16 Abs. 1 Nr. 1 c VOB/A

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Die vergaberechtliche Angebotswertung im Falle des Fehlens einer
unwesentlichen Preisposition gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c VOB/A
und deren bauvertragsrechtliche Auswirkungen
Rechtsanwalt Eckhard Brieskorn, Essen*
Von der VOB/A 2009 wird neuerdings die Möglichkeit eröffnet, ein Angebot trotz des
Fehlens eines Preises unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen ausnahmsweise zu werten. Nach dem Wortlaut des insoweit einschlägigen § 16 Abs. 1 Nr.
1 lit. c) VOB/A müssen Angebote, bei denen die geforderten Preise fehlen, ausgeschlossen werden; „ausgenommen solche Angebote, bei denen lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt und durch die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge, auch bei Wertung dieser Position mit dem höchsten Wettbewerbspreis, nicht beeinträchtigt werden“.
Der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) beschreibt
das Ziel der Neuregelung in seiner amtlichen Bekanntmachung der VOB/A 2009 wie
folgt: „Wesentliche inhaltliche Änderungen wurden bei den Ausschlussgründen aufgenommen. Nach den neuen Regelungen sind Angebote zuzulassen, die lediglich formale
oder unwesentliche Mängel beinhalten. Damit soll die hohe Ausschlussrate reduziert
und ein umfassender Wettbewerb sichergestellt werden. (…) Ferner können nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c Angebote gewertet werden, wenn lediglich eine unwesentliche Preisangabe fehlt und sich durch die Wertung mit dem höchsten Wettbewerbspreis für diese Position die Bieterreihenfolge nicht verändert“1.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Neuregelung werden
hingegen auch in den Materialien des DVA nicht näher beschrieben, eine abschließende Klärung des Inhalts muss daher der Rechtsprechung überlassen bleiben2. Mit diesem Beitrag sollen daher zunächst einige Anhaltspunkte für die Praxis gegeben werden, wie diese Neuregelung mit ihren tatbestandlichen Voraussetzungen möglichst
rechtssicher gehandhabt werden kann, bis eine solche abschließende Klärung durch
die Vergabenachprüfungsinstanzen erfolgt sein wird. Nachfolgend sollen dann die mindestens ebenso praxisrelevanten Auswirkungen dieser Neuregelung auf die spätere
Bauvertragsabwicklung ausgeleuchtet werden.
1. Vergaberechtliche Angebotswertung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA
a) Fehlen der Angabe eines Preises
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A müssen die geforderten Preise als ein zwingender
Mindestinhalt für ein vollständiges Angebot enthalten sein. Dies wird mit der grundsätzlich zwingenden Ausschlusssanktion des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) 1. HS VOB/A konsequent umgesetzt, demzufolge Angebote, die dem § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht entsprechen, auszuschließen sind.
*Rechtsanwalt Eckhard Brieskorn ist Syndikusanwalt bei der Emschergenossenschaft in Essen und Mitglied der Arbeitsgruppe
„Öffentliches Auftragswesen“ bei der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA). Dieser Beitrag
gibt die persönliche Meinung des Autoren wieder.
1
2
vgl. Kratzenberg, in Ingenstau/Korbion, 17. Aufl. 2010, VOB/A § 16, Rn. 14
vgl. Kratzenberg, a.a.O.; Rn. 14
-2-
Aufgrund dieses klaren Wortlauts kann ein Angebot somit (auch) künftig grundsätzlich
selbst dann nicht um eine oder mehrere Preisangaben ergänzt werden, wenn diese
durch einfache Rechenschritte zweifelsfrei nachvollzogen werden können, der Vergabestelle also eine ordnungsgemäße Wertung möglich ist und eine Wettbewerbsbeeinflussung ausgeschlossen ist3. D.h. die Vergabestelle ist auch in diesen Fällen an das
Vorliegen respektive Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Neuregelung des § 16
Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A gebunden.
b) in einer einzelnen unwesentlichen Position
Nur in einer einzelnen Position des Angebots darf eine Preisangabe fehlen; sobald eine
weitere Preisangabe im Angebot fehlt, ist dieses aufgrund des eindeutigen Wortlauts
zwingend wegen Unvollständigkeit, bzw. gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A i.V.m. §
13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auszuschließen4.
Bei der einen fehlenden Preisangabe muss es sich um eine solche in einer unwesentlichen Position handeln. Insbesondere dieser unbestimmte Rechtsbegriff bedarf noch der
Konkretisierung, damit er für die Praxis handhabbar wird. Dabei wird von folgendem
ausgegangen: Der Begriff sei zunächst unter quantitativen wertmäßigen Gesichtspunkten im Vergleich zur Gesamtleistung zu sehen. Für diese Position sei an Hand der anderen Angebote ein Durchschnittswert zu schätzen und im Vergleich zur Gesamtleistung zu betrachten. Auch eine (ergänzende) funktionale Betrachtung erscheine möglich.
