Mitglied im Unter der Schirmherrschaft der Deutschen Krebshilfe e.V. 10. BUNDESWEITER DLH-PATIENTENKONGRESS Leukämien & Lymphome 16. und 17. Juni 2007 in Heidelberg —Textbeiträge— WAS BEDEUTEN STUDIEN FÜR MICH; WIE KANN ICH SIE VERSTEHEN? Dr. Karin Potthoff, Heidelberg 10. Bundesweiter DLH-Patienten-Kongress Leukämien & Lymphome Heidelberg, 16.06.2007 Was bedeuten Studien für mich, wie kann ich sie verstehen? Referentin: Dr. med. Karin Potthoff Sehr geehrte Betroffene, Angehörige, Ärzte und andere Interessierte, bei einer schweren, lebensbedrohlichen Krankheit wie einer Leukämie oder einem Lymphom wird sich jeder Betroffene fragen: „Wie lange lebe ich noch? Was ist die beste Therapie für meine Krankheit? Werde ich optimal behandelt? Wird alles Menschenmögliche für mich getan? Entspricht es den neuesten und weltweit besten Therapiemöglichkeiten?“ Die Entwicklung neuer, verbesserter Therapien ist heutzutage sehr dynamisch. Die neuen Erkenntnisse werden größtenteils aus kontrollierten klinischen Studien gewonnen. Eine klinische Studie beinhaltet ein neues Behandlungskonzept, das nach den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen Aussicht hat, erfolgreicher zu sein als die bisher übliche Behandlung. Die Studienteilnehmer erhalten häufig als erste die Chance, die verbesserte Wirksamkeit neuer Therapieansätze zu erfahren. Welche Ziele verfolgt eine klinische Studie? Eine klinische Studie wird durchgeführt, um Erkenntnisse über ein neues Medikament oder eine neue Behandlungsform zu erhalten. Dabei stellen klinische Studien das Bindeglied zwischen der medizinischen Grundlagenforschung und der Behandlung von erkrankten Patienten dar. Therapiestudien z.B. haben zum Ziel, die Sicherheit und Wirksamkeit neuer Therapieverfahren zu untersuchen und für jeden einzelnen Patienten die optimale Therapie zu bestimmen. Neben Therapiestudien gibt es auch Medizinprodukte- und Diagnostikstudien sowie frei formulierte Studien. Welche Voraussetzungen müssen für eine klinische Studie erfüllt sein? Klinische Studien werden nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen unter genau vorgegebenen Bedingungen durchgeführt. Um das Risiko für den Menschen dabei möglichst gering zu halten, müssen gesetzliche Vorschriften und ethische Empfehlungen beachtet werden. Die Planung, Durchführung und Auswertung von klinischen Studien unterliegen international festgelegten strengen Kriterien der Good Clinical Practice („Gute klinische Praxis“). Zwingend erforderlich vor dem Start einer klinischen Studie ist die Erstellung eines klinisch-wissenschaftlichen Studienprotokolls, in dem genau festgelegt wird, welche Patienten mit welcher Krankheit, welchem Stadium, welchen Risikofaktoren wie behandelt werden sollen. Vor Beginn einer klinischen Studie muss dieses Studienprotokoll von einer Ethikkommission und der Bundesoberbehörde (Paul-Ehrlich-Institut in Langen oder Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn) genehmigt werden. Erst wenn beide Genehmigungen vorliegen, darf eine klinische Studie in Deutschland beginnen. Zwingend erforderlich für die Teilnahme an einer klinischen Studie ist darüber hinaus die ausführliche, und für den Patienten verständliche Aufklärung durch einen Prüfarzt und die schriftliche Einwilligung des Patienten zur Teilnahme. Was ist eine „gute klinische Studie“? Nur sorgfältig und kritisch von verschiedenen Ärzten und Wissenschaftlern konzipierte und durchgeführte Studien bieten die Gewähr, dass neue Therapieverfahren, wenn sie sich bewähren, rasch allen betroffenen Patienten zugänglich gemacht werden können. „Sensationelle Einzelfallerfolge“ sind für die Weiterentwicklung von Therapieverfahren nicht verwertbar. In klinischen Studien wird daher nach wiederholten Erfolgen gesucht, die vielen erkrankten Menschen verlässlich und wiederholbar helfen. „Gute Studien“ vergleichen häufig zwei oder mehrere Behandlungsformen miteinander oder sie versuchen herauszufinden, ob eine neue Art der Behandlung Vorteile gegenüber einer Scheinbehandlung (Placebo) aufweist. So genannte „doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte, multizentrische Phase III-Studien“ stellen das anspruchvollste, aber auch wissenschaftlich aussagekräftigste Studiendesign dar. „Doppelblind“ bedeutet, dass weder der Arzt noch der Patient wissen, ob der Studienteilnehmer die zu testende Substanz, ein Vergleichspräparat oder ein Placebo erhält. Dies ist in der Hämatologie und Onkologie meist nicht realisierbar, allein aus ethischen Gründen, so dass hier die meisten Studien als „offene Studie“ konzipiert werden und sowohl der Arzt als auch der Patient wissen, welche Therapie gegeben wird. „Randomisiert“ bedeutet, dass die Zuweisung der Patienten in verschiedene Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip erfolgt, zumeist in eine Versuchsgruppe und eine Kontrollgruppe („randomisierte, kontrollierte Studie“). In Deutschland wurden seit Ende der 70er Jahre verschiedene klinische Studiengruppen gegründet, die sich die Verbesserung der Therapie von Leukämien und Lymphomen zum Ziel gesetzt haben. Beispiele hierfür sind das „Kompetenznetz Akute und Chronische Leukämien“ sowie das „Kompetenznetz Maligne Lymphome“. Durch die ständige Zusammenarbeit vieler fachkompetenter Ärzte aus Universitätskliniken, Krankenhäusern, onkologischen Praxen, Hausarztpraxen im Rahmen von großen, multizentrischen Therapiestudien wurde die Qualität der Diagnostik und Therapie und die Heilungsmöglichkeiten von Leukämien und Lymphomen bereits entscheidend verbessert. Auch international werden Studienaktivitäten der deutschen Studiengruppen als vorbildlich anerkannt. Wie kann ich Studienergebnisse bewerten? Die Komplexität klinischer Studien zeigt, dass es zur Interpretation von Studienergebnissen umfassender Kenntnisse und Erfahrungen bedarf. Gefordert wird, dass auf jede Studie mit besonders guten positiven Ergebnissen weitere bestätigende Studien folgen, bevor konkrete Empfehlungen für Behandlungsstrategien in der täglichen Routinetherapie gegeben werden. Welche Vorteile ergeben sich aus der Teilnahme an einer klinischen Studie? Studienteilnehmer werden stets engmaschig und intensiv ärztlich betreut und nach dem neuesten medizinischen Wissensstand behandelt. Sie können neu entwickelte Medikamente schon vor der Zulassung erhalten. Dies ist eine große Chance und kann dem Einzelnen und vielen anderen betroffenen Patienten nützen. Kontakt: Patienten- und Studienzentrale Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg Telefon: 06221 56 6993 Fax: 06221 56 6994 E-Mail: [email protected] Krebsinformationsdienst (KID) Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg Telefon: 0800 420 30 40 täglich von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr E-Mail: [email protected] Internet: www.krebsinformationsdienst.de