Wissenschaftliche Berater: Prof. Holger Dette • Prof. Wolfgang Härdle Detlef Plachky Mathematische Grundbegriffe und Grundsätze der Stochastik , Springer Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH Prof. Dr. DedefPlachky Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Mathematische Statistik Einsteinstraße 62 48149 Münster, Deutschland Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Plachky, Detlef: Mathematische Grundbegriffe und Grundsätze der Stochastik I Detlef Plachky. - Berlin; Heidelberg; New York; Barcelona; Hongkong; London; Mailand; Paris; Tokio: Springer, 2001 (Springer-Lehrbuch) ISBN 978-3-540-42029-3 ISBN 978-3-642-56741-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-56741-4 Mathematics Subject Classification (2000): 60-01,62-01 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfoiltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfoiltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deulschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestintmungen des Urheberrechtsgesetzes. http://www.springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001 Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 2001 Die Wiedergabe von Gebrauchsnanten, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen in! Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: design& production, Heidelberg Satz: Reproduktionsfertige Vorlage der Autoren Druck und Bindearbeiten: Druckhaus Beltz, Hemsbach Gedruckt auf säurefreiem Papier SPIN 10837019 40/3142ck-543210 Vorwort Die vorliegende Einführung in mathematische Grundbegriffe und Prinzipien der Stochastik ist aus Veranstaltungen für Abiturienten zur Vorinformation über das Studium der Mathematik an der Universität Münster entstanden. Einen Schwerpunkt bildeten hierbei Grundbegriffe aus der Kombinatorik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dabei orientieren sich die kombinatorischen Überlegungen an dem zunächst behandelten Funktionsbegriff, wobei insbesondere grundlegende kombinatorische Begriffe mit Hilfe von Funktionen (Abbildungen) erläutert werden. Den wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen wird dagegen der vorher vorgestellte Mengenbegriff zugrunde gelegt. Schwierigere wahrscheinlichkeitstheoretische Fragestellungen werden mit Hilfe des Prinzips des Ein- und Ausschließens und einem Prinzip der rekursiven Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten behandelt. Dabei werden jedoch die vorgestellten mathematischen Grundbegriffe und Prinzipien der Stochastik in der Hauptsache an einfachen und bekannten Beispielen erläutert. Weniger bekannt sind allerdings Aussagen über Konvergenzordnung und Übereinstimmungsgrad von Potenz summen sowie Extremwertaufgaben im Zusammenhang mit Dreiecken, wobei gleichseitige Dreiecke optimale Lösungen sind. Insbesondere wird ein direkter Beweis des Satzes von Steiner-Lehmus, wonach ein Dreieck mit zwei gleichlangen Winkelhalbierenden gleichschenklig ist, angegeben, wobei alle bisher bekannten Beweise indirekt zu sein scheinen. Bei den Aussagen über Potenzsummen handelt es sich um Monotoniebetrachtungen von Funktionen und bei den Lösungen der betreffenden Extremwertaufgaben für Dreiecke um eine Anwendung konvexer Funktionen bzw. eine Illustration geometrischer Wahrscheinlichkeiten. Im Vordergrund steht aber der Wahrscheinlichkeitsbegriff im diskreten Fall. Dies trifft insbesondere auf eine neuere Kennzeichnung der Binomial-, Poisson- und negativen Binomialverteilung mit Hilfe einer gebrochen linearen Rekursion zu, die hier vermöge wahrscheinlichkeitserzeugender Funktionen durch Lösen einer linearen Differentialgleichung behandelt wird. Weniger bekannt ist