Letztlich sei der Vergabestelle bei der Annahme oder Nichtannahme der „Unwesentlichkeit“ ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen5. Diese verschiedenen vorgeschlagenen Ansätze erscheinen zumindest diskussionswürdig.
Der „quantitativ wertmäßige“ Ansatz scheint zunächst nahe liegend zu sein, da es der
Sache nach um die fehlende Preisangabe eines im Vergabewettbewerb stehenden Bieters geht. Andererseits spricht die Norm jedoch ausdrücklich nicht von einer „fehlenden
unwesentlichen Preisangabe“, sondern von einer „fehlenden Preisangabe in einer unwesentlichen Position“, was allein dem Wortlaut nach eher für den funktionalen Ansatz
sprechen könnte. Zudem wird das vergaberechtliche Wettbewerbsgebot bereits durch
die sogleich unter c) dargestellten Schranken, namentlich die Nichtbeeinträchtigung der
Wertungsreihenfolge und des Wettbewerbs auch bei Wertung dieser Position, gewähr-
3
vgl. Kratzenberg, a.a.O., Rn. 12 m.w.N.; vgl. aber OLG Dresden, Beschluss vom 18.10. 2001 – WVerg
00080/01, VergR 2002, 174 zu der bisherigen Rechtslage, dessen Grundsätze sich aber wohl weiterhin
zumindest dann unter Hinweis auf § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A ausnahmsweise gut vertretbar halten lassen
dürften, wenn jedenfalls der Einheitspreis ordnungsgemäß angegeben wurde und nur der dazugehörige
Gesamtpreis fehlt: Denn warum sollte ein Bieter besser gestellt werden, dessen Gesamtpreis falsch berechnet ist, als ein Bieter, dessen Gesamtpreis fehlt?
4
vgl. Kratzenberg, a.a.O., Rn. 14; soweit der BGH vertritt, dass ein Bieter, der in seinem Angebot die von
ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, nicht die von ihm geforderten Preise benennt (sog. Mischkalkulation; vgl. BGH, Beschluss vom 18.05.2004 – X ZB 7/04; VergabeR 2004, 473; BauR 2004, 1433
NZBau 2004, 457), kommt eine ausnahmsweise Wertung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A somit nicht
in Betracht, da in diesen Fällen stets mehr als nur eine einzelne Position betroffen ist.
5
vgl. Kratzenberg, a.a.O., Rn. 14
-3-
leistet, ohne dass es auf die Frage der „quantitativ wertmäßigen“ Unwesentlichkeit der
betroffenen Position noch ankäme.
Vor diesem Hintergrund kann die Herleitung beziehungsweise Rechtfertigung dieses
„quantitativ wertmäßigen“ Ansatzes daher wohl allein dem vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot geschuldet sein, da die Vergabestelle kein vernünftiges Interesse
daran haben kann, einen öffentlichen Bauauftrag – je nach hierzu vertretener Rechtsauffassung – entweder ohne eine wesentliche Position oder aber mit einer wesentlichen
Position ohne vorvertraglich vereinbarten Einheitspreis zu schließen. Je nach Sichtweise müsste die Vergabestelle ansonsten eine wesentliche Position nachträglich anordnen und den dazugehörigen Preis – außerhalb des Wettbewerbs – vereinbaren oder
aber jedenfalls den fehlenden Preis zu einer bereits beauftragten wesentlichen Position
– wiederum außerhalb des Wettbewerbs – verhandeln, was in beiden Fällen regelmäßig
kein aus Sicht der Vergabestelle wirtschaftliches Ergebnis verspricht6.
Der „funktionale“ Ansatz unterliegt ebenfalls Bedenken, da ohne Weiteres nicht ersichtlich wird, warum die Frage der Bedeutung einer Leistungsposition für die Funktionalität
z.B. eines technischen Bauwerks in vergaberechtlicher Hinsicht in irgendeiner Form
Relevanz erlangen sollte. Letztlich kann dieser Ansatz daher wohl allein bauvertragsrechtlich motiviert sein, soweit man jedenfalls die Rechtsauffassung verträte, dass der
Bauauftrag in den hier besprochenen Fällen zunächst ohne die betreffende unwesentliche Position zu Stande komme. Nur für diesen Fall wäre wohl ein sachliches Interesse
der Vergabestelle gegeben, einen Bauvertrag eben nicht ohne eine für die technische
Funktionalität des Bauwerks unverzichtbare Position beauftragen zu wollen. Nach der
hier vertreten Auffassung wird die „unwesentliche Position“ jedoch auch ohne die fehlende Preisangabe des Bieters Vertragsinhalt, vergleiche hierzu die nachfolgenden Ausführungen unter 2.
