DIE TOBAR-DOKTRIN Durch den zweiten Hay-Pauncefote

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DIE
TOBAR-DOKTRIN
Von G ü n t e r
Kahle
Durch den zweiten Hay-Pauncefote-Vertrag hatte Großbritannien
im Jahre 1901 den Vereinigten Staaten von Amerika das Recht auf
die alleinige Kontrolle und militärische Sicherung des künftigen Panamakanals eingeräumt. Im Januar 1903 wurde ein kolumbianischnordamerikanischer Vertrag unterzeichnet, in dem vereinbart worden
war, daß Kolumbien gegen eine einmalige Entschädigung von zehn
Millionen US-$ und eine jährliche Pachtzahlung von 250 000 US-S
den Vereinigten Staaten eine zehn km breite Zone für den Kanalbau
zur Verfügung stelle, die de jure kolumbianisches Hoheitsgebiet bleibe, doch sollten auf diesem Territorium in dringenden Fällen auch
ohne vorherige Erlaubnis der kolumbianischen Regierung nordamerikanische Truppen eingesetzt werden dürfen. Während dieser Vertrag
in den Vereinigten Staaten schon acht Wochen nach seiner Unterzeichnung ratifiziert wurde, konnte sich der Kongreß in Bogotä nicht
zu einer Ratifikation entschließen.
Die nordamerikanische Regierung schwankte nun zwischen den
Möglichkeiten, unter Berufung auf ein 1846 zwischen den Vereinigten Staaten und Kolumbien geschlossenes Abkommen, das den Vereinigten Staaten weitgehende Rechte auf dem Isthmus einräumte, die
Ratifikation zu erzwingen oder die schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts in der kolumbianischen Provinz Panama mehr oder minder
latent vorhandenen separatistischen Bestrebungen zu unterstützen
und für die Durchsetzung der eigenen politischen Ziele zu nutzen.
In Washington entschied man sich für die zweite Möglichkeit. Von
nordamerikanischen Regierungsvertretern ermuntert und von in Panama ansässigen Nordamerikanern unterstützt, begann eine Erhebung, deren Erfolg durch das Eingreifen nordamerikanischer Seestreitkräfte gesichert wurde. Am 3. November 1903 erklärte eine
provisorische Regierungsjunta die Unabhängigkeit der Republik Panama, die unmittelbar darauf von den Vereinigten Staaten diplomatisch anerkannt wurde. Am 18. November 1903 wurde von Regierungsvertretern beider Staaten ein Vertrag über den Kanalbau unterzeichnet, dessen Inhalt den kolumbianisch-nordamerikanischen Ver-
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einbarungen vom Januar 1903 weitgehend entsprach, doch fand sich
Panama im Gegensatz zu Kolumbien bereit, den Vereinigten Staaten
auch die Souveränitätsrechte über die 1435 km2 umfassende Kanalzone zu überlassen. Anfang Februar 1904 wurden die Ratifikationsurkunden ausgetauscht, und die Vereinigten Staaten hatten ihr Ziel
erreicht.
In Lateinamerika wurden gegen diese, sich über alle Rechtsvorstellungen hinwegsetzende nordamerikanische Machtpolitik zahlreiche Widersprüche und Proteste laut, die ihren völkerrechtlichen Ausdruck in der sogenannten Tobar-Doktrin von 1907 zu finden schienen. In einem offenen Brief, den der ecuadorianische Diplomat und
Poliker Carlos R. Tobar am 15. März 1907 aus Barcelona an den
bolivianischen Konsul in Brüssel richtete, forderter er, daß unrechtmäßigen de-facto-Regierungen
in Amerika künftig die diplomatische
Anerkennung verweigert werden solle l . In dem geschilderten Zusammenhang muß nun, wie Georg S t a d t m ü l l e r meint, „diese Forderung . . . als ein Zeichen der lateinamerikanischen Reaktion gegen
die Art gewertet werden, wie die USA die diplomatische Anerkennung seit langem als ein Mittel der verschleierten Intervention handhabten" 2.
Gegen diese Interpretation spricht freilich die Tatsache, daß Tobar,
was nahe gelegen hätte, in seinem Brief mit keinem Wort auf die
nordamerikanische Förderung und Unterstützung der Separation Panamas von Kolumbien und die sofort darauf erfolgte Anerkennung
Panamas durch die Vereinigten Staaten anspielt und auch keinen
ähnlichen Fall anführt, sondern vielmehr seiner Sorge Ausdruck verleiht, daß die lateinamerikanischen Staaten auf Grund ihrer innenpolitischen Labilität dem Chaos entgegengehen würden, wenn es
ihnen nicht gelänge, aus eigener Kraft und ohne von fremder, auswärtiger Hilfe abhängig zu sein, mit ihren Problemen fertig zu wer-
') Vgl. William Spence R o b e r t s o n , Hispanic-American Relations with the
United States, New Y o r k 1923, S. 128—130. Weitere Literaturhinweise zur TobarDoktrin bei Laudelino M o r e n o , Historia de las Relaciones Interestatuales de
Centroamerica, Madrid ! 1 9 2 8 , S. 174 f. Die rum Verständnis des Themas wichtigsten Auszüge aus dem Schreiben Tobars im Anhang, S. 403. Zur allgemeinen Problematik der „Anerkennungspolitik als Spiegel der interamerikanischen Beziehungen" vgl. Knud K r a k a u , in: Jahrbuch für Amerikastudien 16 (1971), S. 8—27,
') Georg S t a d t m u l l e r , Rechtsidee und Machtpolitik in der amerikanischen
Gcschichte, München 1957, S. 78.
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Die Tobar-Doktrin
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den. Zur Überwindung aller noch bestehenden Schwierigkeiten und
Widerstände war es seiner Meinung nach die wichtigste Aufgabe, zuerst gegen das Übel der permanenten „pronunciamientos"
vorzugehen,
damit ein kontinuierlicher und auf verfassungsmäßiger Basis beruhender Wechsel der Regierungen in den lateinamerikanischen Staaten
als unerläßliche Voraussetzung für jede weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung garantiert werden könne. Die Nichtanerkennung unrechtmäßig zur Macht gelangter Regierungen schien ihm eine
wirksame und erfolgversprechende Methode zu sein, Rebellionen und
Staatsstreiche in Zukunft zu erschweren oder überhaupt unmöglich
zu machen, denn eine solche, von den ausländischen Staaten nicht
anerkannte Rebellenregierung wäre kaum in der Lage, längere Zeit
ihre Macht zu behaupten.
Da die Vereinigten Staaten von Tobar nicht ausdrücklich erwähnt
worden waren, bestand für sie auch kein Grund zu der Annahme, daß
es Tobars Absicht gewesen sein könnte, die bisherigen Interventionen
der Washingtoner Regierung einer Kritik zu unterziehen und eine
Abhilfe gegen die nordamerikanischen Einmischungen in lateinamerikanische Angelegenheiten zu suchen. Vielmehr neigte man in den
Vereinigten Staaten zu der Auffassung, daß sich Tobars Forderung ausschließlich auf eine Stabilisierung der durch zahlreiche Aufstände, Bürgerkriege und Grenzkonflikte belastete und immer verwirrender werdende innen- und außenpolitische Situation der lateinamerikanischen Länder bezog 8 . Ein solcher Gedanke mußte aber den
nordamerikanischen Vorstellungen durchaus entgegenkommen, da die
Regierung in Washington sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen daran interessiert war, klare und übersichtliche Verhältnisse in Lateinamerika zu haben. Da die Vereinigten Staaten schon während des 19. Jahrhunderts in immer größerem Umfang
die Rolle des Vermittlers und Schiedsrichters bei Auseinandersetzungen übernommen hatten, die die lateinamerikanischen Staaten be3
) Dieser Standpunkt kommt audi in der — m. W. jüngsten — nordamerikanischen Arbeit über die Tobar-Doktrin von Charles L. S t a n s i f e r , Application
of the Tobar Doctrine to Central America, in: The Americas 23 (1966/67), S. 251
bis 272, noch deutlich zum Ausdruck, wo es auf S. 251 u. a. heißt: „His [Tobars]
remedy was to put the combined diplomatic weight of all American
nations
against revolutionary governments, believing that such intervention would remove
new, unconstitutional governments from power, and that, eventually,
dissatisfied
political factions in Latin America would give up their customary resort to violence "
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trafen, bot ihnen die Anwendung der von Tobar erhobenen Forderungen eine weitere Möglichkeit, die politische Entwicklung einzelner
lateinamerikanischer Staaten zu beeinflussen. Die Tatsache, daß diese besondere Form der Intervention auf den Vorschlägen eines Lateinamerikaners beruhte, mußte Washington, dessen Politik des „big
stick" ohnehin schon genug Unruhe und Mißtrauen bei seinen südlichen Nachbarn hervorgerufen hatte, daher als „Legitimation" besonders willkommen sein.