auch die Charakterisierung der Rencontre- (Matching-) ProblemVerteilung durch die Konstanz von (faktoriellen) Momenten, die mit Hilfe wahrscheinlichkeitserzeugender Funktionen bewiesen wird. Diese Verteilung spielt auch bei der Illustration des Begriffs erwartungstreuer (unverfälschter) Schätzfunktionen im Zusammenhang mit dem Problem des Schätzens VI Vorwort der Anzahl permutierter Objekte eine Rolle. Ferner wird auch ein erwartungstreuer Schätzer für die Mächtigkeit endlicher Mengen zusammen mit einer Eigenschaft der eindeutigen Bestimmtheit vorgestellt. Schließlich werden alle erwartungstreu schätzbaren Funktionen in Abhängigkeit von Trefferwahrscheinlichkeiten in Bernoulli-Experimenten gekennzeichnet einschließlich der zugehörigen gleichmäßig besten, erwartungstreuen Schätzfunkti0nen. Darüberhinaus wird ein schätztheoretischer Zusammenhang mit (nach Fermi-Dirac, Bose-Einstein und Maxwell-Boltzmann benannten) physikalischen Verteilungen hergestellt. Werden Wahrscheinlichkeiten aufgrund {O, l}-wertiger Beobachtungswerte in Bernoulli-Experimenten schätztheoretisch beschrieben, so spielen {O, 1}wertige, stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Beschreibung der Mächtigkeit von Mengen eine Rolle. Hier sind dabei Erhaltungssätze für die Nicht-Meßbarkeit von Mengen unter Mengenoperationen von Interesse. Die Attraktivität dieser Überlegungen besteht darin, daß von einem bisher ungelösten Problem ausgegangen wird, welches ohne mathematische Vorkenntnisse sofort verstanden werden kann. Die Darstellung von mathematischen Grundbegriffen und Prinzipien der Stochastik ist für Arbeitsgemeinschaften an höheren Schulen, aber auch zum Selbststudium und insbesondere zur Vorbereitung auf das Mathematikstudium geeignet. Beispiele und Aufgaben, die beim ersten Lesen zu fortgeschritten erscheinen könnten, sind mit einem * markiert und können beim ersten Lesen ausgelassen werden, ohne daß dadurch das Verständnis für die nachfolgenden Beispiele und Aufgaben leidet. Mancher Leser wird es als hilfreich empfinden, mathematische Sachverhalte durch Abbildungen zu illustrieren. Es soll aber bereits hier auf die Gefahr hingewiesen werden, aus Abbildungen irrtümlich Sachverhalte zu entnehmen, aus denen sich unmittelbar Paradoxien ergeben. Dies läßt sich, anknüpfend an den bereits erwähnten Satz von Steiner-Lehmus, drastisch durch die Abbildung 0.1 illustrieren. In dieser Abbildung bezeichnet M den Schnittpunkt der Mittelsenkrechten m mit der Winkelhalbierenden w. Durch Fällen der Lote von M auf die Seiten b bzw. c und Zeichnen der Verbindungsstrecken AM und BM entstehen jeweils zwei kongruente Dreiecke, woraus b = c und analog b = a folgt, d. h. alle Dreiecke wären gleichseitig. Hier ist eine grundlegende Vorschrift verletzt, indem anschaulich aus der Zeichnung abgelesene "Tatsachen" als solche angesehen werden. Man kann nämlich zeigen, daß M stets auf dem Umkreis des zugehörigen Dreiecks liegt, so daß Strecken, die positiv zu rechnen sind, bei dieser anschaulichen Schlußweise als negativ angesehen werden. Nebenbei bemerkt mag es von Interesse sein, daß man mit Hilfe der Tatsache, daß M auf dem Umkreis liegt, ein einfaches Konstruktionsverfahren mit Zirkel und Lineal angeben kann für ein Dreieck, von dem die Winkelhalbierende, Vorwort VII c A a B Abb. 0.1. Zum "Nachweis" der Gleichseitigkeit aller Dreiecke die Seitenhalbierende und die Höhe (von einem Dreieckspunkt aus gesehen) bekannt sind. Der Leser wird daher hoffentlich Verständnis zeigen, daß mathematische Sachverhalte nur in einigen wenigen Fällen, wo eine Grafik wie beim Satz von Steiner-Lehmus sinnvoll erscheint, durch Abbildungen illustriert werden. Es wird aber empfohlen, sich bei Bedarf verbal ausführlich formulierte mathematische Sachverhalte durch eine eigene Skizze zu veranschaulichen. Münster, im Frühjahr 2001 D. Plachky Inhaltsverzeichnis 1. Zum Prinzip der vollständigen Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Übungen ................................................... 