Als Dirigent der Aufführung versucht der junge Böhm

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Als Dirigent der Aufführung versucht der junge Böhm-Preisträger Erich Binder mit
großen Bewegungen Zusammenhalt zu stiften. Die Wiener Symphoniker sind nicht
zu beneiden. Um der optischen Einheitlichkeit willen hat man ihren Verschlag mit
einem Wald von Sonnenblumen abgedeckt. Wenn sie einmal präzis und klangschön
spielen, erreicht ihre Strauß-Darstellung Autoradioqualität.
Bregenz wird mit dieser Aufführung auf seine Kosten kommen. Der Erfolg - der
m ^ b a r e , wohlgemerkt - zählt. Man spürt diesen Trend aus allen Ritzen des Festspielhauses. Über Lautsprecher wird den Anwesenden dreisprachig für's Kommen
gedankt.
Peter Cosse
WAGNERS „PARSIFAL" IN BAYREUTH
Über eine entscheidende Bemerkung des gealterten Gurnemanz gehen die „Parsifal"-Inszenatoren gewöhnlich hinweg: leidvolle Veränderungen um und um kommentiert er mit den Worten „Bleich und elend wankt umher die mut- und führerlose
Ritterschaft". Die Beschwichtigung dieser Zeilen durch gefällige Dekorationen - zumeist in Anlehnung an den ersten Akt - und durch eine rituell fast ungebrochen auftretende Rittergemeinde hat dem ,,Parsifal"-Finale meist eine Wendung ins Festliche,
ja Pompöse gegeben, die den Versöhnungs- und Erlösungsgedanken ungebührlich
aus dem Umfeld realer Katastrophen rückt. Bei den Bayreuther Festspielen erscheint
der greise, ja gezeichnete Gurnemanz in einer ausgedörrten Waldlandschaft. Verkohlte Baumstämme lassen an Napalm oder zumindest an Narben kriegerischer Auseinandersetzungen denken. Mit dem ,,Karfreitagszauber" werden Andeutungen von
Belaubung und optischer Linderung in die Szene gesenkt. Die führerlose Ritterschaft
- schon im ersten Akt nicht eben militärisch geordnet - wankt gereizt, entmutigt
zum Gral - als Heutige, als Überlebende ohne existentiellen Halt. Dies vollzieht sich
in den vielsagenden, kontrastreichen Bauten von Andreas Reinhardt, der von Anbeginn an die Dialektik von mystischer Befreiung und Gefangensein deutlich macht.
Gurnemanzens Behausung im Wald ist nicht näher lokalisierbar. Eine eigenartige
Arkadenwelt von architektonischer Alogik fungiert als Spielumgebung. Sie schließt
sich in den sakralen Amtshandlungen zur monumentalen Gruft - kerkerhaft, unwirtlich.
Aspekte des Gefangenseins bleiben für den zweiten Akt kennzeichnend, auch wenn
sich bengalische Effekte gelegentlich zu verselbständigen drohen. Klingsor gebietet
aus einem käfigähnlichem Gebilde heraus, unter ihm ,,residiert" Kundry in einem
wagnerianisch ausstaffierten Kurtisanen-Verschlag. Für die Speerszene am Ende des
Akts entschied man sich für körperliche Geschicklichkeit ohne technische Tricks.
Klingsor wirft Parsifal die Waffe in weichem Bogen zu, so daß dieser sie in der Tat
einmal fangen kann.
Friedrichs Wollen scheint somit klar erkennbar. Ein Mangel an ,,Konzeption" wird
dieser ,,Parsifar'-Deutung nicht nachzusagen sein. Indes bl,eibt die zwingende, bestürzende Wirkung für mein Empfinden aus. Die gelungene Problematisierung des
Sujets, die rücksichtslose Entzauberung des Schlusses werden einerseits durch das
schleppende Grundtempo der Aufführung entschärft, andererseits wirken die Protagonisten durch mannigfaltige Hindernisse auf dem Bühnenboden in ihrer verbal-vocalen Mitteilungskraft gebremst. Immer wieder gelingt es Friedrich und seinem Bühnenbildner Andreas Reinhardt, Denkprozesse in Bewegung zu setzen. Ebenso unfehlbar gelingt es beiden jedoch, grundlegende Einsichten durch Gags zu überlagern.