Nach alledem dürfte der „funktionale“ Ansatz somit mangels Begründbarkeit zu verwerfen sein und sich die Frage der „Unwesentlichkeit“ einer Position allein am „quantitativen wertmäßigen“ Maßstab messen lassen, wobei der Vergabestelle hierbei aber in der
Tat ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen sein dürfte.
c) durch deren Außerachtlassung der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge,
auch bei Wertung dieser Position mit dem höchsten Wettbewerbspreis, nicht beeinträchtigt werden
Diese Voraussetzung ist die wichtigste der Tatbestände der Ausnahmeregelung und
Ausfluss des Gebots, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen i.S.
von § 2 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A zu bekämpfen. Beispielsweise dürfte die Anwendung der
Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA nicht in Betracht kommen, wenn
Hinweise darauf bestehen, dass ein Bieter bewusst die Angabe eines Preises unterlässt, um sich eine bessere Wettbewerbsposition zu verschaffen.
6
Siehe hierzu auch die nachfolgenden Ausführungen unter 2.
-4-
Die Regelung konkretisiert das Erfordernis, den Wettbewerb nicht zu beeinträchtigen,
mit einem Beispiel: Die Wertungsreihenfolge der Angebote der engeren Wahl darf sich
bei Anwendung der Ausnahmeregelung in keinem Fall verschieben respektive ändern.
Damit wird derjenige Bieter geschützt, der sein Angebot vollständig und gemäß den
vergaberechtlichen Anforderungen abgegeben hat.
Um die Vergleichbarkeit des (in einer unwesentlichen Position) in preislicher Hinsicht
unvollständigen Angebots mit den anderen vollständigen Angeboten herzustellen gibt §
16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA eine Fiktion zwingend vor: Der fehlende Preis ist für den
Zweck der Wertung durch den höchsten Wettbewerbspreis für diese Einzelposition anzunehmen. Nur wenn das Angebot nunmehr in dem angebotenen Gesamtpreis wirtschaftlicher als die anderen Angebote ist, kann es in der Wertung bleiben und gegebenenfalls der Zuschlag darauf erteilt werden7.
Teilweise wird in diesem Zusammenhang dann aber scheinbar davon ausgegangen,
dass dieser für den Zweck der Wertung für diese Position anzunehmende höchste
Wettbewerbspreis stets mit dem höchsten in der Ausschreibung abgegebenen Preis für
diese Einzelposition gleichzusetzen sei.
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass dies angesichts des dieses Tatbestandsmerkmal tragenden Verbots der Wettbewerbsbeeinträchtigung richtiger Weise nur für im
ordnungsgemäßen Wettbewerb gebildete „höchste Preise“ gelten kann. Es dürfte auf
der Hand liegen, dass ein nachweislich auf einer vergaberechtlich unzulässigen Mischkalkulation oder aber einer wettbewerbswidrigen Absprache von Bietern beruhender
„höchster Preis“ kein im Rahmen der Fiktion zu berücksichtigender „höchster Wettbewerbspreis“ sein kann. Im Falle eines auffällig hohen „höchsten Wettbewerbspreises
dürfte die Vergabestelle somit zunächst gehalten sein, diesen dahingehend einer Aufklärung zu unterziehen, ob dieser im ordnungsgemäßen Wettbewerb gebildet wurde,
bevor dieser im Rahmen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA als fiktive Vergleichsgröße
dienen kann.
Andererseits werden die Vergabestellen aber auch darüber befinden müssen, ob solche
im ordnungsgemäßen Wettbewerb gebildeten Höchstpreise auch dann herangezogen
werden dürfen, wenn diese in Angeboten enthalten sind, die aus anderen formalen
Gründen vom Wettbewerb ausgeschlossen werden müssen. Hiergegen dürfte jedenfalls
solange Nichts einzuwenden sein, wie sichergestellt werden kann, dass der formale
Fehler, der den Angebotsausschluss nach sich zieht, keinen Einfluss auf die ordnungsgemäße Preisbildung des höchsten Wettbewerbspreises gehabt hat8.