Ihre erste — und soweit vorher vertraglich festgelegt auch einzige
— Anwendung fand diese Tobar-Doktrin in Mittelamerika, wo
die Vereinigten Staaten und Mexiko seit Ende des 19. Jahrhunderts
vergeblich versuchten, die innenpolitischen Zwistigkeiten zu schlichten und vermittelnd in die außenpolitischen Streitigkeiten der fünf
zentralamerikanischen Republiken untereinander einzugreifen. Während Mexiko bei seinen Bemühungen vor allem darauf bedacht war,
die vier kleineren Staaten Honduras, El Salvador, Nicaragua und
Costa Rica gegen seinen unmittelbaren Nachbarn Guatemala zu stärken, strebten die Vereinigten Staaten besonders deshalb nach einer
politischen Beruhigung Mittelamerikas, um die Länder wirtschaftlich
zu durchdringen und möglichen europäischen Interventionen in diesem Raum vorzubeugen. Alle Schlichtungsversuche schienen jedoch
zum Scheitern verurteilt zu sein, und vorübergehende Beruhigungen
wurden bald wieder durch neue Unruhen abgelöst. Als 1906 El Salvador und Honduras eine gegen den guatemaltekischen Präsidenten
Manuel Estrada Cabrera gerichtete Erhebung unterstützten, schien
sich diese Krise zu einem Konflikt auszuweiten, in den alle zentralamerikanischen Staaten hineingezogen zu werden drohten. Durch die
Vermittlung der beiden Präsidenten von Mexiko und den Vereinigten
Staaten, Porfirio Di'az und Theodore Roosevelt, kam es schließlich
zu Verhandlungen, und im Juli 1906 vereinbarten die Vertreter dieser drei zentralamerikanischen Republiken in ihren Friedensgesprächen auf dem nordamerikanischen Kriegsschiff „Marblehead" die
Einstellung der Feindseligkeiten und verpflichteten sich, „künftige
Streitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit der Präsidenten der Vereinigten Staaten und von Mexiko zu unterwerfen . . . Die am Kriege
nicht beteiligt gewesenen Staaten Costa Rica und Nicaragua gaben
diesem Vertrag ihre Zustimmung" 4.
4
) Alfred H. F r i e d , Pan-Amerika. Entwicklung, Umfang und Bedeutung der
zwischenstaatlichen Organisation in Amerika (1810—1916), Zürich Ί918, S. 169 f.
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Die Tobar-Doktrin
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Ungeachtet aller Bemühungen kam es jedoch wiederum zu Unruhen, die eine erneute Vermittlung von Diaz und Roosevelt notwendig machten. Die Vereinigten Staaten regten nun eine unter ihrer
Schirmherrschaft stehende Friedenskonferenz aller zentralamerikanischen Staaten in Washington an, die unter Beteiligung nordamerikanischer und mexikanischer Vertreter vom 14. November bis zum 20.
Dezember 1907 stattfand. Neben verschiedenen anderen Verträgen
unterzeichneten die Delegierten der fünf zentralamerikanischen Staaten am 20. Dezember 1907 auch einen „Allgemeinen Friedens- und
Freundschaftsvertrag" sowie ein Zusatzabkommen, dessen Artikel 1
die Verpflichtung enthielt, daß keine Regierung mehr anerkannt werden dürfe, die „in irgendeiner der fünf Republiken infolge eines
Staatsstreiches oder einer Revolution gegen eine anerkannte Regierung" an die Macht gelange, „solange die frei gewählte Vertretung
des Volkes das Land nicht verfassungsmäßig neu gestaltet habe" 5.
Diese Formulierung entsprach den Prinzipien Tobars, der gefordert
hatte, „die amerikanischen Republiken sollten sich, wenn schon nicht
aus humanitären und altruistischen Erwägungen, so doch wegen ihres
guten Namens und Ansehens in indirekter Form in die inneren Zwistigkeiten der Republiken des Kontinents einmischen. Diese Einmischung könnte wenigstens in der Nichtanerkennung der durch Revolutionen gegen die Verfassung zur Macht gelangten Regierungen bestehen"
Zweifellos hätten die Vereinigten Staaten und Mexiko hinsichtlich
der Einberufung der Washingtoner Konferenz und der auf ihr abgeschlossenen Verträge einen massiven Druck auf die Regierungen der
zentralamerikanischen Staaten ausgeübt, „aber die Verantwortlichkeit für die Nichtanerkennungsklausel ist ungeklärt" 7 . Jedenfalls ist
nicht mehr festzustellen, von wem die Anregung ausging, sie in den
Vertrag aufzunehmen, doch es scheint, daß die Delegierten der zentralamerikanischen Staaten die Gedanken Tobars von sich aus aufgegriffen haben 8 . Diese Haltung wäre bei der damaligen Situation
®) Vgl. den Text des Artikels 1 im Anhang, S. 403. Der englische und spanische Text
der Verträge der Washingtoner Konferenz von 1907 ist veröffentlicht in: American
Journal of International Law 2 (1908), Supplement, S. 219—265; der Artikel 1 des
Zusatzvertrages ebd., S. 229 f.
e
) M o r e n o , Historia, S. 175, Anm. 1.
7
) S t a n s i f e r , Application, S. 254.
8
) Vgl. ebd., S. 254, Anm. 11 und S. 262. Es läßt sidi darüber hinaus noch nicht
einmal mit Sicherheit sagen, ob die in Tobars Brief enthaltenen Forderungen, die
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immerhin einleuchtend und verständlich, denn Staatsstreiche und
Putsche waren in den zentralamerikanischen Staaten an der Tagesordnung, und jede gerade im Amt befindliche Regierung hatte ein
begreifliches Interesse daran, auch an der Macht zu bleiben. Unter
diesem Aspekt gesehen erscheint es sogar möglich, daß aus zentralamerikanischen Regierungskreisen an den einen oder anderen Delegierten direkte Aufforderungen ergangen sind, die Tobar-Doktrin in
den Vertrag aufzunehmen.
In jedem Fall abzulehnen sind dagegen die Behauptungen von Ivor
N a g у , der die Meinung vertritt, daß die Vereinigten Staaten, „um
sich einen ,Rechtstitel' für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zu schaffen, . . . schließlich durch Tobar, den
von ihnen abhängigen Außenminister Ekuadors, eine Doktrin verkünden" ließen, „wonach die amerikanischen Staaten sich in den
Bruderkrieg zwischen amerikanischen Staaten einmischen können
und Regierungen, die aus verfassungswidrigen Revolutionen' hervorgehen, nicht anerkennen sollen. Die USA sollten dadurch die Möglichkeit der Einmischung oder der Nichtanerkennung von Regierungen
bekommen, wenn sie dies für ihre Zwecke dienlich erachteten. Die
, Tobar-Doktrin' stützt sich auf den Vertrag, der am 20. Februar 1907
zwischen Nikaragua, Honduras, Guatemala, Costa Rica und Salvador abgeschlossen . . . wurde"
Dazu wäre einmal zu sagen, daß Tobar im Jahre 1907 die Funktionen des ecuadorianischen Außenministers nicht mehr wahrgenommen hat. Ferner waren die Vereinigten Staaten auf keine wie auch
immer formulierte Doktrin angewiesen, um sich in „ihrem Schutz"
in die Angelegenheiten lateinamerikanischer Staaten einzumischen.
Wer weiß, wie „souverän" die Vereinigten Staaten auch ohne entsprechende Verträge ihre verschiedenen Interventionen in Lateinamerika durchführten, kann, falls ihm daran gelegen sein sollte, ihnen imperialistische Tendenzen nachzuweisen, auf solche fiktiven Beweismittel verzichten. Schließlich sei noch einmal darauf hingewiespäter unter der Bezeichnung »Tobar-Doktrin" ein fester völkerrechtlicher Begriff
geworden sind, die Formulierung des Artikels 1 audi wirklich bestimmten, oder ob
die Delegierten der zentralamerikanischen Republiken sich unabhängig davon nur
von ähnlichen Überlegungen leiten ließen. Eine direkte Anknüpfung an das Schreiben Tobars kann daher nur vermutet aber nicht bewiesen werden.
·) Ivor N a g у , Über die Monroe-Doktrin und den Panamerikanismus, in:
Deutsche Außenpolitik, Sonderheft H/1961: Gegenwartsprobleme Lateinamerikas,
Berlin [Ost] 1961, S. 142.
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Die Tobar-Doktrin
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sen, daß die Tobar-Doktrin auf den 15. März 1907 zu datieren ist
und sich nicht auf einen Vertrag vom „20. Februar 1907" stützt, weil
ein solcher Vertrag nicht existiert. Sie ist vielmehr die Grundlage
für den Washingtoner Supplementär-Vertrag vom 20. Dezember
1907 10 .
Nun waren, wie bereits ausgeführt wurde, die Vereinigten Staaten
zur Durchsetzung ihrer politischen Pläne in Lateinamerika weder auf
die Tobar-Doktrin noch auf irgendwelche vertraglichen Rückversicherungen angewiesen. Wo solche jedoch bestanden, zögerten sie freilich nicht, sie zu ihren Gunsten zu nutzen und entsprechend einseitig zu interpretieren, wie sie es auch im Fall der Nichtanerkennungsklausel des Washingtoner Vertrages von 1907 taten. Hier war von
vorneherein ersichtlich, daß die Durchsetzung des Nichtanerkennungsprinzips in Mittelamerika kaum durch die fünf zentralamerikanischen Staaten allein und ohne internationale Hilfe möglich sein
würde. Für eine solche Hilfe erschienen vor allem die Vereinigten
Staaten und Mexiko geeignet, da sie die Initiatoren der Washingtoner
Konferenz von 1907 und die Förderer der auf ihr geschlossenen Verträge waren. Weil Mexiko aber seit 1910 wegen seiner inneren Unruhen außenpolitisch kaum noch wirkungsvoll in Aktion treten konnte,
blieben nur die Vereinigten Staaten 11 . Ihre Nichtanerkennung hatte
" ) Die sowjetische Literatur, auf die sich N a g у in Anm. 7 bezieht, gibt dagegen
eine im wesentlichen korrekte Darstellung der Vorgänge. Vgl. Völkerrecht, hrsg.
vom Rechtsinstitut der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Berlin [Ost] 1960,
S. 119 f. und die — leider in schlechterer Übersetzung erschienene — westdeutsche
Ausgabe des gleichen Werkes unter demselben Titel, Hamburg 1960, S. 121. (Allerdings wird in beiden Editionen Tobar audi als Außenminister von Ecuador bezeichnet.) Vgl. ferner Μ. I. L a i a r e v , К voprosu о priznanii ν me£dunarodnom prave,
in: Sovetskoe pravo i gosudarstvo 8 (1948), S. 44—49. Aber audi L a z a r e v s Ansicht, daß „die USA eben dank dieser Doktrin die Möglichkeit erhalten haben, sich
in die inneren Angelegenheiten der zentralamerikanischen Staaten einzumischen",
drückt ein rührendes Vertrauen in die politische Zurückhaltung der Vereinigten
Staaten gegenüber Lateinamerika aus, das zwar den Autor ehren mag, aber den
Tatsachen nicht gerecht werden dürfte, ebd. S. 46.
u
) Dabei möge es dahingestellt bleiben, ob die Vereinigten Staaten „aus ihrer
aktiven Mitwirkung bei Absdiluß dieser Verträge für sich eine moralische Verpflichtung zur Anerkennung dieser mittelamerikanischen Nichtanerkennungspolitik hergeleitet* haben, wie W e g e n e r annimmt; vgl. Alexis W e g e n e r , Die MonroeDoktrin und ihre Anwendungen im 20. Jahrhundert, insbesondere in ihren Beziehunden zur Panamerikanischen Bewegung und zum Sdiiedsgeriditsbarkeitsgedanken.
