Probleme der Region

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Gesundheit
&
Heilen
Wie das
Krankheitsverhalten
verstehen?
Probleme und Konflikte
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
&
Heilen
Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Literatur
 Siegel, B. (1994): Prognose Hoffnung – Liebe, Medizin und Wunder.
Düsseldorf
 Simonton, O., Simonton, St., Creighton, J. (1982): Wieder gesund werden.
Eine Anleitung für Krebspatienten und ihre Angehörigen. Hamburg
 Simon, F. (1995): Die andere Seite der Gesundheit. Ansätze einer
systemischen Krankheits- und Therapietheorie. Heidelberg
 Pott, G. (2004): Der angesehene Patient. Ein Beitrag zur Ethik in der
Palliativmedizin, Stuttgart
 Aulbert, E., Zech, W. (1997): Lehrbuch der Palliativmedizin. Stuttgart
 Schuller, Heim, Halusa (Hrsg.): Medizinsoziologie – ein Studienbuch. Köln
1992
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Der Krankheitsgewinn
oder
Warum man sich wünschen
kann, nicht gesund, sondern
krank zu sein
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Der Krankheitsgewinn
Die Rolle des „Kranken“
Auffangmöglichkeiten für leistungsgeminderte Mitmenschen,
die vor dem Herausfallen aus sozialen Bezügen und
Sanktionen in Beruf und Familie bewahren:
 Krankschreibung
Freistellungen
 Krankenhauseinweisung
Reha-Behandlungen
 Pflegedienste
Attest
 Ist mit strikten Mustern für alltägliches Verhalten und Beziehungen
verbunden. D. h. mit Krankheit ergibt sich umgehend eine soziale
Situation mit vorgegebenen Spielregeln = Rollen
 Die Rollen sind nicht frei aushandelbar = es sind bestimmte sozialkulturell vorgegebene Erwartungen einzulösen (legen fest, was „gut“ u.
„schlecht“ sei).
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Der Krankheitsgewinn
Gegenentwurf zum westlichen
Konzept von Gesundheit
 Der Mensch ist ein soziales, liebebedürftiges Wesen.
 Benötigt einen sinnerfüllten Lebenszusammenhang.
 Braucht eine lebensstützende Umgebung.
Erlaubt Sicht auf andere Aspekte: Zuflucht in Krankheit!
 Um bestimmte eigene Interessen, Bedürfnisse zu realisieren.
 Um auf das soziale Umfeld in bestimmter Weise einzuwirken.
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Der Krankheitsgewinn
Krankheit in unserer Kultur = „krank feiern“:
Mit Belohnung in Verbindung gebracht:
 Zu Hause bleiben können.
 Sich ausruhen können.
 Karten, Blumen, kleine Geschenke bekommen.
 Anteilnahme der anderen durch Besuche.
 Wünsche und Bedürfnisse werden besonders
beachtet = man bekommt sein Lieblingsessen
 Man hat besondere Privilegien gegenüber
Gesunden.
 …
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Der Krankheitsgewinn
Krankheit in der Biografie
Warum gerade hier?
Warum gerade jetzt?
Den Blick wenden auf die leidenschaftliche und leidende
Seite des Daseins:
 Was sind die leidenschaftliche und leidvollen Seiten des
Menschen?
 Was in der Biografie eines Menschen ist dasjenige, was ihn
krank zu machen in der Lage ist?
 Was ist das Ungelebte, manchmal auch das ungeliebte Leben,
die Unerfülltheit, Unabgeschlossenheit hinter der Erstarrung?
 Was an der Krankheit ist sich-selbst-erfüllende-Wartehaltung
und Hoffnung zugleich?
Sozialarbeit
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Der Krankheitsgewinn
Krankheit in der Biografie
Man hat nicht nur eine Krankheit, sondern man gestaltet sie auch:
Warum gerade hier?
Warum gerade jetzt?
 Was kann über die Krankheit verwirklicht werden?