17 2. Zum Mengen- und Funkt ions begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21 Übungen ................................................... 29 3. Grundbegriffe der Kombinatorik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31 Übungen ................................................... 40 4. Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung. . . . . . . . . .. 41 Übungen ................................................... 60 5. Das Prinzip des Ein- und Ausschließens .................. 63 Übungen ................................................... 71 6. Ein Prinzip zur rekursiven Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten . . .. . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . .. . . .. .. 73 Übungen ................................................... 92 7. Ein Prinzip zur Schätzung des Umfangs einer endlichen Menge bzw. der Anzahl permutierter Objekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 95 Übungen ................................................... 102 8. Ein Prinzip zur optimalen Schätzung von Wahrscheinlichkeiten in {O,l}-wertigen Experimenten ............................................ 105 Übungen ................................................... 120 9. Zum Meßbarkeitsbegriff für Mächtigkeiten von Mengen: Existenz stetiger, {O,l}-wertiger Wahrscheinlichkeitsverteilungen .......................... 123 Übungen ................................................... 126 X Inhaltsverzeichnis Lösungen der Übungsaufgaben ................................ Lösungen zu Abschnitt 1 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 2 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 3 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 4 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 5 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 6 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 7 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 8 ..................................... Lösungen zu Abschnitt 9 ..................................... 127 127 133 135 137 140 144 147 149 155 Literaturverzeichnis .......................................... 157 Verzeichnis der Beispiele ..................................... 159 Sachverzeichnis . .............................................. 163 1. Zum Prinzip der vollständigen Induktion Vollständige Induktion ist ein Beweisprinzip zum Nachweis der Richtigkeit einer mathematischen Aussage in Abhängigkeit einer natürlichen Zahl. Eine solche Aussage kann für sich allein von Interesse sein oder auch für einen allgemeineren mathematischen Sachverhalt eine wichtige Hilfsaussage sein, wie sich später noch zeigen wird. Das Prinzip der vollständigen Induktion kann man sich besonders gut am folgenden Beispiel klar machen: Beispiel (Genaue Anzahl von Bruchvorgängen zur Zerlegung einer Tafel Schokolade in ihre n einzelnen Stücke) Ein Bruchvorgang ist in diesem Zusammenhang stets in horizontaler oder vertikaler Richtung gemeint, wobei n - 1 die gesuchte genaue Anzahl ist und damit unabhängig von den genauen Ausmaßen der Seitenlängen der Schokoladentafel. Im Fall n = 1 ist die Behauptung offenbar richtig. Unter Annahme, daß man genau k-1 Bruchvorgänge benötigt, um eine Tafel Schokolade in ihre k einzelnen Stücke zu zerlegen, k = 1, ... , n, folgt, daß man genau n Bruchvorgänge braucht, um eine