(Eine historisch-politische und völkerrechtliche Studie), Breslauer Dissertation 1931,
S. 55. Wahrscheinlicher ist dagegen die Darstellung bei Scott N e а г i η g und Joseph
F r e e m a n , Dollar-Diplomatie. Eine Studie über amerikanischen Imperialismus,
Heidelberg—Berlin—Magdeburg '1944, S. 144, wo es heißt: »So erklärte Präsident
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bedeutendes Gewicht, da sie meist gleichzeitig die Verweigerung der
Anerkennung durch die europäischen Mächte nach sich zog, was zur
politischen und wirtschaftlichen Isolierung des betroffenen Staates
und damit fast zwangsläufig zum Rücktritt der nicht anerkannten
Regierung führen mußte.
Trotzdem erwies sich die Anwendung der Tobar-Doktrin in Mittelamerika als unzureichend und schwierig. So kümmerten sich die verschiedenen Rebellengruppen, die gegen ihre Regierungen kämpften,
nur wenig um die Vereinbarungen von Washington — falls sie von
ihnen überhaupt Kenntnis hatten — und die Vereinigten Staaten, die
im Gegensatz zu den fünf Signatarmächten nicht an den Vertrag gebunden waren, gaben ihren nationalen Interessen den Vorrang und
anerkannten die zentralamerikanischen Regierungen, die ihren Vorstellungen entsprachen und die größten Vorteile zu bieten schienen,
gleichgültig, ob sie auf legalem Wege an die Macht gekommen waren
oder durch eine Rebellion. Im folgenden sollen die wichtigsten Ereignisse, vor allem soweit sie zum Verständnis der nordamerikanischen
und später auch der mexikanischen Haltung zur Tobar-Doktrin seit
Unterzeichnung der Nichtanerkennungsklausel notwendig sind, kurz
skizziert werden 12 .
Die erste erfolgreiche Erhebung gegen eine zentralamerikanische
Regierung nach der Unterzeichnung des Vertrages von Washington
wurde von den Vereinigten Staaten mit vorbereitet und unterstützt.
Nachdem die Regierung des Präsidenten Jos£ Santos Zelaya von Nicaragua sich den Plänen der nordamerikanischen Regierung widersetzt
hatte, die eine Erwerbung der Fonsecabucht und des Gebietes für den
projektierten Nicaraguakanal vorsahen, verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in den Jahren 1908/09 immer
mehr. Mit nordamerikanischer Hilfe brach 1909 ein von Juan J. Estrada geführter Aufstand aus, der Zelaya zur Abdankung und zum VerTaft in seiner Jahresbotschaft an den Kongreß im Jahre 1909, daß ,seit die Washingtoner Obereinkommen 1907 den Vereinigten Staaten als beratender und vorsdilagender Macht mitgeteilt wurden, die Regierung fast unausgesetzt von der einen
oder andern, schließlich von allen fünf Republiken ersucht worden ist, sich für die
Einhaltung jener Abkommen einzusetzen'".
Eine eingehende Darstellung über die allgemeine Problematik der Anwendung
der Tobar-Doktrin in Mittelamerika gibt S t a n s i f e r , Application, der auch
ausführliche Literaturhinweise bringt. Die nachstehend in den Anmerkungen enthaltenen Literaturangaben sind daher im wesentlichen audi nur als Ergänzungen
gedacht.
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Die Tobar-Doktrin
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lassen des Landes zwang. Der von Zelaya als Nachfolger eingesetzte
Vizepräsident Jos£ Madriz wurde von Washington nicht anerkannt,
und die Vereinigten Staaten unterstützten weiterhin die von Estrada
geführten Rebellen. Mit Hilfe nordamerikanischer Marineinfanterie
gelang es den Aufständischen, die Regierungstruppen zu besiegen und
Madriz ebenfalls zum Rücktritt zu zwingen. Eine aus Konservativen
bestehende verfassunggebende Versammlung folgte den nordamerikanischen Wünschen und wählte Estrada Ende 1910 zum neuen Präsidenten. Obwohl diese Wahl, die eine reine Formalität war und überdies noch den Führer einer Rebellion zum Präsidenten machte, nach
den Bestimmungen des Washingtoner Vertrages keine genügende Voraussetzung für eine Anerkennung bot, wurde sie von Präsident William Howard Taft Anfang Januar 1911 in aller Form ausgesprochen.
Kurze Zeit darauf wurde die Regierung Estrada auch von den vier
anderen zentralamerikanischen Staaten anerkannt, während Mexiko
nur zögernd folgte, da .es in der Diktatur Zelayas ein wirksames politisches Gegengewicht gegen das starke diktatorische Regime von Manuel Estrada Cabrera in Guatemala gesehen hatte. Da jedoch weder
Estrada noch sein Nachfolger Adolfo Diaz in vollem Umfange den
nordamerikanischen Erwartungen entsprachen, gingen die Vereinigten Staaten von der indirekten zur direkten Intervention über und
unterstellten Nicaragua 1912 der Kontrolle der nordamerikanischen
Marinetruppen, die — vorerst — bis 1925 im Lande blieben IS .
Die Folgen der nordamerikanischen Politik in Nicaragua mit ihrer
eklatanten Verletzung der in der Nichtanerkennungsklausel von 1907
festgelegten Bestimmungen waren weitere Rebellionen in Mittelamerika. Im Jahre 1911 erhob sich in Honduras der frühere Präsident
Manuel Bonilla mit Hilfe einiger nordamerikanischer Abenteurer gegen den amtierenden Staatspräsidenten Miguel R. Davila. Die Vereinigten Staaten beschränkten sich auf eine „diplomatische Vermittls
) Uber die Vorgänge in Nicaragua vgl. außer den Hinweisen bei S t a n s i f e r ,
Application, S. 256, Anm. 13—16 vor allem Anna J. P o w e l l , Relations between
the United States and Nicaragua, 1898—1916, in: Hispanic American Historical
Review (im folgenden abgekürzt: HAHR) 8 (1928), S. 43—64; Thomas Α. В a i 1 e у ,
Interest in a Nicaragua Canal, 1903—1931, in: HAHR 16 (1936), S. 1—28; Roscoe
R. H i l l , The Nicaraguan Canal Idea to 1913, in: HAHR 28 (1948), S. 197—211;
Dana G. M u n r o , Dollar-Diplomacy in Nicaragua, 1909—1913, in: HAHR 38
(1958), S. 209—234 und die zusammenfassende Darstellung der nordamerikanischen
Nicaraguapolitik bei S. N e a r i η g und J. F r e e m a n , Dollar-Diplomatie, S.
144—161.
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lung", als deren Ergebnis Davila zurücktrat und Francisco Bertrand
das Amt des Präsidenten interimistisch übernahm, bis er durch Bonilla, der bei den Wahlen im Oktober 1911 Sieger geworden war, abgelöst wurde. Sowohl Bertrand als auch Bonilla wurden — entgegen
den Vertragsbestimmungen von 1907 — von den Vereinigten Staaten
und anschließend von den vier anderen zentralamerikanischen Republiken anerkannt. Eine weitere Mißachtung der 1907 festgelegten
Prinzipien durch die Vereinigten Staaten war die Anerkennung des
Präsidenten Rafael Löpez Gutierrez, der 1920 ebenfalls durch eine
Rebellion in Honduras zur Macht gelangt war. Im gleichen Jahr wurde M. Estrada Cabrera in Guatemala gestürzt. Die revolutionäre Regierungsjunta und Carlos Herrera wurden von den Vereinigten Staaten ebenso widerspruchslos anerkannt, wie die nach Herreras Sturz
seit Ende 1921 ohne ausreichende verfassungsrechtliche Legitimation
amtierende guatemaltekische Regierung des Präsidenten Jos£ Maria
Orellana. Gemäß dem Washingtoner Vorbild dachten auch die Regierungen der anderen zentralamerikanischen Staaten nicht daran, unter
Berufung auf die Nichtanerkennungsklausel von 1907 die TobarDoktrin anzuwenden.
Dies geschah dagegen allein in dem zentralamerikanischen Staat,
dessen bisherige Entwicklung die Gewähr für einen stetigen Fortschritt und geordneten Aufbau zu bieten schien, nämlich in Costa
Rica
Hier hatte der Kriegsminister Federico Tinoco die Regierung
im Jahre 1917 durch einen unblutigen Staatsstreich gestürzt und sich
— ähnlich wie es 1911 in Honduras der Fall war und sich 1920
in Guatemala wiederholte — durch einen ihm ergebenen Kongreß
in seinem Amt als Präsident bestätigen lassen. Unter ausdrücklicher
Berufung auf die Nichtanerkennungsklausel des Washingtoner Vertrages von 1907 verweigerten die Vereinigten Staaten der neuen Regierung aber diesmal die Anerkennung. Der wahre Grund für diese
Haltung war jedoch die Besorgnis des Präsidenten Thomas Woodrow
Wilson, der sich scheute, vor der Opposition die skrupellosen Machenschaften der nordamerikanischen Handels- und Finanzkreise zuzugeben, deren Interessen er hinter dem erfolgreichen Staatsstreich
Tinocos vermutete. Daher „gebrauchte Wilson, der im Hinblick
" ) In El Salvador war es in jenen Jahren (1907—1923) im allgemeinen ruhig,
und in Nicaragua stellte sich das Problem einer erfolgreichen Erhebung nach 1912
nicht mehr, da alle Rebellionen wegen der im Lande stehenden nordamerikanischen
Truppen aussichtslos geworden waren.
