4/2006 Zeitschrift der Ausländerbeauftragten des Landes Niedersachsen Dezember | Januar | Februar | 15. Jahrgang BETRIFFT MEHR HEITEN MINDER HEITEN Religion Die Gretchenfrage der Integration? Religion Die Gretchenfrage der Integration? Auf ein Wort Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Gabriele Erpenbeck Thema Liebe Leserinnen und Leser, schon immer haben Zuwanderer auch ihre Religionen mitgebracht – mitunter haben sie sogar wegen ihres Glaubens ihre Heimat verlassen müssen. Zuwanderung hat die religiöse Landschaft in Deutschland sichtbar verändert: Nach 1945 wurden beispielsweise in protestantisch geprägten Ortschaften bescheidene katholische Kirchen gebaut, die deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen eine religiöse Heimat bieten sollten. Arbeitsmigranten der 1950er bis 70er Jahre aus Südeuropa richteten sich lange Zeit nur provisorisch in Deutschland ein – auch mit ihren religiösen Gemeinschaften. Erst jetzt werden vereinzelt größere Moscheen gebaut, was nicht selten zu heftigen Diskussionen führt. Doch ob es die Mehrheit will oder nicht: Heute, gut 30 Jahre nach dem Anwerbestopp, sind die Muslime nach den Christen die zweitstärkste religiöse Gruppe geworden. Sie gehören zu unserem Alltagsleben dazu. Sie sind durch die 2. und 3. Generation in Kindertagesstätten und Schulen in einer Anzahl präsent, die neue Konzepte und Schulversuche erfordert. 3 Religion und Integration von Prof. Dr. Harry Noormann 4 Islam in der Schule: Hindernis oder Chance für Integration? von Dr. Haci-Halil Uslucan 8 Geraten die Fundamente der Machtungleichheit ins Wanken? von Gerdien Jonker 10 Aleviten – Gott ist in den Menschen von Rosemarie Kirsch und Dr. Ali Ucar 12 Zusammen spielen, Gemeinsamkeiten entdecken, Unterschiede achten von Dr. Christoph Dahling-Sander 14 Seelsorge und bildungspolitisches Engagement von Pfarrer José Antonio Arzoz 16 Niedersachsen ist zum Beispiel mit dem islamischen Religionsunterricht an Grundschulen auf einem guten Weg, wenn es darum geht, Religion und Integration zusammen zu bringen. Marianne Winkler, Redaktion „Betrifft“ Forum Interview mit Prof. Dr. Gunter A. Pilz von Marianne Winkler 17 Freiwillige Stärken von Christina Müller-Wille 18 Vladimir Wilhelm aus Belm von Fred Anders 19 Für eine gerechte Globalisierung von Dr. Renée Ernst 20 Europa am Nachmittag von Yuliya Akhmejanova 21 Materialien zum Schwerpunkthema 22 Nachrichten 23 Impressum Zeitschrift der Ausländerbeauftragten des Landes Niedersachsen • H 5957 Herausgeberin/Verlegerin (ViSdP) und Redaktionsanschrift: Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport (MI) - Ausländerbeauftragte - Postfach 221, 30002 Hannover Produktion: Anette Hoppenrath, Tel: (0511) 120-4863, E-Mail: [email protected] Redaktion: Gabriele Erpenbeck, Anette Hoppenrath, Ulrich Kowalke, Marianne Winkler, Liza Yavsan Titelfoto: Marianne Winkler Zum Foto auf S.5: Trotz intensiver Bemühungen ist es uns nicht gelungen, Kontakt zum Rechteinhaber herzustellen. Er kann sich ggf. mit uns in Verbindung setzen. Gestaltung: www.riebschlaeger-partner.de · Druck: Sponholtz Druckerei GmbH & CoKG, Hemmingen · Vertrieb: Lettershop Brendler GmbH, Laatzen Erscheinungsweise: jeweils Ende März, Juni, September, Dezember Bezugspreis: Die Zeitschrift kann gegen einen Kostenbeitrag (Einzelexemplar 2 EURO inkl. Versandkosten) bezogen werden. Nachdruck nur mit Genehmigung der Herausgeberin (wird gern erteilt). Alle Rechte vorbehalten. © Die Ausländerbeauftragte des Landes Niedersachsen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Herausgeberin und der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Materialien übernimmt die Redaktion keine Haftung; im Falle eines Abdrucks kann die Redaktion Kürzungen ohne Absprache vornehmen. Betrifft wird auf chlorfrei gebleichtem Material gedruckt: ISSN 0941-6447 BETRIFFT 4 / 2006 Auf ein Wort Chancengleichheit und Gleich behandlung Die Europäische Union hat das Jahr 2007 zum Jahr der Chancengleichheit ausgerufen. Der EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, Vladimír Spidla, beschreibt die Herausforderung: “Europa muss sich um eine echte Gleichbehandlung im täglichen Leben bemühen.“ Foto: Winkler Das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle soll einen neuen Impuls für die uneingeschränkte Anwendung der Antidiskriminierungsvorschriften der EU bringen. Die Grundrechte, die Nichtdiskriminierung und die Chancengleichheit sind Schlüsselprioritäten der Europäischen Kommission. Für das Europäische Jahr der Chancengleichheit schlägt die Kommission folgende zentrale Themen vor: Rechte, Vertretung, Anerkennung sowie Respekt und Toleranz. Gemeint sind die Sensibilisierung für das Recht auf Chancengleichheit, die Schaffung und Verbesserung von Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, die Anerkennung von Vielfalt, sowie die Förderung eines stärkeren Zusammenhalts der Gesellschaft getragen durch Toleranz und Respekt. Im August dieses Jahres ist in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG – in Kraft getreten. Damit ist nun auch Deutschland seiner Verpflichtung nachgekommen, vier Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft zum Schutz vor Diskriminierung in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinien betreffen verschiedene Bereiche unserer Rechtsordnung - der Schwerpunkt liegt im Bereich von Beschäftigung und Beruf. Die Bestimmungen gelten gleichermaßen für Arbeitnehmer, Auszubildende und den öffentlichen Dienst. Betroffen ist aber auch das Zivilrecht, also Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen – insbesondere Verträge mit Lieferanten, Dienstleistern oder Vermietern. Im Handlungsprogramm Integration des Landes Niedersachsen wird deutlich, dass Integration die Herstellung von Chancengleichheit und weitgehende Rechtsgleichheit voraussetzt. Das bedeutet, es müssen gleichberechtigte Zugangsmöglichkeiten zu allen zentralen Bereichen der Gesellschaft vorhanden sein bzw. geschaffen werden. Integrationspolitik muss es ermöglichen, dass individuelle Ressourcen erkannt und gefördert werden. Neben dem, was von Migrantinnen und Migranten im Integrationsprozess zu fordern ist, ist die Herstellung von Chancengleichheit und das Ebnen der Wege dahin, Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft. Es ist weitgehend unbestritten, dass Neuzuwandernde nicht sofort nach Einreise rechtlich in allen Bereichen gleichgestellt sind. Dies entspricht auch internationalen Standards üblich. Die Auseinandersetzung geht in der Regel darum, was z. B. faire rechtliche Voraussetzungen sind, um eines Tages in die deutsche Staatsangehörigkeit mit allen Rechten und Pflichten hinein zu wachsen. Aber das Nichtdiskriminierungsgebot gilt in weiten Bereichen auch für diejenigen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht oder noch nicht besitzen. Möglichst weitgehende Chancengleichheit für sie herzustellen und Diskriminierungen zu sanktionieren, liegt in nicht unerheblichem Maße auch im Interesse der gesamten Gesellschaft. Menschen, denen gleiche Chancen auf Dauer verwehrt sind, werden über kurz oder lang ein Fall für soziale Transferzahlungen und laufen Gefahr, eines Tages ihr Leben nicht mehr selbst bestimmt führen zu können. Gabriele Erpenbeck BETRIFFT 4 / 2006 Thema Religion und Integration Von einer schwimmenden Insel im Meer der Fremde Wer „Religion und Integration“ sagt, meint zumeist Islam und Integration. Zu Recht, denn der Islam hat sich bei uns zum ersten Mal in der Geschichte als zweitstärkste Religion nach den christlichen Kirchen etabliert. Der Islam ist die Einwandererreligion schlechthin. Foto: Badur K napp zwei Drittel der 3,2 Mio. Migranten aus „muslimisch geprägten Ländern“ sind türkischer Herkunft (rund 2 Mio. mit ca. 750.000 schulpflichtigen Kindern). Sie prägen maßgeblich das Fremdbild dieser Religion in Deutschland. „Der Islam“ ist bekanntlich eine Kopfgeburt wie „das Christentum“, hinter der scharfe Kontraste und Schattierungen unsichtbar werden: etwa, dass hierzulande Muslime aus über 50 Ländern der Erde leben, dass zumeist von Sunniten (75 - 80%) die Rede ist und nicht von Schiiten, Aleviten oder Ahmadiya-Anhängern, oder dass in jeder dieser „Konfessionen“ orthodoxe, fundamentalistische, mystische, reformerische und moderne Strömungen um einen authentischen Glauben ringen. „Der Islam“ ist in Verruf geraten, wo über Integration gestritten wird. Er gilt eher als Bremse und Störfaktor denn als Motor für ein gedeihliches Zusammenleben. Es scheint, als habe in Feuilletons und Politmagazinen eine „akute Generalitis“ die Oberhand gewonnen, die Zwangsheirat und Ehrenmorde, fundamentalis- BETRIFFT 4 / 2006 wertkonservativen, traditionalistischen Motiven. Die „importierte Heimat“ bestärkte die Migranten in der Pflege gewohnter Lebensrhythmen der eigenen Weltsicht und Selbstachtung, seelische Nahrung, die ihnen „draußen“ verwehrt wurde. Diese Enklaven boten geschützte Räume, Refugien der Ermutigung und Stabilisierung, die auch mit einer bewussten Abgrenzung von der Residenzgesellschaft erkauft wurde. Selbstbehauptung konnte gar mit einem verschärften moralischen Rigorismus und betonter ritueller Strenge einhergehen – manchen Familienvater machten erst Enttäuschungen und erfahrene Demütigungen zu dem strammen Muslim, der er in der Heimat nie gewesen war. Islam in den 1980er und 1990er Jahren – Kampf um das Recht auf den Unterschied tische Hasstiraden, Selbstmordattentate und Frauenunterdrückung munter auf das Konto „des Islam“ verbucht. Es galt, sich mit der Familie in einer ungläubigen Umwelt der „sexuellen Revolution“ und einer verstörenden Freizügigkeit einzurichten und die Der Islam ist in Verruf geraten, wo über Integration gestritten wird. Was steckt hinter der neuen, bisweilen bizarr anmutenden Integrationsdebatte? Blicken wir zurück auf die Geschichte des Islam in Deutschland und auf seine Rolle bei der Integration, um genauer auszumachen, wo wir heute stehen. Islam in den 1970er Jahren – importierte Heimat in der Fremde ethnisch-kulturelle Identität auch der Kinder zu behaupten. Im Balanceakt zwischen Anpassung und Selbstpreisgabe wurde die Religion „zu einer schwimmenden Insel im Meer der Fremde“. Der Ritus und Wertekodex des Glaubens bot vielen einen sicheren Anker gegen Brüche und Verunsicherungen des Lebens in der Fremde. Der erste türkisch-islamische Verein entstand 1973 in Köln – im Jahr des Anwerbestopps nach 12 Jahren Werbung um türkische Arbeitskräfte. Diese hatten ihre ungastliche Lage in Baracken und Billigquartieren mit dem Trost auf einen Wohlstandszipfel bei der Rückkehr in die Heimat überbrückt. Nun folgten Frauen und Kinder den Männern in die Fremde. Die religiösen Versammlungsstätten verströmten in Farben, Tönen, Worten und Gerüchen vertraut-heimatliche Gefühle, sie waren aber auch der