2. Auswirkungen auf die Bauvertragsabwicklung
Gesetzt den Fall, die Vergabestelle bejaht im Rahmen des ihr insoweit zuzubilligenden
Beurteilungsspielraums das Vorliegen einer „unwesentlichen“ Position neben allen wei7
vgl. Kratzenberg, a.a.O., Rn. 14
a.A.: Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA
StB-B 04/2010), Nr. 19 der Ziff. 2.4 Prüfung und Wertung der Angebote
8
-5-
teren tatbestandlichen Voraussetzungen und belässt das betreffende Angebot gemäß
der Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA in der Wertung mit dem Ziel,
den Vertragsschluss durch Zuschlagserteilung herbeizuführen, so stellt sich jedoch augenscheinlich eine noch sehr viel interessantere bauvertragsrechtliche Frage:
Welcher Vertragspreis soll für die „unwesentliche“ Leistungsposition gelten, in welcher
der betreffende Bieter es unterlassen hat, den von ihm für die dort beschriebene Leistung geforderten Preis einzutragen? Und zuvörderst stellt sich die Frage: Wird die betreffende Leistungsposition denn überhaupt Vertragsinhalt?
a) Die einzelne unwesentliche Position wird nicht Vertragsinhalt und wird als zusätzliche Leistung gemäß §§ 1 Abs. 4; 2 Abs. 6 VOB/B angeordnet
Teilweise scheint unter Hinweis auf das Vergabehandbuch des Bundes vertreten zu
werden, dass die betreffende Position im Falle der Zuschlagserteilung gar nicht Vertragsinhalt werde und folgerichtig einer etwaigen späteren Anordnung einer zusätzlichen Leistung gemäß § 1 Abs. 4 VOB/B mit entsprechender Vergütungsvereinbarung
der Vertragsparteien gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B vorbehalten bleibe9.
Diese scheinbar rein zivilrechtliche Betrachtungsweise dürfte jedoch in unvereinbarer
Weise mit dem Vergaberecht kollidieren: Grundsätzlich ist strikt zwischen der vergaberechtlich unzulässigen Änderung von Verdingungsunterlagen und dem Fehlen einer
Preisangabe im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A zu differenzieren. Zwar sieht
die VOB/A 2009 einen zwingenden Ausschlussgrund bei Fehlen eines Preises in einer
unwesentlichen Preisposition nicht mehr vor; jedoch läge ein diesen Tatbestand erfüllender Sachverhalt gar nicht vor, wenn die betreffende Position bereits nicht Vertragsinhalt würde. Vielmehr wäre das betroffene Angebot in diesem Falle nicht in jeder Hinsicht mit den anderen – die betreffende Position enthaltenden – Angeboten vergleichbar
und müsste folgerichtig zwingend wegen unzulässiger Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden.
Allein um diese unerwünschte vergaberechtliche Rechtsfolge zu vermeiden, ist daher
davon auszugehen, dass die betreffende Position entgegen den Ausführungen des
Vergabehandbuchs des Bundes10 sehr wohl Vertragsinhalt wird. Dies entspricht im Übrigen aber auch der neueren Rechtsprechung des BGH, der zufolge Willenserklärungen
in Vergabeverfahren im Zweifel vergaberechtskonform auszulegen sind 11; es wäre daher auch unter diesem Gesichtspunkt verfehlt, von vornherein anzunehmen, der jeweilige Bieter habe durch seine unterbliebene Preisangabe in einer Leistungsposition erklä-
9
vgl. Kratzenberg, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.
Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) 2008, Richtlinien zu Formblatt 321
11
vgl. BGH, Urteil vom 11.11.1993 – VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; ders., Urteil vom 11.05.2009 – VII ZR
11/08, IBR 2009, 310
10
-6-
ren wollen, dass er die betreffende Position nicht anbieten, mithin also die Vergabeunterlagen in vergaberechtswidriger Weise habe ändern wollen12.
Es verbleibt daher alleine noch die Frage: Welcher Vertragspreis soll für die „unwesentliche“ Leistungsposition gelten, in welcher der hierfür geforderte Preis fehlt?
b) Die einzelne unwesentliche Position wird Vertragsinhalt und die fehlende
Preisangabe wird durch den höchsten Wettbewerbspreis ersetzt
Lediglich auf den ersten Blick scheint es insoweit nahe zu liegen, die fehlende Preisangabe – entsprechend dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA – durch den
höchsten Wettbewerbspreis zu ersetzen. Dies wäre jedoch im Ergebnis sicherlich weder im haushalterischen Interesse der Vergabestelle, noch entspräche dies dem Grundsatz der Privatautonomie der Vertragsparteien: Schließlich hat der betreffende Bieter
die in Rede stehende Position zu keiner Zeit zu dem – ihm gar nicht bekannten –
höchsten Wettbewerbspreis angeboten mit der Folge, dass ersichtlich eine einseitige
Annahme eines solchen (nicht vorliegenden) Angebotes ausscheidet. § 16 Abs. 1 Nr. 1
lit. c) VOBA sieht die Berücksichtigung des höchsten Wettbewerbspreises eben gerade
nur fiktiv für den Zweck der Wertung vor; eine das Zivilrecht respektive Bauvertragsrecht betreffende Aussage ist hiermit nicht verbunden.