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Die Tobar-Doktrin
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auf gewaltsam zur Macht gelangte Regierungen nicht konsequenter
als irgendein anderer Präsident war, die Tobar-Doktrin einfach, um
ein [ihm] lästiges Regime fallen zu lassen" ,6 . Tinoco versuchte alles,
um den Vereinigten Staaten entgegenzukommen und erklärte schließlich sogar 1918 Deutschland noch den Krieg. Aber alle seine Bemühungen waren vergeblich, und die Vereinigten Staaten verhinderten
sogar die Teilnahme Costa Ricas an den Pariser Friedensverhandlungen. Im August 1919 trat Tinoco endlich zurück 1 *, doch sein ihm
nahestehender Nachfolger Juan Bautista Quir6s wurde von den Vereinigten Staaten auch nicht anerkannt. Auf nordamerikanisches Verlangen übernahm Francisco Aguilar Barquero vorübergehend das Amt
des Präsidenten, aber nur um Neuwahlen abhalten zu lassen, aus denen
Julio Acosta — der gegen Tinoco revoltiert hatte — als Sieger hervorging. Mit seiner Anerkennung im August 1920 fand die politische
Komödie der Vereinigten Staaten um Costa Rica ihr Ende.
Anfang der 20er Jahre war es offensichtlich geworden, daß die
Anwendung der auf der Tobar-Doktrin beruhenden Nichtanerkennungsklausel nicht den erwarteten Erfolg brachte. Sie beendete weder „die Einmischung einiger Regierungen in die Angelegenheiten der
anderen, noch verstopfte sie die Quellen der Bürgerkriege, noch verhinderte sie die Staatsstreiche" 1T. Doch anstatt das nutzlose Experiment einzustellen, sollte es erweitert und verstärkt werden.
Im Oktober 1922 lud der nordamerikanische Außenminister Charles Evans Hughes die Vertreter der Regierungen aller zentralamerikanischen Staaten zu einer neuen Konferenz nach Washington ein,
die unter seinem Vorsitz vom 4. Dezember 1922 bis zum 7. Februar
1923 stattfand. Das Ergebnis bestand wieder in einer Anzahl von
Verträgen, von denen der „Allgemeine Friedens- und Freundschaftsvertrag" vom 7. Februar 1923 zehn Jahre (bis zum 31. Dezember
1933) in Kraft bleiben und den alten Vertrag von 1907 ersetzen sollte, für den keine bestimmte Gültigkeitsdauer vorgesehen worden war.
" ) S t a n s i f e r , Application, S. 259.
) Da der Kongreß Costa Ricas nadi dem Rücktritt Tinocos alle Handlungen
seiner Regierung für ungesetzlich und damit für ungültig erklärte, war audi die
Kriegserklärung an Deutschland rechtlich unwirksam. Trotzdem wurde die Aufhebung des Kriegszustandes zwischen den beiden Staaten am 15. Mai 1921 noch
einmal in aller Form bestätigt. Vgl. Reichs-Gesetzblatt, N r . 56, Berlin, 27. Mai
1921, S. 691.
" ) S. Mendieta, zitiert nach Alberto H e r r a r t e , La Uniön de Centroan^rica,
Guatemala 1955, S. 255.
M
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Der Artikel 2 des Vertrages von 1923 enthielt eine neue und erweiterte Fassung der Tobar-Doktrin, nach der durch Rebellionen an die
Macht gelangte Regierungen auch dann nicht mehr anerkannt werden
sollten, wenn sie zwar durch freie Wahlen bestätigt wurden, jedoch
einer der Führer des Aufstandes oder einer seiner Verwandten der
betreffenden Regierung angehöre 18 . Wie schon im Jahre 1907 verzichteten die Vereinigten Staaten auch auf der zweiten Washingtoner
Konferenz darauf, irgendwelche Verträge mit zu unterzeichnen. Sie
erklärten sich jedoch wieder bereit, die Vertragsbestimmungen beachten und unterstützen zu wollen.
Während nach den Vereinbarungen von 1907 für eine illegal zur
Macht gelangte Regierung noch die Möglichkeit bestand, sich durch
eine verfassungsmäßige Neugestaltung der staatlichen Ordnung zu
legitimieren, konnten die Vereinigten Staaten nach der erweiterten
Anerkennungsklausel von 1923 die jeweiligen Exekutiven in den zentralamerikanischen Staaten praktisch nach Belieben frei wählen
(denn welcher zentralamerikanische Politiker hatte sich noch nicht
an einem Aufstand oder wenigstens an dessen Versuch beteiligt?) und
ihnen mißliebige Personen bei Anwendung des Artikels 2 legal von
der Macht fernhalten, was ihren ohnehin schon bedeutenden Einfluß
in Mittelamerika noch erheblich verstärkte. Wahrscheinlich wäre eine
solche Entwicklung durch den mäßigenden Einfluß Mexikos verhindert worden, das aber 1923 nicht mehr als Befürworter und Teilnehmer der zweiten Konferenz in Washington auftrat, da die Regierung Obreg<Sn zu dieser Zeit noch nicht von den Vereinigten Staaten
anerkannt worden war. Von den zentralamerikanischen Regierungen
war dagegen kein Widerspruch zu erwarten. Sie waren, wenn man
davon absieht, daß die Regierungen von Costa Rica und Nicaragua
in jenen Jahren völlig von Washington, dem sie ihre Existenz verdankten, abhängig gewesen sind, innenpolitisch zu ungefestigt und
außenpolitisch zu schwach und unbedeutend, um ernst zu nehmende
Einwände vorzubringen. Dafür hofften sie, durch die erweiterte Anerkennungsklausel ihre dürftige Machtstellung zu stärken.
, s ) Vgl. den Text des Artikels 2 im Anhang, S. 404. Der englische Text der Verträge der Washingtoner Konferenz von 1923 ist veröffentlidit im American Journal
of International L a w 17 (1923), Supplement, S. 70—132; der Artikel 2 des Allgemeinen Friedens- und Freundschaftsvertrages auf S. 118 f.; S t a n s i f e r , Application, S. 261 f., vermutet, daß diese Erweiterung der Nichtanerkennungsklausel
von 1907 vor allem auf Veranlassung von Hughes und seinem Berater Sumner
Welles in den Vertrag eingearbeitet wurde.
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Die Tobar-Doktrin
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Die ersten Schwierigkeiten in der Anwendung der neuen Nichtanerkennungsbestimmungen ergaben sich in Honduras, wo 1923 noch
L6pez Gutierrez an der Macht war. Da bei den neuen Präsidentschaftswahlen keiner der drei Kandidaten die erforderliche Stimmenzahl auf sich vereinigen konnte und sich die Nationalversammlung
zu keiner Entscheidung entschließen wollte, errichtete L<5pez Gutierrez
eine Diktatur, wogegen die Vereinigten Staaten unter Berufung auf
den Artikel 2 des Vertrages von 1923 Einspruch erhoben. Inzwischen
hatte Tiburcio Carias Andino, der als Kandidat der Nationalpartei
gegen die beiden Kandidaten der an der Regierung befindlichen Liberalen Partei bei der Wahl die meisten Stimmen erzielt hatte, sich
gegen L0pez Gutierrez erhoben und ihn im April 1924 zum Rücktritt
gezwungen. Da die Vereinigten Staaten aber auch Carias Andino wegen seines Putsches die Anerkennung verweigerten, wurde ein provisorischer Präsident eingesetzt, der Neuwahlen ausschrieb, aus denen
Miguel Paz Baraona als Sieger hervorging, der freilich wieder als
Anhänger von Carias Andino und führender Teilnehmer seines Putsches den Bedingungen des Artikels 2 nicht entsprach. Gleichwohl
wurde er von den Vereinigten Staaten anerkannt und trat sein Amt
Anfang 1925 an.
In Nicaragua war Emiliano Chamorro in jenen Jahren eine der
führenden politischen Persönlichkeiten. Als Botschafter seines Landes hatte er in Washington den 1916 in Kraft getretenen BryanChamorro-Vertrag mit vorbereitet, der den Vereinigten Staaten nicht
nur die Rechte für den Bau eines weiteren Kanals in Nicaragua zusicherte, sondern ihnen praktisch auch das Protektorat über diese Republik in Aussicht stellte. Im Jahre 1916 hatte Chamorro mit nordamerikanischer Unterstützung die Präsidentenwahlen gewonnen und
amtierte bis 1920 als Staatspräsident. 1923 gehörte er zu den Unterzeichnern der Washingtoner Verträge. Als er 1924 wieder für das Präsidentenamt kandidierte und verlor, ließen ihn die Vereinigten Staaten wissen, daß sie ihn bei einem Staatsstreich nicht anerkennen würden. Aber kurz nach dem Abzug der nordamerikanischen Truppen
aus Nicaragua im August 1925 brach eine Erhebung gegen den seit
Februar 1925 amtierenden neuen Präsidenten Carlos Solörzano aus,
zu deren Führern auch Chamorro gehörte, der im Januar 1926 die
Präsidentschaft übernahm. Obwohl er von Washington nicht anerkannt wurde, konnte sich Chamorro bis zum Oktober 1926 behaup-
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Günter Kahle
ten, und erst einer von den Vereinigten Staaten unterstützten Opposition gelang es, ihn zum Rücktritt und zum Verlassen des Landes zu
bewegen.