Marktplatz für ganz praktische Probleme, für Wohnungssuche, Rechtsberatung, Tipps im Umgang mit Behörden und Arbeitgebern. In den Hinterhofmoscheen gedieh eine „defensive Religion“, getragen von Für die heute 30- bis 45-jährigen Kinder der eingewanderten Muslime, die hier geboren wurden oder nachgeholt ihre Jugend in Deutschland verbracht haben, stellte sich die Frage nach einer muslimischen Identität strukturell anders als bei ihren Eltern. Ihre Sozialisation ist in der Doppelbindung zwischen häufig traditionsbewussten Elternhäusern bzw. Gemeinden und der Residenzgesellschaft verlaufen. Sie haben den Spagat zwischen den Lebenswelten durchlebt, sie haben bildungsbewusst die Versprechen auf Teilhabe und Selbstverwirklichung internalisiert, haben sich auf der eigenen biografischen Baustelle abgemüht um Anerkennung und Zugehörigkeit. Sie sind konfrontiert worden mit einer Vielfalt von Lebensstilen: Man kann ohne Religion leben, und mit Religion in vielfältigen Gestaltformen. Religiöse Pluralität zwingt zu selbst autorisierter Wahl, die möglichen Optionen verlangen nach einer Entscheidung, zu der man „stehen kann“. In dem Augenblick, wo man nicht mehr „fraglos“ und „gedankenlos“ in religiöse Formen und Überzeugungen hineinwächst, sondern sich veranlasst sieht und sich darauf ein- BETRIFFT 4 / 2006 Foto: Hoppenrath lässt, sich „Gedanken zu machen“, warum die eigene Sicht besser oder unzulänglich ist im Vergleich zu anderen, wird „Religion“ zur Bildungsfrage. Foto: Winkler Das Bekenntnis zum Islam gewinnt nun den Charakter eines selbstbewussten, gelegentlich ostentativen Unterscheidungsmerkmals, eines persönlichen und sozialen Identitätslabels. Der Islam entwickelt sich zu einer „distinktiven Religion“: institutionell in den überregionalen „Lobby“-Verbänden für Religionsfreiheit und Gleichberechtigung in den 80er und 90er Jahren, individuell wird das „Recht auf Differenz“ bei Frauen sichtbar, die freiwillig das Kopftuch tragen oder bei Jugendlichen der dritten Generation, die ihren christlichen Mitschüler/innen Blutlehre und Laxheit ihrer Religion vorhalten. Im Prozess „distinktiver“, subjektiver Aneignung des Islam verliert die Religion ihren monolithischen Charakter und setzt zentrifugale Kräfte frei, die auf dem einen Pol moderne, „inkulturierende“ Glaubensvarianten hervorbringen kann, auf dem anderen Pol ultraorthodoxe. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hat der Islam in Deutschland diese differenzierte Gestalt gewonnen. Seine Wandlungsfähigkeit in den subjektiven Aneignungsweisen ist in qualitativen Studien eindrucksvoll herausgearbeitet worden. Karakasoglu-Aydin stellte 1999 bei türkischen Pädagogikstudentinnen fest: BETRIFFT 4 / 2006 Diese Frauen begründen die Gleichheit und Rechte der Frau oder moderne Ideale wie Toleranz, Gewaltverzicht und Humanismus nicht im Rekurs auf westliche Grundwerte, sondern auf Koran und Sunna. Sie beziehen sich auf genuin islamische Leitvorstellungen in der Erziehung, wenn sie eine auf Eigenständigkeit, Mündigkeit und Partnerschaft ausgerichtete Pädagogik einfordern. Im subjektiven und professionellen Selbstkonzept dieser Studentinnen geht ein selbst autorisierter und modellierter islamischer Glaube eine Synthese mit westlichen (oder besser: westlich reklamierten) Wertvorstellungen ein. Ihre Identitätsarbeit trägt transkulturelle Züge. Andere Studien, die zu ähnlichen Ergebnissen gelangten, lassen den Schluss zu: „Leistungsethos, Eigenverantwortlichkeit, Entscheidung aufgrund bewusster Wahl, Subjektzentrierung und Religiössein als individuelles Projekt – dieses sind nun ihrerseits Muster und Werte, die in hohem Maße Anforderungen und Erwartungen westlich-industrieller Gesellschaften entsprechen. Islamisierungsprozesse in westlichen Gesellschaften können hochintegrativ und adaptionsproduktiv sein – sowohl für die jungen Migrantinnen und Migranten als auch für die Aufnahme- bzw. Residenzgesellschaft“. Diese Beispiele sind selbstredend nicht repräsentativ, aber in hohem Maße symptomatisch für religiöse Transformationsprozesse im gegenwärtigen Islam. Die Globalisierung wird diesen Trend eher beschleunigen. Nach dem jüngsten Mikrozensus von 2005 haben 27,2% der unter 25-Jährigen individuelle oder familiale Zuwanderungserfahrungen, in großen Städten bis 40%. Die starren Grenzen zwischen „Einheimischen“ und „Migranten“ werden porös – nicht zuletzt im Blick auf berufliche Arbeit und soziale Entsicherung. Technik überspielt Zeitund Raumgrenzen: Reise-, Internetund TV-Verbindungen schaffen eine transnationale Lebenswirklichkeit, die virtuell und physisch Mehrfachzugehörigkeiten erleichtern. Hier Nationalflaggen schwenkende Deutschländer an der Seite deutscher Fußballfans, dort brennende dänische Flaggen im Karikaturenstreit, hier das Islam-Forum mit einer deutschen Fassung der Sharia im Einklang mit dem Grundgesetz, dort Islamophobie vor einer fremd gebliebenen Religion, der man misstraut, wo es um Grundrechte, Gewaltbereitschaftund Kritikfähigkeit geht. Der Bundesinnenminister hat anlässlich seiner Einladung zur ersten Islamkonferenz eine zeitdiagnostische Formel gefunden, die den Schlüssel Je stärker die religiöse Bindung, desto niedriger die Deutschkenntnisse und geringer die Kontakte zu Deutschen. Den Optimismus qualitativer Studien über einen individualisierten Neoislam dämpfen repräsentative Erhebungen, die eine desintegrative Breitenwirkung traditionalistischer Glaubensüberzeugungen und Religionspraxis ausmachen. Leibold/ Kühnel/Heitmeyer konstatieren nach Auswertung verschiedener Umfragen einen Anstieg im Grad der Religiosität unter Muslimen seit 2000 (Selbsteinschätzungen) und machen eine alarmierende Gleichung auf: Je stärker die religiöse Bindung, desto niedriger die Deutschkenntnisse und geringer die Kontakte zu Deutschen. Höhere Religiosität korrespondiert mit einem niedrigeren sozioökonomischen Familienstatus. Da Migrant/innen von Ausgrenzung und Verarmungsprozessen stärker betroffen sind, könnte die Religion, ihr „letztes kulturelles Kapital, über das die betroffenen Migranten autonom verfügen“, immer mehr an Bedeutung gewinnen – und desintegrative Effekte verstärken. Paradoxien auf dem Weg zu einer diskursiven Religion – die Gegenwart Spannungsvoll wie die Forschung zeigt sich die gesellschaftliche Wirklichkeit selbst. „Mein Deutschland“, titelt mit Stolz auf seine neue Heimat Feridun Zaimoglu. „Du bleibst ein schlechter Ausländer dein Leben lang“, kontert die deutschtürkische Journalistin Aysun Ertan in der ZEIT. zum Verständnis der verwirrend widersprüchlichen Phänomene bieten kann. Die drei Millionen Muslime sind, so Wolfgang Schäuble, „Teil der deutschen Gegenwart und Zukunft, so wie der Islam ja auch Teil Europas ist.“ Der Islam ist in Deutschland angekommen, auch mit seinen tabuisierten Seiten! Er ist de facto eingetreten in den allgemeinen Diskurs über einen Wertekodex, der diese Gesellschaft tragen und zusammenhalten soll. Was mit dem Ruf nach einer deutschen Leitkultur im Jahr 2000 begann, spiegelt sich in den zugespitzten Konfliktszenarien der Gegenwart wider. Tatsächlich ginge es dann nicht länger um die Integration einer Migrantenminderheit und ihrer Religion in die Mehrheitsgesellschaft (zweispurig, versteht sich), sondern um die Frage an alle und gemeinsam, „wer wir sind und wer wir sein wollen“. Der Diskurs über Kultur und Religion wird in den islamischen Communities selbst aktiv ausgetragen und führt zu heftigen Kontroversen über die Deutungshoheit. Die schärfste Kritik an einem „voraufgeklärten“ Islam kommt – wenn auch mit unzulässiger Generalisierung – aus den eigenen Reihen. In den muslimischen Netzwerken wird leidenschaftlich um einen partizipationsfähigen Islam gerungen, der diese Gesellschaft konstruktiv mitgestalten kann. Foto: Winkler Würde die Chance einer „Einbürgerung“ des Islam vertan, müsste man die Warnung vor einer Abschottungsfalle sehr ernst nehmen: verschärfte sozioökonomische Ausgrenzung könnte Teile der Muslime auf die Insel einer dialogunwilligen, dogmatischen Religion zurückdrängen. Die großen Religionen in Deutschland müssen ihre Pluralismusfähigkeit beglaubigen. Pluralismusfähig ist eine Religion, wenn sie im Glauben an das oder den Absolute/n das Bewusstsein für die Relativität menschlicher Erkenntnis weckt und wach hält, wenn sie eine Glaubensgewissheit bietet, die „den Menschen unentwegt in Frage stellen kann“. Eine bittere Lektion aus der christlichen Geschichte lautet: „Köpfe rollen, wo man sich selbst nicht relativieren kann“. Prof. Dr. Harry Noormann Universität Hannover, Institut für Theologie BETRIFFT 4 / 2006 Thema Islam in der Schule: Hindernis oder Chance für Integration? Schule ist der exemplarische Ort, an dem sich deutsche Schüler und Schüler nichtdeutscher Herkunft begegnen. Insofern ist Schule auch der Ort, an dem das Zusammenleben am besten eingeübt werden kann. In Niedersachsen wird seit dem Schuljahr 2003/2004 in einem Schulversuch „Islamischer Religionsunterricht“ an ausgewählten Grundschulen durchgeführt. Davon nahmen 10 Grundschulen mit insgesamt 214 Schülerinnen und Schülern muslimischer Herkunft im Oktober 2005 bis Februar 2006 an einer Befragung zur Integrationsorientierung und zur Akzeptanz dieses modellhaften Unterrichts teil. Foto: Windolph (2) Islam, Integration und Schule Die Schule ist Schauplatz gelingender oder misslingender Integration par excellence. In den letzten Jahren wurde sie auch als ein Forum der Konfrontation eines säkularen und religiösen Weltbildes wahrgenommen. Neben den Debatten um einen islamischen Religionsunterricht waren und sind die Versuche muslimischer Eltern, ihre Kinder bzw. ihre Töchter vom Sport- und Schwimmunterricht oder vom Sexualkundeunterricht zu befreien sowie auch die Teilnahme ihrer Kinder an Wandertagen und Klassenfahrten zu unterbinden, Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Beides tangiert die Integrationschancen muslimischer Kinder wesentlich. BETRIFFT 4 / 2006 Muslimische Schüler und ihre Integrationsbereitschaft Der Übergang vom Elternhaus zur Schule bzw. der Schuleintritt ist generell für Kinder ein kritisches Lebensereignis, das potenziell Stress verursachend ist. Für Kinder mit Migrationshintergrund kann dieser Übergang möglicherweise noch gravierender sein, wenn sie zuvor keine Kindertagesstätte besucht haben und in der Schule zum ersten Mal mit dem eigenen ethnischen Hintergrund konfrontiert werden. Sie stehen vor der besonderen Herausforderung, das doppelte Verhältnis – einerseits zur eigenen Ethnie, andererseits zur Aufnahmegesellschaft – eigenaktiv gestalten zu müssen. Hierbei lassen sich kulturpsychologischen Forschungen folgend in idealisierter Form vier Optionen unterscheiden, wie dieses Verhältnis gestaltet werden kann: Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung. Bezug nehmend auf