Motor für ein zweites Leben

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Herzunterstützungssysteme und Kunstherz
Motor für ein zweites Leben
Herzunterstützungssysteme kommen bei Herzinsuffizienz im Endstadium immer häufiger zum
Einsatz, weil passende Spenderorgane fehlen.
Quelle: Thoratec Corporation
07.01.2016 Für Menschen mit schwerer Herzschwäche sind mechanische
Herzunterstützungssysteme oft die einzige Chance, weiter zu leben. Die Geräte
sind so zuverlässig, dass sie immer häufiger dauerhaft implantiert werden. Auch an
voll implantierbaren Kunstherzen, die das gesamte Organ ersetzen, arbeitet die
Medizintechnik bereits. von Ulrich Kraft
294 Herztransplantationen wurden 2014 in Deutschland durchgeführt. Das ist der
niedrigste Stand seit 1994. Demgegenüber standen fast 1.000 Patienten, die bei der für
die Organvergabe zuständigen Stiftung Eurotransplant für diese Behandlung
angemeldet waren. Eigentlich ist der Bedarf an den raren Spenderherzen noch deutlich
höher. Denn auf die Warteliste kommen nur Menschen, die – abgesehen von ihrem
Herzleiden – so jung und gesund sind, dass die Transplantation maximalen Erfolg
verspricht. Wer über 60 und anderweitig schwer krank ist, hat praktisch keine Chance.
Die Patienten, die ein neues Herz bräuchten, leiden unter einer Herzinsuffizienz im
Endstadium. Das heißt, der Herzmuskel ist zu schwach, um ausreichend Blut durch den
Kreislauf zu befördern. Medikamente können das Organ entlasten und seine
Schlagkraft stärken, doch sie verhindern nicht, dass die Erkrankung stetig
voranschreitet. Wenn die medikamentöse Behandlung an ihre Grenzen stößt und das
Organ zu versagen droht, gibt es eine Alternative zur Transplantation, die sich mehr und
mehr etabliert: mechanische Herzunterstützungssysteme.
Deutliche Zunahme von Implantationen
Fast 1.000 dieser so genannten Ventricular Assist Devices oder kurz VADs haben
Chirurgen 2014 in Deutschland implantiert. Der Einbau dieser Geräte hat sich damit
innerhalb von zehn Jahren verdreifacht. Denn im Jahr 2005 waren es 350
Implantationen von VADs. „Weil es an Spenderorganen fehlt, sind wir dringend auf die
Herzunterstützungssysteme angewiesen“, sagt Jan Gummert, Direktor der Klinik für
Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad
Oeynhausen. Hinzu kommt, dass die Menschen immer älter werden. Damit wächst auch
die Zahl der Patienten mit einer Herzinsuffizienz im Endstadium.
Meist werden die VADs in die Wand der linken Herzkammer eingesetzt. Dort saugen sie
das Blut ab, pumpen es weiter in die Aorta und übernehmen so die Funktion des
Ventrikels. Auch an einem vollimplantierbaren Kunstherz, das beide Herzkammern
ersetzt, tüfteln Medizintechniker bereits.
1
Vom Provisorium zur Dauerlösung
Die Herzunterstützungssysteme haben in den vergangenen Jahren einen enormen
Entwicklungssprung gemacht. Einst nur zur kurzfristigen Überbrückung bis zur
Transplantation gedacht, gibt es inzwischen viele Patienten, die dauerhaft mit ihrem
VAD leben.
Die VADs der ersten Generation, die Mitte der 1990er zugelassen wurden, arbeiteten pulsatil,
transportierten das Blut also Schlag für Schlag – wie das natürliche Herz. Die neueren
Systeme erzeugen meist einen kontinuierlichen Blutstrom. Unterschieden wird dabei
zwischen den Axialflusspumpen, in deren Inneren sich eine Turbine bis zu 10.000 Mal pro
Minute dreht, und den Zentrifugalpumpen, die einen scheibenförmigen Rotor besitzen.
„Die Qualität der Ventricular Assist Devices hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert“,
berichtet Jan Gummert. Zum einen werden sie immer kleiner. Das erleichtert dem Chirurgen
die Implantation und macht den Eingriff schonender für die Patienten. Zum anderen sind die
modernen Unterstützungssysteme vollkommen geräuschlos, während ihre pulsatilen
Vorläufer „deutlich Krach machten“, wie der Bad Oeynhausener Herzspezialist sagt. „Für die
Lebensqualität der Träger ist das sehr wichtig.“ Und sie verbrauchen wesentlich weniger
Energie, so dass die Lithium-Ionen-Akkus, die die Stromversorgung gewährleisten, erst nach
12 bis 18 Stunden wieder geladen werden müssen.