c) Die einzelne unwesentliche Position wird Vertragsinhalt und die fehlende
Preisangabe wird als Verzicht auf einen Positionspreis ausgelegt
Ganz im Gegenteil könnten die Vergabestellen – vielleicht ein wenig ergebnisorientiert –
auf den Gedanken verfallen, die fehlende Preisangabe als Verzicht auf einen Positionspreis auszulegen und den Zuschlag folgerichtig auf den sich so errechnenden und angebotenen Gesamtpreis erteilen zu wollen. Auch dieser Lösungsversuch unterliegt jedoch durchgreifenden Bedenken: Zum einen dürfte es in vergaberechtlicher Hinsicht
bereits an der Eindeutigkeit des Angebots fehlen, da mindestens unklar bleibt, ob der
Bieter für diese Position einen Preis verlangt oder eben nicht13.
Weiterhin wäre eine solche Auslegung aber wohl auch ersichtlich unbillig, da es grundsätzlich der Vergabestelle obliegt, im Rahmen des ihr zuzubilligenden Beurteilungsspielraums zu entscheiden, welche Position „unwesentlich“ ist mit der Folge, dass diese
gleichsam entscheiden könnte, welche Position der Bieter unentgeltlich auszuführen
hätte. Zudem dürfte eine den allgemeinen Regeln folgende zivilrechtliche Angebotsaus-
12
Anderenfalls hätte es der Bieter auch in der Hand, Leistungen, die er z.B. aus Gründen fehlender fachlicher Eignung nicht anbieten kann, durch Weglassen des Preises aus dem Vertrag herauszunehmen. Im
Übrigen würde in diesen Fällen dann auch eine nachträgliche Anordnung dieser Leistung gemäß § 2 Nr.
6 VOB/B scheitern, da der Betrieb des Auftragnehmers auf diese Leistung gar nicht eingerichtet wäre.
13
vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 16.07.2003 – Az. 25-06/03; VK Sachsen, Beschluss vom
16.12.2009 -1/SVK/057-09, IBR 2011, 224 demzufolge richtigerweise aus denselben Gründen grundsätzlich auch eine Aufklärung nach § 15 Abs. 1 VOB/A unterbleiben muss. Eine Ausnahme von diesem
Grundsatz könnte aber anzunehmen sein, wenn sich der fehlende Preis anhand der Urkalkulation zweifelsfrei ermitteln lässt; a.A. OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.11.2011 – Verg W 12/11.
-7-
legung aber auch ergeben, dass die Herstellung eines Bauwerks oder Teilen davon den
regelmäßigen Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
d) Die einzelne unwesentliche Position wird Vertragsinhalt und die fehlende
Preisangabe wird vor Auftragserteilung nachgefordert
Was läge mithin näher, als den fehlenden Preis einfach bei dem betreffenden Bieter
nachzufordern? In der Parallelvorschrift des § 16 Abs. 2 S. 2 VOL/A wird eine solche
Nachforderungsmöglichkeit der Vergabestellen schließlich sogar bezüglich mehrerer
fehlender Preise geregelt14.
In diesem Zusammenhang wird man sich jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen der VOB/A und der VOL/A vor Augen führen müssen: Die VOL/A „kennt“ keinen
öffentlichen Submissionstermin. Im Gegensatz zu Vergaben nach den Vorschriften der
VOL/A ist den Bietern in Vergaben nach den Vorschriften der VOB/A im Stadium der
Angebotswertung und etwaiger Nachforderung von Preisen das Submissionsergebnis
und damit regelmäßig auch – mehr oder minder verlässlich, je nach dem ob z.B. Nebenangebote zugelassen und abgegeben wurden – die Wertungsreihenfolge und damit
auch der bisweilen sogar exakte Preisabstand zum zweitplatzierten Bieter bekannt.
Aus Sicht des Bieters wäre es in diesen Fällen also betriebswirtschaftlich nahe liegend
und nur zu gut verständlich, die bestehende Differenz seines Angebots zum Angebot
des zweitplatzierten Bieters durch Nachreichen eines entsprechend kalkulierten Preises
geradezu bis auf „einen symbolischen cent“ Preisvorsprung zu egalisieren. Hierin läge
sicherlich eine ungewollte Wettbewerbsverzerrung und es würde darüber hinaus zu
wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen „eingeladen“. Eine Nachforderung der fehlenden Preisangabe scheidet demzufolge ebenfalls aus15.