dieses Modell wurde versucht, anhand einiger ausgewählter Bereiche die Integrationsbereitschaft von Schülern zu erfassen. Vorsichtig gedeutet können die Ergebnisse einen Hinweis geben, wie „integrationsoffen“ muslimische Familien und Schüler sind. Allerdings wurde im Rahmen dieser Erhebung nicht ausdrücklich erfasst, aufgrund welcher eigenen Erfahrungen diese Einstellungen favorisiert werden. Gefragt wurde nach sprachlichen Vorzügen (Deutsch oder Herkunftssprache der Eltern), nach Wertschätzung familialer Traditionen (Deutsche vs. Herkunftstradition der Eltern), nach Kontaktwünschen und Freundschaften zu Mitgliedern eigener Ethnie und zu Deutschen etc. Deutlich wurde, dass in den untersuchten Klassen die Orientierung in Richtung Integration die stärkste Dimension bildet, gefolgt von eher separationistischen Tendenzen. Das heißt, in ihrer Beziehungsgestaltung zu relevanten Aspekten der Mehrheitsgesellschaft möchten die Schülerinnen und Schüler in erster Linie sowohl Bezüge zu ihrer eigenen familialen Tradition als auch Bezüge zu deutschen bzw. nicht-muslimischen Familien haben. Was Schüler allerdings auf jeden Fall ablehnen, ist eine eindeutige Assimilationshaltung, also die Aufgabe der eigenkulturellen Bezüge und eine völlige Identifikation mit mehrheitskulturellen Aspekten. Aber auch die Haltung der Marginalisation, d.h. eine skeptische Haltung zur eigenen wie der Mehrheitskultur zugleich, wird deutlich abgelehnt. Diese Orientierungen stellen keine Ausschlussverhältnisse dar: Die befragten Schülerinnen und Schüler sollten sich nicht beispielsweise entweder für Integration oder Assimilation äußern, sondern eher für sich quantitativ die Bedeutung dieser Orientierungen gewichten. Die ebenfalls recht hohe Ausprägung der Dimension „Separation“ ist vor dem entwicklungspsychologischen Hintergrund zu verstehen, dass in dieser Altersphase (Grundschulalter) für Kinder die Zugehörigkeit zu einer „Wir-Gruppe“ und die Abgrenzung von den „Anderen“ für die eigene Identitätsentwicklung bedeutsam ist. Der „Islamische Religionsunterricht“ in der Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler Bei der Befragung zu ihrer Einschätzung des „Islamischen Religionsunterrichts“ und ihrer Beziehung zu ihrer Religionslehrkraft wurde den Schülerinnen und Schülern ausdrücklich versichert, es gäbe hierbei kein „richtig“ und „falsch“, sondern ausschließlich ihre Meinung sei relevant. Es wurden u.a. folgende Dimensionen des Schul- bzw. Unterrichtsklimas gemessen: Fürsorglichkeit des Lehrers, Zufriedenheit der Schüler mit dem Unterricht sowie das Klima in der Klasse. Die empirischen Daten zum Schulbzw. Unterrichtsklima zeigen eindrücklich, dass der größte Teil der Schüler (die Variation reicht hierbei von etwas mehr als die Hälfte bis zu drei Viertel aller befragten Schüler) ihre Religionslehrkräfte im allgemeinen als sehr fürsorglich und verständnisvoll erleben; ein Fünftel bis ein Drittel haben gelegentlich Kritik am Unterrichtsklima auszusetzen und allenfalls eine kleine Gruppe von rund 10 % der Schüler zeigen sich mit den Lehrkräften unzufrieden. Bei den Fragen nach der direkten Zufriedenheit der Schüler mit dem Islamunterricht wurde deutlich, dass auch hier rund zwei Drittel der Schüler mit dem durchgeführten Unterricht voll zufrieden sind. Etwa 20 bis 28% der Schüler zeigen sich nur gelegentlich zufrieden und eine eher kleine Minderheit von 10 bis 15% äußert eher ihr Unbehagen zum Verlauf des Unterrichts. Was die Einschätzung des Klassenklimas betrifft, so zeigen die Daten hier eine recht große Heterogenität. Zwar ist die überwiegende Mehrheit der Schüler mit dem Lernklima in ihrer Klasse zufrieden, jedoch scheinen Wettbewerbssituationen, Ausgrenzungen und Rivalisierungen – wie in allen Schulklassen – auch den Schülern des islamischen Religionsunterrichts nicht fremd zu sein. Da der Zweck des Religionsunterrichts natürlich auch darin besteht, sowohl das Wissen über religiöse Inhalte zu mehren bzw. vorhandenes Wissen zu vertiefen, wurde ausdrücklich danach gefragt, wieviel die Schüler aus ihrer Sicht im Unterricht zu einzelnen Aspekten der Religion gelernt haben. Die Ergebnisse belegen, dass der islamische Religionsunterricht aus der subjektiven Sicht der Schüler zu einem beträchtlichen Wissenszuwachs geführt hat; fast 90% („sehr viel“ und „etwas“ zusammen betrachtet) bekundeten, durch den Religionsunterricht Wissen zu relevanten Aspekten des Islams (wie etwa zum Propheten Mohammed, zur islamischen Geschichte, zum Koran) vermittelt zu bekommen. Lediglich für etwa 10 % der befragten Schüler hat der bisherige „Islamische Religionsunterricht“ dagegen kaum oder gar nicht zu einem Wissenszuwachs geführt. Bei der Frage, ob andere Religionen genauso wichtig seien wie der Islam, gaben rund 61 % der Schüler eine eindeutig befürwortende Haltung, knapp 18 % hatte eher eine einschränkende Haltung und rund 20 % lehnten dies jedoch ab bzw. drückten aus, dass andere Religionen für sie nicht genauso wichtig wie der Islam seien. Die Frage, ob sie sich mehr Kenntnisse auch über andere Religionen wünschten, befürworteten rund ein Drittel eindeutig, ein Drittel gab an, sich manchmal mehr Kenntnisse über andere Religionen zu wünschen. Knapp 12 % lehnten aber mehr Kenntnisse eher ab; rund 21 % wünschten explizit keine Kenntnisse über andere Religionen. Insofern lassen sich hieraus wichtige Hinweise dafür ableiten, dass für die Schüler des Islamunterrichts die Beschäftigung mit dem Islam keineswegs eine selbstgenügsame Haltung bedeutet, sondern sie weitestgehend offen für Kenntnisse anderer Religionen sind. Die bisherigen Ergebnisse zusammenfassend läßt sich festhalten, dass Schüler des islamischen Religionsunterrichts in keinster Weise antiintegrative Tendenzen aufweisen, sondern sie primär Integration favorisieren. Befürchtungen, an einem islamischen Religionsunterricht könnten eher separationistisch eingestellte Familien und deren Kinder interessiert sein, sind deshalb weitestgehend unbegründet. Diese Aussage wird im Übrigen auch durch die Daten der Eltern bestätigt. Ferner zeigt sich, dass die bisherige Form des Islamunterrichts eine überwiegend positive Resonanz und Akzeptanz findet, wenngleich die Schüler wie auch die Eltern einige Verbesserungspotenziale ausfindig machen konnten. Die Ergebnisse weiterer Erhebungen in den Folgejahren des Pilotprojektes werden zeigen, wie sich dieser zunächst grundlegend positiv und erfolgreich initiierte Schulversuch in Niedersachsen weiterhin gestalten wird. Dr. Haci-Halil Uslucan Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Institut für Psychologie BETRIFFT 4 / 2006 Thema Geraten die Fundamente der Machtungleichheit ins Wanken? Muslimische Expertinnen in der Bundesrepublik Muslimische Frauen in Deutschland, die zu der Auslegung der islamischen Tradition einen Beitrag aus der Frauenperspektive leisten möchten, sehen sich zunächst in einer schwierigen Situation. N ach wie vor wird der Zugang zum islamischen Wissen von Männern dominiert. Frauen bekommen zu diesen Feldern nur insoweit Zugang, wie es ihre Verantwortung für die Erziehung der Kinder betrifft. Die Stimmen und Gesichter selbst des modernen Islams sind überwiegend männlich. Daran hat sich auch in Europa noch nichts geändert. Frauen ist es generell nicht gestattet, vor einem männlichen Publikum über religiöse Themen zu sprechen. Was sie an Kenntnissen und Einsichten produzieren, gilt ausschließlich dem Frauenkreis und erfährt nur dann Aufmerksamkeit seitens des Zentrums, wenn der Inhalt nicht mit den dominanten Vorstellungen übereinstimmt. Das Vakuum, in dem sich der westeuropäische Islam gegenwärtig befindet, fordert jedoch die Kreativität muslimischer Frauen geradezu heraus. Seit Anfang der 1990er Jahre wurde in den türkischen Moscheen Platz für aktive Frauen geschaffen und junge Frauen suchen seitdem religiöse Ausbildungen auf, um die neu entstandene Berufsmöglichkeit entsprechend zu füllen. Es fehlte beispielsweise an Brücken zur Mehrheitsgesellschaft - und muslimische Frauen erwiesen sich Mal auf Mal als pragmatische und tüchtige Brückenbauerinnen. Dennoch waren die islamischen Gemeinden und Vereine nicht darauf vorbereitet, als einige Frauen anfingen, ihre eigene Position zu hinterfragen. Der status quo, den sie anzufechten versuchen, betrifft die Fundamente der Machtungleichheit, die in der Scharia festgelegt wurden: Die ungleiche Verteilung von Verantwortung und Gehorsam und die daraus resultierende Gewalt in der Ehe; das ungleiche Recht auf Scheidung, die ungleichen Bedingungen bei Erbschaft, Handelsabschlüssen und Zeugenschaft; die ungleichen Bedingungen für Ehen mit Nichtmuslimen; die Verweigerung, Frauen an Gottesdiensten teilnehmen zu lassen, sowie die einseitige Tabuisierung des weiblichen Körpers. Der Protest gegen ihre Ungleichbehandlung kommt indes von Frauen, die sich unabhängig von den Gemeinden bewegen können. Innerhalb der meisten Gemeinden ist die Stimme der Frauen noch recht schwach. Dennoch ist eine Änderung des status quo nur dann zu erwarten, wenn sie auch innerhalb der islamischen Gemeinden diskutiert Foto: Winkler 10 BETRIFFT 4 / 2006 wird. Um die Bandbreite der weiblichen Einmischung aufzuzeichnen, mache ich im Folgenden einen kleinen Rundgang durch die wichtigsten religiösen Ausbildungen für muslimische Frauen in Deutschland. Die Daten wurden verschiedenen Feldforschungen entnommen, die ich zwischen 1997 und 2003 durchführte. Die türkische staatliche Religionsbehörde Weibliche Hocas, die sich im Auftrag der türkischen Religionsbehörde DIYANET in Deutschland befanden, sagten aus, in der Türkei die staatliche Fachausbildung als Religionslehrerin hinter sich gebracht zu haben. Mit Kritik gaben sich diese Lehrerinnen nicht ab. Die religiöse Bestimmung des Alltags wird im DIYANET-Spektrum weitgehend dem Ermessen des Einzelnen überlassen, eine Haltung, die die Weichen für die weit verbreitete Säkularisierung türkischer Muslime stellt. Dennoch bemüht sich die Behörde um Richtlinien. Nicht zufällig sind ein Drittel davon „Frauenprobleme“. Zwar können DITIB-Frauen ohne weiteres an Freitagspredigten, Totengebeten und anderen Feiern teilnehmen und auch die Ungleichheit bei Zeugenschaft sowie in Handelstransaktionen wird als historisch bedingt gedeutet, dennoch geben die türkischen Theologen dem Mann weiterhin das Recht auf eine größere Erbschaft sowie auf den Gehorsam seiner Frau. So bleibt der Kern der tatsächlichen Ungleichheit bislang unangetastet und für die wirklichen Probleme zeichnet sich keine Lösung ab. Der Verband Islamischer Kulturzentren Die erste weibliche Hoca-Ausbildung auf deutschem Boden begann bereits Anfang der 1990er Jahre in Köln – im Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Die Geschlechter werden dort getrennt, aber nach demselben Lehrplan unterrichtet. Die Schüler und