Ursprünglich waren die mechanischen Herzhelfer nur dazu gedacht, die Zeit bis zu einer
Transplantation zu überbrücken. „Inzwischen sind sie längst zur Dauerlösung geworden, auch
gezwungenermaßen, weil es eben zu wenig Spenderherzen gibt“, so Jan Gummert. Aber
auch, weil die VADs kleiner und effizienter geworden sind.
Erholung mit System
Manche Patienten leben seit fast zehn Jahren mit einem Herzunterstützungssystem. Und
manche sogar wieder ohne. So konnte bei fast zehn Prozent der 1.038 Herzkranken, die
zwischen 1995 und 2011 am Deutschen Herzzentrum in Berlin ein VAD erhielten, die Pumpe
entfernt werden, weil ihr Herz sich erholt hatte.
In einer umfangreichen Studie wird derzeit geprüft, ob sich diese Rate durch eine
frühzeitigere Implantation steigern lässt. Falls ja, könnten die Unterstützungssysteme auch für
herzinsuffiziente Menschen, die sich noch nicht im Endstadium befinden, zur Therapieoption
werden.
Thrombose häufigste
Komplikation
Die US-amerikanischen Unternehmen
HeartWare und Thoratec sind in dieser
Technologie derzeit weltweit führend
auf dem Markt. „Beide sind
zuverlässige Systeme, die auf einem
sehr hohen Niveau arbeiten“, sagt
Gummert. 20.000 Thoratec-VADs
wurden bis heute implantiert, davon
mit Abstand am häufigsten das Modell
HeartMate II.
Die Pumpe geriet allerdings Ende
Das Modell HeartMate II wurde mit Abstand am
2013 in die Schlagzeilen, weil an
häufigsten bei Patienten eingepflanzt.
amerikanischen Kliniken bei den
Quelle: Thoratec Corporation
Trägern ein abrupter Anstieg von
Thrombosen beobachtet wurde. „Die Thrombosegefahr ist die häufigste und wichtigste
Komplikation der Herzunterstützungssysteme“, berichtet Gummert. Verwirbelungen,
Scherkräfte und der Kontakt mit dem körperfremden Material befördern die Bildung solcher
Blutgerinnsel. Die Thromben können die Pumpe verstopfen und – wenn sie ins
Blutgefäßsystem gelangen – so schwerwiegende Folgen wie einen Schlaganfall nach sich
ziehen. Um dem zu begegnen, müssen die Patienten mit gerinnungshemmenden
Medikamenten behandelt werden. Diese so genannten Antikoagulantien verstärken aber die
zweite wichtige Komplikation der VADs, die erhöhte Blutungsneigung.
Beim HeartMate III, den Nachfolgemodell des HeartMate II, bestehen die Oberflächen
neuerdings aus gesintertem Titan – also einem speziell verdichteten Titan. Dadurch soll die
Gefahr, dass dort Thromben entstehen, deutlich verringert werden. Darüber hinaus hat der
magnetisch gelagerte Rotor größere Abstände zum Gehäuse. Das verbessert die
Flussdynamik des Blutes, was ebenfalls dem Risiko thrombembolischer Komplikationen
entgegen wirkt, so der Experte. Im Sommer 2014 wurde Heartmate III weltweit zum ersten
Mail implantiert, an der Medizinischen Hochschule Hannover. Jan Gummert ist gespannt, wie
sich HeartMate III bewährt. „Gelingt es, die Komplikationsrate weiter zu senken, wird die Zahl
der Patienten, die ein Herzunterstützungssystem implantiert bekommen, noch sehr viel größer
werden.“
2
Vollständig implantierbare Kunstherzen
Bislang ist nur ein System zugelassen, das das gesamte Herz ersetzen kann. Allerdings
schränkt es die Lebensqualität der Patienten stark ein und birgt erhebliche Risiken.
Deshalb wird intensiv an neuen vollimplantierbaren Kunstherzen gearbeitet. Ein
deutsches Unternehmen mischt dabei ganz vorne mit.
Wenn aber beide Herzkammern ihren Dienst versagen, erreichen die einseitigen Ventricular
Assist Devices ihre Grenzen. Eine dann noch verbleibende Option, um das Überleben von
Patienten zu sichern, bis ein Spenderorgan gefunden wird, kommt von der Firma SynCardia
Systems in Arizona. Ihr Total Artificial Heart oder kurz TAH genanntes System ist bislang das
einzige vollständige Kunstherz, das in den USA und Europa zugelassen ist. Laut Hersteller
wurde es bereits über 1.400 Mal implantiert.