Doch erwies es sich als schwierig für die Nordamerikaner, einen
Nachfolger für Chamorro zu finden. Sein Vizepräsident Sebastian
Uriza hatte an dem Aufstand von 1925 teilgenommen und kam demzufolge nach den Bestimmungen des Artikels 2 für das Amt des
Staatspräsidenten nicht in Frage. SoliSrzano, der die Wahlen von
1924 gewonnen hatte, lebte seit seinem Sturz in den Vereinigten Staaten und weigerte sich, nach Nicaragua zurückzukehren. Solörzanos
Vizepräsident, Juan Bautista Sacasa, hatte sich von Mexiko aus am
Widerstand gegen Chamorro beteiligt, was in den Augen der Washingtoner Regierung zwar kein Hinderungsgrund für seine mögliche
Präsidentschaft war, aber er verfügte kaum über Anhänger und galt
— was für die Nordamerikaner am schwersten wog — als Marionette
Mexikos. Um nun aber die Verhältnisse in Nicaragua endlich wieder
unter Kontrolle zu bekommen, sah Präsident Calvin Coolidge nur
noch die Möglichkeit, erneut mit Truppen einzugreifen und gewaltsam einen Waffenstillstand zwischen den immer noch streitenden Parteien im Lande herbeizuführen. Die Wahl für einen neuen Regierungschef fiel sdiließlidi auf Adolfo Diaz, der als Staatspräsident
von 1912—1916 schon Erfahrung im Umgang mit nordamerikanischen Truppen gesammelt hatte. Im November 1926 wurde er —
ohne vorangegangene Wahlen — durch die Nationalversammlung in
seinem Amt bestätigt, was nach den Bestimmungen des Artikels 2
des Washingtoner Vertrages von 1923 keine ausreichende Legitimation war, aber die Nordamerikaner nicht hinderte, ihn wenige Tage
später anzuerkennen. Um weiteren Unruhen vorzubeugen, ließ Coolidge Nicaragua 1927 wieder von Marinestreitkräften besetzen und
kontrollieren. Dessenungeachtet verstärkten die im Lande befindlichen Rebellen ihren Kampf gegen den völlig von den Vereinigten Staaten abhängigen Diaz, „aber das war jetzt eine Angelegenheit für die Marineinfanterie und nicht mehr für die Diplomaten" ,e .
Aus den politischen Vorgängen in Honduras und Nicaragua nach
1923 20 geht hervor, daß auch die im Artikel 2 des Washingtoner Verw
) S t a n s i f e r , Application, S. 265.
) Im Gegensatz zu den angeführten Beispielen verliefen spätere Präsidentenwahlen und Amtsübergaben in Honduras und Nicaragua (jeweils 1928) ruhig und
20
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Die Tobar-Doktrin
393
träges von 1923 erweiterten Bestimmungen der Tobar-Doktrin in
ihrer — meist unkorrekten — Anwendung in Mittelamerika nicht
den erhofften Erfolg brachten. Auch in den drei anderen zentralamerikanischen Staaten war es, wenn auch zu ergebnislosen Rebellionen gegen die bestehenden Regierungen gekommen. Sowohl in Mittelamerika als auch in den Vereinigten Staaten erhoben sich immer mehr
kritische Stimmen gegen die weitere Anwendung der Tobar-Doktrin.
Nach Ansicht ihrer Gegner vermochte sie ihre eigentliche Aufgabe,
nämlich die Verhinderung von Staatsstreichen und Putschen, nicht
zu erfüllen. Stattdessen begünstigte sie korrupte und unterwürfige
Regierungen, gegen die der Bevölkerung nach der Auffassung der
meisten Lateinamerikaner nicht nur ein traditionelles Recht auf
Widerstand, sondern vor allem auch das Recht auf Revolutionen mit
sozialen Zielsetzungen zustand. Einen weiteren schwerwiegenden Anlaß zur Kritik gab darüber hinaus besonders die Tatsache, daß die
Vereinigten Staaten, gegen deren Machtpolitik die Tobar-Doktrin hätte angewandt werden müssen — wie die einleitenden Worte dieser Studie andeuten sollten — sich ihrer Prinzipien zur Durchsetzung eigener politischer und wirtschaftlicher Interessen in Mittelamerika rücksichtslos bedienten. Eine Ansicht, wie die von R ö m e r ,
„daß die Tobardoktrin von bedeutendem Einfluß für die Pazifikation dieser Gebiete gewesen ist und flie Interventionen der Vereinigten Staaten beschränkt hat" 21, kann daher nur als weltfremd bezeichnet werden.
Der entschiedenste Widerstand gegen die auf den Prinzipien der
Tobar-Doktrin beruhende nordamerikanische Nichtanerkennungspolitik ist aber nicht von den schwachen und weitgehend von den Vereinigten Staaten abhängigen zentralamerikanischen Republiken ausgegangen, sondern von Mexiko. Wie bereits erwähnt, gehörte die mexikanische Regierung unter Porfirio Diaz gemeinsam mit der Regierung der Vereinigten Staaten unter Theodore Roosevelt zu den Initiatoren und Befürwortern der ersten Washingtoner Konferenz von
1907, ohne jedoch die dort geschlossenen Verträge zu paraphieren.
Nach dem Sturz von Diaz, im Jahre 1911, wurde Francisco Madero
ordnungsgemäß. Verschiedene Aufstände in den übrigen drei zentralamerikanischen
Republiken zwischen 1923 und 1930 blieben erfolglos und führten daher ru keinen
diplomatischen Konsequenzen.
f
H a n s R ö m e r , Gestaltwandel der Monroedoktrin, in: Ibero-Amerikanisches
Archiv 6 (1932/33), S. 162.
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Günter Kahle
zum neuen mexikanischen Präsidenten gewählt, aber bereits im Februar 1913 durch Victoriano Huerta gestürzt. Im Verlauf der Wirren
kam Madero auf nicht ganz geklärte Art und Weise ums Leben. Angeblich wurde er auf der Flucht erschossen, wahrscheinlich jedoch
auf Befehl Huertas ermordet.
In den Vereinigten Staaten wurden diese Ereignisse in Mexiko mit
wachsender Sorge und Mißtrauen beobachtet. Entgegen den Bemühungen einflußreicher Wirtschaftskreise, die Präsident Wilson zu beeinflussen suchten, dem Beispiel der meisten europäischen Mächte zu
folgen und Huerta anzuerkennen, weigerte sich Wilson, diesen Forderungen nachzugeben. Eine Woche nach seinem Regierungsantritt gab
Wilson am 11. März 1913 in einer eindeutig an Huerta gerichteten
Botschaft die Erklärung ab, daß er aus grundsätzlichen Erwägungen
alle Regierungen ablehne, die die Gewalt nur deshalb an sich rissen,
„um ihre eigenen persönlichen Interessen oder ihren Ehrgeiz zu fördern" и . Tatsächlich verweigerten die Vereinigten Staaten der Regierung Huerta die Anerkennung und entschlossen sich erst über ein
Jahr nach seinem Sturz im Juli 1914, seinen Nachfolger Venustiano
Carranza im Oktober 1915 wenigstens als </e-/acio-Regierung anzuerkennen.
Wilsons Nichtanerkennungspolitik gegenüber Huerta ist gerade
von nordamerikanischer Seite später oft kritisiert und mißbilligt
worden. „Während sämtliche führenden Mächte der Welt Huerta anerkannten, errichtete Präsident Wilson ein .Reich sittlicher Erwägungen' in Amerika, indem er einem vorläufigen Präsidenten die Anerkennung verweigerte, der durch eine Revolution zur Macht gelangt
war" 2S. Diese, vorerst auf Mexiko bezogene Forderung, „Regierungen sollten die Zustimmung der Regierten besitzen, auf Gesetzen und
nicht auf Macht beruhen, anderenfalls sollten sie von den Vereinigten
Staaten nicht anerkannt werden", die R ö m e r auch als „WilsonDoktrin" bezeichnet 24 , war die Einleitung einer Reihe von Unge,s
) Vgl. Samuel Flagg В e m i s , The Latin American Policy of the United States.
An Historical Interpretation, N e w York 1943, S. 175. Über die Mexikopolitik Wilsons in seiner ersten Präsidentsdiaftsperiode vgl. ebd., S. 168—184 und Arthur S.
L i n k , Wilson [vol. 2 ] : The N e w Freedom, Princeton 1956, S. 347—377.
" ) N e a r i η g und F r e e m a n , Dollar-Diplomatie, S. 95.
" ) Hans G . R ö m e r , Amerikanische Interessen- und Prinzipienpolitik in Mexiko
1910-1914. Ein Beitrag zur Kritik des Wilsonismus, Hamburg 1929, S. 83 f. Vgl.
audi Hans R o t m e r (trotz der unterschiedlichen Namensschreibung identisch mit
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Die Tobar-Doktrin
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schicklichkeiten und Fehlschlägen, die das nordamerikanisch-mexikanische Verhältnis viele Jahre hindurch schwer belastete. Man muß
Bern is daher zustimmen, der die Meinung vertritt, daß „Woodrow
Wilsons Mexikopolitik, die auf der Nichtanerkennung eines die konstitutionelle Regierung stürzenden illegalen Machthabers beruhte,
streng genommen als Mißerfolg bezeichnet werden muß" M .
