MMP-9 - Ruhr-Universität Bochum

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Das Urothelkarzinom der Harnblase ist der häufigste maligne Tumor des
Harntraktes. Die zurzeit zur Verfügung stehenden Prognoseparameter
konzentrieren sich im Wesentlichen auf den histologischen Typ, den Differenzierungsgrad und das Tumorstadium (108). Mit zunehmender Infiltrationstiefe nimmt die Wahrscheinlichkeit von Metastasierung und Progression zu.
Ist die Lamina propria überwunden, nimmt die mittlere Überlebenszeit
deutlich ab (16).
Die häufig eingesetzte TNM-Klassifikation kann jedoch zu Fehlinterpretationen führen. Patienten mit oberflächlichen Tumoren z. B. weisen oft
eine hohe Rezidiv- und Progressionsrate auf. 60 bis 80 % der Patienten mit
oberflächlichem Harnblasenkarzinom entwickeln trotz TUR innerhalb von vier
Jahren Tumorrezidive. Da man nicht genau weiß, welche oberflächlichen
Tumoren eine Progression aufweisen werden, lässt sich nur schwer eine
Aussage zur Prognose treffen. Ein weiteres Beispiel der Unzuverlässigkeit
gebräuchlicher Klassifikationen bezüglich der Prognose führten Jordan et al.
(53) an. Bei den muskelinvasiven Karzinomen hat sich die prognostische
Beschreibung mit Hilfe des Gradings als wenig signifikant bezüglich Rezidivvorhersage und Progressionswahrscheinlichkeit herausgestellt. Jordan und
Mitarbeiter sehen die Ursache darin, dass die meisten dieser muskelinvasiven Karzinome in die Gruppe der entdifferenzierten Karzinome einzuordnen sind. Gerade bei den invasiven Karzinomen wäre es aber wichtig,
eine Aussage zur Metastasierungswarscheinlichkeit treffen zu können.
Dies macht deutlich, dass das Blasenkarzinom einen sehr variablen klinischen Verlauf zeigt. Einige Blasenkarzinome zeigen nur selten Invasivität
und sind somit prognostisch günstiger einzustufen. Andere dagegen wachsen schnell invasiv und metastasieren früh. Die Vermutung, dass durchaus
auch lokalisierte, oberflächliche Tumoren aggressives Verhalten an den Tag
legen können, äußern auch Sier et al. (119). Bei ihrer Untersuchung der
MMP-9 Aktivität im Urin zeigten einige pTa- und pT1-Tumoren eine hohe
Aktivität an MMP-9, ein möglicher Hinweis auf das aggressive Potential des
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Tumors (119). Moses et al. konnten diese Vermutung erhärten und den
Nachweis von MMP-9 im Urin als unabhängigen signifikanten Parameter der
Metastasierungswahrscheinlichkeit bestätigen (89). Ein Nachteil dieser
Methode ist die ebenfalls erhöhte Ausscheidung von MMP-9 bei Patienten
mit einer Zystitis.
Zuletzt muss man noch darauf hinweisen, dass das TNM-Stadium ja anhand
des durch die transurethrale Elektroresektion gewonnenen Gewebematerials
bestimmt wird. Bei der TUR besteht aber immer die Gefahr, dass das
gewonnene Präparat nicht die tatsächliche Tumorausdehnung widerspiegelt
und es so zu einem Over- oder Understaging kommmt (139).
Bei den invasiven Tumoren, die sich häufig schon bei der Erstdiagnose
manifestieren, ist das weitere therapeutische Vorgehen meist eindeutig. Die
Entscheidung bei den oberflächlichen Blasenkarzinomen gestaltet sich
dagegen schwieriger. Gerade das unterschiedliche Verhalten der oberflächlichen Tumoren, das von einem relativ gutartigen Verlauf bis zu einem äußerst
aggressiven Verlauf reichen kann, bleibt bei der therapeutischen Entscheidung zwischen radikaler Cystektomie oder blasenerhaltender transurethraler
Resektion anhand der TNM-Klassifikation unberücksichtigt (46). Wie wichtig
es ist, vorhersagen zu können, welcher Tumor invasives Verhalten zeigen
wird, macht folgender Vergleich deutlich: Muskelinvasives Verhalten hat bei
Verzicht auf eine radikale Therapie eine 5-JÜR von 20 bis 40 %. Die 5-JÜR
nach radikaler Zystektomie sind vom Tumorstadium abhängig und liegen für
pT2-Tumoren bei ca. 85 – 90 %, für pT3a-Tumoren bei 35-70 %, für pT3bTumoren bei 30-50 % und bei pT4-Tumoren bei 20 - 25 % (5, 32).
Es wäre somit wünschenswert, weitere Faktoren zur Verfügung zu haben,
die eine Aussage direkt zur Prognose bei einem bestimmten Patienten
erlaubten. So ließe sich auf der einen Seite eine Heilung im Frühstadium
ermöglichen, auf der anderen Seite könnten unnötige Operationen, Chemotherapien und BCG-Instillationstherapien vermieden werden. Der Nutzen
einer neoadjuvanten Chemotherapie könnte nach ganz neuen Kriterien
erwogen werden. Auch könnte man den zeitlichen Abstand der Kontrollzystoskopien mit Hilfe von Prognosemarkern entsprechend variieren.
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Die hohe Rezidivrate und die relevante Progressionsrate bei oberflächlichen
Tumoren nach transurethraler Resektion macht besonders deutlich, dass die
bisher verwendeten Parameter (TNM-Klassifikation und WHO-Grading)
bezüglich der Prognosefindung nur begrenzt aussagefähig sind.
Der Wunsch, vorhersagen zu können, welcher oberflächliche Tumor rezidivieren oder einen Progress aufweisen bzw. welcher invasive Tumor metastasieren wird, hat zu der Etablierung bzw. Untersuchung verschiedener
möglicher prognostischer Marker geführt.
