Sucht Begriff Lehrveranstaltung „Einführung in die Drogenarbeit“ Die Diagnostik von Abhängigkeit/Sucht und was Soziale Arbeit dabei beachten muss!! Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Das Phänomen „Abhängigkeit/Sucht" Begriff Literaturempfehlungen zum Thema Dilling, H.W., Mombou, M., Schmidt, H.: Internationale Klassifikation psychischer Störungen. 2. Auflage. Huber, Bern 1993 ICD 10 = Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen der WHO (für das deutsche Gesundheitssystem bindend) Sass, H., Wittchen, H.-U., Zaudig, M.: Diagnostisches u. Statistisches Manual psychischer Störungen DSM-IV, Hogefe 1996 DSM IV = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und statistisches Handbuch psychiatrischer Störungen der Psychiatrischen Vereinigung Amerikas) Gölz, J.: Der drogenabhängige Patient. Handbuch der schadensmindernden Strategien, Taschenbuch Urban & Fischer Verlag, München 1999 Degkwitz P: "Abhängig" oder "selbstbestimmtes Individuum"? Anmerkungen zur Auseinandersetzung um das Verständnis von Drogenkonsum und abhängigkeit. In: Stöver H (Hrsg.) Akzeptierende Drogenarbeit - Eine Zwischenbilanz. Lambertus, Freiburg, 1999. S. 38-56 Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff "Sucht„ /„Abhängigkeit“ im alltäglichen Denken Welche Begriffe existieren im Deutschen für auffälliges/ausschweifendes Verhalten mit Wiederholungscharakter? Wunderlichkeit Vorliebe Marotte Leidenschaft Verlangen Neigung Trieb Hingabe Hang Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff "Sucht„ /„Abhängigkeit“ im alltäglichen Denken SPRICHWORT (Inuit): „Wenn es in Deiner Sprache viele Ausdrücke für Schnee gibt, muss Schnee sehr wichtig für Dich sein.“ Mit Sucht/Abhängigkeit sind ganz spezielle Aspekte gemeint! Gefunden bei: Prof. Ion Anghelescu, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin. http://www.charite-psychiatrie.de/fileadmin/pdf/lehre/2009/med/topic_20090618.pdf , 13.08.2009 Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Subjektive Suchtbegriffe Alle wissen, was „Sucht“ ist? Es besteht in der Bevölkerung ein Konsens, welche Verhaltensweisen dem Begriff zuzuordnen sind. Dieser ist abhängig von dominanten Wertvorstellungen der Gesellschaft und umfasst in unserer Kultur eine Verquickung von: – Starken Wiederholungstendenzen – Mit starker eigener Dynamik – Ein unabweisbares Verlangen, dem der Verstand untergeordnet wird (= es sind andere Kräfte aktiv als die, die in unserer Kultur erlaubt und gefordert sind). – Beeinträchtigt die freie Entfaltung der Persönlichkeit. – Zerstört die sozialen Beziehungen und die sozialen Chancen des Individuums. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Subjektive Suchtbegriffe Begriff Alle wissen, was „Sucht“ ist und wie sich dies beim Rauchen darstellt? Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Subjektive Suchtbegriffe Begriff Alle wissen, was „Sucht“ ist? Vorteile eines allgemein geteilten Suchtkonsens: Bietet Orientierungspunkte für ein Urteil über eigenes und fremdes Verhalten. Hilft bestimmte Risiken/Gefährdungen wahrzunehmen. Regt an, über Korrekturen nachzudenken und umzusetzen. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Subjektive Suchtbegriffe Begriff Die Suchtbegriffe der Expertensysteme? Bestimmte Perspektiven, die physische, psychische u. soziale Prozesse als zu einem Phänomen dazugehörig betrachten: Medizin = Krankheitsfolgen Drogenhilfe = abweichendes Verhalten Psychologie = persönliche Autonomie u. rational gefasste Selbstentfaltung 1. Expertenbegriffe und Suchtkonsens der Bevölkerung klaffen oft weit auseinander. 2. Soziale Arbeit hat deshalb auch aufklärerisch zu wirken. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Das Besondere an "Sucht„ /„Abhängigkeit“ Die Diagnose „Abhängigkeit“ kann auch als das Bemühen verstanden werden, denjenigen Phänomenen, die mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen einhergehen und sowohl für den Konsumenten selbst, als auch für sein soziales Umfeld Störungen und Leiden mit Krankheitswert verursachen, einen Namen zu geben. Insofern ist diese Diagnose eher eine kulturelle Vereinbarung und weniger eine naturwissenschaftlich bestimmbare, biosomatische Erkrankung! Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Der "Sucht"-Begriff Wie erfolgte die erste Medizinarisierung von Drogenkonsum? Trunksucht : Beginn des 20. Jh.: Massives Trinken wird als Krankheit gedeutet. Trunksucht wird zum Modell für Sucht schlechthin. Vorstellungen geprägt durch Elendsalkoholismus des "Lumpenproletariats". Damals als wesentlich gesehene Merkmale: Entzugserscheinungen Persönlichkeitsveränderungen Typisch für unterprivilegierte Schichten Merkmal "sozial Unfähiger„/"psychisch Minderwertiger" Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Trunksucht beschrieben als Elendsalkoholismus 1893 Kraepelin „Lehrbuch der Psychiatrie“: „Der chronische Alkoholiker ist durch das allmähliche Schwinden jener konstanten Motive des Handelns gekennzeichnet, das man moralischen Halt, als Charakter, zusammenzufassen pflegt. Der Trinker verliert mehr und mehr die Fähigkeit, nach festen Grundsätzen zu handeln. Er wird zum Spielball zufälliger äußerer Verlockungen, der immer unbezwinglicher werdenden Neigung zum Alkohol. ... Auch wenn er immer wieder einen festen Entschluss fasst, dem Alkohol, den er als Quelle seines Untergangs erkennt, zu entsagen, so genügt die erste Gelegenheit, um dem schwachen Willen zu entsagen.“ Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Trunksucht beschrieben als Elendsalkoholismus Die Art, wie ein Problem definiert wird, beeinflusst die Lösung, die für ein Problem gefunden wird ! Trunksucht als Form moralischer Verwahrlosung Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933: Sterilisationspflicht bzw. Zwangssterilisation bei Diagnose „Alkoholismus“ Zuweisen der Kategorie „lebensunwertes Leben“ bei Suchtkranken = ca. 50 000 Alkoholiker ermordet Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Diagnose „Abhängigkeit“: Ein Stigma Befragung von Studierenden – viertes Semester 2004 Welche pauschalen Urteile lassen sich für Abhängige finden? Wie kommt Alkoholabhängigkeit zustande? Ein Alkoholiker ist: o Krank 85 % o Ausdruck einer emotionalen Störung 67 % o Für seinen Zustand selbst schuld 60 % o Durch die Umgebung zum Trinker geworden 44 % o Willensschwach 35 % o Erblich bedingt 14 % o Nicht leistungsbereit 10 % o Am ungepflegten Äußeren zu erkennen 8% Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Diagnose „Abhängigkeit“: Ein Stigma Befragung von Studierenden – viertes Semester - 2003 Welche Eigenschaften treffen am ehesten auf Alkoholiker zu? Gefährlich 33 % Sicher Schwermütig 50 % Fröhlich Egoistisch 33 % Uneigennützig Treulos 8% Treu 6% 21 % 8% 21 % Verschwenderisch 37 % Sparsam 6% Verlogen 42 % Ehrlich 8% Lärmend 33 % Ruhig 23 % Stur 56 % Einsichtig 2% Gereizt 67 % Sanftmütig 6% Leichtsinnig 35 % Verantwortungsvoll 6% 2% Hässlich 16 % Schön Rational 16 % Sanftmütig 12 % Offen 25 % Verschlossen 35 % Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Diagnose „Abhängigkeit“: Ein Stigma Begriff Befragung von Studierenden – viertes Semester - 2003 Wie verbreitet sind Erfahrungen mit Alkoholikern? Haben Sie selbst Erfahrungen mit einem Alkoholiker? O