Während sich die in der Nichtanerkennungsklausel des Vertrages der ersten Washingtoner Konferenz formulierte TobarDoktrin rechtlich auf die Signatarstaaten beschränkte und allenfalls
noch eine Anwendung durch die beiden Förderungsmächte der Konferenz, die Vereinigten Staaten und Mexiko, zuließ, erhob die „Wilson-Doktrin" ihren Gültigkeitsanspruch auf den gesamten amerikanischen Kontinent, ohne sich des vorherigen Einverständnisses der betroffenen Staaten zu versichern. Dabei mußte man „sich allerdings
klar darüber sein, daß diese neue Politik nicht in der Lage war oder
wohl auch nicht sein wollte, auf die Machtanwendung des starken,
ja übermächtigen Staates zu verzichten. Im Gegenteil, da jetzt die
Regierung der Vereinigten Staaten es als ihre Aufgabe ansah, ,die
südamerikanischen Republiken zu lehren, gute Männer zu wählen1
und an Stelle der bisher üblichen Anerkennung von ,de facto' — nur solche von ,de jWe'-Regierungen — wobei allerdings die Frage der
Rechtsgültigkeit der Entscheidung des amerikanischen State Department vorbehalten blieb — setzen wollte, wurde die Einmischung in
die inneren Verhältnisse anderer Staaten zum Prinzp" se . Wenn man
dem voranstehenden und dem in Anm. 21 angeführten Autor), Strukturwandel der
nordamerikanisdien Ibero-Amerika-Politik 1928—1934, in: Ibero-Amerikanisches
Archiv 8 (1934/35), S. 231—259, besonders den Abschnitt über „die Rückkehr zur
Jeffersonschen Anerkennungspolitik", S. 239—244. Die auf Wilsons Nichtanerkennungspolitik bezogene Bezeichnung „Wilson-Doktrin" ist offenbar nur in Deutschland gebräuchlich, wo sie im gleichen Sinn audi in der juristischen Fachliteratur erscheint. Vgl. den Artikel von Wilfried S c h a u m a n n , Estrada-Doktrin, in: Wörterbuch des Völkerrechts, hg. von Hans-Jürgen S c h l o c h a u e r , Bd. 1, Berlin
21960, S. 443. Ansonsten scheint der Begriff „Wilson-Doktrin" recht willkürlich
verwandt zu werden. Vgl. ζ. B. die völlig unterschiedliche Bedeutung bei
R o b e r t s o n , Hispanic-American Relations, S. 410—412 und wieder eine andere
bei Peter C a l v e r t , The Mexican Revolution, 1910—1914. The Diplomacy of
Anglo-American Conflict, Cambridge 1968, S. 249 und 251. Einen zusammenfassenden Überblick über die völkerrechtliche Problematik der „Wilson-Doktrin" mit
Weiteren Literaturhinweisen zu dieser Frage gibt Thomas В а e с к e г , Die deutsche Mexikopolitik 1913/1914, Berlin 1971, S. 8—12.
" ) В e m i s , The Latin American Policy, S. 183.
M ) Gottfried P f e i f e r , Die Vereinigten Staaten und Mexiko, Essen 1943, S. 77.
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Günter Kahle
einmal von der von A η d r a d e zweifellos nicht ganz falschen, wenn
auch etwas polemisch vorgetragenen Ansicht absieht, nach der die
von den Nordamerikanern betriebene Anerkennungspolitik — mindestens teilweise — ihren Ursprung in jenem, ihnen eigentümlichen
„Jehova-Komplex" haben soll, d. h. „in der Idee, daß nur ein N o r d amerikaner unterscheiden kann, was gut und böse ist auf dieser Welt,
und daß diese Erkenntnis für die übrige Menschheit bindend ist",
spricht vieles f ü r die Richtigkeit seiner Meinung, daß Wilsons Vorstellungen hinsichtlich seiner eigenen „Doktrin" „an den in der Theorie des ecuadorianischen Diplomaten Tfobar festgelegten Grundsatz"
a n k n ü p f e n и . Aber Tobars Forderungen lassen sich weder mit missionarischem Eifer erklären, noch aus selbstsüchtigen nationalen oder
wirtschaftspolitischen Interessen ableiten. Auch Wilsons Überlegungen hinsichtlich der praktischen Anwendung der in der Tobar-Doktrin enthaltenen Grundsätze sind sicherlich nicht — oder nicht nur —
vom „Jehova-Komplex", sondern sehr wahrscheinlich auch von
höchst realen Erwägungen bestimmt worden. Er mag sich dabei von
der sachlich zweifellos zutreffenden Erkenntnis haben leiten lassen,
daß die „Anerkennung oder Nichtanerkennung von neuen, revolutionären lateinamerikanischen Regierungen stets eine wirksame W a f f e in
den Händen der Präsidenten der Vereinigten Staaten gewesen ist" 28.
Die Wirkung von Wilsons Erklärung in Lateinamerika dürfte von
unterschiedlicher Intensität gewesen sein, doch es ist anzunehmen,
daß sie besonders von den Ländern des Karibischen Raumes als direkte und unmittelbare Interventionsdrohung empfunden wurde. Vor
allem Mexiko, das als einziger lateinamerikanischer Staat eine gemeinsame Grenze mit den Vereinigten Staaten besitzt und in seiner
Geschichte wiederholt Angriffen und Pressionen seines weit überlegenen Nachbarn ausgesetzt war, myßte sich durch die „Wilson-Doktrin" betroffen fühlen. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten blieben auch nach der Anerkennung Carranzas als de facto-Regierung durch die Vereinigten Staaten gespannt. Als Carranza 1920
ermordet wurde und nach einer kurzen interimistischen Regierungszeit von Adolfo de la Huerta Ende des Jahres der neu gewählte Präsident Alvaro Obreg6n sein Amt übernahm, verweigerten die VerI7
) Miguel A n d r a J e , Der Einbruch der Vereinigten Staaten in die iberoamerikanische Welt, Essen 1942, S. 28 f.
!B
) Alexander D e С ο η d e , Herbert Hoover's Latin-American Policy, Stanford 1951, S. 52.
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Die Tobar-Doktrin
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einigten Staaten wiederum die Anerkennung, weil Obreg0ns Regierungsübernahme nach nordamerikanischer Ansicht die erforderlichen
rechtlichen Voraussetzungen fehlten. Tatsächlich sollte jedoch durch
die Nichtanerkennung ein Druck auf Mexiko ausgeübt werden, um
schwebende Streitfragen, die vorwiegend wirtschaftliche Interessen
der Vereinigten Staaten berührten, schneller zu ihren Gunsten zu lösen. Erst als diese Auseinandersetzungen durch das sogenannte „Bucareli-Abkommen" im Jahre 1923 eine vorläufige Regelung fanden,
erklärte sich Washington bereit, die Regierung ObregcSn de jure anzuerkennen
Carl S c h m i t t weist in diesem Zusammenhang deutlich auf
den interventionistischen Charakter der „Wilson-Doktrin" hin. Mit
der Tobar-Doktrin „war die demokratische Erscheinungsform der Legalität und Legitimität zum völkerrechtlichen Standard erklärt. Die
Praxis des Präsidenten W. Wilson hat diesen Standard demokratischer Legalität für den Bereich der westlichen Hemisphäre zum völkerrechtlichen Grundsatz erhoben. Danach werden nur solche Regierungen anerkannt, die im Sinne einer demokratischen Verfassung
legal sind. Was demokratisch und legal in concreto bedeutet, wird
in der Praxis selbstverständlich von der anerkennenden Regierung
selbst, also hier von der Regierung der Vereinigten Staaten definiert,
interpretiert und sanktioniert. Offensichtlich hat eine solche Doktrin
und Praxis der Anerkennung neuer Regierungen interventionistischen
Charakter. Für die westliche Hemisphäre führt sie im Ergebnis dazu,
daß die Regierung in Washington jeden Verfassungs- und jeden
Regierungswechsel eines anderen amerikanischen Staates effektiv
kontrollieren kann" 30 .
Unter diesem Aspekt mußte die nordamerikanische Nichtanerkennungspolitik von den Lateinamerikanern als eine permanente und
auf die Dauer unerträgliche Einschränkung ihrer Souveränität empfunden werden und zu einer entsprechenden Gegenreaktion führen.
**) Vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung dieser Vorgänge bei В e m i s ,
The Latin American Policy, S. 2 1 4 — 2 1 8 . Interessant ist audi der sowjetische Standpunkt zu diesem Problem, besonders zum nordamerikanischen Widerspruch gegen
die Artikel 2 7 und 123 der mexikanischen Verfassung von 1917, deren Bestimmungen die Hauptursache für die Streitigkeiten waren. Vgl. M. S. A 1 ' ρ e r ο ν i t i N .
Μ. L a ν r ο ν (Hrsg.), Oierki novoj i novejSej Istorii Meksiki 1 8 1 0 — 1 9 4 5 , Moskva
1960, S. 3 2 4 — 3 3 4 .
M ) Carl S c h m i t t ,
Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum
Europaeum, Köln 1950, S. 282.
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Günter Kahle
Obwohl „mit dem Amtsantritt Herbert Hoovers im März 1929 . . .
ein vorsichtigerer Kurs gegenüber Interventionen" begann
bestand
am Anfang seiner Regierungszeit wenig Anlaß zu der Vermutung,
daß er gewillt sei, auf das politische Druckmittel der Nichtanerkennungspolitik seiner Vorgänger zu verzichten S2 . Die im Namen seiner
Regierung am 27. März 1930 abgegebene Erklärung des mexikanischen Außenministers Genaro Estrada, die die Forderung nach einer
neuen Regelung der diplomatischen Anerkennung enthält, war daher
nur die Konsequenz der bisherigen Erfahrungen Mexikos mit seinem
nördlichen Nachbarn und der Ausdruck seines verständlichen Wunsches, weiteren derartigen Pressionen entgegenzuwirken. In dieser Erklärung wird einleitend darauf hingewiesen, daß Mexiko seit Jahren
unter einer Doktrin gelitten habe, die es zuläßt, daß ausländische
Mächte die Legitimität bzw. Illegitimität von Regierungen in anderen Ländern überprüfen, wobei die Anwendung dieser Doktrin auf
den amerikanischen Kontinent beschränkt gewesen sei. Aus diesem
Grunde habe die mexikanische Regierung ihre „Botschafter und Geschäftsträger in den von den gegenwärtigen Krisen betroffenen Ländern" davon informiert, daß sie keine Anerkennungserklärungen
mehr abgeben werde, weil sie der Ansicht sei, daß eine solche Anerkennung einer Beleidigung gleichkäme, da sie die Souveränität der
anderen Nationen verletze. Zudem maße sich der anerkennende Staat
damit gleichzeitig ein Urteil über die rechtliche Qualifikation einer
ausländischen Regierung a n s s . Mit dieser Auffassung „wird die völkerrechtliche Anerkennung schon als solche für ein unzulässiges Mittel völkerrechtlicher Intervention erklärt und verworfen". Es war
daher vorauszusehen, daß es weder gelingen würde, die Anwendung
der Estrada-Doktrin durchzusetzen, noch sie, wie die Tobar-Doktrin,
in rechtlichen Formen zu verankern. Aber der in der Estrada-Doktrin zum Ausdruck gebrachte Standpunkt hat dessen ungeachtet nach
Carl S c h m i t t s Ansicht „den dialektischen Wert einer folge3l
) R o c m e r , Strukturwandel der nordamerikanischen Ibero-Amerika-Politik
1928—1934, S. 251.