TNM-Klassifikation und Differenzierungsgrad:
Die wichtigsten Prognoseparameter für das klinische Verhalten des Harnblasentumors sind das Tumorstadium und der Differenzierungsgrad. Die
Infiltrationstiefe korreliert mit der Wahrscheinlichkeit zur Rezidiventstehung
und Progression (16). Smits et al. (122) fanden eine signifikante Abhängigkeit der Progression vom Tumorstadium. Darüber hinaus konnten Angulo et
al. (2) eine Abhängigkeit der tumorspezifischen Überlebensrate vom Tumorstadium nachweisen (131). Die Nachteile dieser Methode zur Beurteilung des
zukünftigen klinischen Verlaufes wurden weiter oben bereits ausführlich
diskutiert.
DNA-Analyse :
Der DNA-Gehalt von Tumorzellen kann auf verschiedene Weise untersucht
werden. Häufig verwendete Methoden sind die Durchflusszytometrie und die
Image-Zytometrie. Es gibt viele Arbeiten, welche die prognostische Relevanz
der DNA-Ploidität bestätigen.
Sowohl die Durchflusszytometrie als auch die Image-Zytometrie werden
häufig bezüglich Prognosestellung zitiert (8, 75, 80, 114). Nur wenige
Autoren fanden Differenzen in DNA-Gehalt und Malignitätsgrad (65) sowie
fehlende Korrelation zum Tumorstadium und zur Prognose. Somit ist er
allerdings kein unabhängiger Marker und findet deshalb keine allgemeine
Akzeptanz. Ein entscheidender Nachteil der Durchflusszytometrie sind
zudem der große Zeitaufwand und die relativ hohen Kosten.
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Blutgruppenantigene:
85 % der Bevölkerung sind so genannte Ausscheider. Von diesen Personen
werden in der Mukosa der Urothelschleimhaut die Blutgruppenantigene
(ABH-Antigen und Lewis-Antigen) exprimiert.
Es ist beschrieben, dass ein Verlust der ABH-Antigene mit erhöhter Invasivität korreliert und somit mit einer schlechteren Prognose verbunden ist (76).
Jüngste Daten zeigen, dass aus der Gruppe der Blutgruppenantigene das
Lewis-X-Antigen als einziges einen potentiellen Prognosefaktor darstellt. Im
Gegensatz zum normalen Urothel exprimieren 90 % des Tumors dieses
Antigen (22).
Sheinfeld et al. berichten über eine Sensitivität von 93 % einen Harnblasentumor nachzuweisen, wenn man eine diesbezügliche positive Zytologie und
den positiven immunhistochemischen Nachweis des Lewis-X-Antigens
miteinander kombiniert (117). Ein entscheidender Nachteil der Blutgruppenantigene als Prognosefaktor ist die fehlende Anwendbarkeit bei NichtAusscheidern.
Humanes Chorion Gonadotropin (HCG):
Die Produktion des Glykoproteins HCG konnte bei einer großen Anzahl von
Neoplasien verschiedenen Ursprungs nachgewiesen werden. Ein erhöhter
Serumspiegel bei Harnblasenkarzinompatienten ergab Hinweise auf das
Vorhandensein von Metastasen (49, 50). In einer weiteren Arbeit von Iles et
al. konnte dargelegt werden, dass eine erhöhte Urinkonzentration vor
Zystektomie mit einer kurzfristigen Progression der Erkrankung einhergeht
(51).
Eine immunhistochemische Arbeit von Seidal konnte einen signifikanten
Zusammenhang zwischen Tumordiffenrenzierungsgrad und HCG-Expression
zeigen (116).
Mitoserate:
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Die Bestimmung der Mitoserate ist die älteste und schnellste Methode, um
eine prognostische Aussage bezüglich eines Tumors zu treffen. Nachteile
waren bisher das Fehlen standardisierter Regeln und die oft mangelnde
Reproduzierbarkeit. Haapasalo et al. haben eine Methode entwickelt, mit der
ein standardisiertes und somit vergleichbares Zählen ermöglicht wird (42).
Dieser volumenkorrigierte Mitoseindex hat sich bei verschiedenen Neoplasien als prognostische Bewertung mit guter Reproduzierbarkeit bewährt (43).
In Arbeiten an Blasenkarzinomen zeigte sich sogar eine Überlegenheit
gegenüber dem Malignitätsgrad (69, 72, 75).
Tumorassoziierte Antigene:
Aus der Vielzahl von tumorassoziierten Antigenen sind M344 und 19A211
von besonderem Interesse. Antikörper gegen M344- und 19A211-Antigen
zeigen nur in oberflächlichen Blasentumoren eine positive Reaktion und
bleiben negativ in normalem Urothel. Mit zunehmendem Tumorgrad allerdings nimmt die Expression dieser Antigene und somit ihre Nachweisbarkeit
bei invasiven Tumoren ab (35). Ebenso scheint T138 ein vielversprechender
klinischer Marker zu sein. Die Expression von T138 nimmt mit Tumorstadium
und Tumorgrad zu. Zwei Studien konnten eine Korrelation mit der Metastasierungswahrscheinlichkeit zeigen (13).
Proliferationsantigene:
Diese Antigene sind wichtig, um das tumorbiologische Potential einer
Neoplasie zu erfassen. Die zwei meist untersuchten immunhistochemisch
nachweisbaren Proliferationsmarker sind der murine monoklonale Antikörper
Ki-67 und das Proliferating-cell-nuclear-Antigen. Steigender Expressionsgrad
von Ki-67 weist auf eine erhöhte proliferatorische Aktivität hin und zeigt somit
Progression und Metastasierungspotential an. Ebenso gibt es eine Beziehung zur Rezidivrate beim Harnblasenkarzinom (17, 33, 57). Der genaue
Mechanismus, in den Ki-67 eingebunden ist, ist noch nicht bekannt. Man
geht aber davon aus, dass das Kernantigen ein Protein erkennt, welches im
DNA-Replikationszyklus involviert ist (77). Für vergleichende Analysen fehlt
aber noch ein standardisiertes Untersuchungsverfahren.