Das TAH besteht aus zwei künstlichen
Ventrikeln und vier Herzklappen, die
die natürlichen Herzkammern und klappen ersetzen. Die Herzvorhöfe
bleiben bei der Implantation intakt. In
den Wänden der beiden
Herzkammern befindet sich jeweils
eine flexible Membran, die durch
Druckluftpulse periodisch vorgewölbt
wird. Auf diese Weise wird im steten
Wechsel Blut in den Ventrikel
eingesogen und wieder ausgeworfen.
Bis zu 9,5 Liter pro Minute kann das
Syncardia TAH so durch den
Blutkreislauf befördern.
Die beiden fingerdicken
Druckluftschläuche, die die Pumpe im
Brustkorb mit dem externen
pneumatischen Antrieb verbinden,
führen durch die Haut nach außen.
Das bislang weltweit einzige voll implantierbare
Dies birgt nicht nur eine erhebliche
Kunstherz wird von der US-amerikanischen Firma
Infektionsgefahr, sondern schränkt
SynCardia hergestellt.
zudem die Bewegungsfreiheit stark
Quelle: SynCardia Systems Inc.
ein. Dass die Patienten die rund sieben
Kilo schwere Antriebseinheit, die auch
die Steuerungselektronik und die
Akkus zur Stromversorgung beherbergt, permanent mit sich führen müssen – entweder in
einer Umhängetasche oder auf einem Wägelchen - begrenzt ihre Mobilität noch zusätzlich.
Außerdem verursacht der Druckluftkompressor deutlich hörbare Geräusche, was die
Lebensqualität ebenfalls mindert. Es habe zwar Defizite, urteilt Jan Gummert vom Herz- und
Diabeteszentrum NRW über das Syncardia TAH, das in Bad Oeynhausen mehr als 150 Mal
eingesetzt wurde. „Doch für manche Menschen ist es die einzige Möglichkeit, weiterleben zu
können.“
Französisches Kunstherz setzt auf Biomaterialien
Um die Nachteile des Systems auszugleichen, arbeitet die Medizintechnik an einem voll
implantierbaren Kunstherz. Führend auf dem Gebiet ist derzeit das französische BiomedizinUnternehmen Carmat, das von Alain Carpentier mit gegründet wurde. Der Herzchirurg machte
sich in den 1960er Jahren durch die Entwicklung und Implantation der ersten künstlichen
Herzklappen aus Schweineknorpel einen Namen. An einem Kunstherz tüftelt er seit Ende der
1980er. Kooperationspartner war der Rüstungs- und Technologiekonzern Matra, der heute
zur Airbus Group gehört. Matra unterstützte Carpentier nicht nur finanziell, sondern stellte ihm
auch einige Ingenieure zur Verfügung. Der Investmentfond Truffle Capital übernahm dann
2008 die Mehrheit an Carmat und brachte es 2010 an die Börse.
Weniger als 900 Gramm wiegt das
Kunstherz der Franzosen inzwischen.
Jede der beiden Herzkammern ist
durch eine Membran in zwei Räume
unterteilt. Auf der einen Seite befindet
sich eine Hydraulikflüssigkeit, die von
zwei Mini-Pumpen abwechselnd in die
Ventrikel befördert und wieder
abgezogen wird. Die daraus
resultierenden Bewegungen der
flexiblen Membranen treiben dann das
sauerstoffarme Blut aus der rechten
Kammer in die Lunge und das
sauerstoffreiche aus der linken
Kammer in den Körperkreislauf. Die
Das französische Unternehmen Carmat erprobt sein
Kunstherz bereits am Menschen.
Quelle: Carmat
Innenseite der Membranen ist mit
Gewebe aus dem Herzbeutel von Kälbern überzogen, die Herzklappen sind ebenfalls aus
Biomaterialien hergestellt. Das soll die Bildung gefährlicher Blutgerinnsel unterbinden und
verhindern, dass die roten Blutkörperchen zerstört werden.
Carmat-Herz wird in Frankreich bereits am Patienten erprobt
Neben dem Antrieb enthält das Carmat-Herz Sensoren und einen Mikroprozessor. Diese
Steuerungselektronik überwacht kontinuierlich die Druckverhältnisse in der Prothese und
passt deren Leistung an die momentanen Bedürfnisse an. So erhöht sich beispielsweise der
Blutfluss, wenn der Träger sich anstrengt. Im Dezember 2013 wurde das Kunstherz erstmals
einem Menschen eingesetzt. Glückwünsche kamen sogar von Staatspräsident François
Hollande: „ Frankreich darf auf diese sensationelle Leistung im Dienste der menschlichen
Fortschritts sehr stolz sein“.