Tafel Schokolade in ihre n + 1 einzelnen Stücke zu zerlegen. Der erste Bruchvorgang liefert nämlich zwei Tafeln Schokolade von jeweils nl bzw. n2 einzelnen Stücken, so daß, wegen nl + n2 = n + 1 gilt nl s: n und n2 s: n, d. h. es werden genau nl -1 bzw. n2 - 1 Bruchvorgänge benötigt, um die beiden Tafeln Schokolade in ihre nl bzw. n2 einzelnen Stücke zu zerteilen. Damit ergeben sich genau 1 + nl - 1 + n2 - 1 = nl + n2 - 1 = n Bruchvorgänge, um eine Tafel Schokolade in ihre n + 1 einzelnen Stücke zu zerlegen. Das Prinzip der vollständigen Induktion soll jetzt noch an einigen weiteren Beispielen erläutert werden. Beispiel (1 + 2 + ... + n = n(n + 1)/2) Die Gleichung 1 + 2 + ... + n = n(n + 1)/2 ist offenbar für n = 1 richtig und liefert für den Fall, wo die natürliche Zahl n durch n + 1 ersetzt wird, die Beziehung 1 + ... + n + (n + 1) = n + 1 + n(n + 1)/2 = (n + l)(n + 2)/2, so daß 1 + ... + n = n( n + 1) /2 für jede natürliche Zahl zutreffend ist. Es sollen noch fünf weitere Begründungen hierfür angegeben werden, um zu verdeutlichen, daß eine mathematische Aussage manchmal auf verschiedene Weisen bewiesen werden kann, nämlich: D. Plachky, Mathematische Grundbegriffe und Grundsätze der Stochastik © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001 2 1. Vollständige Induktion 1. Arithmetisch Ist n eine gerade natürliche Zahl, so gibt es ~ Zahlenpaare n n (1, n), (2, n - 1), ... , (2' 2 + 1) mit dem Summenwert n + 1 und damit gilt 1 + ... + n = ~(n + 1). Im Fall, wo n eine ungerade natürliche Zahl ist, gibt es n;-l Zahlenpaare (l,n)(2,n _1), ... ,(n;-l, nt 3 ) mit dem Summenwert n + 1 sowie die mittlere Zahl nt l , so daß sich wieder 1 + ... n-l n+l 2 2 + n = - - ( n + 1) + - - = n(n + 1)/2 ° ergibt. Dabei kann man diese letzte Argumentation dadurch vereinfachen, daß man bei zu zählen beginnt. Auf diese Weise erhält man nt l Zahlenpaare (0, n), (1, n -1), ... , (n;-l, nt l ) mit dem Summenwert n, so daß sich unmittelbar 1 + ... + n = n( n + 1) /2 ergibt. 2. Geometrisch In einem Quadrat der Seitenlänge n mit n 2 Quadraten jeweils der Fläche 1 erhält man den Summenwert von 1 + ... + n, indem man die Hälfte 2 der Gesamtfläche, also ~ , um die Hälfte der Flächen der die Diagonale in nordöstlicher Richtung begleitenden n Einzelquadrate vermehrt, d. h. 1 + ... + n = ~2 + ~ = n(n + 1)/2. 3. Rekursiv Bezeichnet Sn den Summenwert von 1 + ... + n, so gilt Sn+l - Sn = n + 1, n = 0,1, ... , mit So = 0. Es liegt daher nach den obigen Überlegungen für den Wert von Sn nahe, den Ansatz Sn = a o + aln + a2n2 mit den Unbekannten ao , al, a2 zu wählen. Der Spezialfall n = liefert dann a o = und damit erhält man ° Sn+! - Sn ° ° = al + (2n + l)a2 = n + 1, woraus für n = bzw. n = 1 die Gleichungen al +a2 = 1 und al +3a2 = 2 folgen. Als Lösung für die Unbekannten al, a2 ergeben sich al = a2 = ~ 2 und damit wieder Sn = ~ + ~ = n(n + 1)/2. Übrigens gibt es keine weitere Lösung t n mit t n+1 - t n = n + 1 für jedes n = 0,1,2, ... , und t o = 0. Für die Differenz dn = Sn - t n erhält man nämlich dann dn + l = dn für jedes n = 0,1,2, ... , woraus, wegen do = So - t o = 0, folgt dn = 0, also Sn = tn, für jedes n = 0,1,2, .... Ferner trifft auf Sn = n(n + 1)/2 die Beziehung sn+! - Sn = (n + 1)(n + 2)/2 - n(n + 1)/2 = n + 1 zu. 1. Vollständige Induktion 3 4. Kombinatorisch Zunächst soll überlegt werden, daß es genau n(n2-1) zweielementige Teilmengen der Menge {l, 2, ... ,n} gibt. Dazu kann man von allen n( n + 1) geordneten Paaren (i,j), i -I j, i = 1, ... ,n, j = 1, ... ,n, ausgehen, aus denen dann die n(n2-1) zweielementigen Teilmengen {i,j}, i -I j, i = 1, ... ,n, j = 1, ... ,n, entstehen. Daher besitzt die Menge {I, 2, ... ,n+ I} genau