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Cohen et al. fanden eine Korrelation zwischen dem Proliferating-cell-nuclearAntigen und der Stadieneinteilung sowie dem Malignitätsgrad beim Transitionalzellkarzinom der Harnblase(21). Insgesamt lässt sich festhalten, dass zur
Bestätigung der Resultate dieser Arbeiten weitere Studien mit einem größeren Patientenkollektiv nötig sind. Außerdem erfüllt dieser Marker nicht das
Kriterium der vom TNM-System unabhängigen Aussagekraft.
Onkogene:
Onkogene sind zelluläre Gene, welche bei Veränderung durch Mutation ihre
natürliche Regelfunktion bei der Kontrolle des Wachstumsprozesses einer
Zelle verlieren.
Ras-Proteine sind an der Signaltransduktion von Proliferations- und Differenzierungssignalen beteiligt. Entsteht eine Mutation in der GTP-Bindungseigenschaft, so kommt es zu einer Daueraktivierung des Proteins (4). Fontana et
al. (34) sowie Ghoneim et al. (39) konnten die Korrelation zwischen dem
c-H-ras-Onkogen und frühen Rezidiven bei Patienten mit oberflächlichen
Blasentumoren aufzeigen. Der große Nachteil ist der hohe Aufwand und die
deshalb kaum mögliche klinische Anwendung.
C-myc ist ebenfalls ein wichtiger Faktor in der Proliferation. Mutationen in
diesem Gen können zur Translokation sowie Genamplifikation führen. Auch
wenn der Mechanismus der Überexpression noch nicht genau bekannt ist, so
konnten zumindest Kotake et al. (60) zeigen, dass die Überexpression von
c-myc mit dem Malignitätsgrad des Harnblasentumors korreliert. Zurzeit
lassen sich aber keine allgemeingültigen Aussagen über die prognostische
Relevanz dieses Faktors treffen, da die Literatur noch eindeutige Ergebnisse
vermissen lässt bzw. sehr kontrovers diskutiert. Lipponen et al. (71) konnten
in ihren Untersuchungen c-myc keinen prognostischen Wert zusprechen.
C-erbB-2 (HER-2/neu) ist ein Protoonkogen, das ein transmembranes
Glykoprotein kodiert, welches dem EGF-R ähnlich ist. Man vermutet, dass
c-erbB-2 ein epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor ist, mit der Fähigkeit, das
zelluläre Wachstum zu forcieren. Sowohl c-erbB-2 als auch EGF-R gehören
zu der Familie der Rezeptor-Tyrosinkinasen. Zu c-erbB-2 finden sich ver-
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schiedene Studienergebnisse bezüglich der Signifikanz von Progression,
Metastasierung sowie Gesamtüberlebenszeit bei verschiedenen Tumoren
wie Mammakarzinom, Prostatakarzinom und Harnblasenkarzinom (40, 70,
74, 83, 85, 88, 112, 127).
Das Zellkernprotein mdm2 inaktiviert das p53-Protein, indem es dieses
bindet (86). Auf diesem Weg kommt es zu einer indirekten Beeinflussung der
Zellproliferation, indem die zellregulatorische Fähigkeit des p53 unterdrückt
wird. Die Überexpression des mdm2-Gens wird in Bezug auf das Harnblasenkarzinom nur vereinzelt nachgewiesen. Zwar wird eine Überexpression in
20 bis 30 % der Neoplasien der Harnblase beschrieben (67), ein Zusammenhang zum Tumorstadium oder Malignitätsgrad konnte aber nicht gefunden werden (118).
Epidermale Wachstumsfaktorrezeptoren:
EGF-R ist ein transmembranes Glykoprotein, das durch das c-erb-1-Gen
kodiert wird und somit zu den Onkogenen gezählt wird. In normalem Urothel
bleibt der EGF-R auf die basalen Schichten des Übergangsepithels begrenzt.
Nicht so beim Transitionialzellkarzinom. Dieses Phänomen kann sogar in der
normalen Schleimhaut von Blasentumorpatienten gefunden werden und
könnte somit als eine prämaligne Läsion gewertet werden. EGF-R ist ein
Faktor, der unter Umständen eingesetzt werden könnte, die frühe Tumorgenese zu erkennen. In immunhistochemischen Arbeiten hat sich die Expression von EGF-R als prognostischer Marker für das Übergangsepithelkarzinom
bewährt. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen der Überexpression und
der tumorspezifischen Überlebenszeit, dem rezidivfreien Intervall und der
Progressionszeit bei oberflächlichen Blasentumoren (84, 93).
Peptid-Wachstumsfaktoren:
Peptid-Wachstumsfaktoren wie EGF, FGF und TGF sind parakrine Mediatoren, die an der Kommunikation zwischen Zellen beteiligt sind. Sie üben einen
großen Einfluss auf das Wachstum, die Differenzierung und Apoptose von
Zellen aus.
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Die Ergebnisse von EGF-Studien sind bezüglich ihrer Aussage zur Prognose
von Tumorpatienten bisher eher widersprüchlich. Matilla et al. konnten
keinen Unterschied in der EGF-Konzentration im Urin bei Gesunden und
Tumorerkrankten feststellen (81). Kristensen et al. hingegen wiesen eine
signifikant niedrigere Konzentration an EGF im Urin von Erkrankten gegenüber der Kontrollgruppe nach (61). Eine mögliche Erklärung hierfür sei die
vermehrte Bindung an dem abnorm exprimierten EGF-Rezeptor. Fuse et al.
konnten eine Korrelation der EGF-Konzentration mit Tumorstadium, Differenzierungsgrad und Überlebensrate zeigen (37).