Der 76-Jährige Mann verstarb allerdings nach zweieinhalb Monaten. Schuld war ein
technischer Defekt des Implantats. Ein zweiter Patient starb nach neun Monaten. Der dritte
Patient bekam das System am 8. April 2015 von den Herzspezialisten eingepflanzt und
verstarb kurz vor Weihnachten. Nach Angaben des Unternehmens war die Todesursache
allerdings nicht ein Geräteversagen. In der Machbarkeitsstudie sollen noch ein bis zwei
weitere Patienten das Kunstherz erhalten. Anschließend plant Carmat dann eine klinische
Studie mit 20 herzkranken Menschen.
Deutsches Unternehmen entwickelt ein Kunstherz
Soweit ist man bei der ReinHeart TAH GmbH noch nicht. Doch die Mitarbeiter verfolgen auch
ein sehr ehrgeiziges Ziel: ein implantierbares Kunstherz als langfristige Lösung. „Wir möchten,
dass es mindestens fünf Jahre arbeitet“, sagt Ingenieur Thomas Finocchiaro. Bei einer
Herzfrequenz von 70 Schlägen in der Minute entspricht das fast 200 Millionen Schlägen, die
rund 13 Millionen Liter Blut durch den Körper pumpen. Was das bedeutet, veranschaulicht der
Vergleich mit einem Auto: Bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde müsste der
Wagen knapp 2,2 Millionen Kilometer ununterbrochen fahren – ohne Panne oder
Werkstattbesuch.
Um diese enorme Standfestigkeit zu
erreichen, hat das am Institut für
Angewandte Medizintechnik der
RWTH Aachen entwickelte ReinHeart
einen neuartigen elektromagnetischen
Linearantrieb. Er besteht aus einem
Permamagneten und einem
Spulenträger, der im Magnetfeld auf
einem axialen Gleitlager angebracht ist
und auf beiden Seiten eine Druckplatte
besitzt. Das Funktionsprinzip ähnelt
dem eines Lautsprechers. Durch
Dr.-Ing. Thomas Finocchiaro arbeitet am Institut für
Anlegen eines oszillierenden
Angewandte Medizintechnik der RWTH Aachen.
Spulenstroms bewegt sich die Spule
Quelle: Institut für Angewandte
Medizintechnik/RWTH Aachen
im Magnetfeld hin und her. Geht sie
nach links, drückt die Druckplatte eine
Membran in die linke Pumpkammer
und treibt dort das Blut aus. Gleitet der Spulenträger nach rechts, stellt sich die Membran
zurück, so dass die linke Kammer sich wieder füllen kann. Gleichzeitig wird das Blut aus der
rechten Pumpkammer ausgeworfen.
„Der Direktantrieb erzeugt die Kraft direkt in die Richtung, in der sie benötigt wird“, erläutert
Finocchiaro. „Und es gibt nur ein bewegliches Bauteil, das nahezu reibungslos auf einer
Gleitführung läuft.“ Lange Laufzeit bei minimalem Verschleiß – beschleunigte Ermüdungstests
im Labor haben gezeigt, dass das System diese Anforderungen erfüllt. Außerdem arbeitet es
sehr effizient. Denn während ein Lautsprecher nur Luft verdrängt, muss ReinHeart Kräfte von
bis zu 70 Newton bereitstellen, bei möglichst geringem Energieverbrauch. „Unter 20 Watt
wollten wir kommen, 12 Watt sind es jetzt“, freut sich Finocchiaro. Der Elektrotechniker hat das
Kunstherzprojekt bereits an der Aachener Uni geleitet.
Deutsches Kunstherz im Tierversuch erfolgreich
Was die Entwickler unbedingt verhindern möchten, ist die Entstehung von Blutgerinnseln.
Deshalb untersuchen sie mit Hochgeschwindigkeitskameras und Laserlicht, an welchen
Stellen im Kunstherz der Blutfluss stockt und wo es Verwirbelungen gibt.
Computersimulationen zeigen dann, wie die Form der Pumpkammern und der Ein- und
Abflüsse idealerweise gestaltet sein sollte. „Je besser das Blut an den körperfremden
Materialien vorbei fließ, desto geringer ist die Gefahr, dass sich Thromben bilden“, sagt
Finocchiaro. Deshalb sei die strömungstechnische Optimierung sehr wichtig.
