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URAUFFÜHRUNG
Das Akademietheater bringt die Geschichte eines syrischen Flüchtlings
auf die Bühne
SWP 12.01.13 ADRIENNE BILITZA
Arabischer Frühling in Ulm
Das Stück „Frühling der Freiheit“ von Ralf Rainer Reimann erzählt von Widerstand, Mut und Hoffnung. Es
ist die wahre Geschichte des Syrers Ramadan Ali. Die Uraufführung findet am Mittwoch statt.
Ramadan Ali kauert auf dem Boden in der Dunkelheit. Seine Zelle misst genau einen Quadratmeter.
Ramadan kann sich kaum bewegen, jedes einzelne Körperteil schmerzt. Ramadan ist ein syrischer
Schauspieler. Er weiß nicht, warum er hier ist, er hat nur Theater gespielt. Auf dem kurdischen Neujahrsfest
in Beirut. Dann wurde er verhaftet.
Alle drei Tage wird Ramadan zum Verhör gebracht. Er soll auf Fragen antworten, auf die er keine Antwort
weiß, er soll Namen nennen, er wird geschlagen. „Wieviel kann ein Mensch ertragen, bevor er aufgibt?“
flüstert er in die schwarze Leere.
Ramadan Ali ist ein guter Schauspieler. Im Stück „Frühling der Freiheit“, das am Mittwoch den 16.01.13 –
20:15 im Akademietheaterhaus Ulm unter der Regie von Leiter Ralf Rainer Reimann seine Premiere
feiert, wechselt er mühelos zwischen den Rollen des verzweifelten Inhaftierten und des brutalen Beamten
der syrischen Staatssicherheit. Hilflosigkeit, Hoffnung und Mut gegen Häme, Hass und Macht. Doch das,
was er auf der Bühne darstellt, ist nicht einfach ein Theaterstück. Es ist seine eigene, wahre Geschichte.
Ramadan ist 27 Jahre alt und stammt aus einem kleinen Dorf in Syrien nahe der türkischen Grenze. Sein
kurzer Auftritt auf dem kurdischen Fest 2011 in Beirut im Libanon bringt ihn ins Gefängnis, ohne Erklärung,
ohne Prozess. „Keine Fragen, keine Antworten“, sagt er. Über fünf Monate wird Ramadan inhaftiert. Das
System versucht, unter unmenschlichen Bedingungen seinen Widerstand zu brechen. Doch Ramadan gibt
nicht auf. „Am Tag vor dem Tod kann ein Mensch sein Leben neu beginnen“, sagt er. „Irgendwann habe ich
mir gedacht, entweder ich sterbe hier oder in einem fernen Land. Ich habe keine Zukunft mehr. Ich kann
nichts verlieren. Also kämpfe ich.“ Ramadan beginnt, bei seinen Vernehmungen zu spielen. Wie ein Clown
hält er seinen Peinigern den Spiegel vor, verwickelt sie in Gespräche, versucht, vom Verhör abzulenken. „Es
bleibt einem nichts anderes übrig, als sich der Situation hinzugeben. Irgendwann lässt man sich fallen“, sagt
er. Loslassen, um keine Angst mehr zu haben. Es scheint unvorstellbar, soviel Kraft und Leichtigkeit unter
solchen Umständen aufbringen zu können. „Er hat versucht, das ganze Szenario als Komödie zu sehen“,
sagt Regisseur Ralf Rainer Reimann. „Nichts ist komischer als das Tragische. Sonst würde man das
Tragische nicht aushalten.“
Ramadan hat die Haft überstanden. Doch die syrische Staatssicherheit hat seinen Pass einbehalten, sie hat
ihm Spielverbot auferlegt, er wird beobachtet. Sein Leben kann er nur durch Flucht retten.
Es fällt schwer, zu glauben, dass Ramadan das, was er auf der Bühne so eindrucksvoll darstellt, worüber er
scheinbar unbekümmert spricht, wirklich erlebt hat. Er ist ein selbstbewusster, junger Mann, dem die
Begeisterung für das, was er tut, aus den Augen blitzt. Auf die Frage, wie er nach Deutschland gekommen
sei, antwortet er lachend: „Zu Fuß.“ Man muss zweimal nachfragen, um sicher zu sein, dass er diese Antwort
ernst meint. „Auf der Bühne sehe ich das, was ich erlebt habe, als Rolle, die ich spiele. Privat ist das
anders“, sagt Ramadan.
Über die Türkei ist er nach Griechenland geflohen. Zu Fuß. Mit einem falschen Pass flog er von dort aus
weiter nach Düsseldorf. In Deutschland ging er direkt zur Polizei, erzählte seine Geschichte, bat um Asyl als
politischer Flüchtling. Sein Antrag wurde anerkannt. Nach einer Odysee durch verschiedene Asylantenheime
in Dortmund, Bielefeld und München landete Ramadan in Neu-Ulm. Er kaufte sich ein Wörterbuch, begann,
Deutsch zu lernen. Jeden Tag drei Wörter. Im Internet stieß er auf das Akademietheater Ulm und nahm
Kontakt auf. „Ohne Theater kann ich nicht sein“, sagt er.
Gemeinsam mit Ralf Rainer Reimann hat er seine Geschichte aufgeschrieben und zu „Frühling der Freiheit“
verarbeitet. Darin teilt er sich seine Rolle mit dem türkischen Schauspieler Ismail Yavouzkurt, Absolvent der
Akademie. Ein Kunstgriff, da die Menge an Text Ramadans Deutschkenntnisse überschritt. „Ein syrischer
Kurde und ein türkischer Kurde zusammen auf der Bühne. Das ist gut“, lächelt Ismail. Ramadan hat einen
neuen Pass und eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland bekommen. „Ich bin sehr dankbar für die
Hilfe, die ich hier erhalten habe. Aber ich vermisse die syrischen Bühnen“, sagt er. „Ich habe große Hoffnung,
dass ich irgendwann wieder zurückkehren kann. Du bist so schön, mein Land“, heißt es im Stück.
„Frühling der Freiheit“ feiert am Mittwoch, 16. Januar im Akademietheater Ulm, Unterer Kuhberg 1012, um 20.15 Uhr seine Premiere. Weitere Aufführungen sind am 18., 19., 27., 31. Januar und am 3.
und 7. Februar um 20.15 Uhr.
Schulvorstellungen gibt es am 22., 23., 24. und 25. Januar um 10.30 Uhr. Karten unter Tel. 0731387531.
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