Schülerinnen kommen nach der 10. Klasse in die Ausbildung und lernen das Basiswissen für die Durchführung gottesdienstlicher Handlungen und die Handhabung eines komplett nach der Scharia ausgerichteten Alltags. Der VIKZ betrachtet die Religion als für den gesamten Lebensbereich gültig, mit Ausnahme der Politik. An den einst aufgestellten Regeln gibt es für sie nichts zu deuten, zu ändern oder gar zu erneuern. Im Spektrum der islamischen Gemeinden in Deutschland steht der Verband somit für eine ultra-orthodoxe Variante des Islams. Die Ausbildung dauert vier Jahre und umfasst Theologie, Logik, Rechtslehre und Rhetorik. Moderne Hilfsfächer sind aber in diesem Lehrplan nicht vorgesehen. Der Unterricht verläuft in türkischer Sprache. Muslime in der Bundesrepublik kritisieren den VIKZ als zu traditionell und werfen ihm vor, nicht nach neuen Antworten auf Fragen zu suchen, die das Leben in Europa betreffen. Jährlich erhalten etwa dreißig bis vierzig junge Frauen die Lehrerlaubnis. Anschließend finden sie in den verbandseigenen Moscheen eine Stelle als Lehrerin. Sowohl weibliche als auch männliche Lehrkräfte unterrichten Kinder aus den VIKZ-Moscheen. Selbst säkular lebenden Eltern entschließen sich mitunter dazu, ihre Kinder in diesen traditionellen Koranunterricht zu schicken, auch wenn der Verband sich in ihren Augen zu starr darstellt. Foto: Agsten Die Hamburger Theologenschule Schlussbemerkungen Seit mehr als 20 Jahren hat der schiitische Theologe Mehdi Razvi in Hamburg einen Kreis Männer und Frauen um sich geschart, den er jeden Samstag in der Imam-Ali-Moschee unterrichtet. Der Kreis bildet einen der wenigen Orte in der Bundesrepublik, wo versucht wird, den Koran für moderne Muslime zugänglich zu machen, ohne dabei weder die Spiritualität noch die real existierende Moscheegemeinschaft aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, den „Geist des Korans“ in Betracht zu ziehen und damit einen neuen Zugang zum Text zu schaffen, was unter anderem auch die tatsächliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in Frage stellt. Die Schüler und Schülerinnen durchlaufen daneben das klassische Theologiestudium und können nach sechs Jahren die Lehrerlaubnis empfangen und als Theologen und Theologinnen arbeiten. Das bedeutet nicht, dass sie sich auch als Rechtsgelehrte betrachten können. Zu allgemein verbindlichen Aussprachen (Fatwa’s) fühlen sich weder die Ausbilder noch die von ihnen ausgebildeten Theologen angehalten: Sie betrachten ‚lediglich‘ ein Problem von allen Seiten und formulieren dann ihre persönliche Meinung. Im Unterschied zu den oben erwähnten DIYANET-Theologen allerdings folgt das von ihnen entworfene theologische Gebäude den pragmatischen Entscheidungen des Alltags dicht auf dem Fuß. Es geht ihnen um die religiöse Dimension des Lebens, nicht um die Theorie. Muslimische Expertinnen produzieren Wissen in einem gesellschaftlichen Kontext, in dem der Islam zu einer Minderheiten-Religion unter vielen reduziert wurde. Ihre Teilnahme an interreligiösen und kulturellen Dialogen wird heutzutage als essentiell angesehen. Das bietet eine Chance, die viele Frauen in eine Schlüsselposition gebracht hat. Wie in anderen europäischen Ländern weigern sich Teile der in Deutschland geborenen muslimischen Generationen, die historische Version ihrer Eltern zu akzeptieren und schaffen eine globale Religion, die stattdessen auf der Erzählung des Korans und der Sunna beruht. Die schriftliche Grundlage auf ihren Ursprung zu beschränken, hat den Weg für viele moderne Ansätze muslimischer Theologie gebahnt. Schließlich, das Wissen über den Islam wird durch mannigfaltige Medien verbreitet, die in Deutschland praktisch jedem zur Verfügung stehen. Das versetzt Frauen in die Lage, dort ihre Stimme zu erheben, wo sie es innerhalb der Gemeinde der Moschee nicht gewagt hätten. Gerdien Jonker Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung, Braunschweig BETRIFFT 4 / 2006 11 Thema Aleviten – Gott ist in den Menschen In der Türkei gibt es neben der islamischen Mehrheit der Sunniten eine religiöse islamische Minderheit, über die in der deutschen Öffentlichkeit wenig bekannt ist: Die Aleviten auch in den staatlichen Schulen eingeführt, der ausschließlich die sunnitische Interpretation und den sunnitischen Verhaltenskodex des Islam lehrt. Die alevitischen Kinder sollen über die religiöse sunnitische Erziehung assimiliert werden. Aleviten fühlen sich in der Türkei häufig diskriminiert. Deshalb verschweigen sie ihre Religion in der Regel und üben sie mehr oder weniger geheim aus. Foto: Martin Koch, Coburg S ie machen in der Türkei etwa 25 - 30 % der islamischen Bevölkerung aus. In Deutschland leben schätzungsweise 600.000 - 700.000 Aleviten. Das Auftreten dieser religiösen Gemeinschaft ist durch Zurückhaltung geprägt – sowohl in der Türkei, als auch in Deutschland. Das hat Gründe: Nach der türkischen Politik existieren offiziell neben dem sunnitischen Islam keine anderen islamischen Glaubensrichtungen. In Regierungsund Verwaltungsebenen, so etwa im Amt für Religionsangelegenheiten, gibt es keinen offiziellen Vertreter der alevitischen Gläubigen. Nach dem Militärputsch von 1980 wurde in der laizistischen Türkei ein verbindlicher Religionsunterricht 12 BETRIFFT 4 / 2006 Die historischen Ursachen dafür liegen in der Zeit nach dem Tod Mohammeds, in der es kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen um Mohammeds Nachfolge gab. Es wurden nacheinander drei Kalifen benannt – Abu Bekir, Omar und Osman. Der Kampf um die politische Macht des Kalifenamts war so heftig, dass nur Abu Bekir eines natürlichen Todes starb. Omar und Osman wurden ermordet. Als vierter Kalif wurde schließlich Ali ernannt, Mohammeds Vetter, der gleichzeitig sein Schwiegersohn war. Seine Anhänger wurden als Partei Alis (Schia) bezeichnet. Auch er wurde im Jahre 661 ermordet, ebenso seine Söhne Hasan und Hüseyin. Hüseyins Ermordung geschah auf besonders tragische Weise im heiligen Monat Muharrem (am 10.Tag). Dieser Tag im Jahr 680 hatte die endgültige Trennung der Anhänger Alis von den anderen islamischen Richtungen zur Folge. Er ist bis heute ein wichtiger Gedenktag der Aleviten und auch der Schiiten in den anderen islamischen Ländern. Nach Hasan und Hüseyin kamen in der Nachfolge von Ali noch 10 weitere religiöse Führer, die von den Aleviten bis heute als „Imame“ und Märtyrer verehrt werden. Die Bezeichnung „Alevi“ setzte sich erst allmählich im 16. Jahrhundert durch und meinte die religiösen Anhänger von Ali. Die religiöse Identität wird von ihnen selbst umschrieben als „eline, diline, beline, sahip olanlar“. Das bedeutet: diejenigen, die Herr sind über ihre Hände, Zunge und Lende, das heißt die, die verschwiegen sind und sich beherrschen können. Im alevitischen Glaubenssystem ist der Mensch eine Schöpfung Gottes und Gott ist in den Menschen. Damit steht der Mensch und sein Wohlergehen im Mittelpunkt der alevitischen Glaubenslehre. „Wenn du deinen Gott lieben willst, sollst du deine Menschen lieben (Insan Sevgisi = Menschenliebe)“. Dieses Menschenbild wird als perfekt angesehen (Kamil Insan), ohne Rassen- und Geschlechtertrennung. Aleviten glauben an Gott, Muhammed und Ali. Es besteht für sie eine universelle Einheit zwischen Gott, dem Propheten und rehber = Wegweiser auf der unteren Ebene mürschid = Der den Weg auf der zweithöchsten Ebene zeigt pir = In der Mystik der, der die höchste spirituelle Ebene erreicht hat und den Weg zeigt Foto: Ucar den Menschen. Sie akzeptieren den Koran, legen ihn aber zum Teil anders aus als die Sunniten. In der praktischen Religionsausübung unterscheiden sich die Aleviten fundamental von den Sunniten. Aleviten gehen nicht in die Moschee. Sie halten ihre Gottesdienste je nach Bedarf in großen Räumen ab, in denen alle Gläubigen Platz finden können. Solch ein Haus nennt man „Cem“-Haus, das heißt Haus, in dem das gemeinsame Gebet stattfindet. Bei den Aleviten gibt es keine ausdrücklichen Sakralgebäude. Die Gottesdienste finden nur wenige Male im Jahr regelmäßig, ansonsten je nach Bedarf und den Möglichkeiten der Gemeinde statt – anders als bei den Sunniten, die fünf Mal am Tag in der Moschee mit dem Vorbeter beten können. Die Aleviten machen keine Pilgerfahrt nach Mekka. Ihre Gebetssprache ist nicht Arabisch wie bei den Sunniten, sondern Türkisch. Auch ihre Fasten-Rituale unterscheiden sich von der sunnitischen Mehrheit. Die Sunniten fasten im Monat Ramadan 30 Tage lang, die Aleviten fasten im Monat Muharrem über 12 Tage. Das größte religiöse Fest bei den Aleviten ist – wie bei den Sunniten –, das Opferfest (Kurban Bayrami). Es erinnert an Abraham im alten Testament, der bereit war, seinen Sohn Ismael Gott zu opfern. Am Gottesdienst, der Versammlung der Gläubigen – Cem – nehmen alle Aleviten gemeinsam teil: Männer, Frauen und Kinder. Eine räumliche Trennung der Geschlechter, wie sie bei den Sunniten praktiziert wird, gibt es bei den Aleviten nicht. Der Gottesdienst dauert etwa vier Stunden, der „dede“ leitet das gemeinsame Gebet und predigt. Der Höhepunkt des Gottesdienstes ist die „semah“, ein religiös-meditativer Tanz mit alevitischer Musik auf traditionellen Instrumenten der Türkei, an dem alle Anwesenden gemeinsam teilnehmen. Eine weitreichende Unterscheidung der Aleviten von anderen islamischen Gruppen ist ihre unabhängige religiöse Organisation. Die Gläubigen werden von religiösen Führern, deren Abstammung immer auf Ali zurückgehen muss, angeleitet. Man nennt sie „rehber“, „pir“, „mürschid“. Die alevitische Lehre wird überwiegend mündlich übermittelt von einem „asik“, die Überlieferung geschieht in Form von Erzählungen und Liedern. Sie beinhalten ebenso religiöse wie soziale und politische Themen, in denen aktuelle Probleme der Menschen zum Ausdruck gebracht werden. Ein großer Teil der türkischen Volksdichter gehört zum alevitischen Glauben, wie Pir Sultan Abdal, Yunus Emre, Asik Veysel und andere. Die Aleviten sind die Bevölkerungsgruppe in der Türkei, die sich am klarsten für die Trennung von Staat und Religion einsetzen. Sie haben einen großen Beitrag bei der Entstehung der modernen, laizistischen, westlich orientierten Türkei geleistet. Ihre Frauen haben die volle Gleichberechtigung und sind nicht verschleiert. Ihre Kinder besuchen keine religiösen Schulen. Sie lehnen die Koranschulen ab. Das besondere Interesse vieler alevitischer Familien gilt der Ausbildung ihrer Töchter. Gegenüber anderen Kulturen sind sie aufgeschlossen und tolerant. In Deutschland haben sich die Aleviten in den letzten Jahren zu vielen regionalen Vereinen zusammengeschlossen und eine Organisation auf Bundesebene gebildet, die „Almanya Alevi Birlikleri Federasyonu“, die Förderation alevitischer Gemeinden in Deutschland. In einigen Bundesländern haben die Aleviten die Genehmigung erhalten, in den Schulen auf