 Was muss wegen der Krankheit nicht gelöst/bearbeitet/erledigt
werden?
 Was bedeutet die Wirkung der Krankheit für die Mitmenschen?
 Hat der Mensch seine „Kohärenz mit der Umwelt“ verloren –
wo und warum?
Sozialarbeit
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Der Krankheitsgewinn
Zuflucht in Krankheit
 Häufig letzter Versuch, soziale Zuwendung und Entlastung zu erlangen,
auch um den Preis operativer Verstümmelung, medikamentöser
Vergiftung, bürokratischer Schikane.
 Möglichkeit, den eigenen Lebensproblemen durch Leiden, Krankheit o.
Tod zu entkommen.
 Suche nach omnipotenter Vaterfigur = Entscheidungen werden dem
Arzt völlig überlassen.
 Opferrolle:
 „Mir wird etwas angetan“ = ich kann mir selbst nicht helfen, habe
keine Kontrolle über mich, kann/muss mich selbst nicht ändern.
 Schuld für missliche Lebenssituation kann auf andere/anderes
geschoben werden; eigene Anteile daran müssen nicht
eingestanden werden.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Der Krankheitsgewinn
Warum gesundheitsschädigendes
Verhalten nicht aufgeben?
Abwehr-Strategien = kognitive Dissonanzreduktion
 Vergleich mit drastischeren Gefahren (z. B. auf Tschernobyl)
 Zurückweisung persönlicher Konsequenzen durch Hinweis auf
Ausnahmen oder persönliche Schutzmaßnahmen.
 Verweis auf Kontrollmöglichkeiten („Ich könnte jederzeit
aufhören, wenn ich wollte“),
 Kosten-Nutzen-Abwägung („Vorteile aus Verzicht schwach,
während sonst schwere Nachteile entstehen“)
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Der Krankheitsgewinn
Der Krankheitsgewinn und Konsequenzen
für Soziale Arbeit?
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Der Krankheitsgewinn
Krankheit
 Kontinuum zwischen Krankheit u. Gesundheit = ist zusammenzudenken
 Normaler Zustand ist Heterostase = Ungleichgewicht im menschlichen
Organismus
 Prozesshaftes der Vorgänge mit Möglichkeit der Wieder-Neuschöpfung
u. Neuorientierung
 Je nach Betrachtung ist ´mal das eine Weg oder Ziel , ´mal das Andere
 Frage nach Pathogenese UND Salutogenese = wie trotz
Gefährdungen weitgehend gesund bleiben?
 Leidensfähigkeit als Bestandteil von Gesundheit anerkennen!
 Ungeheuren Einfluss der Emotionen auf Gesundheit u.
Krankheit beachten = Beitrag, ob wir eine Krankheit haben,
beibehalten, fördern o. beendet
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Grundsatzfragen mit Blick auf den Willen zu leben/gesund zu werden
Warum haben Sie diese Krankheit gebraucht?
Psychische Bedürfnisse, die die Krankheit erfüllt:
 Erlaubt Dinge zu tun, die sonst verboten wären.
 Erleichtert, Lasten, Pflichten, Forderungen anderer zurückzuweisen.
 Dient dazu, Dinge zu ermöglichen, die schon immer gewollt wurden, die man
aber nie in Angriff genommen hat.
 Verschafft Zeit zum Nachdenken, zur Meditation, zum Pläneschmieden.
 Bietet eine Entschuldigung für Misserfolge.
 Erleichtert, Liebe, Zuwendung u. Fürsorge zu fordern u. entgegenzunehmen.
 Erlaubt, Gefühle anzusprechen u. ehrlicher zu sein.
 Ermöglicht, sich der Zuneigung u. Sorge anderer zu versichern (Mitleid)
 Möglichkeit, mit der Welt in Verbindung zu treten.