n(n2+1) zweielementige Teilmengen, die man auch folgendermaßen klassifizieren kann: Es gibt genau n zweielementige Teilmengen der Menge {l, 2, ... , n + I}, die das Element n + 1 enthalten sowie genau n - 1 zweielementige Teilmengen der Menge {I, 2, ... , n}, die das Element n enthalten und allgemein genau k zweielementige Teilmengen der Menge {I, 2, ... ,k + I}, die das Element k enthalten, k = 1,2, ... ,n. Also trifft "n k _ n(n+l) L..k=l - - 2 - zu. 5. Analytisch Für die Partialsummen der geometrischen Reihe gilt L~=o x k = xnx+~~l, wobei diese Beziehung für alle reellen Zahlen x -11 zutrifft. Hieraus folgt durch Differenzieren d n (-d ~ x x 6 d x n+1 - 1 n k )x=l k=O = 6~ k = x--tl lim -d ( X k=l . = hm x--tl x-I ) nx n+1 - (n + 1 )xn (x-l)2 +1 ---,----'---:-=----- und daher nach der Regel von de I'Hospital n k ~ 6 k=l ..4.(nxn+1 _ (n + l)x n + 1) = lim -,od"' -x_ _----:_ _ _ _ _ __ ..4.(x-l)2 x--tl dx = lim n(n + l)x n - 1 = n(n + 1) . x--tl 2 2 Als Anwendung von 1 + ... + n = n( n + 1) /2 für jede natürliche Zahl n soll folgendes Wägungsproblem gelöst werden: Wie stellt man mit einer einzigen Wägung fest, welcher von n Stapeln von je n(n > 1) Münzen aus gefälschten Münzen besteht, wenn das Folgende bekannt ist: Genau ein Stapel der n Stapel besteht aus gefälschten Münzen, wobei sich alle gefälschten Münzen jeweils um den absoluten Gewichtsunterschied d von dem Gewicht einer echten Münze unterscheiden. Neben d ist auch das Gewicht g einer echten Münze bekannt. Wählt man nun vom ersten Stapel eine Münze, vom zweiten Stapel zwei Münzen, ... , vom n-ten Stapel alle n Münzen aus und stellt das Gesamtgewicht G fest, so ergibt sich für den unbekannten v-ten Stapel mit den gefälschten Münzen die Bestimmungsgleichung n(n~l)g ± vd = G und damit ±v = (G - n(n~l)g)/d, wobei man noch über den Fall "+" bzw. "-" zusätzlich die Information erhält, daß die gefälschten Münzen zu schwer bzw. zu leicht sind. 4 1. Vollständige Induktion Ist übrigens d unbekannt, so kommt man mit der zusätzlichen Wägung aus, indem man vom ersten Stapel alle n Münzen auswählt, vom zweiten Stapel n - 1 Münzen auswählt, ... , und schließlich vom n-ten Stapel eine Münze auswählt. Ist G' das zugehörige Gewicht und besteht der v-te Stapel aus gefälschten Münzen, so gilt n(n; l)g ± (n _ v + l)d = G', woraus n(n + 1)g ± (n also + 1)d = G + G', ±d = G + G' - n(n + 1)g n+1 und G_ v= n(n+!)g 2 G+G'- n (n+1)g (n+1) folgt. Eine weitere Anwendung von 1 + ... + n = n( n + 1) /2 betrifft nach Steiner das folgende geometrische Problem: In wieviele durch Geraden begrenzte Gebiete wird die Ebene höchstens von n Geraden zerlegt? Zur Berechnung der maximalen Anzahl an stellt man folgendermaßen eine rekursive Beziehung zu an+l her: Die zusätzliche (n + 1)-te Gerade wird von den übrigen n Geraden in n verschiedenen Punkten geschnitten, da man zur Bestimmung von an+! annehmen kann, daß sich jeweis zwei der n + 1 Geraden in einem Punkt schneiden und daß alle Schnittpunkte verschieden sind. Orientiert man sich an den n verschiedenen Schnittpunkten der n Geraden mit der (n + l)-ten Geraden, so entstehen zusätzlich n + 1 durch Geraden begrenzte Gebiete. Also gilt die rekursive Beziehung an+l also an+! + n + 1 = an-l + n + n + 1 + n - 1 + n + n + 1 = al + 2 + 3 + ... + n + 1, = an = a n -2 = 1 + 1 + 2 + ... + n + 1 wegen an+l und damit al = 2, d. h. (n+l)(n+2) = 1+ 2 an =1+ n (n+1) 2 . Als weiteres Beispiel für vollständige Induktion kann man im Zusammenhang mit dem eben betrachteten geometrischen Problem das folgende Färbungsproblem behandeln. 