FGF, ein Angiogenesefaktor, zeigte zwar in mehreren Versuchen eine
Korrelation zum metastatischen Potential von Harnblasenkarzinomzellen,
und die Urinzytologie hinsichtlich FGF war in mehreren Studien bei Blasentumorpatienten positiv; es konnte jedoch keine Unterscheidung zwischen
hochmalignen und niedrigmalignen Tumoren getroffen werden. Eine Arbeit
von Cairns (18) ergab eine Assoziation zur benignen Prostatahyperplasie.
Dies ist als ein entscheidender Nachteil für FGF in der Tumormarkersuche
des Harnblasenkarzinoms zu werten, da so eine Unterscheidung zwischen
benignem und malignem Gewebe unmöglich wird.
Für die Transforming Growth Factoren (TGF-α, TGF-β) lässt sich zusammenfassend sagen, dass diese Faktoren zurzeit noch keine Bewertung ihrer
Aussagekraft zur Prognose oder Überlebenszeit zulassen.
Zelluläre Adhäsionsmoleküle:
Diese Gruppe von Molekülen spielt eine bedeutende Rolle bei der Interaktion
von Zellen. Sie sind unter anderem beteiligt an Signaltransduktion, Zellkommunikation und Apoptose. Sie sind wichtig bei dem Metastasierungsprozess
von Karzinomzellen. Um in das Kreislaufsystem oder in den Lymphabflussweg zu gelangen, müssen die zellulären Kontaktgrenzen überwunden
werden.
E-Cadherin ist ein häufig untersuchtes Molekül mit vielversprechenden
Ergebnissen. In mehreren Arbeiten konnte ein Zusammenhang zum Tumorstadium, Malignitätsgrad und der Prognose beim Harnblasenkarzinom
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hergestellt werden. Mit abnehmender Expression von E-Cadherin steigt der
Malignitätsgrad. Lipponen und Eskelinen erzielten in einer Studie an 122 Patienten signifikante Ergebnisse bezüglich der rezidivfreien Zeit (73). Auch
eine Korrelation zur Gesamtüberlebensrate ist in der Literatur beschrieben
(14, 99, 110). Sowohl immunhistochemische Arbeiten, als auch Serum- und
Urinkonzentrationen konnten diese prognostische Relevanz des E-Cadherinmoleküls bestätigen. Gerade auch die nichtinvasiven Untersuchungsmethoden wie Immunblotting-Verfahren zum Nachweis von E-Cadherin im Urin
machen dieses Molekül so interessant und vielver-sprechend.
Angiogenese:
Tumorwachstum und Tumormetastasierung sind eng mit der Neovaskularisation verbunden. Die Tumorangiogenese wird reguliert von Faktoren wie z. B.
FGF, ebenso sind Inhibitoren wie Thrombospondin-1 und Angiostatin
beteiligt. Eine Hypothese lässt vermuten, dass diese Faktoren durch den
Tumor selbst, die umgebende Matrix oder inflammatorische Zellen sezerniert
werden.
Mehrere Arbeiten konnten einen Zusammenhang zwischen einer vermehrten
Kapillarisierung und der Tumorprogression sowie dem Gesamtüberleben
herstellen (123, 133, 134). Bochner et al. konnten mittels immunhistochemischem Nachweis der „micro vessel density“ (MVD) die Angiogenese sogar
als unabhängigen Prognosefaktor für Progression und Gesamtüberleben
postulieren (10). Kontrovers dazu steht eine Arbeit von Hawke et al., bei
welcher die Tumorgefäßdichte und die Anzahl der Gefäße in keiner Relation
zur Tumorprogression stehen. Hawke et al. wiesen in einer multivarianten
Analyse nach, dass die „micro vessel density“ (MVD) kein unabhängiger
Faktor ist. Ein weiterer in dieser Studie aufgedeckter Nachteil der MVD
besteht darin, dass die im Biopsiematerial ermittelte MVD nur selten der im
Zystektomiepräparat gefundenen MVD entsprach (44).
Für den Angiogeneseinhibitor Thrombospondin-1 konnte eine antiproportionale Beziehung hinsichtlich der Rezidivrate und dem Gesamtüberleben bei
invasiven Blasentumoren festgestellt werden (23).
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Regulatorproteine des Zellzyklus (Tumorsuppressor-Gene):
In einem normalen Zellproliferationszyklus sorgen Kinasen durch Phosphorylierung von Regulatorproteinen für einen geordneten Ablauf. Verlust dieses
Kontrollmechanismus kann der erste Schritt in der Karzinogenese sein.
Das Retinoblastom-Gen (Rb) ist nicht nur an der Entstehung von Retinoblastomen beteiligt, sondern wurde auch bei anderen malignen Erkrankungen vorgefunden. Es inhibiert die Progression im Zellzyklus am G1-S
Checkpunkt. Veränderungen des Gens oder des Genproduktes gehen mit
einem erhöhten Tumorstadium und einem erniedrigten Differenzierungsgrad
der Harnblasenkarzinome einher. Cordon-Cardo et al. konnten zwischen
dem Verlust der Expression von Rb in muskelinvasiven Blasentumoren und
der 5-JÜR einen Zusammenhang zeigen.
Mutationen im p53-Gen, einem Tumorsuppressorgen, sind die häufigsten
genetischen Defekte in menschlichen Tumoren. Dieses Gen kodiert für ein
53 kD Protein. Die normale Funktion des Proteins sorgt bei DNA-Defekten für
eine Unterbrechung des Zellzyklus, um den Reparatursystemen die Möglichkeit zur Behebung des Defektes zu geben. Kommt es zu nicht-reparablen
Schäden der DNA der Zelle, wird die Apoptose eingeleitet. Bei Mutationen in
diesem Gen kommt es zur nukleären Akkumulation des Genprodukts, welche
mit Hilfe der Immunhistochemie nachgewiesen werden kann. Der Defekt
korreliert mit der Progression, dem Gesamtüberleben, der tumorspezifischen
Überlebenszeit und der rezidivfreien Zeit des organbegrenzten muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms (31), unabhängig vom Malignitätsgrad und dem
Tumorstadium. Verschiedene Studien konnten p53 als verlässlichen und
konstanten prognostischen Marker für die Progression in Harnblasenkarzinomen bestätigen (124). Cote et al. gingen sogar noch einen Schritt weiter
und untersuchten in einer randomisierten prospektiven Studie die Relation
p53 und adjuvanter Chemotherapieerfolg. In einer Gruppe von 88 muskelinvasiven Tumorpatienten wurde die p53-Expression in der Gruppe unter
Chemotherapiebehandlung mit der Kontrollgruppe ohne Therapie verglichen.
Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass nur die Patienten mit Tumoren, in
denen p53 verändert war, von einer Chemotherapie eindeutig profitierten.
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Das Rezidivrisiko dieser Patienten nach Chemotherapie war auf ein Drittel
erniedrigt und die Überlebensrate 2,6-fach erhöht gegenüber der Kontrollgruppe. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass ein beeinträchtigtes p53Protein die Apoptose der Tumorzelle bei der Chemotherapie eher zulässt als
ein normal funktionierendes Protein (24).
Untersuchungen von van Ahlen et al. betrachten p53 eher kritisch im Hinblick
auf die diagnostische und prognostische Aussagekraft. Weder für das
Tumorstadium oder den Differenzierungsgrad noch für die Metastasierungswahrscheinlichkeit, die Progressionszeit oder Gesamtüberlebenszeit zeigten
sich signifikante Unterschiede im p53-Status von 100 Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom. Van Ahlen et al. führten verschiedene
Arbeitsgruppen an, die zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind (92, 130,
141). Sie vermuten, dass zwei oder mehrere Tumorentitäten existieren, die
von verschiedenen anderen Parametern beeinflusst werden (129).
Auch bei Vorreuther et al. zeigte sich eine schlechte Korrelation von p53 mit
dem Rezidivrisiko (132). Diese Arbeitsgruppe beschäftigte sich ausschließlich mit oberflächlichen Tumoren. Zlotta sieht die Erklärung für die umstrittenen Ergebnisse vor allem in der unterschiedlichen Untersuchungstechnik,
den verschiedenen Antikörpern und Cut-off-Werten (144). Die zum Teil stark
divergierenden Ergebnisse und Kriterien lassen zurzeit noch keinen klinischen Einsatz dieses Markers zu.
Das biologische Verhalten eines Tumors bestimmt ganz entscheidend die
Prognose des jeweiligen Patienten und definiert sich unter anderem über das
Tumorwachstum, die Invasivität und das Metastasierungspotential. Neoplasien haben eine Reihe von Mechanismen entwickelt, derer sie sich bei ihrer
Ausbreitung bedienen. Der Tumor braucht allerdings Wegbereiter für die
Expansion. Bei der Suche nach geeigneten Prognoseparametern haben wir
deshalb bewusst einen Faktor ausgewählt, der an der Wachstumsregulation
von Tumorzellen beteiligt ist.
Eine Gruppe von Enzymen ist in letzter Zeit mehr und mehr zum Gegenstand
des Interesses geworden, nämlich die so genannten Matrixmetalloproteina-
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sen (MMP). Sie sind Teil des Interaktionssystems zwischen Tumor und
umliegendem Gewebe. Matrixmetalloproteinasen destruieren die Basalmembran und ermöglichen dem Tumor sich auszudehnen, invasiv zu werden
und Anschluss an Metastasierungswege zu finden. Gerade die Fähigkeit, die
Basalmembran-Komponenten anzugreifen, zeichnet die Metalloproteinasen
gegenüber anderen interstitiellen Proteasen aus (113). Wie kürzlich festgestellt, spielt die Destruktion der Basalmembran und der Matrix aber auch eine
Rolle bei der Freilegung von Komponenten, deren Interaktion mit dem Tumor
die Apoptose von Tumorzellen verhindern kann (87). Die Ergebnisse dieser
Untersuchungen gehen weit über die bisherige Annahme hinaus, dass die
Basalmembran dem Tumor nur als Barriere dient, deren Destruktion eine
räumliche Ausdehnung ermöglicht.
Was die MMPs so interessant macht ist, dass sie schon zu Beginn des
Tumordaseins, also bei den ersten Zellmigrationsschritten, beteiligt sind. Sier
et al. (119) fanden heraus, dass 50 % der NED-Patienten (non evidence of
disease) erhöhte MMP-9-Aktivität hatten. Diese Tatsache erklären sie mit der
Annahme, dass die Krankheit zwar schon vorhanden, mit den herkömmlichen Methoden, wie Histologie und Zystoskopie, aber noch nicht nachweisbar ist (119). Des Weiteren scheinen die MMPs gerade in epithelialen
Karzinomen bei der Invasion des Tumors eine Schlüsselrolle zu spielen
(100). Von besonderem Interesse sind die Matrixmetalloproteinasen 2 und 9,
da sie in der Lage sind, Basalmembran-Typ-IV-Kollagen zu hydrolysieren.
Wie Sugiura et al. in einem Review schreiben, sind im letzten Jahrzehnt eine
große Anzahl von Veröffentlichungen erschienen, die einen Zusammenhang der Metalloproteinasen zu Tumorinvasion und Metastasierung herstellen (125). Liotta und Duffy (28) gehörten zu den Ersten, die einen Zusammenhang zwischen der MMP-Expression und der Invasion eines Tumors
herstellten. Daidone et al. fanden einen Zusammenhang zwischen der
MMP-Expression und dem klinischen Outcome der Patienten mit lymphknotennegativem Mammakarzinom (27).