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Der Karriere zum Patienten
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Karriere des Menschen im medizinischen System
Vom „Laiendiagnostiker“
Zu „Hilfesuchenden“
zum „Patienten“,
zum „Devianten“,
zum „Stigmatisierten“
zum “Gesunden“
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Laiendiagnostiker
Versuch des Individuums, sich bei Auffälligkeiten,
vermeintlicher und wirklicher Symptombildung selbst über den
körperlichen Zustand und mögliche Abhilfen klar zu werden.
 Durch die individuellen und kulturellen Möglichkeiten der
Selbstwahrnehmung und der Fähigkeit zur Interpretation von Anzeichen
und Beschwerden geprägt.
 „Selbsttherapie“ häufig von subjektiven und emotionalen Faktoren
verzerrt (z. B. bei einer Häufung von Erkrankungen in der Familie).
 Je intensiver, je bedrohlicher, schmerzhafter, sichtbarer, auffälliger,
behindernder, länger das Symptom erscheint und je mehr die
resultierende Krankenrolle mit anderen zentralen Aktivitäten kollidiert.
Indem Rat von Familienmitglieder und Freunden hinzugezogen wird,
wird die Person zum Hilfesuchenden.
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Der Hilfesuchende
Versuch des Individuums, sich im Laiensystem Hilfe für die Diagnose
und Therapie zu holen:
 Fakten, die der Betroffene an sich selbst beobachtet, werden an
signifikant andere mitgeteilt = private Erfahrung wird zu einem sozialen
Tatbestand.
 Erkundung vorinstitutioneller und vormedizinischer Möglichkeiten, um
Störungen im Lebensgefüge des Betroffenen zu interpretieren und
aufzufangen.
 Kommunikationsort = das soziale Nahfeld (Familie, Wohngemeinschaft).
 Dem Betroffenen werden Zuwendung und Interesse zugesichert =
Motive gehen oft über die Krankheit im engeren Sinne hinaus.
 Sprachliche und emotionale Kommunikation bleibt unter den Beteiligten
erhalten, weil alle über alle relevanten psychischen, sozialen und
somatischen Informationen verfügen.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Der Hilfesuchende
Das Laiensystem bei Diagnose und Therapie
 Weder begrifflich noch faktisch wird zwischen verschiedenen
Aspekten und Ursachen der Störung unterschieden = Das
Lebensgefüge als Ganzes wird zur Diskussion gestellt.
 Struktur des Laiensystems = ohne feste Rollen: Alle sind
potentiell sowohl „Diagnostiker“ als auch „Therapeut“.
 Laiensystem birgt Gefahren:
 Ratschläge ineffektiv, bisweilen schädlich,
 Vielfalt der Ratschläge und Autorität der Ratgeber kann
Empfänger unter Druck setzen und pathogene Konflikte
auslösen.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Die Patient-Werdung
Laiensystem verweist auf Medizin, wenn das Problem nicht lösbar
ist = hat Filterfunktion für die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe
Person wird:
 Zum ersten Mal als „Patient“ identifiziert!
 Damit an das professionelle Hilfesystem weitergeleitet.
= Der Krankheitsbegriff des jeweiligen Laiensystems ist der
erste und wichtigste Filter in der Bestimmung, wer Patient
ist bzw. werden kann.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Die Patient-Werdung
Allgemeinarzt/Hausarzt: Konsultation hat trotz
Professionalität noch viele informelle Aspekte.
Hausarzt:
 Lebt in dem Umkreis, in dem auch der Patient lebt.
 Ist wegen räumlicher Nähe verfügbar, erreichbar und vertraut.
 Hat durch langanhaltende Betreuung, oft der gesamten
Familie, einen engeren, informelleren und auch affektive
Aspekte einbeziehenden Kontakt zu seinen Patienten.
 Sprachliche u. sonstige Barrieren hin zum Arzt können vom
Patienten bewältigt werden.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Die Patient-Werdung
Hausarzt:
 Versucht, die von der Person präsentierten Störungen zu sichten.
 Ordnet diese in den allgemeinen Lebenszusammenhang ein.
 Erarbeitet eine Grobeinschätzung der Situation.