si
) Während Hoover die Politik der Nichtanerkennung in Südamerika einstellte,
setzte er sie unter Berufung auf den Washingtoner Vertrag von 1923 in Mittelamerika fort. Vgl. D e С ο η d e , Herbert Hoover's Latin-American Policy, S. 52
bis 58.
ss
) Vgl. die wichtigsten Auszüge aus der Estrada-Doktrin im Anhang, S. 404 f. Der
englische Text der Estrada-Doktrin ist veröffentlicht im American Journal of International Law 25 (1931), Supplement, S. 203.
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Die Tobar-Doktrin
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richtigen Antithese und behält diesen Wert, auch wenn er machtpolitisch zu einer ohnmächtigen Geste geworden ist" **.
Nur in der Politik der zentralamerikanischen Republiken läßt sich
Anfang der 30er Jahre ein gewisser Einfluß der Estrada-Doktrin erkennen, der zu einer immer stärker werdenden Ablehnung der TobarDoktrin beitrug, die Hoover zum ersten Mal erfolgreich in Guatemala anwandte. Hier war Präsident Ldzaro ChaaSnEnde 1930 wegen
einer schweren Krankheit zurückgetreten. Der Vizepräsident Baudilio
Palma übernahm sein Amt und wurde auch von den Vereinigten
Staaten anerkannt. Mitte Dezember 1930 wurde er jedoch durch Manuel Orellana gestürzt, den die Legislative für die Zeit der Krankheit
Chacöns als provisorischen Präsidenten bestätigte. Daraufhin ließ ihm
der nordamerikanische Außenminister Henry L. Stimson mitteilen,
daß ihn die Vereinigten Staaten nicht anerkennen würden. Da Washington trotz aller Bemühungen Orellanas seine Haltung nicht änderte, trat er Anfang Januar 1931 zurück, worauf der Kongreß Josέ
Maria Reina Andrade zum provisorischen Präsidenten wählte, der unmittelbar darauf von den Vereinigten Staaten und den übrigen zentralamerikanischen Republiken anerkannt wurde.
Wesentlich undurchsichtiger war die Lage in El Salvador, wo Anfang Dezember 1931 Präsident Arturo Araujo durch einen Militärputsch gestürzt worden war und der Vizepräsident Maximiliano
Herndndez Martinez die Macht übernahm. Zwar war offensichtlich,
daß die Bevölkerung und das Militär hinter ihm standen, aber die
aus San Salvador in Washington eintreffenden Berichte über den
Verlauf des Staatsstreiches waren widersprüchlich, und Stimson wußte nicht, ob Martinez an der Rebellion beteiligt gewesen war und
M
) S c h m i t t , Nomos der Erde, S. 282. Von besonderem Interesse г и т Verständnis der Estrada-Doktrin erscheinen der Aufsatz von Philipp C. J e s s и ρ ,
The Estrada Doctrine, in: American Journal of International Law 25 (1931), S.
719—723 und die Ausführungen des damaligen mexikanischen Botschafters in Warschau, Rodolfo N e r ν ο , La Doctrine Mexicaine „d'Estrada" sur la Reconnaissance,
in: Revue de Droit International 7 (1931), S. 436—445. Es ist jcdoch bemerkenswert,
daß das Nichtinterventionsprinzip im Sinne der Estrada-Doktrin in verschiedenen panamerikanischen Verträgen Aufnahme gefunden hat und auch in der Charta
der Organisation der Amerikanischen Staaten, wenn audi in abgeschwächter Form,
wieder auftaucht (besonders im Artikel 9). Offensichtlich hat sich besonders Ecuador
für diese Formulierung eingesetzt. Vgl. Gordon C o n n e l l - S m i t h , The InterAmerican System, London-New York-Toronto 1966, S. 287 f. Vgl. den Artikel 9
aber auch die Artikel 15—17 der Charta der OAS in: Filix G. F e r n i n d e z S h a w , La Organizaciön de los Estados Americanos (O.E.Α.). Una nueva visi<5n
de Amirica, Madrid 1959, S. 671 f. sowie den Kommentar S. 283—287.
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Günter Kahle
der Artikel 2 des Vetrages von 1923 auf ihn angewandt werden sollte. Um Klarheit zu gewinnen, sandte er den früheren nordamerikanischen Botschafter in San Salvador, Jefferson Caffery, an seine
alte Wirkungsstätte zurück, der ihm berichtete, daß das Regime zwar
stabil sei, Martinez jedoch an der Rebellion teilgenommen habe. Daraufhin beschloß die nordamerikanische Regierung, ihn nicht anzuerkennen und berief Anfang Januar ihren Botschafter aus San Salvador ab. Einige Wochen später gelang es Martinez, einen gegen ihn
gerichteten kommunistischen Aufstand niederzuschlagen, worauf ihn
das Parlament zum verfassungsmäßigen Präsidenten erklärte, was jedoch von Washington nicht als ausreichende Legalisierung betrachtet wurde.
Martinez erbrachte indessen zahlreiche Beweise für die politische
und wirtschaftliche Stabilität seiner Regierung und erklärte, als sich
die Stimmen für seine Anerkennung mehrten, daß er den Vertrag
von 1923 für El Salvador nicht länger als verbindlich betrachte und
im Amt bleiben werde, umsomehr, als er als Vizepräsident legal gewählt worden sei, egal, ob man ihn nun anerkennen werde oder nicht.
Seine Stellung wurde auch noch dadurch gestärkt, daß die meisten
Staaten, einschließlich der zentralamerikanischen Republiken, gute
Beziehungen zu ihm unterhielten, obwohl sie seine Regierung nicht
offiziell anerkannt hatten. Während sich El Salvador und Costa Rica anfangs gemeinsam „für die Befolgung der Estrada-Doktrin aussprachen" M , befürwortete Costa Rica 1932 eine Anerkennung der
Regierung Martinez, zögerte aber mit Rücksicht auf die Vereinigten
Staaten, sie offen zu erklären. Mit Ausnahme Guatemalas, dessen
Regierung ihre Existenz dem Vertrag von 1923 verdankte, stimmten
die Regierungen der anderen zentralamerikanischen Republiken dieser Haltung zu, aber keine wagte, den ersten Schritt zu tun. Ende
1932 begannen verschiedene europäische Staaten, Beziehungen zur
Regierung Martinez aufzunehmen, denen dann bald die offizielle Anerkennung folgte, und „Ende August 1933 war diese von 23 europäischen, 4 asiatischen und 9 ibero-amerikanischen Mächten . . . vollzogen worden" 3e.
M
) Thomas L. K a r n e s , The Failure of Union. Central America, 1824—1960,
Chapel Hill 1961, S. 227.
" ) R o e m c r , Strukturwandel der nordamerikanischen Ibero-Amerika-Politik
1928—1934, S. 241 f.
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Die Tobar-Doktrin
401
Den Ausschlag für die weitere Entwicklung gab schließlich die
Haltung Costa Ricas, dessen Außenminister Le6nidas Pacheco im Namen seiner Regierung am 23. Dezember 1932 die anderen zentralamerikanischen Signatarstaaten des zweiten Washingtoner Vertrages
davon unterrichtete, daß Costa Rica den am 31. Dezember 1933
ablaufenden Vertrag von 1923 nicht mehr verlängern wolle, sondern
kündigen werde. In diesem Zusammenhang bestätigte er, daß Costa
Rica zwar zahlreiche Vorteile des Vertragswerkes anerkenne, aber
„wenn es den gegenwärtigen Zustand und die Geschichte der Ereignisse in dem Zeitraum seiner Gültigkeit betrachte (eine deutliche
Anspielung auf die damals noch bestehende Intervention der Vereinigten Staaten in Nicaragua), sei es der Meinung, daß gewisse Klauseln den unterzeichneten Staaten Verpflichtungen auferlegten, die ihre Souveränität und Unabhängigkeit berührten und außer Kraft gesetzt werden müßten" 37 . Fünf Tage später, am 28. Dezember 1932,
kündigte El Salvador den Vertrag ebenfalls. Unmittelbar nach dem
Ablauf des Vertrages wurde die Regierung Martinez Anfang Januar
1934 von Costa Rica de jure anerkannt; am 25. Januar 1934 folgten
die übrigen drei zentralamerikanischen Republiken und einen Tag
darauf die Regierung von Franklin Delano Roosevelt.
Damit war die endgültige Abkehr von der Nichtanerkennungspolitik
Wilsons vollzogen worden, und auch das Experiment der Anwendung
der Tobar-Doktrin in Mittelamerika war beendetse. Um zu einem abschließenden Urteil zu gelangen, muß man feststellen, daß die praktische Anwendung der Nichtanerkennungsklauseln aus den beiden
Washingtoner Verträgen einerseits zwar voller Widersprüche war, andererseits aber die Außenpolitik der Vereinigten Staaten in Mittelamerika wohl doch nicht ganz so verworren und planlos gewesen
ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Es sei denn, man würde zu der Annahme neigen, daß die Tobar-Doktrin für die Nordamerikaner mehr bedeutete, als nur ein Mittel zum Zweck. Denn
über allem stand zweifellos der dringende Wunsch Washingtons nach
geordneten Verhältnissen in Mittelamerika, was sowohl im öffentlichen als auch im privaten Interesse der Nordamerikaner lag. Unter
diesem Aspekt mußte es stets das Bestreben der Vereinigten Staaten
" ) Zitiert nach R o e m t r , ebd., S. 242.