Es war vom schleppenden Grundtempo die Rede. Der Vorwurf richtet sich an James
Levine, dem Bayreuth-Debütanten von der New Yorker ,,Met". Er dirigiert die
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,,Parsifal"-Musik mit langem Atem, ungeheuer episch und leider auch konfliktscheu
in den entscheidenden dramaturgischen Momenten. Mit den beiden Pausen dauert
diese Aufführung mehr als sechseinhalb Stunden. Natürlich nützt Levine die Chance,
den verborgenen Vibrationen in der Partitur nachzulauschen. Den Sängern indes bekäme eine raffende Hand gut. Zumal jenen, die von sich aus nicht unbedingt im gestalterischen Bereich für Explosivität garantieren können. Hans Sotin bleibt aus diesem zweifachen Grunde ein nobler, insgesamt blasser Gurnemanz, der in Friedrichs
Spekulationen über das Werk eine bestimmendere Rolle einnehmen müßte. Wie er,
so kämpft auch Leonie Rysanek in den Zuckungen der Kundry mit gestautem Atem.
Im zweiten Akt, wenn es nicht nur um denaturierte Töne geht, geriet sie an die
Grenzen ihrer sängerischen Beständigkeit, hatte nicht viel mehr als einige dramatische Spitzentöne zu bieten, während die Mittellage mürbe und flatternd blieb. Methodisch einleuchtend im Spiel und im sängerischen Ausbruch fanden Peter Hofmann (Parsifal), Franz Mazura (Klingsor) und Simon Estes (Amfortas) in das Geschehen. Hofmann scheint an baritonaler Farbe, an dramatischer Belastbarkeit hinzugewonnen zu haben. Er übernimmt die Friedrichschen Intentionen bis hin zur gedrückten, reflektierten Siegerpose am Ende. Estes, der farbige Bariton, empfahl sich
als Wagner-Sänger allererster Güte: kraftvoll, diszipliniert, ein Belcantist des
Schmerzes.
Über diese Bayreuth-Novität ist sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wie
man Friedrich kennt, wird er weiter an dieser Inszenierung feilen. Dabei sollte es
ihm nicht schwerfallen, für den Kreis der Blumenmädchen nach zierlicheren Stimmen zu fahnden. James Levine dürfte in den kommenden Aufführungen gezielter auf
den ,,Punkt" zudirigieren. Der unfeierlichen Regie würde eine gedrängtere musikalische Abfolge als akustische Bestätigung mehr dienlich sein.
Das Unternehmen ,,Parsifal 1982" wurde in Bayreuth vom Publikum angenommen.
Der Jubel - bei den Sängern meines Erachtens etwas undifferenziert abgegeben hielt die Buh-Rufer mühelos in Schach.
Peter Gosse
„ N O V I T Ä T E N " BEIM M Ü N C H N E R OPERNFEST
Arnold Schönbergs ,,Moses und Aron" war die einzige Neuinszenierung des Nationaltheaters der bayerischen Hauptstadt bei den diesjährigen Festwochen. Mit diesem
schwierig zu realisierenden Werk hat sich August Everding als Opernintendant verabschiedet ^sein Nachfolger ist bekanntlich Wolfgang SawaUisch, während Everding
die Generalintendanz über die staadichen Bühnen Münchens übernimmt). Klaus
Schultz hat mit seinem großartig angelegten Programmheft die würdigenswerte Leistung vollbracht, das Publikum auf zusammenfassende Art über Schönberg und sein
Werk aufzuklären: Neben dem Libretto finden sich da ein Leitartikel Hans Mayers
(,,Zeitgenosse Schönberg"), fünf Betrachtungen aus der Feder des Komponisten,
Adornos biographische Studie und der großartige Exkurs ,,Goethe über Moses und
Aron", bevor nochmals Adorno, Monika Lichtenfeld, Gerd Zacher, H . K. Metzger
und K. H . Wörner (zur konzertanten Uraufführung 1954), Helmut Thielicke (,,Die
Gesetzestafeln und aas Goldene Kalb") zu Wort sowie Szenenphotographien verschiedener Inszenierungen ,,ins Bild" kommen.
Die Neuinszenierung verfolgte sicherlich die Absicht, dem Publikum „Moses und
Aron" auf seriös vertretbare Weise nahe zu bringen. Giancarlo del Monaco, der
dem erkrankten Ponnelle die Regiearbeit in dessen Bühnenbildern abnahm, und sein
Kostümbildner Pet Halmen machten aus einzelnen Szenen dieses Oratoriums opulente Augenweiden. Gerd Albrechts Partiturverwirklichung wurde zusammen mit
den Leistungen der beiden Titelrollenträger - Wolfgang Reichmann in der Sprech502
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