freiwilliger Basis Religionsunterricht zu erteilen. Rosemarie Kirsch, Dr. Ali Ucar, Berlin BETRIFFT 4 / 2006 13 Thema Zusammen spielen, Gemeinsamkeiten entdecken, Unterschiede achten Muslimische Kinder im christlichen Kindergarten Glitzernde Murmeln, graue Steine und bunte Blätter, Kastanien, Bucheckern, Tannenzapfen und noch mehr bieten die verschiedenen Körbe. Dazu kommen farbige Tücher und speziell angefertigte Holzfiguren. Die Kinder der zwei evangelischen und der katholischen Kindertagesstätte im Stadtteil Hannover-Vahrenheide legen damit gemeinsam den Weg Abrahams. D ie Figuren und die Naturmaterialien ermöglichen ihnen, die Geschichte Abrahams elementar kennen zu lernen, anschaulich zu fassen, zu fühlen, zu riechen, eben mit allen Sinnen. Zugleich bringen sie sich mit ihrer eigenen Geschichte ein, prägen den Weg mit ihrer Persönlichkeit. Ein gemeinsames Bild entsteht und jedes Kind hat daran Anteil. Die Jungen und Mädchen werden mit ihren Erfahrungen und mit ihrem Glauben ernst genommen. Jedes Kind wird respektiert, egal ob Jude, Christ, Muslim, mit einer anderen oder ohne Religionszugehörigkeit. Dies erfahren sie auch beim Basteln, Theaterspielen und Singen zur Abrahamgeschichte. Der gegenseitige Respekt, das Kennenlernen gemeinsamer Wurzeln und der je anderen religiösen Traditionen wird in diesem Projekt gefördert. Denn mit der Erzählung der biblischen Abrahamgeschichte kommen auch die jüdischen und muslimischen Erzählungen und Sichtweisen zu Abraham zur Sprache. Unterschiede in den Gottesbildern und Menschenbildern werden ernst genommen und geachtet. Die evangelischen Erzieherinnen haben sich dafür intensiv in Stu- 14 BETRIFFT 4 / 2006 dientagen vorbereitet. Sie wurden professionell religionspädagogisch und religionswissenschaftlich begleitet. „So trägt das mehrwöchige Abrahamprojekt nun zu einer gelingenden Integration der Kinder und ihrer Familien bei“, berichten sie. Kindertagesstätten sind die erste Bildungseinrichtung für Kinder, sie sollen die Erziehung und Förderung der Kinder in der Familie ergänzen und unterstützen. Das Ziel der Kindertagesstätten in christlicher Trägerschaft ist es darüber hinaus, die ihnen anvertrauten Kinder mit der befreienden Botschaft Jesu Christi und dem gelebten Glauben vertraut zu machen. Doch in christlichen Kindertagesstätten kommen nicht nur christliche Kinder zusammen, sondern Kinder unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Herkunft. Die Foto: Winkler damit verbundenen interreligiösen und interkulturellen Begegnungen bieten eine große Chance: Nachbarschaftliches Zusammenleben können die Kinder schon in der Kindertagesstätte einüben und erfahren. Nach einer Erhebung der hannoverschen Landeskirche vom August 2004 betreuen ihre evangelischen Kindertagesstätten rund 45.000 Kinder. Etwa zwei Drittel der Kinder sind christlich (66,17 %). Circa ein Viertel der Kinder ist konfessionslos oder ohne Angaben zur Konfession (24,42 %). Fast jedes elfte Kind gehört zu einer nichtchristlichen Religion (9,41 %), etwa jedes 15. Kind ist muslimisch (6,67 %). Muslimische Kinder bilden in evangelischen Kindertagesstätten vor allem in den Ballungsräumen einen hohen Anteil (in Hannover etwa 16 %, d.h. 660 von 4104 Kindern). Insgesamt erreicht in der hannoverschen Landeskirche der Anteil muslimischer Kinder bei fünf Kindertagesstätten bis zu 50 %. Die Kirchen, die Diakonischen Werke und die Caritas haben in Niedersachsen dazu beigetragen, dass ethische Grundlagen und Religion als Lernfelder im niedersächsischen Orientierungsplan für alle Kindertagesstätten verbindlich festgeschrieben worden sind. Das ist wegweisend. rigkeit würden religiös überwältigt. Auch die religiösen Feste können zum Anlass genommen werden, mit den Eltern unterschiedliche Perspektiven zur Sprache zu bringen. Bei der Thematisierung muslimischer Feste sollten muslimische Eltern gewonnen werden, um die Feste den Kindern authentisch zu erklären. Muslimische Eltern werden so mit ihren Kompetenzen wertgeschätzt. Foto: Agsten Der Bildungsauftrag der Kindertagesstätten ist allerdings nicht isoliert von den Elternhäusern zu sehen. Gerade zwischen christlicher Kindertagesstätte und nichtchristlichem Elternhaus kann sich bei nichtchristlichen Kindern eine spannungsvolle Wechselbeziehung ergeben. Dies ist jedoch produktiv zu nutzen. So wird die Nähe und Fremdheit von Judentum, Christentum und Islam deutlich, wenn es zum Beispiel um die Figur Abrahams und ihre unterschiedliche Interpretation in den drei Religionen geht. Des Weiteren müssen die Ziele christlicher Erziehung und diakonischen Handelns in eine konstruktive Beziehung gebracht werden. Während die christliche Erziehung auf die religiöse Bildung der Kinder zielt, richtet sich das diakonische Handeln in diesem Zusammenhang vorrangig auf die soziale Integration. Selbstverständlich ist vorauszusetzen, dass die Kinder nicht religiös überwältigt werden. So werden Brücken gebaut und Grenzen überschritten. Ausgrenzung widerspricht dem christlichen Profil. Berichte von jüdischen und muslimischen Eltern zeigen, wie sehr ein solches klares Profil der christlichen Kindertagesstätten geschätzt wird. Kinder fragen nach Gott. Sie machen sich Gedanken, sie fragen weiter und geben Antworten. Oft geschieht dies in radikalerer Form als bei Erwachsenen. Dadurch sind andere Kinder und die Erwachsenen nicht nur herausgefordert, sondern profitieren voneinander. Die religiösen Fragen haben im Alltag der Kinder Bedeutung. Sie können darin nicht allein gelassen werden. Zur Entwicklung ihrer religiösen Identität sind sie auf Begleitung angewiesen. Die Fähigkeit, mit der jeweiligen Nähe und Fremdheit von Judentum, Christentum und Islam aus christlicher Perspektive einen Umgang zu finden (Fremdheitskompetenz), erweist sich dabei als Schlüsselqualifikation. Erzieherinnen und Erzieher brauchen dazu Grundkenntnisse zum Judentum und Islam sowie zu kulturellen Gepflogenheiten. Darüber hinaus benötigen sie Fähigkeiten, damit aus einer christlich geprägten Haltung umzugehen. Zum Erwerb dieser Fremdheitskompetenz dienen kirchliche Aus- und Fortbildungen. Unerlässlich ist auch die Elternarbeit, selbst wenn sie zum Teil mühsam ist. Muslimischen Eltern ist schon bei der Anmeldung das religionspädagogische Konzept der christlichen Kindertagesstätte zu erklären (bei Bedarf mit Dolmetscher): tägliche Rituale, christliche Lieder bis hin zu den Feiern christlicher Feste, ebenso die soziale Integration und das Respektieren andersgläubiger Kinder. Diese Transparenz kann Befürchtungen abbauen, Kinder anderer oder ohne Religionszugehö- Regelmäßige Angebote für Einzelgespräche mit den Eltern und Elternabende schaffen darüber hinaus eine Basis, die Vertrauen und ein nachbarschaftliches Miteinander ermöglicht. Die Kindertagesstätte erweist sich dabei als ein kommunikativer Knotenpunkt, der die Entstehung neuer hilfreicher Netzwerke fördert. Schließlich führt auch die Zusammenarbeit im Gemeinwesen weiter, beispielsweise mit einer benachbarten Moscheegemeinde, mit Kulturvereinen oder anderen örtlichen Initiativen. Dies ermöglicht u.a. wechselseitige Besuche der Kirche und der Moschee. Weitere Begegnungen und Projekte können daraus entstehen. Werden dabei bestehende Ängste oder soziale, kulturelle bzw. religiöse Spannungen ernst genommen werden, trägt die christliche Kindertagesstätte zu einem aufmerksameren, friedvolleren Zusammenleben im Gemeinwesen bei. Die religiöse Bildung und die Integration der Kinder unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Herkunft rücken die Kinder in den Mittelpunkt. Der Fremdheitskompetenz, der Arbeit mit den Eltern und den Kooperationen im Gemeinwesen kommt hierbei eine fundamentale Bedeutung zu. Für die Kinder wird ihre Kindertagesstätte so zu einem Ort, an dem sie exemplarisch ein besseres Miteinander im Alltag erproben und erleben können. Dies trägt für die Kinder – und weit über sie hinaus – zum Respekt gegenüber anderen religiösen und kulturellen Traditionen bei. Dr. Christoph Dahling-Sander, Leiter der Arbeitsstelle Islam und Migration im Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers BETRIFFT 4 / 2006 15 Thema Seelsorge und bildungspolitisches Engagement Spanier in Deutschland schaften und politischen Parteien, besonders der kommunistischen Partei, und der katholischen Kirche, beeinflussten aktiv die Entstehung von Organisationen - insbesondere von Elternvereinen bundesweit. Nach dem Anwerbestopp 1973 entschied sich ein großer Teil der Spanier für den Familiennachzug. Damit gewannen die Fragen nach der Zukunft der Kinder und ihrer Schulbildung sehr schnell eine hohe Bedeutung. Bezeichnenderweise wurde im selben Jahr die „Confederación“, der Bund der spanischen Elternvereine, gegründet, mit den zwei Zielen: die Integration der Kinder in die deutsche Regelschule und die Durchsetzung des muttersprachlichen Unterrichts. Foto: Agsten M it dem bilateralen Anwerbevertrag vom 29. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien begann die Migration der spanischen „Gastarbeiter“. 1966 gab es schon 185.336 Einwanderer; der Höhepunkt wurde im Jahre 1973 mit 287.000 spanischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen erreicht. Im Jahr 2000 waren es nur noch 129.000 und ihre Zahl nimmt kontinuierlich ab – Ende 2005 waren es knapp 108.000. Für die seelsorgliche Betreuung der Migranten kamen zeitgleich Priester aus Spanien. Schon 1960 entstanden die katholischen spanischen Missionen (ähnlich den deutschen Pfarreien), die sich neben ihrer pastoralen Tätigkeit auch sozial sehr engagierten. Eingewanderte Aktivisten der während der Francodiktatur (1939-1975) verbotenen Gewerk- 16 BETRIFFT 4 / 2006 Mit der Integration der Kinder in die deutsche Regelschule sollte die Gleichstellung und mit der Forderung nach muttersprachlichem Unterricht sollte gleichzeitig die kulturelle Identität der Kinder bewahrt werden. Diese einfachen aber klaren Forderungen hatten ein großes Mobilisierungspotential. Ende der siebziger Jahre gab es in der Bundesrepublik bereits über 100 spanische Elternvereine, die die spanischen Migranten zu einem gemeinsamen Werk, unabhängig von ihren politischen, religiösen oder ideologischen Überzeugungen vereinten. Die Elternvereine trugen so entscheidend zur Entwicklung einer politischen Kultur unter den spanischen Migranten bei: Aus Gastarbeitern wurden Bürger, die ihre Interessen erkannten, sie vertraten und merkten, dass auch sie, als die besten Vertreter und Verteidiger der Interessen ihrer Kinder, soziale und schulpolitische Realität verändern konnten. Von dieser Elternarbeit, die schon ab 1972 durch das Referat für Schulwesen und Erwachsenenbildung der „Confederación“ gefördert und koordiniert wurde, haben die spanischen Kinder deutlich profitiert. Die damals erhobenen Vorwürfe der doppelten Überforderung