 Identifiziert Krankheit und bestätigt oder verwirft damit die
Notwendigkeit, der Person den Status eines „Patienten“ zuzuweisen.
 Siebfunktion:
 Behandelt bestimmte Krankheiten und gibt Ratschläge zu deren
Bewältigung.
 Ist die Störung zu schwer, dann Weiterleiten an andere
medizinische Institutionen (Facharzt, Klinik)
Aus dem Hilfesuchenden wird vorübergehend ein Patient
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Das Patient-Sein
Facharzt:
 Arbeitet mit vorselektierten Patienten.
 Beziehung zwischen Arzt und Patient ausschnitthaft, formell und relativ
arm an affektiven und sozialen Bezügen (Arzt kennt Lebens-, Arbeitsund Gefühlswelt des Patienten kaum).
 Der herrschende Krankheitsbegriff ist spezialisiert, somatisch und auf
eine Organ-Dysfunktion beschränkt, psychische und soziale Aspekte
spielen dabei kaum eine Rolle.
 Das Autoritätsgefälle zwischen Facharzt und Patient ist groß.
 Erwartungen des Patienten an den Arzt hoch.
 Chancen des Patienten zu einer Kommunikation gering.
 Verweist bei einer gewissen Schwere der Störung an die Klinik.
Aus dem Hilfesuchenden wird ein Patient mit speziellen Auffälligkeiten
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Rolle des „Kranken“
Der besondere Vorteil eines naturwissenschaftlichschulmedizinischen Paradigmas:
Strikte Trennung/Autonomie von Körper und Geist/Psyche
Voraussetzung für die Ableitung des Opferstatus des Patienten:
 Das Resultat „Krankheit“ kann dem Einzelnen nicht zugerechnet
werden = Kranker ist nicht „Täter“/nicht willentlich beteiligt, sondern
„Opfer“.
 Freisein und Freispruch von Verantwortung für die Krankheit = höchst
wünschenswerte und mitunter lebensnotwendige Entlastung als Beitrag
zur psychischen Ökonomie des Kranken als auch der Bezugspersonen
mit oft gegensätzlichen Affekt-Versuchungen (z. B. beim Lästigfallen
Angehörigen).
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Rolle eines „Kranken“: Rechte
 Der Kranke darf Aufmerksamkeit, Zuwendung und Interesse
seines sozialen Nahfeldes beanspruchen.
 Der Kranke wird von allen normalen Rollen- und
Aufgabenverpflichtungen befreit – variiert je nach Krankheitsbild
zeitlich und im Ausprägungsgrad.
 Er muss dazu jedoch anerkennen, dass die Krankheit
unerwünscht ist; Er soll seinen Zustand im Rahmen der
Möglichkeiten als tendenziell vorübergehend akzeptieren
 Der Kranke hat das Recht und die Pflicht, kompetente Hilfe und
Unterstützung einzufordern und sich kooperativ zu verhalten
(Compliance).
 Er sich um seine Gesundung in Zusammenarbeit mit dem Arzt
bemühen = sind nicht beteiligt an Erkrankung.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Rolle eines „Kranken“: Forderungen
 Kranke sollen sich einer zwischenmenschlichen Beziehung aussetzen, in
der die Aufmerksamkeit nicht ihm als ganzer Person gilt, sondern nur
bestimmten Organen.
 Wissen und Können liegen allein beim Arzt, der Patient ist „inkompetent“ und
hat sich nur „be-handeln“ zu lassen.
 Der Körper soll für diagnostische und therapeutische Eingriffe maximal
bereitgehalten werden.
 Geforderte Fähigkeit ist Passivität (oft durch Angst und Schmerz
sichergestellt).
 Psychische Krankheit = Spaltung des Individuums nicht allein in Körper und
Psyche, sondern auch in mehrere geistige Bereiche: einen autonomen, nicht
selbst steuerbaren Teil (psychische Störung) und einen Teil, für den jeder
selbst verantwortlich ist.