Seitdem sind einige Studien erschienen, die die Korrelation zwischen MMPExpression und Krankheitsverlauf von Tumorpatienten belegen (9, 15, 66,
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127). Es wurden verschiedene Karzinome untersucht (58), unter anderem
Karzinome der Lunge (56, 126), das Prostatakarzinom (140), das Mammakarzinom (107) und das Kolonkarzinom (94).
Bis vor kurzem wurde aufgrund der Beobachtung, dass eine Korrelation
zwischen Proteolyseenzymexpression und invasivem Verhalten von Tumoren besteht, davon ausgegangen, dass der Tumor wegen seiner Fähigkeit
zur Produktion matrixdestruierender Proteasen invasives Verhalten an den
Tag legen kann. Diese Hypothese musste in den letzten Jahren revidiert
werden. Es gibt einige immunhistochemische und in-situ-Hybridisationsarbeiten, die die Lokalisation der MMP- Produktion im Stromabereich und
nicht in den Tumorzellen selbst ansiedeln (4, 45, 95, 97). Das erste Experiment, das der Frage nachging, ob nur der Tumor selbst Produzent der
Metalloproteinasen ist, wurde von Basset et al. (4) durchgeführt. Diese
Autoren demonstrierten, dass Stromalysin-3-mRNA vom Stroma des Mammakarzinoms, nicht aber von den Tumorzellen selbst produziert wurde (4).
Auch Sugiura et al. konnten die MMP-9-Expression beim Neuroblastom im
Bereich der tumorumgebenden Stromazellen nachweisen, nicht jedoch in
den Tumorzellen selbst (125). DeClerck cokultivierte Neuroblastomzellen mit
Fibroblasten und demonstrierte die Stimulation der MMP-Expression in den
Fibroblasten durch die Neuroblastomzellen (26). Mittlerweile gibt es viele
Zytokine, die nachweislich die MMP-Expression induzieren bzw. forcieren,
und viele von ihnen werden im Tumorgewebe gebildet.
Tumorzellen epithelialen Ursprungs sind in ihren expressiven Möglichkeiten
begrenzt. Tumoren, bei denen sich während ihrer Progression ein morphologischer Wandel von epithelial zu mesenchymal vollzieht (wie zum Beispiel für
das Melanom beschrieben (82, 141)), sind plötzlich in der Lage, Stromalysin-1,3 und interstitielle Kollagenase-mRNA zu produzieren. Es stellt sich die
Frage, ob Tumoren, die nicht in der Lage sind, MMP zu produzieren, diese
Aufgabe an das Stroma delegieren. Interessanterweise sind 95 % der
Harnblasentumoren urothelialen Ursprungs. Unter der zuvor geäußerten
Annahme könnte man die Arbeitshypothese aufstellen, dass Harnblasenkarzinome aufgrund ihrer epithelialen Ausprägung nicht in der Lage sind,
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MMP-9 selbst zu exprimieren und sich über sezernierte Zytokine des umliegenden Stromas zur Proteasenproduktion bedienen. Gerade das Tumorwachstum kann von im Stroma produzierten MMPs forciert werden, sei es
durch Raumbeschaffung, oder einfach nur durch Aktivierung von Wachstumsfaktoren, wie von McDougall et al. postuliert (82).
Ein interessantes Experiment stellten Schnaper et al. vor (115). Sie studierten das Verhalten von Endothelzellen, abgeleitet von menschlichen Nabelschnurvenen auf Matrigel, einem Basalmembranextrakt. Schnaper et al.
untersuchten das Vorkommen von 72-kD- und 92-kD- Gelatinase-Aktivität
und konnten durch Variation der Versuchsanordnung darstellen, dass die
gesamte 92-kD-Aktivität von dem Matrigel ausgeht. Dies spricht ebenfalls für
eine Kommunikation zwischen Endothelzellen und dem Matrigel bzw. für eine
Induktion der MMP-9- Expression im Matrigel, getriggert durch die Endothelzellen (115).
Pyke et al. vermuteten schon 1993, dass im kolorektalen Karzinom die
MMP-9-mRNA von Makrophagen sezerniert wird (105). Zeng und Guillem
gingen der Frage nach, welche Zellen der Ursprung der MMP-9-mRNAProduktion sind (143). Die in-situ-Hybridisierung zeigte runde Zellen im
Stroma von kolorektalen Karzinomen als Quelle der MMP-9-mRNA-Produktion an. Mittels eines Anti-Makrophagenantikörpers KP-1 konnten diese
Zellen als Makrophagen identifiziert werden. Zeng und Guillem beschreiben
ausserdem die Variabilität bezüglich der MMP-9-positiven Verteilung innerhalb des Tumors. Ebenso stellen sie fest, dass nicht alle Makrophagen eine
positive MMP-9-mRNA-Expression aufweisen (143). In der vorliegenden
Arbeit zeigte sich ebenfalls eine starke Schwankung in der Verteilung der
MMP-9-positiven Makrophagen, und nicht alle Makrophagen zeigten eine
immunhistochemische Färbung.
Nielsen et al. nahmen sich zur Aufgabe, die Lokalisation der MMP-9Produktion anhand des Adenokarzinoms des Kolons zu bestimmen (52). Sie
untersuchten 19 Adenokarzinome und 2 Biopsien von angrenzendem
normalen Tumorgewebe. Das Ergebnis war eine immunhistochemische
Anfärbung ausschließlich der Makrophagen und neutrophilen Granulozyten.
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Im
normalen
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Kolongewebe
konnten
vereinzelte
immunhistochemisch
angefärbte neutrophile Granulozyten innerhalb von Blutgefäßen und
Makrophagen innerhalb des mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes
(Peyersche Plaques) identifiziert werden. Die MMP-Lokalisation wurde
mittels in-situ-Hybridisierung bestätigt (95). Aber auch bezüglich des Kolonkarzinoms liegen divergente Ergebnisse vor. Jeziorska et al. wiesen zusätzlich zur Aktivität in neutrophilen Granulozyten und Makrophagen auch in den
Tumorzellen selbst eine immunhistochemische Reaktion nach, die Nielsen et
al. ausdrücklich verneinten (52).