1. Vollständige Induktion 5 Beispiel (Färbungsproblem ) Das hier betrachtete Färbungsproblem besagt, daß bei n Geraden alle die durch Geraden begrenzten Gebiete mit nur zwei Farben so gefärbt werden können, daß jeweils zwei längs eines Geradenstücks benachbarte Gebiete verschiedene Farben haben (reguläre Färbung). Dies ist für n = 1 offenbar zutreffend und bei n + 1 Geraden lassen sich die bei Wegnahme einer Geraden verbleibenden beiden Gebiete nach Induktionsannahme regulär färben. Färbt man nunmehr noch eines dieser bei den Gebiete durch vertauschen der beiden Farben um, so entsteht insgesamt durch die n + 1 Geraden ein Gebiet mit regulärer Färbung. Beispiel (Beweis von Cauchy für die Ungleichung zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel) Bezeichnen al, ... , an positive, reelle Zahlen, so soll die Ungleichung (al· ... · an)l/n :S (al + ... + an)/n bewiesen werden, wobei (al + ... + an)/n bzw. (al· .... an)l/n arithmetisches bzw. geometrisches Mittel der al, ... , an heißt. Für diese Ungleichung kann man auch kürzer (TI7=1 ai)l/n :S (~~l ai)/n schreiben, wenn man zur Abkürzung al +.. ·+an = ~7=1 ai bzw. al··· .·an = TI7=1 ai setzt. Es wird zunächst der Spezialfall (TI;:1 bi )I/2n :S (~;:l bi )/2n für positive, reelle Zahlen bl , ... ,b2 n behandelt. Im Fall n = 1 hat man also (b l b2)1/2 :S (bI + b2)/2 zu zeigen, was aber mit hb2 :S (bI + b2)2/4, also mit (bI - b2)2 2: 0 gleichwertig ist. Ausgehend von der Voraussetzung, daß (II b )I/2 :S (2: b )/2n 2n 2n n i i i=l i=l für positive, reelle Zahlen bl , ... ,b2 n zutreffend ist, soll jetzt die Gültigkeit von (rr 2 n +1 (rr 2 n +1 bi )1/2 + :S 1 n i=l bi )/2 n +l i=l für positive, reelle Zahlen bl , ... ,b2 n+l gezeigt werden. Dies folgt aus 2n + 1 (2: bi )/2 n+1 = 2n 2n + 1 i=l i=2 n +1 ~((2:bi)/2n + ( i=l (II bi )I/2 n +1 • ( i=l (rr 2 n +1 = i=l bi )/2 n ) 2n +1 2n 2: L bd/ 2n + 1 II bi )I/2 n +1 6 1. Vollständige Induktion Damit ist i=l i=l für positive, reelle Zahlen b1 , ... , b2 n bewiesen. Hieraus ergibt sich folgendermaßen für positive, reelle Zahlen al, ... , an : Man führe positive, reelle Zahlen b1, ... ,b2n gemäß bi = ai, i = 1, ... ,n, und bi = C'E.7=laj)/n, ~ = n + 1, ... , 2n , ein. Nach dem bereits Bewiesenen ergibt sich dann i=l i=l woraus, wegen n 2n n II bi = (II ai) . ((L ai)/n)2 -n n i=l i=l i=l und i=l i=l die Ungleichung n n n (II ai)1/2 ((L ai)1-n/2 ~ (L ai)/n, n i=l also und damit schließlich n • i=l i=l n n i=l i=l n n i=l i=l folgt. Bei diesem auf Cauchy zurückgehenden Beweis wird die Ungleichung 2n > n für jede natürliche Zahl n benutzt, die nun als weiteres Beispiel zur vollständigen Induktion behandelt wird. Beispiel (2 n > n) Im Fall n = 1 erhält man 2 > 1 und aus der Gültigkeit von 2n > n für eine natürliche Zahl n ergibt sich 2n + 1 > 2n, woraus, wegen 2n 2': n + 1, was mit n 2': 1 gleichwertig ist, die Beziehung 2n+1 > n+ 1 folgt, so daß 2n > n für jede natürliche Zahl n zutrifft. Übrigens kann man die Ungleichung 2n > n für jede natürliche Zahl n auch kombinatorisch folgendermaßen beweisen: Beim 1. Vollständige Induktion 7 n-fachen Münzwurf gibt es insgesamt 2n Möglichkeiten, wenn man beachtet, daß bei jedem einzelnen Münzwurf jeweils zwei Möglichkeiten existieren. Bezeichnet nämlich an die betreffende Anzahl an Möglichkeiten beim n-fachen Münzwurf, so ist die Behauptung an = 2n für n = 1 richtig und aus an = 2n folgt an+l = 2n + 2n = 2n+1. Vergleicht man die 2n Möglichkeiten insgesamt mit den n Spezialfällen, wo genau beim k-ten Münzwurf "Kopf" vorkommt (und sonst "Zahl"), k = 1, ... , n, so folgt hieraus 2n > n für jede natürliche Zahl n. Bezeichnet nun A( n) in Abhängigkeit von der natürlichen Zahl n eine (mathematische) Aussage, wie z. B., daß 1 + ... + n = n(n + 1)/2 gilt, daß 2n > n gilt, oder, daß die genaue Anzahl von Bruchvorgängen