Im Gegensatz zur französischen
Konkurrenz besteht das ReinHeart
ausschließlich aus Kunststoffen und
Metall. Es gibt noch großes
Entwicklungspotenzial, vor allem bei
der Thromboseverhinderung durch
Materialien, die möglichst
biokompatibel sind. Finochario hofft auf
Unterstützung von anderen
Unternehmen aus Biomedizin und
Medizintechnik. „Wenn Firmen hier
Ihre Expertise einbringen würden,
wäre das für uns von großem
Interesse.“ In Tierversuchen hat das
Der deutsche Prototyp eines vollständig
Kunstherz bereits bewiesen, dass es
implantierbaren Herzens wurde bereits erfolgreich
die physiologische Blutzirkulation
im Tierversuch getestet.
vollständig übernehmen kann. „Der
proof of principle ist erbracht“, sagt
Quelle: Institut für Angewandte
Medizintechnik/RWTH Aachen
Finocchiaro.
Vom Prototyp zum Produkt
Deshalb wurde aus dem einst rein universitären Projekt im Juli 2015 eine GmbH
ausgegründet. Denn jetzt möchten der Ingenieur und seine Kollegen die Entwicklung vom
Prototyp zum Produkt vorantreiben – mit den entsprechenden Qualitätsanforderungen bei der
Fertigung. Das ist Voraussetzung, um mit einer klinischen Studie am Menschen starten zu
können. Außerdem soll das ReinHeart ein bisschen abspecken. Momentan liegen die
Aachener noch 50 Gramm über dem Wunschgewicht von 800 Gramm.
Eine weitere Herausforderung sind die Kosten. „Das Kunstherz soll von den Krankenkassen
bezahlt werden können“, berichtet Finocchiaro. „Wir müssen bei unseren technischen
Lösungen also auch immer eine kostengünstige Herstellung im Hinterkopf behalten.“ 50.000
bis 60.000 Euro sind avisiert. Das liegt etwa im Bereich eines Herzunterstützungssystems. Die
Konkurrenten vom französischen Unternehmen Carmat veranschlagen für ihr Kunstherz weit
über 100.000 Euro.
3
Entwicklung einer neuen Stromversorgung
Bislang werden die Herzunterstützungssysteme und das Kunstherz über Kabel durch
die Haut mit Strom versorgt. Eine bekannte Technologie könnte die Stromversorgung
dieser Geräte revolutionieren.
Bei den voll implantierbaren Kunstherzen erfolgt die Energieversorgung von außerhalb des
Körpers. Der Patient trägt dazu einen Gürtel, an dem die Akkus angebracht sind. Die so
genannte Driveline versorgt die Pumpe mit Strom. Sie läuft durch die Bauchdecke hindurch,
was die Gefahr von Infektionen birgt. Damit keine Krankheitserreger in das Loch eindringen
und das Kabel nicht verrutscht, muss die Stelle sauber gehalten und regelmäßig neu mit
Pflaster verbunden werden. Zudem kann durch mechanische Beanspruchung die Driveline
brechen.
Großes Potenzial
„Der Patient soll wieder ein möglichst
normales, gutes Leben führen
können“, sagt Thomas Finocchiaro.
„Deshalb hat unser Kunstherz keine
Drähte oder Schläuche, die nach
außen führen.“ Der Träger kann
duschen, ein Bad nehmen, es gibt
keine Wunde, die versorgt werden
muss, und – aus medizinischer Sicht
am wichtigsten – das Infektionsrisiko
ist gleich Null.
„Die nicht-invasive transkutane
Energieversorgung ist ein Punkt, an
dem ich bei den VADs mit das größte
Entwicklungspotenzial sehe“, sagt Jan
Gummert vom Herz- und
Diabeteszentrum NRW. Er verweist
darauf, dass die zu übertragende
Energiemenge wesentlich höher sei
als beispielsweise bei einer
elektrischen Zahnbürste. Eine weitere
Schwierigkeit: Das System muss so
zuverlässig arbeiten, dass Ausfälle
Über Induktion soll die kabellose
ausgeschlossen werden können.
Energieversorgung des Kunstherzens der
Gummert hofft, dass diese Hürden
Reinheart TAH GmbH errmöglicht werden.
bald überwunden sind. „Wenn die
Quelle: Institut für Angewandte
Medizintechnik/RWTH Aachen
transkutane Energieübertragung
möglich wird, könnte ich mir
vorstellen, dass sehr viel mehr Patienten ein Herzunterstützungssystem bekommen werden.“
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