Die MMP-9-mRNA-Expression in makrophagenähnlichen Zellen wurde bei
einer Reihe von Karzinomen entdeckt, z.B. von Davies et al. im Mammakarzinom und Harnblasenkarzinom, von Pyke et al. im Basalzellkarzinom der
Haut und von Canete-Soler et al. im Plattenepithelkarzinom der Lunge (19,
25, 95, 105).
Daneben existieren einige Arbeiten zu MMP-9, die nicht nur eine Assoziation
zu den inflammatorischen Zellen im Tumor, sondern auch zu den Tumorzellen selbst aufzeigen (19, 59, 105).
Beim Harnblasenkarzinom wurden ebenfalls erhöhte MMP-9-Expressionsraten gefunden. Der Nachweis der Gelatinase wurde dabei sowohl im Serum
und Urin, als auch im Gewebe selbst erbracht. Bei Grignon et al. zeigte sich
eine immunhistochemische Färbung besonders in den Karzinomzellen des
Harnblasentumors in unterschiedlicher Ausprägung (41). Eine Korrelation mit
dem Überleben oder dem Tumorstadium bzw. Tumorgrad konnte aber nicht
nachgewiesen werden. Grignon et. al. verzeichneten jedoch auch vereinzelte
MMP-9-positive Makrophagen, und es bestand eine schwache statistische
Assoziation zwischen der Stromaanfärbung mit dem MMP-9-Antikörper und
dem tumorspezifischen Überleben (41).
Oezdemir et al. dagegen fanden eine positive MMP-9-Expression in den
Tumorzellen des Urothelkarzinoms und sogar eine starke Expression in
intravaskulären und gewebeinfiltrierenden Leukozyten. Es bestand eine
Korrelation zum Tumorstadium und Tumorgrad, und zwar stärker als für
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MMP-1 und MMP-2. Des Weiteren wurde auch der Urin untersucht. MMP-9
fand sich im Urin aller Blasenkarzinompatienten in unterschiedlicher Konzentration. In der freiwilligen Kontrollgruppe blieb die MMP-9- Konzentration
unter der Nachweisgrenze. Ein statistischer Zusammenhang zwischen der
Urinkonzentration und dem Tumorgrad oder dem Tumorstadium konnte nicht
aufgedeckt werden (100).
Papathoma et al. konnten keinen statistisch relevanten Zusammenhang
zwischen MMP-9-Konzentration und der Rezidivrate sowie Progression der
Blasenkarzinome feststellen (103). Es fiel aber auf, dass zwei oberflächliche
Tumoren mit niedrigem Differenzierungsgrad MMP-9 stark exprimierten und
innerhalb von zwei Monaten rezidivierten. Papathoma et al. gehen davon
aus, dass MMP-9 eine prognostische Rolle innerhalb der oberflächlichen
Tumorgruppe spielen könnte. Ihre Fallzahlen waren aber zu gering, um eine
Aussage treffen zu können. Die MMP-9- Expression lokalisierte sich im
Zytoplasma des Tumors und vereinzelt in Fibroblasten und Endothelzellen
(103).
Slaton et al. zeigten in einer multivarianten Analyse, dass bei einem Verhältnis von MMP-9 : E-Cadherin von mehr als 1,8 : 1 eine unabhängige Aussage
zur Progression des Krankheitsverlaufes bei Blasentumorpatienten gemacht
werden kann (121). Des Weiteren war bei der Untersuchung von Slaton et al.
eine hohe MMP-9-Expression mit einem frühzeitigem Auftreten von Rezidiven und verminderter Überlebenszeit assoziiert (121).
Davies et al. wiesen in ihrer Studie mittels quantitativer Zymographie eine
deutliche Beziehung zwischen MMP-Expression und Tumorgrad, sowie der
Invasivität nach (25). Leider konnte keine Aussage zur Überlebenszeit oder
zum Metastasierungsrisiko gemacht werden, da die Datenlage hierzu nicht
ausreichend war. Ihre in-situ-Hybridisationsversuche zur Quellenlokalisation
der MMP-Produktion konnten Stromaelemente ausmachen, eine genaue
Zelltypisierung war Davies und seinen Mitarbeitern noch nicht möglich. Sie
beschrieben die Zellen aber als Makrophagen/Fibroblasten-ähnlich. Davies
et al. zitieren in-vitro Studien, in denen die Hauptproduzenten der Metalloproteinase-9 der mononukleären Phagozytenlinie angehören (47, 136). Einige
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wenige Biopsien enthielten auch MMP-9-positive Tumorzellen. Davies fiel
auf, dass die Enzymexpression häufig um Tumorgefäße angeordnet war,
was sie zur Vermutung einer enzyminduzierten Angiogenese veranlasste
(25). Auch in der vorliegenden Arbeit fanden sich in einem Teil der Präparate
der überwiegende Teil der angefärbten Makrophagen um die Kapillaren
herum. Dies war mit einem deutlich schlechteren Outcome verbunden, was
mit der Hypothese von Davies et al. vereinbar ist.
In der vorliegenden Studie zeigten sich die myeloischen Entzündungszellen
als Hautproduzenten der Metalloproteinase-9, und bei nur wenigen Präparaten konnten MMP-9 immunhistochemisch in den Tumorzellen nachgewiesen
werden. Da die Harnblasenkarzinome epithelialen bzw. urothelialen Ursprungs sind, unterstützt diese Arbeit die Hypothese von McDougall, dass
nur mesenchymale Tumoren in der Lage sind, MMP-9 selbst zu produzieren.
Interessant wäre es sicherlich, mit Hilfe der mRNA-Lokalisation den genauen
Produktionsort der Metalloproteinase auszumachen und für die wenigen
MMP-9-positiven Tumoren einen möglichen Uptake-Mechanismus nachzuweisen (s.u.).