zur Zerlegung einer Tafel Schokolade in ihre n einzelnen Stücke n-1 beträgt, bzw., daß für n positive, reelle Zahlen al, ... ,an die Ungleichung (I1~=l ay/n :s: (L~=I ai)/n zutrifft, und kann man beweisen: 1. A(n) ist für n = 1 gültig (Induktionsanfang), 2. aus der Gültigkeit von A(k) für k = 1, ... , n folgt die Gültigkeit von A(n + 1) (Induktionsschritt n -+ n + 1), so ist A( n) für jede natürliche Zahl n gültig (Prinzip der vollständigen Induktion). Zur Begründung geht man am besten davon aus, daß A(n) nicht für alle natürlichen Zahlen n gilt. Dann gibt es darunter eine kleinste natürliche Zahl nl, die, wegen des Induktionsanfangs, größer als 1 ist. Damit trifft A(k) für alle k = 1, ... , nl - 1 zu, so daß nach dem Induktionsschritt n -+ n + 1 auch A( nl) gilt, was aber einen Widerspruch darstellt. Manchmal ist es notwendig, den Induktionsanfang statt mit der natürlichen Zahl 1 mit einer natürlichen Zahl n o zu beginnen, wobei dann auch beim Induktionsschritt n -+ n + 1 aus der Gültigkeit von A(k) für k = n o , ... , n (für eine natürliche Zahl n 2: n o ) die Gültigkeit von A(n + 1) zu schließen ist. In solch einem Fall hat man dann die Gültigkeit von A( n) für jede natürliche Zahl n 2': n o bewiesen. In den meisten Fällen kann man beim Induktionsschritt n -+ n + 1 bereits aus der Gültigkeit von A(n) (anstelle von A(k) für k = 1, ... , n) auf die Gültigkeit von A( n + 1) schließen. Lediglich das Schokoladenbeispiel benötigte die verfeinerte Argumentation. Für den Beweis des Prinzips der vollständigen Induktion ist die Tatsache benutzt worden, daß eine (nicht leere) Teilmenge der Menge der natürlichen Zahlen eine kleinste natürliche Zahl besitzt. Dies leitet zum nächsten Abschnitt, den Mengenbegriff betreffend, über. Zuvor soll noch zur weiteren Illustration der Eigenschaft der Menge 1N aller natürlichen Zahlen, wonach jede Teilmenge von 1N ein kleinstes Element besitzt, gezeigt werden, daß Vk für jede natürliche Zahl k, die keine Quadratzahl ist, also k -# n 2 für jede natürliche Zahl n, keine rationale ist, d. h. daß Vk nicht von der Gestalt !!:!: mit m, n als natürliche Zahl ist. n 8 1. Vollständige Induktion Beispiel (Irrationalität von Jk für jede natürliche Zahl k, die keine Quadratzahl ist) Es wird zur Annahme, daß Jk = !!f: mit m, n als natürliche Zahlen und mit k als natürlicher Zahl, die keine Quadratzahl ist, folgendermaßen ein Widerspruch hergestellt: Es bezeichne mo die kleinste natürliche Zahl der Menge aller natürlichen Zahlen m, so daß es eine natürliche Zahl n gibt mit Jk = !!f:. Ist no die zugehörige natürliche Zahl mit Jk = !!!Q, no so wird gezeigt, daß (Jk - [Jk])mo und ~ (Jk - [Jk])mo natürliche Zahlen sind, wobei offenbar zutrifft. Dies ist dann ein Widerspruch zur Wahl von mo, da Jk - [Jk] < 1 gilt, denn [Jk] bezeichnet den ganzzahligen Anteil von Jk, also die größte natürliche Zahl, die kleiner als Jk ist. Da Jk keine Quadratzahl ist, trifft insbesondere Jk - [Jk] > 0 zu, so daß auch (Jk - [Jk])mo > 0 und ~ (Jk - [Jk])mo > 0 gilt. Es bleibt noch zu zeigen, daß (Jk - [Jk])mo und ~( Jk - [Jk])mo natürliche Zahlen sind. Zu diesem Zweck beachtet man, daß ~ = no zutrifft und damit (Jk - [Vk])mo = kno - [Vk]mo und gilt. Eine geometrische Anwendung der Irrationalität von v'3 nach Lucas besteht im Nachweis, daß man kein gleichseitiges Dreieck mit Eckpunkten in den Gitterpunkten eines Schachbretts findet. Man erreicht nämlich sonst folgendermaßen einen Widerspruch: Legt man einen Eckpunkt des als gleichseitig angenommenen Dreiecks in den Nullpunkt und bezeichnet a den zugehörigen Dreieckswinkel von der Größe i, so gilt, wegen a = ß-"(, mit ß, "( als Winkel, die zwischen den vom Nullpunkt