 Freispruch von Schuld/Absicht betrifft auch die Mitmenschen u. Interaktionspartner (Pfleger, Ärzte) des Kranken = sind nicht beteiligt an Erkrankung.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere: Der Deviante/Stigmatisierte
Klinik: In der Regel letzte Etappe gesundheitlicher Versorgung, die
Patienten mit besonderes schwerer Störung versorgt
 Stationär und überwiegend liegend = Person ist mit ihrer ganzen
physischen, psychischen und sozialen Problematik Patienten,
diagnostische und therapeutische Maßnahmen beschränken sich aber
in der Regel nur auf das somatisches Leiden.
 Patient verliert seine normale soziale Rolle und Stellung.
 Hoher Status des Arztes: Bestimmt alle für den Patienten wichtigen
Umständen (Diagnose- und Therapieplanung, Dauer, individuelles
Verhalten, Leistungsvolumen, Kommunikationsklima, internen Ablauf).
 Patient spielt in dem organisatorischen Gefüge der Klinik kaum eine
Rolle = ist Regeln und Normen unterworfen, die er nicht durchschauen,
kritisieren und verändern kann = Normabweichendes Verhalten ist mehr
oder weniger folgerichtig.
Aus dem Patienten mit speziellen Auffälligkeiten wird ein Devianter
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Der Patient – ein Devianter:
Compliance
 Arzt-Patienten-Interaktion = Patient ist passiver Empfänger
ärztlicher Anweisungen.
 Art und Weise, wie sich der Patienten unterordnet, sich den
diagnostischen und therapeutischen Anweisungen des Arztes
unterwirft.
Bewertungsmaßstab = arztzentrierte Perspektive
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Der Patient – ein Devianter:
Non-Compliance
 = Ungehorsam des Patienten gegenüber dem Arzt
beispielsweise in Form von Kritik an dessen professioneller
Kompetenz oder Therapie- und Verhaltensanweisungen,
Nichtbefolgen der Anweisungen oder Ratschläge.
Aus Sicht des Arztes = moralisches Versagen
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Heilen
Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Der Patient – ein Devianter:
Non-Compliance aus Sicht des Patienten:
 Folge der Unvereinbarkeit von Lebensbedingungen des Patienten mit
dogmatischen Therapieplänen,
 Anspruch auf Selbstregulation:
 Austesten = Durch Absetzen von Therapie sich selbst ein Bild von dem
Ausmaß der Störung verschaffen/sich diese wieder bewusst zu machen.
 Abhängigkeitskontrolle = insbesondere Dauertherapie wird als Bedrohung
der Selbststeuerung empfunden, das nicht-streng-an- Verordnung-Halten als
Versuch, selbst wieder Kontrolle über die Krankheit zu erhalten.
 Stigma-Management: Patient setzt Techniken der Informationskontrolle ein,
um Stigmatisierungsprozesse zu entgehen (z.B. keine Medikamente in der
Öffentlichkeit)
 Situativer Steuerungsbedarf: Therapie wird aus praktischen Gründen und
mit Bezug zum Alltag variiert (z. B. Einnahme von Medikamenten zu einer
bestimmten Tageszeit)
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Der Patient – ein Devianter:
Compliance
 Arzt-Patienten-Interaktion = Patient ist passiver Empfänger
ärztlicher Anweisungen
 Art und Weise, wie sich der Patienten unterordnet, sich den
diagnostischen und therapeutischen Anweisungen des Arztes unterwirft.
Mitwirkungsbereitschaft
 Arzt-Patienten-Interaktion = Patient ist aktiver Gestalter seiner
Behandlung, hat eigene Vorstellungen über die Therapie und
bewertet die Wirksamkeit der Medikamente nach seinen
Erfahrungen.
 Art und Weise, wie der Patient mit dem Arzt Aushandlungsprozesse
Prof. Dr. Gundula Barsch
zu einer für ihn passenden Behandlung führt.