Nein 25 % O Ja, in der Familie 21 % O Ja, im Freundeskreis 33 % O Ja, bei Verwandten 33 % O Ja, bei Arbeitskollegen 25 % Könnten Sie mit einem Alkoholiker befreundet sein? O Ja 81 % O Nein 16 % Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Diagnose „Abhängigkeit“: Ein Stigma Welche pauschalen Urteile lassen sich für Abhängige finden? Gölz 1999: "Typische Verhaltensstile Abhängiger": "Verlagerung der Verantwortung für das eigene Handeln auf andere Regellosigkeit, Unpünktlichkeit, Versäumen von Terminen Ausweichen vor Kontakten Neigung zu Manipulation Ausweichen vor Auseinandersetzen durch schnelle Lügen leichte Verführbarkeit zu kriminellen Handlungen Ausweichen vor unangenehmen Sachverhalten Ambivalenz." Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Diagnose „Abhängigkeit“: Ein Stigma "Typische Verhaltensstile Abhängiger": und wie diese Urteile von den Betroffenen in ihr Selbstbild übernommen werden. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Das Problem mit der Diagnose „Abhängigkeit“ Warum ist bei der Diagnose von Abhängigkeit besondere Vorsicht geboten? Abhängigkeit ist verbunden mit: Vielen Zuschreibungen in Bezug auf Charaktereigenschaften. Lebenslangen Konsequenzen für den Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Vielen Möglichkeiten für sozialen Ausschluss u. Verachtung. Wenigen Möglichkeiten, sich gegen Vorurteile zu wehren. Abhängigkeit gehört heute noch zu den schwerwiegendsten Stigmata, die unsere Gesellschaft kennt! Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Das Problem mit der Diagnose „Abhängigkeit“ Was muss Soziale Arbeit bei Diagnose beachten! Mit der Diagnosestellung „Abhängigkeit“ ist sehr sorgsam umzugehen – sie hat oft lebenslange Bedeutung für den Betroffenen und ist mit vielen Einschränkungen verbunden = Sorgfaltspflicht. Vorschnelle Urteile über unangepassten Drogenkonsum auf der Grundlage eigener Gefühle und Befindlichkeiten sind zu vermeiden = Pflicht zur Reflexion. Bei der Diagnosestellung hat sich jeder streng an den vorgegebenen Diagnosestandards zu orientieren = Pflicht zur Objektivität. Vor der Übernahme einer Diagnose von anderen Kollegen ist die Grundlage zu prüfen, auf der dieses Urteil gefällt wurde = Prüfpflicht. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Die Suche nach einem allgemeinen Begriff „Abhängigkeit“ Begriff Wie definierte man zunächst Abhängigkeit allgemein? Ein intensives Verlangen nach der Droge, das als bewusstes Motiv alle Handlungen des Süchtigen durchzieht (= Craving). Toleranzentwicklung. Trifft nicht in jedem Fall und nicht bei allen Substanzen zu! Körperliche Abhängigkeit. Gewöhnung/Habituation = emotionale oder psychische Fixierung auf die angenehmen und euphorischen Wirkungen der Droge. Fehlende Krankheitseinsicht. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Diagnostik: Substanzspezifische Störungen u. Abhängigkeit Begriff Welche Klassifikationssysteme definieren Abhängigkeit? ICD 10 = Internationale Klassifikation der Krankheiten (= 10. Revision) DSM IV = Diagnostisches u. Statistisches Manual Psychischer Störungen (= 4. Revision) International erfolgt ein Abrücken vom allgemeinen Suchtbegriff, weil dieser zu vielschichtig besetzt ist = wird ersetzt durch den Begriff „Abhängigkeit“. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Abhängigkeit: Physische, psychische u. soziale Aspekte Begriff In welche Dimensionen wird Abhängigkeit unterteilt? Physische Aspekte Entzugserscheinungen Toleranzentwicklung Psychische Aspekte Intensives Verlangen Unfähigkeit zu Abstinenzperioden Ein lustbetontes Sind eng miteinander verflochten! Objekt, eine Gewohnheit o. den Konsum nicht o. nur schwer u. unter hohen Kosten aufgeben können Soziale Aspekte Gewohnheit erhält zentralen Stellenwert. Lebensstil u. soziale Beziehungen mit u. um den Konsum organisiert. Vernachlässigung o. Verlernen anderer Interessen, Fähigkeiten, Beziehungen u. ä. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Der psychiatrische „Abhängigkeits"-Begriff Kontrollverlust versus „Eine Art Zwang“ oder „ein intensives Verlangen“ Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Der psychiatrische „Abhängigkeits"-Begriff Wie wird Abhängigkeit durch den DSM IV definiert? (I) DSM-IV (Diagnosekriterien der Amerikanischen Psychiatrischen Organisation): 1. Toleranzentwicklung definiert durch – Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung für gewünschten Effekt. – Deutlich verminderter Effekt bei fortgesetzter Einnahme derselben Dosis. 2. Entzugssymptome, die sich äußern - Charakteristische Symptome der jeweiligen Substanz. - Dieselbe Substanz wird eingenommen, um Entzugssymptome zu lindern. 3. Substanz wird häufig in größeren Mengen o. länger als beabsichtigt genommen Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Der psychiatrische Begriff „Abhängigkeit" Wie wird Abhängigkeit durch den DSM IV definiert? (II) DSM-IV (Diagnosekriterien der Amerikanischen Psychiatrischen Organisation): 4. Anhaltender Wunsch o. erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu verringern o. zu kontrollieren. 5. Viel Zeit für Aktivitäten, um Substanz zu beschaffen, zu konsumieren u. sich von der Wirkung zu erholen. 6. Wichtige soziale, berufliche o. Freizeitaktivitäten werden aufgegeben o. eingeschränkt. 7. Fortgesetzter Substanzkonsum trotz Kenntnis eines anhaltenden o. wiederkehrenden körperlichen o. psychischen Problems. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Der psychiatrische Begriff „Abhängigkeit" Wie sind diese Kriterien zu handhaben? DSM-IV (Diagnosekriterien der Amerikanischen Psychiatrischen Organisation): „Einige Symptome der Störung, mindestens aber drei, bestehen innerhalb desselben 12Monatszeitraumes.“ Um die Vielfalt der Phänomenologie von Abhängigkeit beschreiben zu können, bleibt offen, welche Symptome jeweils obligatorisch u. welche fakultativ sind: Syndrom: Mit körperlicher Abhängigkeit: Merkmal 1+2 Ohne körperliche Abhängigkeit: Weder Merkmal 1 o. 2 Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Der psychiatrische Begriff „Abhängigkeit" Wie sehen Schweregrade von Abhängigkeit aus? DSM-IV (Diagnosekriterien der Amerikanischen Psychiatrischen Organisation): Leicht: wenn überhaupt, dann nur wenige Symptome zusätzlich zu denen, die erforderlich sind, um die Diagnose zu stellen; Symptome führen lediglich zu leichter Beeinträchtigung in Beruf, Sozialen u. Beziehungen. Mittel: Symptome oder funktionelle Beeinträchtigung zwischen „leichter“ u. „schwerer“ Ausprägung. Schwer: Viele Symptome zusätzlich, wobei diese Beruf, soziale Aktivität u. Beziehungen deutlich beeinträchtigen Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Allgemeine Diagnostik von Abhängigkeit ICD-10 : " Es handelt sich um eine Gruppe körperlicher, Verhaltens- u. kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz o. einer Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet wurden. Ein entscheidendes Charakteristikum der Abhängigkeit ist der oft starke, gelegentlich übermächtige Wunsch, Substanzen o. Medikamente (ärztlich verordnet o. nicht), Alkohol o. Tabak zu konsumieren ... Der innere Zwang, Substanzen zu konsumieren, wird meist dann bewusst, wenn versucht wird, den Konsum zu beenden o. zu kontrollieren.