ausgehenden beiden Dreieckseiten mit der daß Abszissenachse gebildet werden, zusammen mit tga = v'3 = v'3 eine rationale Zahl ist. Die Zahlen tgß, tg"( sind nämlich nach Annahme rational. Eine geometrische Anwendung der vollständigen Induktion, die ebenfalls zum Mengenbegriff des nächsten Abschnitts überleitet, betrifft eine Aussage von Helly über die Existenz eines gemeinsamen Punktes von konvexen Punktmengen in der Ebene. Dabei heißt eine Punktmenge K in der Ebene konvex, falls mit zwei Punkten von K auch die Strecke zwischen den bei den Punkten zu K gehört. Mit Hilfe vollständiger Induktion soll nun gezeigt werden, daß n konvexe Punktmenten in der Ebene einen gemeinsamen Punkt besitzen, falls ;J{;Jfl'r' 1. Vollständige Induktion 9 jeweils drei der konvexen Punktmengen einen gemeinsamen Punkt enthalten. Diese geometrische Anwendung der vollständigen Induktion ist Gegenstand des nachfolgenden Beispiels. Beispiel (Existenz eines gemeinsamen Punktes von konvexen Punktmengen in der Ebene nach Helly) Es wird zunächst als Induktionsanfang gezeigt, daß 4 konvexe Punktmengen K o, K 1 , K 2 , K 3 der Ebene einen gemeinsamen Punkt besitzen, falls Po ein gemeinsamer Punkt von K 1 , K 2 , K 3 , P1 ein gemeinsamer Punkt von K o, K 2 , K 3 , P2 ein gemeinsamer Punkt von K o, K 1 , K 3 , und P3 ein gemeinsamer Punkt von K o, K 1 , K 2 ist. Die Konvexität der Punktmengen K o, K 1 , K 2 , K 3 impliziert, daß das Dreieck mit den Endpunkten Po, P 1 , P2 in K 3 , das Dreieck mit den Endpunkten Po, P1 , P3 in K 2 , das Dreieck mit den Endpunkten Po, P2 , P3 in K 1 und das Dreieck mit den Endpunkten P1 , P2 , P3 in K o enthalten ist. Im Folgenden werden die beiden Fälle unterschieden: 1. Einer der Punkte Po, P1 , P2 , P3 liegt im Dreieck, das von den anderen Punkten gebildet wird. Liegt z. B. Po in dem Dreieck mit den Endpunkten P1 , P2 , P3 , dann gehört Po zu K o, K 1 , K 2 , K 3 , auch im Fall, wo das Dreieck mit den Endpunkten P1 , P2 , P3 ausgeartet als Strecke vorliegt. 2. Keiner der Punkte Po, P1 , P2 , P3 liegt in dem Dreieck, das von den anderen Punkten gebildet wird. Also bilden die Punkte Po, P1 , P2 , P3 die Eckpunkte eines konvexen Vierecks. Dann gehört aber der Schnittpunkt der Diagonalen dieses Vierecks zu K o, K 1 , K 2 , K 3 . Damit ist der Induktionsanfang als zutreffend nachgewiesen, so daß man jetzt von konvexen Punkt mengen K o, K 1 , ... , K n , K n +1 ausgehen kann mit n 2': 4, wobei je drei von ihnen einen gemeinsamen Punkt haben. Bezeichnet K~ die gemeinsame Punkt menge von K n und K n +1, so sind K o, K 1 , ... , K n - 1 , K~ konvexe Punktmengen der Ebene mit der Eigenschaft, daß je drei von ihnen einen gemeinsamen Punkt haben, wenn man beachtet, daß der Induktionsanfang als zutreffend bewiesen worden ist. Daher besitzen nach Induktionsvoraussetzung K o, K 1 , ... ,Kn - ll K~ einen gemeinsamen Punkt, der dann auch allen Punktmengen K o, K 1 , ... , K n - 1 , K n , K n +1 angehört, womit gezeigt worden ist, daß n konvexe Punktmengen der Ebene einen gemeinsamen Punkt besitzen, falls je drei von ihnen einen gemeinsamen Punkt haben. Übrigens bleibt die Aussage für beliebig viele konvexe Punktmengen der Ebene richtig, falls wenigstens eine der konvexen Punktmengen beschränkt ist, d. h. in einem hinreichend großen Kreis mit dem Nullpunkt als Mittelpunkt enthalten ist. Dies liegt an einer Aussage von Bolzano-Weierstraß, wonach eine beschränkte Folge von Punkten der Ebene einen Häufungspunkt besitzt. Als Anwendung der soeben bewiesenen Aussage von Helly für endlich viele konvexe Punktmengen der Ebene wird noch die folgende, auf Jung zurückgehende Aussage bewiesen: Haben n Punkte der Ebene die Eigenschaft, daß je