Gesundheit
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Der Patient – ein Devianter:
Compliance entwickelt sich ungünstig:
 Bei kommunikativer Unfähigkeit oder Sprachlosigkeit, wenn die
medizinische Prognose eines Patienten ungünstige ist,
 Keine personelle Kontinuität in der Arzt-Patienten-Interaktion
besteht,
 Der Patient nur kurz in der Behandlung verweilt,
 Der Arzt wenig kommunikative Kompetenz entwickelt hat:
 Nicht gelernt hat, bei großem fachlichen
Informationsgefälle/Kommunikationsdifferenzen zu vermitteln,
 Mit dem Patienten keine gemeinsame Wirklichkeitssicht
gefunden werden kann.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Erkranken und soziokulturelle Benachteiligung
Gesundheit als Zusammenspiel von Selbstbild, sozialer
Bewertung und Rolle sozialen Rückhaltes:
 Gesundheitsrelevantes Verhalten ist Teil des Alltagshandelns
und damit durch subkulturelle Bräuche und soziale Normen
gesteuert.
 Wird von relevanten Bezugsgruppen verstärkt und kontrolliert.
 Handlungsabsichten zielen darauf, ein Selbstbild zu
präsentieren, das von einer wichtigen Bezugsgruppe positiv
bewertet wird (Erzielen eines positiven sozialen Vergleichs).
 Handlungsabsichten bedürfen der sozialen Verstärkung, damit
sie auch gegen innere Widerstände durchgesetzt werden.
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Erkranken und soziokulturelle Benachteiligung
Unterschicht:
 Sozialisiert oft zu strengem Gegenwartsbezug = Dinge in der
fernen Zukunft sind von geringerer Bedeutung,
 Motivationale Fähigkeiten zu Bedürfnisaufschub, zielorientiertes
und systematisches Ansteuern ferner Ziele, Frustrationstoleranz
bei Rückschlägen, Durchhaltevermögen wenig entwickelt,
 Prävention und Symptomaufmerksamkeit werden als weniger
relevant erachtet.
 Dominanz eines eher instrumentellen Körperbildes = Maschine,
die eben altert und verschleißt.
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Krankheitsgewinn auf Seiten der Medizin
 Trennung des Menschen in naturales und personal-sozial Wesen =
der Mensch muss sich zu nichts bekennen (Glaube,
Überzeugungen) und sich nicht ändern, um sich behandeln zu
lassen.
 Der Persönlichkeit wird keine Bedeutung beigemessen, soziale
Beziehungen für Heilung nicht als wichtig erachtet = Arzt ist
austauschbar, die Behandler können wechseln.
 Ausbleiben von Heilung/Misslingen von Therapie kann auf die
stärkere somatische Natur des Leidens geschoben werden = weder
Arzt noch Patient sind mitbeteiligt.
 Da keine Schuldfrage aufgeworfen, ist Aufbau von
Krankenversicherungssystemen mit solidarischen Regelungen
möglich.
Prof. Dr. Gundula Barsch
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Erkranken in der westlichen Gesellschaft
Die Patientenkarriere und Konsequenzen
für Soziale Arbeit?
Prof. Dr. Gundula Barsch
Gesundheit
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Forschungsaufgabe zum nächsten Seminar:
„Danach war er erst mal verschnupft!“
„Das geht ihm an die Nieren“
„Er war einfach nur sauer!“
„Davon bekommt er sooo einen Hals!“
„Der hat es faustdick hinter den Ohren!“
„Das
geht
unter die
Haut.“
„Der hat sich etwas aufgehalst!“
Volksmund: Was ist gemeint
und
was sagt die Medizin dazu???
„Das lässt sich doch noch schultern!“
„Der ist ja blind vor Liebe/Hass!“
„Das ist ihm ans Herz gegangen.“
„Das hat ihm das
Genick gebrochen.“
„Das macht ihm
Bauchschmerzen.“
„Das macht mich heiß/kribbelig!“
„Das liegt mir schwer im Magen!“
„Sie fiebert dem Ereignis entgegen!“
Prof. Dr. Gundula Barsch
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