" ) Die Vermutung, daß »die zentralamerikanisdien Staaten sich die mexikanische
.Estrada-Doktrin* zu eigen machen werden", hat sich nicht bestätigt. R o e m e r ,
ebd., S. 243.
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402
Günter K a h l e
sein, ein labiles Regime in Mittelamerika durch ein stabiles zu ersetzen, wobei es letztlich freilich ganz gleichgültig blieb, ob es gewaltsam zur Macht gekommen war oder nicht. Wichtig war allein,
daß die Anerkennung nur der Regierung zuteil werden durfte, die die
größte Stabilität versprach und die besten Aussichten für Investitionen und eine wirtschaftliche Durchdringung ihres Landes bot. Die
Tobar-Doktrin wurde damit freilich vom moralischen Prinzip zum
bloßen Instrument wirtschaftspolitischer Interessen degradiert.
Wo jedoch, wie ζ. B. in der Wilson-Ära oder auch noch unter den
Nachwirkungen seiner „Doktrin", sich der missionarische Eifer gegenüber dem realpolitischen Denken in Washington durchsetzte, handelten die Vereinigten Staaten auch gegen ihre eigenen Interessen. Ihre
Politik gegenüber der Tinoco-Regierung und die Ablehnung der Regierung Martinez sind Beispiele, die zeigen, wie anfangs starke Regierungen geschwächt wurden. Als die Tobar-Doktrin 1923 unter
nordamerikanischem Einfluß sogar dahingehend erweitert wurde,
daß sie nicht mehr nur eine Beurteilung und Ablehnung konstitutioneller Mißstände umfaßte, sondern auch eine moralische Begutachtung ganzer Familien führender Politiker einschloß, griff sie weit
über ihren ursprünglichen Rahmen hinaus und rückte mit der Drohung der persönlichen Diffamierung und Verurteilung ganzer Gruppen in bedenkliche Nähe der Grenze zum kollektiven Schuldprinzip.
Wahrscheinlich können solche Vorstellungen nur aus dem völligen
Unverständnis der Nordamerikaner gegenüber dem traditionellen
Recht der Lateinamerikaner auf die Revolution erklärt werden. Verhindert werden konnten die Revolutionen in Mittelamerika durch
die Tobar-Doktrin jedenfalls nicht. Und wenn auch der Widerstand
der jeweiligen Regierung eines von den Vereinigten Staaten nicht anerkannten zentralamerikanischen Staates meist nur gering war, da
sie im Hintergrund stets das Gespenst einer drohenden militärischen
Intervention durch die „marines" sah, schreckte dieser Gedanke die
Revolutionäre nur wenig, denn sie hatten meist nichts zu verlieren
und wußten, daß auch die Anerkennung nicht mit Sicherheit vor
einer späteren Invasion schützte. Als sie aber glaubten, während der
Regierungszeit Hoovers ein Eingreifen der nordamerikanischen
Streitkräfte in keinem Fall mehr fürchten zu müssen, kümmerten sie
sich, wie Martinez, auch nicht mehr um unbequeme Doktrinen und lästige Verträge und zerbrachen sie schließlich.
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Die Tobar-Doktrin
403
Anhang
Auszug aus dem Brief Tobars vom 15. März 1907
(Entnommen aus: Laudelino M o r e n o , Historia de las Relaciones Interestatuales
de Centroamirica, Madrid »1928, S. 175.)
Las Republicas americanas, por su buen nombre у cridito aparte
de otras consideraciones humanitarias у altruistas, deben intervenir
de modo indirecto en las disensiones intestinas de las Republicas del
Continente. Esta intervenci<5n podria consistir, a lo menos, en el no
reconocimiento de los Gobiernos de hecho surgidos de revoluciones
contra la Constituciön... Una intervenciön convenida no es propiamente una intervenci<Sn. Los autores mismos que no aceptan las intervenciones aisladas, las aceptan cuando son hechas por varios paises en
colectividad, el mundo moderno interviene en la cuesti0n social у hace
lo posible por procurar, mediante pactos, el mejoramiento de la condiciön obrera . . . No es frivolo reflexionar sobre los medios de poner
obstaculos a este espantoso crimen multiplicado que se llama la guerra intestina. Las republicas latinoamericanas estan solidariamente interesadas en hacer cesar los escändalos de algunas de sus hermanas
mds desdichadas. En Europa el descridito las alcanza a todas, pues
se las comprende a todas en una sola entidad у en una misma calificaciön, cuando el periodista da la noticia de la alteraciön de la paz
interna en un pais del continente bajo el rubro: А т ё п с а ingobernable, revolucionaria о salvaje.
Artikel 1 des Supplementär-Vertrages von Washington vom
20. Dezember 1907
(Entnommen aus: Organizaciön de Estados Centroamericanos, Secretaria General (Hrsg.), Documentos de la Uni6n Centroamericana, recopilados por Alberto
Η e r r a r t e , Guatemala 1957, S. 190.)
Articulo I. Los Gobiernos de las Altas Partes Contratantes no reconoceran a ninguno que surja en cualquiera de las cinco Republicas
por consecuencia de un golpe de estado о de una revolucion contra un
Gobierno reconocido, mientras la representaci<5n del pueblo, libremente electa, no haya reorganizado el pais en forma constitucional.
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Günter Kahle
Artikel 2 des Allgemeinen Friedens- und Freundschaftsvertrages von Washington vom 7. Februar 1923
(Entnommen aus: Organizacidn de Estados Centroamericanos, Secretaria General (Hrsg.), Documentos de la Uni0n Centroamericana, recopilados por Alberto
H e r r a r t e , Guatemala 1957, S. 264 f.)
Articulo II. Deseando asegurar en las Republicas de Centro-Amirica los benificios que se derivan de la practica de las instituciones libres
у contribuir al propio tiempo a afirmar su estabilidad у los prestigios
de que debe rodearse, declaran que se considera amenazante a la paz
de dichas Republicas todo acto, disposiciön о medida que altere en
cualquiera de ellas el orden constitucional, ya sea que proceda de
algiin Poder Publico, ya de particulares.
En consecuencia, los Gobiernos de las Partes Contratantes no reconocerdn a ninguno que surja en cualquiera de las cinco Republicas
por un golpe de Estado о de una revoluci6n contra un Gobierno reconocido, mientras la representaciön del pueblo, libremente electa, no
haya reorganizado el pais en forma constitucional. Y aun en este caso se obligan a no otorgar el reconocimiento, si alguna de las personas que resultaren electas Presidente, Vice-presidente о Designado,
estuviere comprendida el cualquiera de los casos siguientes:
1° Si fuere el Jefe о uno de los Jefes des golpe de Estado о de la
revoluci<5n; о fuere por consanguinidad о afinidad, ascendiente,
descendiente о hermano de alguno de ellos;
2° Si hubiese sido Secretario de Estado о hubiese tenido alto mando
militar al verificarse el golpe de Estado о la revoluci«Sn, о al practicarse elecci<5n о hubiese ejercido ese cargo о mando durante Ios
seis meses anteriores al golpe de Estado, revoluci6n о elecciön;
Tampoco serd reconocido en ningun caso, el Gobierno que surja de
elecciones recaidas en un ciudadano inhabilitado expresa e indubitablemente por la Constituci<Sn de su pais para ser electo Presidente,
Vice-presidente о Designado.
Auszug aus der Estrada-Doktrin vom 27. Dezember 1930
(Entnommen aus: Historia Documental de Mexico, Band 2, hrsg. von Ernesto
d e l a T o r r e V i l l a r , Mois£s G o n z a l e z N a v a r r o und Stanly R o s s ,
Mexico 1964, S. 527 f.)
Es un hecho muy conocido el de que Mexico ha sufrido, como
pocos paises hace algunos anos, las consecuencias de esa doctrina, que
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Die Tobar-Doktrin
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deja al arbitrio de gobiernos extranjeros el pronunciarse sobre la
Iegitimidad о ilegitimidad de otro r£gimen, produciindose con este
motivo situaciones en que la capacidad legal о el ascenso nacional de
gobiernos о autoridades, parece supeditarse a la ορΐηΐόη de los extranos. L a doctrina de los llamados «reconocimientos» ha sido apllcada,
a partir de la Gran Guerra, particularmente a naciones de este Continente...
Despu^s de un estudio muy atento sobre la materia, el Gobierno de
Μέχίοο ha transmitido instrucciones a sus Ministros о Encargados
de Negocios en los paises afectados por las recientes crisis politicas,
haciindoles conocer que Μέχίοο no se pronuncia en el sentido de
otorgar reconocimientos porque considera que £sta es una prdctica
denigrante que, sobre herir la soberania de otras naciones, coloca a
£stas en el caso de que sus asuntos interiores puedan ser calificados,
en cualquier sentido, por otros gobiernos, quienes de hecho asumen
una actitud de critica al decidir, favorable о desfavorablemente, sobre la capacidad legal de regimenes extranjeros.
En consecuencia, el Gobierno de Мёхко se limita a mantener о
retirar, cuando lo crea procedente, a sus agentes diplomäticos у a continuar aceptando, cuando tambiin lo considere procedente, a los similares agentes diplom^ticos que las naciones respectivas tengan acreditados en Mixico, sin calificar, ni precipitadamente, ni a posteriori,
el derecho que tengan las naciones extranjeras para aceptar, mantener о subsistir a sus gobiernos о autoridades · . .
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