der ausländischen Kinder durch muttersprachlichen Unterricht zusätzlich zur deutschen Regelschule konnten völlig entkräftet werden. Erreichten 1973 70 % der spanischen Kinder in Deutschland keinen Schulabschluss, haben im Jahre 2003 70 % der spanischen Kinder die Hochschuloder Fachhochschulreife erreicht. Das ist die Bildungserfolgsgeschichte der spanischen Familien in Deutschland, aus der das interkulturelle Projekt „Schlaue Kinder starker Eltern“ entstanden ist, gestaltet durch die „AEF - Spanische Weiterbildungs-akademie“, und die „Confederación - Bund der spanischen Elternvereine“. Diese Erfahrung der spanischen Eltern wird nun auch auf andere Nationalitäten übertragen und von der nordrhein-westfälischen Landesregierung gefördert. Migranteneltern und Multiplikatoren werden qualifiziert zur Mitwirkung am Bildungs- und Schulerfolg ihrer Kinder. Das Erziehungs- und Schulsystem sind die entscheidenden Bereiche, wo die Grundlagen für eine gelingende Integration gelegt werden oder wo diese blockiert wird. Pfarrer José Antonio Arzoz Delegat der Spanischsprachigen katholischen Seelsorge in Deutschland Forum Interview mit Prof. Dr. Gunter A. Pilz Thema: Rassismus im Fußball Foto: privat stärkt, dass zwei Generationen in Diktaturen gelebt haben und insofern eine langjährige Demokratieerfahrung fehlt. Betrifft: Was ist gegen Rassismus im Fußball zu tun, wer muss handeln? Pilz: Es ist richtig und notwendig, rassistisch motivierten Fans durch Bestrafung und Sanktionen Einhalt zu gebieten. Durch entsprechende Verschärfung des Strafenkatalogs und durch das nationale Konzept des DFB „Sport und Sicherheit“ kann der Rassismus in seiner offensiven Erscheinungsform reduziert werden. Wichtig ist außerdem, dass sich die einzelnen Vereine vehement gegen Rassismus einsetzen und rassistisches Verhalten massiv bestrafen. Wenn Vereine deutlich Flagge zeigen, motiviert das junge Menschen, Zivilcourage zu entwickeln und sich gegen Rassismus einzusetzen. Doch das reicht noch nicht aus. Rassisten müssen von allen Seiten Druck bekommen, insbesondere auch von denen, die im Fußball zu ihren Idolen zählen. Ich will auf das von Ihnen eingangs genannte Beispiel zurückkommen. Asamoah hat sich gegen die auf ihn gezielten rassistischen Angriffe vehement zur Wehr gesetzt. Das kam einem Hilferuf an die Gesellschaft gleich. Hier hätte ich mir gewünscht, dass sich der Mannschaftskapitän zu Wort gemeldet und sich deutlich hinter ihn gestellt hätte. Mannschaftskapitäne könnten bereits im Stadion Ansprachen an die entsprechenden Kurven richten, aus denen rassistische Beleidigungen kommen. Mannschaftskapitäne müssen Gesicht zeigen. Alle müssen handeln, der DFB, die Vereine, die Spieler, die Kapitäne – und darüber hinaus die Politik und die Schule. Die Ursachen des Rassismus müssen beseitigt werden. Junge Menschen müssen sozialpädagogisch begleitet und aus ihrer Perspektivlo- sigkeit herausgeholt werden. Betrifft: Herr Prof. Pilz, Sie leiten oder begleiten seit Jahren Projekte im Bereich des Sports zur Gewaltprävention; Sie sind Mitglied in Beiräten mehrerer Fan-Projekte – welche Maßnahmen sind nach Ihren Analysen besonders wirksam gegen Rassismus und gegen andere Formen von Gewalt im Fußball? Pilz: Das Fan-Projekt von Hannover 96 begleite ich seit 21 Jahren. Wir haben wichtige Dinge erreicht. Das Fan-Projekt betreut Jugendliche aus der Fan-Szene in schwierigen Lebenssituationen – und es unterstützt die Arbeitsgruppe gegen Rassismus. Das Fan-Projekt ist Mitglied der „Interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Bekämpfung rechter Umtriebe im Fußballbereich“ – IdAG BrUF, die Konzepte gegen Rassismus und Rechtsextremismus erarbeitet. So hat Hannover 96 beispielsweise eine von der IdAG BrUF erarbeitete Hausordnung erlassen, nach der alles verboten ist, was den Eindruck erwecken könnte, Ausdruck einer rechtsextremen Gesinnung zu sein. Seitdem sind auch die verdeckten Formen des Rassismus im Stadion tabu. Der Verein Hannover 96 ist klar gegen Rassismus und Rechtsextremismus positioniert. Betrifft: Vielen Dank, Herr Prof. Pilz. Prof. Dr. Gunter A. Pilz ist Soziologe am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz-Universität Hannover und Lehrbeauftragter an der Ev. FH Hannover. Als Experte der Gewalt- und Konfliktforschung im Sportbereich ist er als Gutachter und als Berater gefragt. Er wurde in die Task Force „Gewalt und Rassismus“ des DFB berufen. www.fanprojekt-hannover.de Die Fragen stellte Marianne Winkler, Redaktion „Betrifft“ BETRIFFT 4 / 2006 17 Interview Betrifft: Herr Prof. Pilz, spätestens seit den Schmährufen gegen Gerald Asamoah ist Rassismus im deutschen Fußball wieder ein Thema. Wie bewerten Sie die Entwicklung und das aktuelle Ausmaß rassistisch motivierter Vorfälle in diesem publikumsstarken Sportbereich? Pilz: Wir beobachten unterschiedliche Entwicklungen. In den Stadien der ersten und zweiten Bundesliga sind die offenen rassistischen Äußerungen zurückgegangen, nicht aber der Rassismus an sich. Er wird eher in verdeckteren Codes ausgedrückt, mit denen die Fans nicht mit dem § 86a in Konflikt geraten. Wir stellen im Fußball außerdem eine Verlagerung offener rassistischer Äußerungen in die niedrigeren Ligen fest. Ebenso fallen Fans bei langen Auswärtsfahrten dadurch auf, dass sie nach Verlassen der Züge und außerhalb der kontrollierten Bahnhöfe auf dem Weg zum Stadion rassistische Verbalattacken lautstark rufen. Betrifft: Was sind das für Fans, welches soziale Bild steckt hinter denen, die rassistische Parolen grölen? Wie sieht deren Lebenswirklichkeit aus? Pilz: Auch hier müssen Unterschiede festgestellt werden. Eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung weist eine Intellektualisierung des Rassismus nach – und der Bielefelder Soziologe Heitmeyer analysiert, dass Rassismus und rechtsextremes Gedankengut aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Auch die Mittelschicht ist heute verunsichert, fühlt sich bedroht und nimmt eine Abwehrhaltung zur Verteidigung ihrer Lebenswelt ein. Daneben bilden die Perspektivlosigkeit und permanente Erfahrungen der Selbstentwertung von Unterschichtangehörigen den Nährboden für Rassismus. Das sehen wir besonders in den neuen Bundesländern. Dort wird die Empfänglichkeit für Rassismus im Übrigen dadurch ver- Forum Freiwillige Stärken Qualifizierung von Integrationslotsen „Wolle wird nur deshalb zu einem Teppich, weil das entsprechende Wissen vorhanden ist.“ U nter dieses Motto – einer alten Weisheit des Sufimeisters Rumi aus dem 13. Jahrhundert – stellte die AWO ihren Beitrag zum Auftakt des Pilotprojektes „Integrationslotsen“. Im Bereich Integration und Migration gibt es ein großes Potential an freiwilligem Engagement. Foto: Winkler Gut integrierte Zugewanderte sind oft hoch motiviert, Landsleute, die später eingereist sind, zu unterstützen. Einige engagieren sich als Einzelperson für Einzelpersonen, schätzen den individuellen, flexiblen Einsatz. Manche brauchen für ihr Engagement einen strukturierten Rahmen mit festen Zeiten und Orten. Andere wiederum gründen Vereine und führen eigene Projekte durch. Und es gibt solche, die sich im Rahmen der Nachbarschaft einsetzen und die Aufgabe der Integration als Familienerweiterung ansehen. Immer geht es um Freiwillige Stärken in beiden Bedeutungen: Um die Stärken von Freiwilligen und darum, die Freiwilligen zu stärken. Das erfordert die Unterstützung durch Fachkräfte und es braucht Qualifizierung. Die können ehrenamtliche Integrationshelfer im Osnabrücker Integrationslotsenprojekt erwerben. In einem Basismodul werden die für das interkulturelle Handeln als Integrationslotse wichtigen sozialen und kommunikativen Kompetenzen gefördert und Kenntnisse über Integrationsabläufe und –verläufe vermittelt. 18 BETRIFFT 4 / 2006 Im Verlauf der Qualifizierung wird der Gruppenprozess zwischen verschiedenen Migrantengruppen und Einheimischen initiiert und die Erfahrungen und Kenntnisse bereits bestehender familiärer und informeller Netzwerke werden bewusst genutzt. Inhaltlich werden in der von der AWO-MEB entwickelten und der VHS durchgeführten Qualifizierung Themen behandelt wie: Biografische Erfahrungen, kulturelle Dimensionen des Ehrenamtes, Wege, Brücken und Bremsen der Integration, Integrationsmodelle, Zuwanderungsformen, Gesetze und gesellschaftliche Förderung, Kommunikationsmodelle und -stile, Vorurteilsbewusstsein, Selbstreflexion, interkulturelle Kompetenz, Anforderungen und Aufgaben, Aushandlungsprozesse. Die Teilnehmenden beginnen mit ihren persönlichen Erfahrungen, werden dann über die Distanz theoretischer Modelle und gesetzlicher Rahmenbedingungen in einen Aushandlungsprozess geführt, um danach ihre möglichen Aufgaben und Ziele zu konkretisieren. In der gesamten Durchführung des Lehrgangs wird immer wieder das Wesen des freiwilligen Engagements thematisiert. Es geht darum, selbst zu bestimmen was man wann, wo, wie und wie lange tun möchte. Die Zusammensetzung der Lehrgänge ist sehr heterogen, in Bezug auf das Alter, die Herkunftskulturen, die Migrationserfahrungen und die Erfahrungen und Perspektiven des ehrenamtlichen Engagements. Einige wollen einfach nur helfen, sich um ihre Landsleute kümmern, andere wollen ihr Fachwissen zur Verfügung stellen. Dieses breite Spektrum verschiedener Menschen mit unterschiedlichen Biografien und aus unterschiedlichen Berufsfeldern erfordert im Integrationslotsenlehrgang Methodenvielfalt und Flexibilität. Das Konzept des Lehrgangs verbindet selbst organisiertes Lernen mit Informationsvermittlung. Der Wechsel zwischen Kursabenden und Tagesseminaren fördert diesen Prozess. Die Kursabende werden von der Lehrgangsleitung begleitet und von ReferentInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Wissenschaft, Ausländerbehörde, Erwachsenenbildung, Migrationssozialarbeit und Freiwilligenagentur gestaltet. An den Kursabenden geht es um Theorie, Information, Diskussion, Fragen und Kontakt zu verschiedenen Diensten und ihrer spezifischen kulturellen Ausprägung. Die Tagesseminare dienen der Reflexion, der Gruppenbildung und dem Vernetzungsprozess. Sie bieten Raum für Emotionen und für den Praxisbezug. Der Einsatz als Integrationslotse wird im Einzelfall von Fachkräften angeleitet; im Netzwerk finden Erfahrungsaustausch, fachliche Diskussionen und Supervision statt. In jedem Lehrgang gibt es neue Ideen und es eröffnen sich neue Felder. Um bei dem Bild des Teppichs zu bleiben: Integration kann heißen, gemeinsam einen Teppich unter den Füssen zu haben mit vielfältigen Mustern, aber als ein zusammenhängendes Stück. Und die Wolle, die zu einem Teppich wird, lässt sich flechten, häkeln, knüpfen, stricken, weben... Christina Müller-Wille AWO-Migrationserstberatung, Osnabrück Forum Vladimir Wilhelm aus Belm Auf der Überholspur Mit dem Erreichten gibt er sich nicht zufrieden, für