e) Die einzelne unwesentliche Position wird Vertragsinhalt und die fehlende
Preisangabe wird vor Auftragserteilung ausgehandelt
Teilweise wird daher vorgeschlagen, der fehlende Positionspreis sei vor Auftragserteilung in Durchbrechung des § 15 Abs. 3 VOB/A zu verhandeln16. Auch dieser Vorschlag
begegnet jedoch den zuvor genannten Bedenken: Auch in diesem Falle könnte der angesichts des bekannten Submissionsergebnisses „siegesgewisse“ Bieter seine starke
Verhandlungsposition nutzen und die Vergabestelle müsste bereits aus haushalteri14
Eine noch großzügigere Regelung trifft § 11 Abs. 3 VOF 2009, wonach alle fehlenden Erklärungen und
Nachweise – und damit auch fehlende Preisangaben – auf Verlangen des Auftraggebers nachgereicht
werden können (Müller-Wrede, 4. Aufl. 2011, § 11 Rn. 31), was jedoch nicht weiter verwundern dürfte, da
das vergaberechtliche Nachverhandlungsverbot im Rahmen von Verhandlungsverfahren nicht gilt. Ob
insoweit unvollständige Angebote hingegen im Falle von Sektorenvergaben vervollständigt werden dürfen, bleibt angesichts der Tatsache, dass weder die Sektorenrichtlinie noch die SektVO hierzu Regelungen enthalten sowie angesichts des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes mindestens
zweifelhaft.
15
Eine Nachforderung der fehlenden Preisangabe könnte im Übrigen auch europarechtlich bedenklich
sein, da die Vergabekoordinierungsrichtlinie (VKR) die Möglichkeit der Ergänzung von Preisangaben
jedenfalls nicht ausdrücklich vorsieht.
16
Kapellmann/Messerschmidt, 3. Aufl. 2010, VOB/A § 16, Rn. 22
-8-
schen Gründen auf dessen – schließlich immer noch gegenüber dem zweitplatzierten
Bieter wirtschaftlicheren – Vorstellungen einschlagen.
Zudem liegt auch hier ersichtlich ein Verstoß gegen das vergaberechtliche Nachverhandlungsverbot vor; welcher sich auch nicht ausnahmsweise rechtfertigen lässt, da
angesichts des bekannten Submissionsergebnisses die bereits erwähnten Wettbewerbsverzerrungen und wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen drohen. Auch ein vorvertragliches Aushandeln der fehlenden Preisangabe scheidet demnach aus.
f) Die einzelne unwesentliche Position wird Vertragsinhalt und die fehlende Preisangabe wird nach Auftragserteilung durch die „übliche Vergütung“ gemäß § 632
Abs. 2 BGB ersetzt
Angesichts der bisherigen Feststellungen, dass erstens die Leistungsposition selbst
Vertragsinhalt wird, zweitens die Leistungserbringung den regelmäßigen Umständen
nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist und drittens zuvor keine besondere
Vergütung vereinbart wurde respektive aus Rechtsgründen werden konnte, dürfte somit
auf die Vorschrift des § 632 Abs. 2 BGB abzustellen sein mit der Folge, dass dem Auftragnehmer die „taxmäßige“ oder „übliche“ Vergütung zustehen dürfte. Dieses Ergebnis
erscheint nicht nur rechtsdogmatisch – und zwar in vergaberechtlicher wie auch in zivilrechtlicher Hinsicht – überzeugend, sondern ist auch hinreichend praxisgerecht, da die
Bemessung der „üblichen“ Vergütung als objektiver Maßstab auch einem (gerichtlichen)
Sachverständigenbeweis zugänglich ist.
Nachteilig ist zugegebener Maßen zwar sicherlich, dass die Vergabestelle sehenden
Auges ein Angebot bezuschlagt, ohne den betreffenden Einheitspreis zu kennen. Dies
birgt auch die zumindest theoretische Gefahr in sich, dass der später gefundene „übliche“ Preis sogar noch über dem höchsten Wettbewerbspreis liegt; der erfolgreiche Bieter also – im Rahmen einer solchen ex-post-Betrachtung, gar nicht das wirtschaftlichste
Angebot abgegeben hätte. Diese Nachteile müssen jedoch in Ermangelung anderweitiger rechtsdogmatisch überzeugender Lösungsmöglichkeiten wohl oder übel in Kauf genommen werden. Etwas anderes kann nur für den Fall gelten, dass die Vergabestelle
im Rahmen ihrer Vertragsgestaltung wirksame Vorsorge treffen kann, siehe hierzu die
nachfolgenden Ausführungen unter g).
g) Die einzelne unwesentliche Position wird Vertragsinhalt und die fehlende
Preisangabe ist „nach billigem Ermessen“ gemäß § 315 BGB festzusetzen
Aus Sicht der Vergabestelle könnte insbesondere daran gedacht werden, sich in den
Vertragsunterlagen ein einseitiges Bestimmungsrecht des Auftraggebers „nach billigem
Ermessen“ gemäß § 315 BGB einzuräumen. Eine formularmäßige vertragliche Regelung hätte sich jedoch im Einzelfall an § 307 BGB zu messen und wäre wohl nur dann
wirksam vereinbart, wenn besondere Gründe eine solche Regelung rechtfertigen17.