“ Begriff „Diese diagnostische Forderung schließt beispielsweise chirurgische Patienten aus, die Opiate zur Schmerzlinderung erhalten haben u. die ein Opiatentzugssyndrom entwickeln, wenn diese Mittel abgesetzt werden, die aber selbst kein Verlangen nach weiterer Opiateinnahme haben." Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Der medizinische Begriff „Abhängigkeit“ Wie definiert der ICD-10 Abhängigkeit? Verminderte Kontrollfähigkeit (! nicht Verlust) bezüglich des Beginns, der Beendigung u. der Menge des Konsums. Nachweis einer Toleranz durch zunehmend höhere Dosen. Körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung o. Reduktion des Konsums. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Lebenstätigkeiten und Interessen. Eingeengte Verhaltensmuster im Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Starker Wunsch oder eine Art (!) Zwang, den Konsum trotz eindeutiger schädlicher Folgen unter allen Umständen fortzusetzen. Mindestens drei Merkmale müssen im letzten Jahr vorhanden gewesen sein! Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Körperliche Symptome von Abhängigkeit Was zeigt körperliche Abhängigkeit an? Entzugserscheinungen bei Opiaten: 5-8 Stunden Tränenfluss, Schweißausbrüche, Sekretion der Nasenschleimhäute, Gähnen 8-12 Stunden Frösteln, erweiterte Pupillen 2-3 Tage Ruhelosigkeit, Todesangst, Übelkeit u. Erbrechen, hoher Puls, Hypertonie, Muskelspasmen an Rücken u. Gliedmaßen, Diarrhö, Austrocknen Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Körperliche Symptome von Abhängigkeit Entzugserscheinungen bei Opiaten: Mit Abstinenz treten bei einigen Personen depressive Erscheinungen u. psychotische Desintegration auf: Keine Entzugserscheinungen, sondern eher Ausdruck für Grundstörung, die durch Opiate selbstmedikamentiert wurde. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Verdeckte Abhängigkeit Kann man mit Abhängigkeit unbemerkt leben? Wird unbemerkt gelebt, wenn: Psycho-aktive Substanz stets verfügbar. Konsum unproblematisch, weil z. B. legal beschaffbar. Mit keiner unmittelbaren Verhaltensstörungen einhergehend. Abhängigkeit wird deutlich bei: Versuch, Konsum einzustellen Knappheit in der Versorgung Rauchen Substitution Medikamente Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Allgemeine Diagnostik von Abhängigkeit Kann man Abhängigkeit unerkannt leben? Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Allgemeine Diagnostik von Abhängigkeit Besonderheiten der Diagnoseschemata für Abhängigkeit: Für die operationalisierte Diagnose z. B. einer Alkoholabhängigkeit: spielt die absolute Trinkmenge keine Rolle! spielt die Trinkhäufigkeit keine Rolle. Wird sich nicht an der Substanz orientiert, sondern eher an psycho- und sozialpathologischen Mustern. Wird nicht auf die Regelmäßigkeit der Substanzeinnahme Bezug genommen, sondern auf damit verbundene physischen, psychische und soziale Probleme. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Die Diagnose von „Abhängigkeit„ Wenn man beide Inventare zur Diagnostik „Abhängigkeit“ vergleicht? Die derzeitigen diagnostischen Inventare (DSM u. ICD-10): 1. Kennzeichnen das Bemühungen, das diagnostische Herangehen zu vereinheitlichen = Vergleichbarkeit herstellen 2. Sind darum bemüht, das diagnostische Herangehen zu objektivieren = Willkür zu beenden 3. Sind miteinander kompatibel 4. Erfassen aber in vielen Dimensionen auch soziokulturelle Urteile Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Abhängigkeit: Anforderungen an einen Begriff (I) Was wird unter„ Abhängigkeit“ verstanden? (I) Verfestigung eines Handlungsmusters = regelmäßige/sich wiederholende Aspekte der Lebenspraxis (Einbindung in andere Lebensbereiche beachten). Keine "verdinglichte" Eigenschaft der Person, sondern ein Beziehungsphänomen. Phänomen = beim Aufeinandertreffen von mentalen Strukturen/Dispositionen und äußeren Strukturen/Anforderungen entsteht „abhängiges Handlungsmuster„. Abhängigkeit nur in der Praxis beobachtbar (in Handlungen, Beziehungen), nicht an einzelnen objektivierbaren Merkmalen. Stereotypbildung im Realitätsbezug = Generalisierung/ständige Wiederholung eines Handlungsmusters und Einschränkung der normalerweise ausgebildeten Flexibilität an verfügbaren Mustern. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Abhängigkeit: Anforderungen an einen Begriff „ Abhängigkeit“ – kein verdinglichtes Merkmal einer Person, sondern ein Beziehungsphänomen (Drogen-Mensch)! Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Abhängigkeit: Anforderungen an einen Begriff (II) Begriff Was wird unter„ Abhängigkeit“ verstanden? (II) Verlassen kulturell üblicher Entfaltungsmuster, d. h. „abhängig-sein"= Entwicklung individueller und kollektiver Probleme wird zentral, werden zu Behinderungen. Kein überhistorisches und überstrukturelles Phänomen, sondern unterschiedlich in Kulturen, Milieus, Gruppen, Generationen. Aneignungsversuch von Realität = ist für den Konsumenten funktional, hat aber nicht gewollte Sekundäreffekte. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Abhängigkeit: Anforderungen an einen Begriff (III) Begriff Was wird unter„ Abhängigkeit“ verstanden? (III) Verminderte Kontrollfähigkeit = Einschränkungen der willentlichen Steuerung, deshalb wird es notwendig, Unbewusstes zu reflektieren, dem Bewusstsein zugänglich werden zu lassen und die praktische Logik des Verhaltens zu erfassen. Interaktions- bzw. Beziehungskonflikt = Schwierigkeiten in der Adaption zwischen Akteur und näherem und weiterem Umfeld. Wahrnehmung als Symptom eines Konflikts, nicht als Defizit/Eigenschaft des Individuums. Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Die Diagnose „Abhängigkeit“ Welche Kritikpunkte gibt es zu den Diagnosemethoden von „Abhängigkeit“ Sie bieten nach wie vor sehr viel subjektiven Spielraum: d. h. sie sind auch weiterhin sehr abhängig von: o individuellen Urteilen des Behandlers o dem kulturellem Hintergrund der jeweiligen Gesellschaft Insofern unterscheiden sie sich von klassischen Diagnosen somatischer Erkrankungen! Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Begriff Folgen von Abhängigkeit Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Abhängigkeit: Anforderungen an einen Begriff (III) Begriff Seminarinhalt: Prof. Dr. Gundula Barsch Sucht Abhängigkeit: Prüfen nach Kriterien des DSM Begriff J. ist eine vielseitig interessierte Studentin im zweiten Studienjahr. Neben dem Studium nutzt sie regelmäßig die Sport- und Kulturangebote der Hochschule und engagiert sich auch in einem der vielen Clubs auf dem Campus. Dadurch gibt es fast keinen Abend in der Woche, an dem sie nicht unterwegs ist und sich abends bei Bier, Wein oder Cocktails noch mit Leuten trifft. Klar kommt sie morgens dann etwas schwer aus dem Bett und braucht Zeit, bis sie in der Vorlesung nicht mehr einschläft. Oft geht sie mitten in der Lehrveranstaltung zum Kaffeeautomaten, damit der Kopf nicht immer wieder auf die Bank sinkt. Als sie im letzten Monat wieder ziemlich schnell pleite war, hat sie ´mal überschlagen, wo das Geld bleibt – ein nicht unwesentlicher Posten war dabei das Geld, das sie jeden Abend in den Clubs lässt: etwa 90 €. Wenn Sie die diagnostischen Methode des DSM anwenden, wie würden sie das Trinkverhalten J.s charakterisieren? Prof. Dr. Gundula Barsch