ihn machen neue Herausforderungen das Leben erst richtig spannend. Was treibt ihn an, wie lassen sich die Kräfte zielgerichtet bündeln in einer neuen Umgebung, die in den Jahren nach und nach zur Heimat geworden ist? „Ich unterhalte mich gerne mit Leuten, freue mich unter Menschen zu sein“, antwortet er spontan. Diese Offenheit hat ihm in der Vergangenheit schon so manche Tür geöffnet und Kontakte möglich gemacht. Etwa in der Belmer Jugendwerkstatt, in der er nach seiner Ankunft in Deutschland schnell den Realschulabschluss nachgemacht hat, „übrigens als Klassenbester“. Die Mitarbeiter waren letztlich so sehr überzeugt von seinen fachlichen und menschlichen Qualitäten, dass im Anschluss die Vermittlung auf einen Ausbildungsplatz als Fertigungsmechaniker die logische Konsequenz war. Auch wenn nach der Ausbildung nur ein befristeter Arbeitsvertrag möglich war, waren die Weichen gestellt. Der Besuch der Technikerschule soll ihm seinem heimlichen Berufsziel ein Stück näher bringen. „Bei Airbus die großen Flieger zusammenbauen, das wäre schon toll“. Bis es soweit ist, ist aber ans Abheben nicht zu denken. Vielmehr sind Stra- tegien gefragt, mit denen die vierköpfige Familie die finanziellen Engpässe bewältigt, die sich durch die Weiterbildung des Vaters ergeben. „Wir kriegen das schon hin“, macht er sich Mut und deutlich wird eine weitere Antriebskraft. „Ich möchte auch dazu gehören, meinen Platz in der Gesellschaft finden und ein bisschen Anerkennung erfahren“, macht er deutlich. Seine Kontaktfreudigkeit und der Wunsch nach Anerkennung spiegeln sich auch in dem wider, was seine Freizeit bestimmt, denn „im Leben muss man Spaß haben, nur arbeiten ist zu wenig“. Seit zwei Jahren engagiert sich Vladimir Wilhelm im Belmer Kulturverein. Das Talent zum Schnitzen von Holzfiguren hat er in seiner Zeit beim Militär in Russland perfektioniert. Vor kurzem hat er dem Kindergarten, in dem auch Tochter Victoria-Sophie den Vormittag verbringt, ein großes Eichhörnchen aus Holz für den Außenbereich gestiftet. Zurzeit arbeitet er im Verein in einer Skulpturenwerkstatt mit, die sich die Verschönerung der Gemeinde durch Kunst zum Ziel gesetzt hat. Mitspracherechte wahrnehmen ist ein weiteres Thema, das ihn seit kurzem interessiert. In dem Belmer Ortsteil Powe, ausgewiesen als Gebiet mit Entwicklungsbedarf im Förderprogramm „Soziale Stadt“, engagiert er sich daher als Mitglied im so genannten LOS-Begleitausschuss „Lokales Kapital für soziale Zwecke“. Das besondere daran: Die Mitglieder können selbstständig über die Mit- Portrait Vladimir Wilhelm ist erst seit fünf Jahren in Deutschland, doch er hat bereits viel erreicht. Und die „Überholspur“ will der 26-jährige, der in Rostov am Don seine Kindheit verbracht hat, so schnell nicht wieder verlassen. Mit dem Besuch der Technikerschule hat er jetzt den nächsten Schritt gemacht und auch in der Freizeit stehen neue Projekte an. Foto: Thomas Osterfeld telvergabe für soziale Projekte entscheiden, mit denen die beruflichen Perspektiven von benachteiligten Bewohnern verbessert werden können. „Wenn ich kann, helfe ich gerne und setze mich auch für andere ein“, bemerkt er abschließend und muss schon wieder zum nächsten Termin. Weil er Mathematik sozusagen im Schlaf beherrscht, haben ihn Kollegen aus der Technikerschule gebeten, einige Rechenaufgaben noch einmal im kleinen Kreis zu erklären. Fred Anders Journalist, Belm BETRIFFT 4 / 2006 19 Forum Für eine gerechte Globalisierung Die Millenniums-Entwicklungsziele Als im Oktober 2006 der Friedensnobelpreis an Muhammad Yunus vergeben wurde, würdigte das Komitee den Wirtschaftsprofessor aus Bangladesch mit seinem auf Kleinstkredite spezialisierten Institut als weltweites Beispiel im Kampf gegen Armut. Die bis dahin absolut Mittellosen bekamen Mitte der siebziger Jahre ein Darlehen über 30 Dollar, damit sie ein paar Hühner oder den Stoff für ihre Korbflechterei kaufen konnten, um damit ein kleines Geschäft aufzubauen. Wie Yunus hervorhebt, hat sich seither jeder zweite Instituts-Kunde – inzwischen über 6 Mio. Mitglieder – aus extremer Armut befreien können. Foto: UN- Milleniumcampaign Ein ermutigendes Beispiel für den Kampf gegen Armut. Dennoch: Wohlstandsgefälle, Ungerechtigkeit, Ohnmacht und mangelnde Zukunftsaussichten sind weiter in vielen Ländern der Nährboden für Unzufriedenheit, Spannungen, Gewalt und Konflikte. Sie bewirken auch, dass heute mehr als doppelt so viele Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Heimatländer verlassen als noch vor 25 Jahren. Nach einer Erhebung der UN gab es 2005 weltweit 200 Millionen Migranten einschließlich 9,2 Mio. Flüchtlingen. 20 BETRIFFT 4 / 2006 Niemals zuvor war aber auch der weltweite Wohlstand größer als heute. Dennoch müssen 1,1 Milliarden Menschen mit weniger als 1 Dollar pro Tag auskommen. 800 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen, über 100 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird sowohl zwischen Nord und Süd, aber auch innerhalb der Gesellschaften immer größer. Kosten und Chancen der Globalisierung sind sehr ungleich verteilt. Auf dem Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen im September 2000 haben sich die Staats- und Regierungschefs fast aller Länder verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Globalisierung zu einer positiven Kraft für alle Menschen wird. Ihre Absichtserklärung fassten sie in acht messbare Ziele – die Millenniums-Entwicklungsziele – die bis zum Jahr 2015 erreicht sein sollen. Ziel 1: Beseitigung von extremer Armut und Hunger – Halbierung des Anteils der Menschen, die mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen müssen. Ziel 2: Grundschulausbildung für alle Kinder weltweit. Ziel 3: Gleichstellung und Förderung der Frau. Ziel 4: Senkung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel. Ziel 5: Verbesserung der Gesundheit von Müttern – Senkung der Sterblichkeitsrat um drei Viertel. Ziel 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Krankheiten. Ziel 7: Implementierung von nachhaltigem Umweltschutz – u. a. Halbierung der Zahl von Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ziel 8: Schaffung einer globalen Partnerschaft für Entwicklungszusammenarbeit – u. a. gerechtes Han- delssystem, Schuldenerlass, mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit. Die Millenniums-Entwicklungsziele können nur in gemeinsamer Verantwortung der reichen und der armen Länder erreicht werden. Auf die Zuwanderungspolitik bezogen bedeutet das zum Beispiel, dass nicht nur soziale, arbeitsmarkt- und sicherheitspolitische Aspekte zu berücksichtigen sind. Politik und Zivilgesellschaft müssen dazu beitragen, die Entwicklungschancen in den Heimatländern von Migranten zu erhöhen und die dortigen Lebensperspektiven zu verbessern, aber auch den Nutzen der Migration für die Herkunftsländer zu maximieren. Immerhin – so ein UNBericht – fanden 2004 weltweit ca. 450 Milliarden Dollar Rücküberweisungen von Migranten in ihre Heimatländer statt – fast das Dreifache der offiziellen Entwicklungshilfe. Die weltweite Millenniumkampagne der Vereinten Nationen will die anfängliche Aufbruchstimmung wiederherstellen und die Regierungen zum Handeln bringen. Auch in Deutschland trägt sie das Thema in die Öffentlichkeit und versucht, möglichst viele Menschen durch konkrete Aktionen und Lobbyarbeit zum Engagement für die Millenniumsziele zu mobilisieren. Eine noch deutlichere Unterstützung gerade auch von Migrantinnen und Migranten mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen wäre dabei wünschenswert. Anregungen, wie Bürgerinnen und Bürger die Kampagne unterstützen können, finden Sie unter www.millenniumkampagne.de Dr. Renée Ernst Beauftragte für die UN-Millenniumkampagne in Deutschland Forum Europa am Nachmittag Foto: EIZ Niedersachsen „Europa und die Welt“ erlebten 40 Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule (IGS) Göttingen einen Nachmittag lang während der Europa-Woche im Mai 2006. Die 13-Jährigen der Arbeitsgruppe „International Education“ lernten 17 Studierende aus 13 Ländern kennen. Sie erfuhren an Hand von Ratespielen und Präsentationen einiges über diese Länder und über die Europäische Union. Die Initiatoren der Aktion waren das Europäische InformationsZentrum Niedersachsen und der Euroculture-Studiengang der Universität Göttingen. Die Studierenden hatten sich ein Semester lang mit Theorie und Praxis des Projektmanagements beschäftigt und wollten nun die geplanten Projekte in der IGS umsetzen. Den Nachmittag in der Schule gestalteten sie in vier Kleingruppen. Die Hauptsprache war Englisch. Die erste Gruppe hatte das Ziel, die Europakenntnisse zu verbessern. Die Studierenden hatten zwei Spiele entwickelt. Im ersten sollten die Schülerinnen und Schüler durch richtige Antworten das Ende eines Labyrinths erreichen. Die Fragen lauteten z.B.: “Which northern European city used to be called Christiania?” (Oslo) und: “Which country has the tallest people in Europe, 182,35 cm for men and 170,56 cm for women?” (die Niederlande). Bei dem nachfolgenden Geschwindigkeitsspiel mussten Hauptstädte den richtigen Ländern so schnell wie möglich zugeordnet werden. Die Studierenden waren sehr über- rascht über die guten Europakenntnisse der Jugendlichen, die den Nachmittag als eine schöne Abwechslung zum normalen Unterricht empfunden haben. In der zweiten Gruppe ging es „um die Welt in 90 Minuten“. Die Themen unterschieden sich von denen der anderen, da die Studierenden in dieser Gruppe überwiegend aus Nicht-EU-Staaten kamen und zwar aus dem Iran, der Türkei, Lettland, Bosnien-Herzegowina und Mexiko. Die Jugendlichen konnten zunächst in Zweiergruppen anhand von Powerpoint-Präsentationen mehr über ein Land erfahren. Das Wissen gaben sie dann an die nächste Kleinstgruppe weiter, bevor sie sich über das nächste Land informierten. Die Studierenden waren beeindruckt von der kooperativen und engagierten Schülergruppe. In der dritten Gruppe stellten sich die Studierenden in ihren Muttersprachen vor und die Schülerinnen und Schüler mussten die Länder raten. Das war auf Spanisch und Niederländisch noch einfach, Usbekisch und Moldawisch zuzuordnen war schon sehr viel schwerer. Welche Vorteile die Europäische Union bietet – wie z.B. europaweit verreisen zu können, persönliche Erfahrung im Ausland zu sammeln oder dort zu studieren – war das nächste Thema. Das Interessanteste war jedoch ein Puzzle, das die Jugendlichen durch Beantwortung von Fragen zu einer Europakarte zusammenlegten. An dieser Gruppe nahmen auch einige französische Austauschschülerinnen teil, so dass die Verständigung zwischen Deutsch, Englisch und Französisch hin und her wechselte. Es war ein anregender Nachmittag! Selbst das Erklären der komplizierten EUInstitutionen langweilte die Schülerinnen und Schüler nicht. Am spannendsten für