandlung zum ausschließlichen Schutz der Rechtsgüter Dritter treibt den Psychiater in einen unauflöslichen Konflikt, der durch die ordnungspolitische Aufgabenzuteilung an die Psychiatrie („Doppelfunktion“) verschärft wird. Dieses Dilemma wird auch durch international sehr divergierende rechtliche,
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ethische und klinische Standards deutlich. Das Erreichen eines ethischen Optimums macht eine verstärkte internationale Diskussion notwendig.
Durch die demografische Entwicklung mit der Zunahme z. B. gerontopsychiatrischer Erkrankungen
wird diese Problematik wachsende Praxisbedeutung erlangen. Daher sind Verbesserungen in der Erforschung von Zwangsmaßnahmen, insbesondere aus der Betroffenenperspektive, ebenso erforderlich
wie die Entwicklung und Erprobung von Maßnahmen (z. B. Kommunikationskompetenz, klinische
Ethikberatung, Vorausverfügungen) zur Reduzierung von Zwangsbehandlungen. Diese Maßnahmen
werden in der Praxis jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn auch die institutionellen Rahmenbedingungen verbessert und finanzielle Mittel für deren Realisierung zur Verfügung gestellt werden. Hierzu
sind Änderungen der Prioritätensetzungen im Gesundheitswesen erforderlich wie z. B. die bessere
Verzahnung von stationärem und ambulantem Bereich, die Förderung der gemeindenahen Versorgungsstrukturen, Versorgungsforschung und vor allem die qualitativ wie quantitativ gute personelle
Ausstattung. Eine Anhebung der rechtlichen, ethischen und professionellen Standards ohne gleichzeitige strukturelle und finanzielle Realisierungsmöglichkeit ist unehrlich, frustriert die Beteiligten und
trägt nicht zu einer besseren Patientenversorgung bei.
Für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und
Nervenheilkunde e.V. (DGPPN)
Prof. Dr. med. Wolfgang Maier
Reinhardtstraße 27 B
D-10117 Berlin
Tel.: 030-240 477 20
Fax: 030-240 477 229
E-Mail: [email protected]
Zentrum
für Psychosoziale Medizin
Jahresbericht 2015
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»» Wir halten sowohl im oberen als auch im unteren Bereich der
Robert-Koch-Straße kostenpflichtige und kostenfreie Parkplätze
für Sie vor. Bitte folgen Sie der Beschilderung.
Mit der Bahn
»» Vom Bahnhof Itzehoe kommend, erreichen Sie in ca. 5 Gehminuten den
ZOB und gelangen mit den Buslinien 4 oder 8 direkt zum Klinikum Itzehoe.
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Itzehoe West
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Akademisches Lehrkrankenhaus
der Universitäten Kiel, Lübeck
und Hamburg
Zweckverband des Kreises Steinburg
und der Stadt Itzehoe
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Zentrum für Psychosoziale Medizin
Robert-Koch-Str. 2, 25524 Itzehoe
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www.klinikum-itzehoe.de
»»Verantwortlich
Prof. Dr. med. Arno Deister
Itzehoe 2015
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