Aufmerksamkeit und Gedächtnis aus allgemeinpsychologischer und neurowissenschaftlicher Sicht Das Mehrspeichermodell: • sensorischer Speicher/Aufmerksamkeit • Kurzzeitgedächtnis • Langzeitgedächtnis Gedächtnissysteme: • abgrenzbare Gruppen von Hirnarealen und Prozessen, • spezialisiert auf die Speicherung und Wiedergabe bestimmter Arten von Informationen • deklarativ (explizit) • prozedural (implizit) Das Mehrspeichermodell Aufmerksamkeit Reizinformation Sensorischer Speicher (visuell/auditorisch/ haptisch) Merkmalsextraktion Mustererkennung Zerfall von nicht beachteter Information Kontrollprozesse: Wiederholung Umkodierung Elaboration Transfer Kurzzeitgedächtnis Abruf Interferenz und Ersetzen durch neu eintreffende Information Langzeitgedächtnis (episodisch/ semantisch/ prozedural) Interferenz oder Zerfall von Spuren oder fehlende bzw. mangelhafte Abrufhinweise Das Mehrspeichermodell Aufmerksamkeit Reizinformation Sensorischer Speicher (visuell/auditorisch/ haptisch) Merkmalsextraktion Mustererkennung Zerfall von nicht beachteter Information Das schnelle perzeptive Repräsentationssystem der sensorische Speicher • große Speicherkapazität •Sensorische Reize werden für Sekunden / Sekundenbruchteile stabil gehalten. • Kodierung, Merkmalsextraktion und Anregung von selektiven Aufmerksamkeitssystemen wird ermöglicht. • Alle ankommenden Reizmuster werden auf einige wichtige Elemente hin (z. B.: bedrohlich − neutral) analysiert. • Zusammenfassung gleichzeitig auftretender Merkmale → Ermöglichung der Bildung von Gestalten und Bedeutung schon auf vorbewusster Ebene • Enkodieraufgaben des sensorischen Gedächtnisses: Merkmalsextraktion, Erkennen und Identifikation des Reizes, Mustererkennen und Benennen • keine Bewertung der Information durch einen Vergleich mit Langzeitinhalten Das Mehrspeichermodell Aufmerksamkeit Reizinformation Sensorischer Speicher (visuell/auditorisch/ haptisch) Merkmalsextraktion Mustererkennung Zerfall von nicht beachteter Information Kontrollprozesse: Wiederholung Umkodierung Elaboration Kurzzeitgedächtnis Interferenz und Ersetzen durch neu eintreffende Information Das Kurzzeitgedächtnis (KZG) Aufgabe: Enkodierung auf der psychologischen Ebene: Umformung / Verschlüsselung der Information in unverwechselbare zeitliche Sequenzen, räumliche Konfigurationen oder semantische Beziehungen Enkodierung auf der neuronalen Ebene: Umformatierung der Information durch Änderung zellulärer Bestandteile und neuronaler Aktivität Das Kurzzeitgedächtnis (KZG) Charakteristika: • Speicherkapazität des KZG: 7 ± 2 Elemente • Inhalte werden zu Einheiten verkettet und geordnet → viele Inhalte können behalten werden. • Es werden also neue Inhalte erzeugt, die so nicht in der Umgebung vorhanden waren. • Je mehr Inhalte einströmen, desto weniger Platz bleibt für Assoziation, Organisation und Gruppierung. • bewusste, kontrollierte Verarbeitung Die Organisation von Wissenselementen im KZG • Organisation von Wissenselementen in Chunks (Verhaftungen, Gruppierungen) → große Informationsmengen können auch ohne Wiederholung im KZG aufgenommen werden. • 5-7 Chunks passen ins KZG. • Chunks können z. B. Verbindungen von Buchstabengruppen in einem Wort oder mehreren Tönen zu einem Rhythmus u. ä. darstellen. • wesentliche Funktion des KZG: Wiederholung und Konsolidierung Das Mehrspeichermodell Kontrollprozesse: Wiederholung Umkodierung Elaboration Aufmerksamkeit Reizinformation Sensorischer