die Jugendlichen war aber wohl, dass die Studierenden aus vier sehr unterschiedlichen Ländern stammten. In der vierten Gruppe sollten die Jugendlichen die Austauschprogramme der EU für Schüler und Studierende kennen lernen. Für die Projektgruppe des Euroculture-Studiengangs war spannend, auf junge Weltbummler zu stoßen, die anscheinend jede Ecke Europas kannten und hoch motiviert und interessiert noch viel mehr wissen wollten. Yuliya Akhmejanova Georg-August-Universität Göttingen Die Euroculture-Studenten im Sommersemester 2006 Bulgarien: Neli Todorova, BosnienHerzegowina: Melina Sadikovic, Frankreich: Sarah Kremer und Cécile Combes, Iran: Jasin Ramin, Italien: Georgia Renata Loukas, Lettland: Kristine Vdovicenko, Mexiko: Marcela Flores, Niederlande: Sarah de Jong, Liesbeth Sturing und Martje van Bruggen, Spanien: Miriam Diaz Leiva, Republik Moldau: Natalia und Sergiu Corobca, Türkei: Eren Özalay, Usbekistan: Rustam Akramov, Vietnam: The Tu Tran Ngoc Masterstudiengang Euroculture Euroculture ist ein eineinhalbjähriger, interdisziplinärer Studiengang der Universität Göttingen und sieben anderer europäischer Universitäten. Er vermittelt Wissen über die Geschichte und Kultur Europas und seiner Institutionen. In speziellen Projektmodulen werden Qualifikationen vermittelt, die Berufsperspektiven in einem zunehmend auf Europa ausgerichteten Arbeitsmarkt eröffnen. BETRIFFT 4 / 2006 21 Materialien Materialien zum Schwerpunktthema Literatur Wenn Christine und Mohammed nach Gott fragen … Muslimische Kinder im evangelischen Kindergarten Hannover 2006 Die Publikation bietet Hintergrundinformationen für das Gelingen von Begegnungen zwischen Christen und Muslimen in evangelischen Kindergärten. Schritte gehen – aufeinander zu Positionen, Projekte, Anregungen für christlich-muslimische Begegnungen Hannover 2006 Das Arbeitsheft bietet praxisorientiert und umfassend Informationen und gibt Anregungen für christlich-muslimische Begegnungen innerhalb der Kirche. Arbeitsstelle für Islam und Migration im Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, islam. [email protected]. Woran ich glaube. Ein Muslim und ein Christ im Gespräch Schwarzenfeld 2005, ISBN 3-93789-615-5 Dieses Buch zeigt, wie es trotz großer Unterschiede gelingen kann, den eigenen Glauben zu bezeugen und respektvoll aufeinander zu hören. [email protected], www.neufeld-verlag.de Islamischer Religionsunterricht in Europa. Lehrtexte als Instrumente muslimischer Selbstverortung im Vergleich Bielefeld 2006, ISBN 3-89942-453-0 Lehrtexte aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden transportieren, wie muslimische LehrplanerInnen ihre Religion für die Schule organisieren und welche Angebote sie der nachwachsenden Genera- 22 BETRIFFT 4 / 2006 tion machen, sich in den europäischen Gesellschaften zu verorten. [email protected], www.transcript-verlag.de Christentum und Islam – ein neuer Dialog des Handelns. Begegnungen in Europa und Afrika Frankfurt a. M. 2006, ISBN 3-38099-854-4 Auf seinen Stationen der letzten 15 Jahre beobachtete und gestaltete Erhard Brunn inmitten vieler Konflikte Modelle einer gemeinsamen Verantwortung von Christen und Muslimen mit. Seine zahlreichen Begegnungen mit religiösen Persönlichkeiten, darunter Afrika-Missionaren, Kardinälen und muslimischen Vertretern, hat er in einem Buch zusammengestellt. Die Portraits sind eindrucksvolle Dokumente über Menschen, deren Wirken für einen neuen Dialog zwischen Christentum und Islam stehen. Brandes & Apsel Verlag Sexualität und Körperpraxis im Islam Frankfurt a. M. 2006, ISBN 3-86099-851-X Die bekannte Publizistin Farideh Akashe-Böhme legt eine grundlegende Analyse zur Sexualität und den Geschlechterkampf im Islam vor. Sie behandelt das Thema im Rahmen der islamischen Anthropologie und trägt damit ein wesentliches Element zur besseren Kenntnis dieser Religion bei. Ihre zentralen Themen sind Reinheit und Tabus, Ehre, Geschlechterbiographie, patriarchale Strukturen und Muslime in der säkularisierten Welt. [email protected], www.brandes-apsel-verlag.de Die Kinder des Engel Pfau. Religion und Geschichte der kurdischen Yezidi Köln 2004, ISBN 3-927213-23-3 Johannes Düchting berichtet kenntnisreich über die yezidischen Religion und die Geschichte des yezidischen Volkes. Schwerpunkt des ersten Teils des auf zwei Bände konzipierten Werkes sind die Inhalte und die Pra- xis des Yezidentums, die der Autor im Vergleich mit zahlreichen anderen kurdischen und nah-östlichen Religionen darstellt, die Einfluss auf die Yezidi hatten, aber auch von diesen beeinflusst wurden. KOMKAR – Verband der Vereine aus Kurdistan, komkar@ t-online.de www.komkar.org Handbuch Interreligiöser Dialog. Aus katholischer, evangelischer, sunnitischer und alevitischer Perspektive Köln 2006, ISBN 3-00-017959-3 Die Handbuch ist Produkt der Multireligiösen Studiengruppe (MUREST), die mehr als zwei Jahre zu diesem Thema gearbeitet hat, um Antworten auf Grenzfragen im interreligiösen Dialog aus Sicht von katholischen, evangelischen, sunnitischen und alevitischen Experten und Expertinnen zu geben. Es richtet sich nicht nur an die Mitglieder der Religionsgemeinschaften, sondern bietet eine Hilfestellung und wichtige Ergänzung zu vorhandenen Unterrichtsmaterialien für LehrerInnen und Hintergrundinformationen für MultiplikatorInnen in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern. Glaubenselemente im alevitischen und sunnitischen Selbstverständnis Köln 2006-10-23 Die Synopse bietet einen tieferen Einblick in das religiöse Selbstverständnis beider Gruppen in Deutschland und greift ausgewählte Themen wie Gottesverständnis, Menschenbild, Geschlechterverhältnis, interreligiöse Eheschließung, Anerkennung anderer Glaubensgemeinschaften sowie den interreligiösen Dialog auf. AABF – Alevitische Gemeinde Deutschland e.V., info@ alevi.com, www.alevi.com Jesus und Mohammed. Erstaunliche Unterschiede und überraschende Ähnlichkeiten Gräfelfing 2006, ISBN-10: 3-935197-52-7 Der Autor vergleicht das Leben von Jesus und Mohammed. Er beschreibt, wie sie sich selbst gesehen haben, wie sie auf die Herausforderungen durch Juden reagierten, wie und ob sie Wunder vollbrachten, wie sie lehrten zu beten, wie man einem Feind begegnet und was sie über Frauen dachten. Mit diesen und anderen Vergleichen ist es dem Leser möglich, besser den Einfluss der Botschaften auf unsere heutige Zeit zu verstehen. Verlag Dr. Ingo Resch GmbH, [email protected], www.resch-verlag.com Sprache beschriftet. Der Gebetsteppich liegt in Blickrichtung Mekka und ist von Sitzkissen umgeben. www.klinikum-peine.de/default.htm Islamforen in Deutschland. Dialoge mit Muslimen Frankfurt a. M. 2005, ISBN 3-87476-478-8 Der Interkulturelle Rat in Deutschland hat erstmals am 26. Juni 2002 zu einem Forum Islam eingeladen. Kritische Fragen des Zusammenlebens sollten offen und kontrovers erörtert werden. Vertretungen aller relevanten muslimischen Verbände nahmen daran ebenso teil wie Persönlichkeiten aus Staat, Gesellschaft, Kirchen und Wissenschaft. Die Publikation informiert über den Beginn, bisherige Erfahrungen und Ergebnisse der Islamforen. Verlag Otto Lembeck, www.lembeck.de, [email protected] Hier wohnen nur noch Türken 42 02529, 20 min Festkalender 2007 Der Festkalender für Juden, Christen und Muslime soll zum besseren gegenseitigen Verständnis der verschiedenen Religionen beitragen. Er benennt die unterschiedlichen religiösen Festtage und deren historische Hintergründe. [email protected], www.klartext-verlag.de Neu im Klinikum Peine Im Klinikum sind zwei Gebetsräume (Mescid) für Muslime (für Frauen und Männer getrennt) eingerichtet. Die Wände sind in arabischer Medien VHS-Videos des Niedersächsischen Landesamtes für Lehrerbildung und Schulentwicklung (NiLS) www.nibis.de, [email protected] Die Moschee. Das Gotteshaus der Muslime 42 02238, 20 min der interkulturellen Beratung in verschiedenen sozialen Bereichen reflektiert und anhand von Ergebnissen durchgeführter Projekte konkret über den Einsatz interkultureller Beratung diskutiert werden. Eine Teilnahmegebühr wird nicht erhoben. Veranstalter: VNB und Kargah (ALBuM) Informationen: [email protected] Fit und gesund mit Spaß Gesundheitssport für Migrantinnen bietet der VfL Hannover an. Infos: Solveig Vogel, Tel. (0511) 1236846, [email protected] In eigener Sache Koran im Klassenzimmer 42 02585, 20 min Kopftuch und Minirock 42 54876, 30 min Nachrichten Refugium: Ausgezeichnet! Das Beratungsbüro des Vereins Flüchtlingshilfe Braunschweig, „Refugium“, wurde 2006 mit dem Preis „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet. Refugium erhielt die Auszeichnung für das Projekt „Ausländische Kulturen zum Anfassen“. Das Projekt wird in Schulen durchgeführt. Es fördert den interkulturellen Dialog und sensibilisiert Schülerinnen und Schüler für jegliche Form von Diskriminierung und Rassismus. [email protected], www.refugium-braunschweig.de Praxistag zum Thema: Interkulturelle Beratung im Spannungsfeld zwischen Laien und Professionalität 23.01.2007, Kargah e.V. Im Rahmen dieser Abschluss-Veranstaltung der Weiterbildung „BeraterInnen für interkulturelle Fragestellungen“ soll über die Relevanz Ausgewandert In Deutschland wird in Bezug auf das aktuelle Migrationsgeschehen ein „Minussaldo“ festgestellt. Das heißt, die Zahl der Auswanderer ist höher als die der Einwanderer. So stellt sich auch die Situation im Büro der Ausländerbeauftragten des Landes Niedersachsen dar. Im Jahr 2006 mussten zwei „Auswanderungen“ verkraftet werden. Ute Abels hat Niedersachsen den Rücken gekehrt und ist nach NordrheinWestfalen gezogen. Sie gehörte seit 1991 zum Team und hinterlässt in der Pflege unserer Datenbank sowie im gesamten schreibtechnischen Bereich eine riesengroße Lücke. Katerina Agsten ist in die USA ausgewandert. Ihr Fortgang wirkt sich auf unsere Registratur, Infothek und Internetpräsenz aus, deren Stand zurzeit nicht immer aktuell ist. Außerdem fehlen uns ihr ästhetisch geschulter Blick auf alles, was es zu gestalten gibt, sowie ihre nahezu professionellen Fotos. Wir wünschen Ute Abels und Katerina Agsten alles Gute und viel Glück in ihrem neuen Lebensabschnitt. BETRIFFT 4 / 2006 23 Postkartenaktion „Vielfalt in Niedersachsen“ Jugendliche von s’putnike <jungeKultur> im CJD Nienburg haben diese „Namens-Karte“ plus Botschaft entworfen. In einer landesweiten Aktion der Ausländerbeauftragten wird die Postkarte in mehreren niedersächsischen Städten verteilt. Sie kann darüber hinaus von Lehrkräften niedersächsischer Schulen sowie von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus der Jugend- und Integrationsarbeit bei der Ausländerbeauftragten des Landes Niedersachsen bestellt werden. Die Lieferung erfolgt kostenlos in Mengen zu 50, 100 oder 200 Karten (bitte angeben) – solange der Vorrat reicht. Bezugsadresse: [email protected]