17
vgl. Werner/Pastor, 13. Aufl. 2011, Rn. 1405
-9-
Die oben beschriebene Ausgangslage für die Vergabestelle, aus rechtlichen Zwängen
heraus sehenden Auges ein Angebot bezuschlagen zu müssen, ohne den betreffenden
Einheitspreis zu kennen – auch auf die Gefahr hin, dass der später gemäß § 632 Abs. 2
BGB gefundene „übliche“ Preis sogar noch über dem höchsten Wettbewerbspreis liegt;
der erfolgreiche Bieter also – im Rahmen einer ex-post-Betrachtung – gar nicht das
wirtschaftlichste Angebot abgegeben hätte mit der Folge einer gewissermaßen „nachträglichen Wettbewerbsverzerrung“, könnte jedoch durchaus gut vertretbar als solcher
„besonderer Rechtfertigungsgrund“ gelten: Schließlich kann die Vergabestelle (nur) auf
diesem Wege sowohl eine solche „nachträgliche Wettbewerbsverzerrung“ verhindern,
als auch einen wirtschaftlichen Positionspreis sicherstellen. Zuletzt dürfte auch keine
unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vorliegen – solange jedenfalls
die Vergabestelle das so genannte „billige Ermessen“ nicht im betriebswirtschaftlichen
Sinne von „billig“, sondern im rechtlichen Sinne von Treu und Glauben ausübt. In diesem Falle wäre die einseitige Bestimmung des Preises durch die Vergabestelle aber
ohnehin nicht für den Auftragnehmer bindend. Vielmehr müsste für diesen Fall gemäß §
315 Abs. 3 BGB eine Bestimmung des Preises durch Urteil erfolgen.
3. Fazit und Ausblick
Die weniger restriktiven formalen Anforderungen der VOB/A an die Angebote der Bieter
und die damit eröffnete Möglichkeit der Wertung von unvollständigen Angeboten, hier in
der Ausprägung der Wertung von Angeboten trotz des Fehlens eines Preises in einer
einzelnen unwesentlichen Position, sind aus vergaberechtlicher Sicht grundsätzlich zu
begrüßen. Sie dienen dem freien Wettbewerb der Bieter und führen aus Sicht der öffentlichen Auftraggeber regelmäßig zu wirtschaftlicheren Vergaben18.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Neuregelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c)
VOBA für die Anwendbarkeit der Neuregelung werden jedoch nicht näher beschrieben,
eine abschließende Klärung des Inhalts muss daher insbesondere hinsichtlich der dort
verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe der Rechtsprechung überlassen bleiben.
Eine erste Analyse der Neuregelung lässt jedoch unschwer erkennen, dass zunächst
einmal der tatbestandliche Anwendungsbereich erheblich dadurch eingeengt wird, dass
lediglich in einer Position eine Preisangabe fehlen darf, um – bei Vorliegen der weiteren
tatbestandlichen Voraussetzungen – ein Angebot weiter in der Wertung verbleiben zu
lassen. Es bleibt daher abzuwarten, welche Relevanz für die Praxis diese Regelung
tatsächlich erhalten wird.
18
Wettbewerbswidrige oder unerwünschte Verhaltensweisen der Bieter ausgenommen. So scheinen sich
jedenfalls im Falle der Parallelvorschrift zur zwingenden Nachforderung von fehlenden geforderten
Nachweisen und Erklärungen unter Setzen einer sechstägigen Ausschlussfrist bereits die Befürchtungen
der Praxis zu bestätigen, dass die Verpflichtung der Vergabestelle zum Ausschluss eines Angebots im
Falle der nicht fristgerechten Nachreichung durch die Bieter bereits als „vergaberechtliches Rücktrittsrecht“ des Bieters von seinem Angebot angesehen wird mit der Folge, dass vollständige Angebote zur
Zeit bereits immer seltener werden.
- 10 -
Für den Fall, dass die Vergabestellen mit dieser Neuregelung konfrontiert werden,
werden sie dann aber nicht umhinkommen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob
von der Auslassung einer Preisangabe eine „unwesentliche“ Leistungsposition betroffen
ist. Nach der hier vertreten Rechtsauffassung ist insoweit einzig und allein ein „quantitativ wertmäßiger“ Maßstab anzulegen, d.h. für diese Position ist, regelmäßig an Hand
der anderen Angebote, ein Durchschnittswert zu schätzen und im Vergleich zur Gesamtleistung zu betrachten. Eine teilweise im Schrifttum19 befürwortete (ergänzende)
funktionale Betrachtung erscheint demgegenüber nicht sinnvoll begründbar, wobei jedoch den Vergabestellen ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen sein dürfte.