In der vorliegenden Arbeit konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen
der MMP-9-Expression und dem Gesamtüberleben, dem turmorspezifischen
Überleben und der Progressionszeit gezeigt werden. Es wurden zwei Auswertungssysteme mit Hilfe der Makrophagen erstellt. Zum einen wurde der
Tumoranteil mit MMP-9-positiven infiltrierenden myeloischen Entzündungszellen, zum anderen die Lage der MMP-9-positiven myeloischen Entzündungszellen in Bezug auf Kapillaren bewertet. Für letzteres konnte ein
deutlicher statistischer Zusammenhang mit der Prognose dargestellt werden:
Je mehr positive Entzündungszellen extrakapillär lagen, desto schlechter
zeigte sich die Gesamtüberlebensrate, tumorspezifische Überlebensrate und
die Progressionsrate mit einer deutlichen Signifikanz in der Kaplan-MeierÜberlebensanalyse. Dieser Zusammenhang war auch innerhalb der Gruppen
oberflächlicher und invasiver Karzinome signifikant. Das könnte als Hinweis
auf MMP-9 als Wegbereiter weiteren invasiven Wachstums bzw. der Metastasierung des Tumors beurteilt werden.
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Dass über die rezidivfreie Zeit keine Aussage getroffen werden kann, ist kein
deutlicher Nachteil von MMP-9. In der vorliegenden Studie ist die 5-JÜR der
oberflächlichen Tumoren ca. 80 %, die der invasiven ca. 39 %. Trotzdem
zeigen die oberflächlichen Tumoren eine hohe Rezidivneigung. Ein Parameter, welcher die Rezidivwahrscheinlichkeit des Harnblasentumors anzeigt,
erlaubt noch keine Aussage über die Gesamtprognose des Patienten.
Eine mögliche Erklärung für den unterschiedlichen Ort der Expression von
MMP-9, d.h. Tumor vs. Stroma, bietet vielleicht die elektronenmikroskopische
Arbeit von Ohtani et al (96). Sie stellten die Hypothese auf, dass Tumorfibroblasten MMP-2 produzieren, sezernieren und die Tumorzellen das
Enzym durch einen Uptake-Mechanismus aufnehmen (36, 96). Übertragen
auf MMP-9, hätte man einen Erklärungsansatz für die anscheinend widersprüchlichen Ergebnisse hinsichtlich der Lokalisation. Trotzdem bliebe auch
hier offen, warum ein Teil der Tumoren die Gelatinase aufnimmt, während
andere dies nicht tun. Aber auch die verwendeten unterschiedlichen Versuchsansätze und Antikörper machen es schwer, die Studien wirklich
miteinander zu vergleichen. Einige Autoren sehen gerade dort das Problem.
Solange nicht weitere Untersuchungen zur oben genannten Hypothese von
Ohtani et al. (96) existieren, bleibt der Erklärungsansatz der divergenten
Versuchsansätze noch der wahrscheinlichste. Umso wichtiger ist die Forderung nach standardisierten Immunhistochemieprotokollen.
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Aus der vorliegenden Arbeit ergeben sich weitere Fragestellungen:
•
So könnte eine Untersuchung des genauen Mechanismus, mit dem die in
stromalen bzw. inflammatorischen Zellen gebildeten Metalloproteinasen
zu Tumorwachstum, Tumorprogression und Metastasierung beitragen,
wertvolle Informationen liefern.
•
In der vorliegenden Untersuchung blieb unberücksichtigt, ob die Matrixmetalloproteinase in aktiver oder inaktiver, der sog. (proMMP-9) Form,
vorlag. Es wäre interessant, auch dies weiter zu untersuchen. Allerdings
konnten Sier et al. (119) bei ihrer Untersuchung von MMP-9 im Urin zeigen, dass eine hohe Korrelation zwischen aktiver MMP-9 und Gesamt-MMP-9-Aktivität besteht und es somit unerheblich scheint, ob die
Gesamtaktivität oder die aktive Form der Metalloproteinase herangezogen wird.
•
Für die klinische Einführung der in der vorliegenden Arbeit verwendeten
Versuchsanordnung mit der teilweise sehr aufwändigen Zählung der Entzündungszellen sollte eine Verbesserung und untersucherunabhängige
Standardisierung des Auszählsystems weiterentwickelt werden. Ebenso
ist eine standardisierte, d.h. laborunabhängige automatisierte Immunhistochemie zu fordern. Interessant könnte auch das Ergebnis einer
quantitativen Messung der MMP-Produktion sein, da Makrophagen physiologischerweise ebenfalls einen gewissen Anteil an MMP-9 sezernieren.
•
Interessant wäre zudem, den genauen Mechanismus der MMP-9 Produktion im Stroma bzw. in den myeloischen Entzündungszellen zu kennen.
Sezerniert der Tumor Faktoren, ist der direkte Tumorkontakt mit Stroma
entscheidend oder ist es das Resultat einer inflammatorischen Reaktion,
die den Tumor oft begleitet? Stünde die inflammatorische Reaktion im
Vordergund, so könnte man mit dem Wissen, dass die Makrophagen Produzenten der MMPs sind, neue therapeutische Ansätze überlegen. Eine
mögliche Therapie könnte dann eine Unterdrückung der inflammatorischen Reaktion beinhalten. Die entzündungshemmende Therapie ist ja
schon Gegenstand mehrer Forschungsgebiete, wie z.B. bei allen auto-
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immunen Prozessen, so dass auf ein bereits vorhandenes Therapiekonzept zurückgegriffen werden könnte.
Je besser man die Tumorkinetik verstehen wird, umso mehr Ansätze zur
Prognosefindung und Therapieoptimierung werden sich ergeben. Der Trend
wird sicherlich dahin gehen, nicht nach einem einzigen Prognoseparameter
zu suchen, sondern Kombinationssysteme zu entwickeln (101).
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