Speicher (visuell/auditorisch/ haptisch) Merkmalsextraktion Mustererkennung Zerfall von nicht beachteter Information Transfer Kurzzeitgedächtnis Abruf Interferenz und Ersetzen durch neu eintreffende Information Langzeitgedächtnis (episodisch/ semantisch/ prozedural) Interferenz oder Zerfall von Spuren oder fehlende bzw. mangelhafte Abrufhinweise Übertragung ins Langzeitgedächtnis Je mehr zeitliche, räumliche und semantische Beziehungen kodiert werden, umso reichhaltiger ist der „Kode“, und umso wahrscheinlicher ist eine Übertragung ins LZG. Die Übertragung ins LZG hängt von „tiefer“ und „reichhaltiger“ Kodierung der Information im KZG ab (Elaboration). Bsp.: elaboriertes Memorieren eines Satzes: physikalische Beschaffenheit syntaktische und phonemische Struktur semantische Analyse der Bedeutung • Der Übergang vom KZG ins LZG erfordert meist Organismus-interne oder –externe Wiederholung. • zugrunde liegender Prozess: Konsolidierung = das zyklische „Kreisen“ (Wiederholen) von Information im selben Abschnitt des KZG • Dies führt dazu, dass die Information dort „am Leben erhalten wird“. • Nach einer bestimmten Anzahl von Zyklen kann eine hypothetische kritische Schwelle zum LZG überschritten werden. Das Langzeitgedächtnis (LZG) • Im LZG ist die Information nach ihrer Bedeutung und im Kontext gespeichert. • Der Abruf der Information ist kontextabhängig. Erfordert Rücktransport der Information ins KZG • Abruf ist dann erfolgreich, wenn der Kontext der Kodierung in der Realität oder Vorstellung wiederhergestellt wird. Wiedergabe basiert auf einem Muster-Vervollständigungsprozeß. • Arbeitsprinzip: encoding specificity principle • retrieval cues = Teile der ursprünglich eingeprägten Reizsituation (Hinweisreize für die Wiedergabe) • Wiedererkennen ist leichter als Wiedergeben, weil mehr Hinweisreize vorhanden sind. Zusammenfassung des zeitlichen Ablaufs • Informationsaufnahme über die Sinnesorgane, • kurzzeitige „online“ -Repräsentation • Evaluation zur Übertragung ins Langzeitgedächtnis („enkodiert“, „konsolidiert“), • Abspeicherung nach erfolgreicher Evaluation • Abruf zu späteren Zeitpunkten (mit/ohne Hinweisreize (frei) oder als Wiedererkennvorgang) SPI-Modell nach Tulving (1995) Informationen werden seriell eingespeichert (d.h. Verschlüsselung in der zeitlichen Reihenfolge des Eintreffens), parallel abgelegt ( d.h. gleichzeitig etwa in mehreren Systemen) und können unabhängig vom Einspeichermodus abgerufen werden (Serial Encoding - Parallel Storage- Independent Retrieval ) Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis deklarativ (explizit) episodisch prozedural (implizit) „Priming“ (Bahnung, Erwartung) semantisch Fertigkeiten und Gewohnheiten nichtassoziatives Lernen operante Klassische KonditionierKonditionierung ung Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis deklarativ (explizit) episodisch semantisch Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis deklarativ (explizit) Das explizite/deklarative („Wir wissen, dass wir es wissen) Gedächtnis episodisch Die Wiedergabe erfolgt bewusst. semantisch Die Wiedergabe erfordert Anstrengung . Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis Das episodische Gedächtnis deklarativ (explizit) • bezieht sich auf persönliche Erinnerungen, die mental wie in einer Zeitreise zurückverfolgt werden können • ist kontextgebunden, d.h. zeitlich und örtlich spezifizierbar episodisch • ist vermutlich nur beim Menschen vorhanden • hat als Kernbereich autobiografische Erlebnisse semantisch • ist hoch mit affektbesetzten Gedächtnisinhalten korreliert und korrespondiert stark mit Regionen des limbischen Systems und des Frontotemporalbereichs • Abruf abhängig von der Funktionstüchtigkeit des rechten inferior-lateralen Präfrontalcortex zusammen mit dem rechten Temporalpol Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis Das semantische Gedächtnis deklarativ (explizit) episodisch • bezieht sich auf generalisiertes Wissen • enthält Konzepte, Regeln Sinnzusammenhänge, Bedeutungen • ist kontextfrei semantisch • ist relativ weniger affektbesetzt • Abruf abhängig von der Funktionstüchtigkeit des linkeninferior- lateralen Präfrontalcortex zusammen mit dem linken Temporalpol Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis prozedural (implizit) „Priming“ (Bahnung, Erwartung) Fertigkeiten und Gewohnheiten nichtassoziatives Lernen operante Klassische KonditionierKonditionierung ung Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis Priming bezeichnet die höhere WiedererkennWahrscheinlichkeit für Reize, die zu einem früheren Zeitpunkt unbewusst wahrgenommen wurden. prozedural (implizit) „Priming“ (Bahnung, Erwartung) Fertigkeiten und Gewohnheiten nichtassoziatives Lernen operante Klassische KonditionierKonditionierung ung Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Fertigkeiten und Gewohnheiten Gedächtnis •Die Wiedergabe erfolgt unbewusst. •Die Wiedergabe erfordert keine willentliche Anstrengung. •Sie kann verbal nur schwer „auf Kommando“ aufgerufen werden. •Enthält Aktionen, motorische Fertigkeiten sowie eine Reihe weiterer verschiedener Funktionen (u.a. Konditionierungen, Habituation) •Auch hochgradig automatisierte, routinisiert ablaufende Gedächtnisinhalte wie das Spielen von Musikinstrumenten sind hier abrufbar. prozedural (implizit) „Priming“ (Bahnung, Erwartung) Fertigkeiten und Gewohnheiten nichtassoziatives Lernen operante Klassische KonditionierKonditionierung ung Die wichtigsten heute unterscheidbaren Gedächtnissysteme Gedächtnis deklarativ (explizit) episodisch prozedural (implizit) „Priming“ (Bahnung, Erwartung) semantisch Fertigkeiten und Gewohnheiten nichtassoziatives Lernen operante Klassische KonditionierKonditionierung ung Schacter, Daniel L. (1999). The Seven Sins of Memory – Insights from Psychology and Cognitive Neuroscience. American Psychologist, 54 (3), 182-203. The Seven Sins of Memory Die ersten drei “Sünden” spiegeln verschiedene Arten von Vergessen wider: 1. transience: abnehmende Zugänglichkeit von Information über die Zeit 2. absent-mindedness: unaufmerksame oder „flache“ Verarbeitung, die dazu führt, dass laufende Ereignisse nur schwach erinnert werden können, oder dass Absichten, etwas zu tun, vergessen werden 3. blocking: vorübergehende Unzugänglichkeit von gespeicherter Information The Seven Sins of Memory Die nächsten drei “Sünden” enthalten Verzerrungen oder Ungenauigkeiten: 4. misattribution: eine Erinnerung oder Idee wird einer falschen Quelle zugeschrieben 5. suggestibility: der Versuch, vergangene Erfahrungen zu erinnern, wird von Leitfragen oder Hinweisen beeinflusst 6. bias: retrospektive Verzerrungen und unbewusste Einflüsse, die in Beziehung zu momentanem Wissen und Überzeugungen stehen Pathologische Erinnerungstätigkeit: 7. persistence: Informationen oder Ereignisse können nicht vergessen werden, obwohl man es möchte