Bei der weiterhin von den Vergabestellen zu beantwortenden Frage, welcher „höchste
Wettbewerbspreis“ für die Zwecke der Wertung in die betroffene Leistungsposition einzusetzen ist, sind die Vergabestellen unter dem Gesichtspunkt einer ansonsten greifbaren Wettbewerbsverzerrung gut beraten, zunächst einmal aufzuklären, ob der jeweils
höchste in der Ausschreibung abgegebene Preis für diese Einzelposition tatsächlich ein
Wettbewerbspreis ist, namentlich also zum Beispiel nicht auf einer vergaberechtlich unzulässigen Mischkalkulation oder einer wettbewerbswidrigen Absprache beruht und
damit letztlich nicht im ordnungsgemäßen Wettbewerb gebildet wurde. Es dürfte insoweit auf der Hand liegen, dass ein solcher wettbewerbswidrig zu Stande gekommener
„höchster Preis“ kein im Rahmen der fiktiven Angebotswertung zu berücksichtigender
„höchster Wettbewerbspreis“ sein kann.
Ungleich schwieriger zu beantworten sein dürfte hingegen die Frage, ob die im ordnungsgemäßen Wettbewerb gebildeten Höchstpreise auch dann herangezogen werden
dürfen, wenn diese in Angeboten enthalten sind, die aus anderen formalen Gründen
vom Wettbewerb ausgeschlossen werden müssen. Hiergegen dürfte nach der hier vertretenen Rechtsauffassung jedenfalls solange Nichts einzuwenden sein, wie sichergestellt werden kann, dass der formale Fehler, der den Angebotsausschluss nach sich
zieht, keinen Einfluss auf die ordnungsgemäße Preisbildung des höchsten Wettbewerbspreises gehabt hat20.
Gesetzt den Fall, die Vergabestelle bejaht nach alledem das Vorliegen sämtlicher tatbestandlicher Voraussetzungen, belässt mithin das betreffende Angebot gemäß der
Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA in der Wertung mit dem Ziel, den
Vertragsschluss durch Zuschlagserteilung herbeizuführen, so ist dieser Zuschlag nach
der hier vertretenen Rechtsauffassung auch auf die vom Bieter nicht bepreiste Leistungsposition gerichtet, d. h. die nicht bepreiste Leistungsposition wird im Falle der Zuschlagserteilung Vertragsinhalt. Soweit vertreten wird, die betroffene Leistungsposition
werde nicht Vertragsinhalt21, ist dieses Ergebnis aus vergaberechtlichen Gründen nicht
haltbar, da ansonsten keine in jeder Hinsicht vergleichbaren Angebote vorlägen.
19
vgl. Kratzenberg, a.a.O., Rn. 14
a.A.: Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA
StB-B 04/2010), Nr. 19 der Ziff. 2.4 Prüfung und Wertung der Angebote
21
Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) 2008, Richtlinien zu
Formblatt 321
20
- 11 -
Der fehlende Preis für die mithin zum Vertragsinhalt gewordene Position lässt sich nach
der hier vertretenen Rechtsauffassung vorvertraglich, d.h. im laufenden Vergabeverfahren, aus Rechtsgründen weder durch Auslegung ermitteln, noch nachfordern respektive
verhandeln. Angesichts der in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen, dass
erstens die Leistungsposition selbst Vertragsinhalt wird, zweitens die Leistungserbringung den regelmäßigen Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist und
drittens zuvor keine besondere Vergütung vereinbart wurde respektive aus Rechtsgründen werden konnte, dürfte vielmehr auf die Vorschrift des § 632 Abs. 2 BGB abzustellen
sein mit der Folge, dass dem Auftragnehmer grundsätzlich die „taxmäßige“ oder „übliche“ Vergütung zustehen dürfte22.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang aber aus Sicht der Vergabestellen auch daran
zu denken, sich in den Vertragsunterlagen ein einseitiges Bestimmungsrecht des Auftraggebers nach § 315 BGB einzuräumen. Eine formularmäßige vertragliche Regelung
hätte sich jedoch im Einzelfall an § 307 BGB zu messen.
Es bleibt daher wie so oft mit Spannung abzuwarten, was die Vergabestellen aus der
bis auf Weiteres mit Rechtsunsicherheiten behafteten Neuregelung machen und welche
hoffentlich schärferen Konturen die Vergabenachprüfungsinstanzen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOBA nachfolgend geben werden.
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22
Insoweit ließe es sich sicherlich gut vertreten, zur Ermittlung einer solchen „üblichen“ Vergütung auf die
„verkehrsübliche“ Vergütung entsprechend den von der Rechtsprechung und Literatur zu § 2 Nrn. 5, 6
VOB/B entwickelten Grundsätzen abzustellen.
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